© 2018 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 081/18 Zur Beantragung von Forschungsprojekten an gentechnisch veränderten Pflanzen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 2 Zur Beantragung von Forschungsprojekten an gentechnisch veränderten Pflanzen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 081/18 Abschluss der Arbeit: 24. August 2018 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen im Bereich der Forschung, Grundlagenforschung und Sicherheitsforschung 5 3. Standortregister 6 4. Zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens 7 5. Kosten des Genehmigungsverfahrens 9 6. Anträge für Freisetzungen innerhalb der EU 9 Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 4 1. Einleitung Wie der Gerichtshof der Europäischen Union am 25. Juli 20181 bekannt gegeben hat, sollen Nutzpflanzen , an denen eine Gen-Editierung durchgeführt wurde („obtained by mutagenesis techniques “) den gleichen strengen Vorschriften unterliegen wie konventionelle gentechnisch veränderte (GVO-)Organismen.2 Da insbesondere der Bereich der Pflanzenzüchtung als besonders aussichtsreiches Anwendungsgebiet moderner biotechnologischer Methoden wie die Verwendung von Genscheren genannt wird, und vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen und ernährungsrelevanter Überlegungen die weitere Erforschung als sehr wichtig erachtet wird3, wird die Diskussion zu Chancen und Risiken mit großer Intensität in der Wissenschaft und Öffentlichkeit geführt. Zurzeit erfolgt in Deutschland kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen.4 Von Seiten der Wissenschaft wird immer wieder betont, dass trotz der Erfolge bei der Anwendung von Genom-Editierung bei Pflanzen viele Fragen offen blieben und ein erheblicher Forschungsbedarf bestehe. In der vorliegenden Arbeit wird auf die Forschungsantragsverfahren zur Freisetzung von veränderten Pflanzen eingegangen. Für derartige Antragsverfahren ist in Deutschland ganz maßgeblich das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zuständig. Finden hingegen gentechnische Arbeiten in Anlagen statt, sind für Anzeigen, Anmeldungen und Genehmigungen gentechnischer Arbeiten und Anlagen in Deutschland die Bundesländer zuständig. Gegebenenfalls je nach Einstufung oder bei strittigen Fragen, wird die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) beteiligt, deren Geschäftsstelle am Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angesiedelt ist.5 1 Quelle: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-07/cp180111en.pdf [zuletzt abgerufen am 24. August 2018]. 2 Quelle: https://www.nature.com/articles/d41586-018-05814-6 [zuletzt abgerufen am 24. August 2018]. 3 Siehe hierzu beispielsweise: Armin Scheben, David Edwards: Genome editors take on crops Genome editing technologies may help to enhance global food security; Science vom 17. März 2017; VOL 355 ISSUE 6330. Pressemitteilung der Leopoldina vom 14. Februar 2017: https://www.leopoldina.org/de/presse/pressemitteilungen /pressemitteilung/press/2463/. D. Jaganathan, K. Ramasamy, G. Sellamuthu, S. Jayabalan, G. Venkataraman: CRISPR for Crop Improvement: An Update Review; Front Plant Sci. 2018; 17. Juli 2018; 9:985. doi: 10.3389/fpls.2018.0098 [zuletzt abgerufen am 15. August 2018]. 4 Quelle: https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau/Gentechnik/_Texte/Gentechnik_Wasgenauistdas .html [zuletzt abgerufen am 24. August 2018]. 5 Quelle: https://www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik/01_Aufgaben/02_ZustaendigkeitenEinzelneBereiche /01_GentArbeitenAnlagen/gentechnik_GentArbeitenAnlagen_node.html [zuletzt abgerufen am 24. August 2018]. Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 5 2. Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen im Bereich der Forschung, Grundlagenforschung und Sicherheitsforschung Grundlegend bedeutend für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen im Bereich der Forschung, Grundlagenforschung und Sicherheitsforschung ist die Freisetzungsrichtline 2001/18/EG6. Im Teil B (Absichtliche Freisetzung von GVO zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen ) wird in den Artikeln 5 – 11 auf die Verfahren und Voraussetzungen für das experimentelle Freisetzen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) eingegangen. Die Genehmigung für das experimentelle Freisetzen von GVOs obliegt den nationalen Behörden: Wenn ein Antragsteller in Deutschland beabsichtigt, gentechnisch veränderte Organismen für experimentelle Zwecke freizusetzen, muss er einen Antrag beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) stellen. Seit dem 1. April 2004 ist das BVL als Bundesoberbehörde für die Genehmigung von Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen verantwortlich . Gemäß § 15, 1 GenTG sind entsprechende beschreibende und Risiko-bewertende Unterlagen beizufügen; der Antragsteller „muss in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sein oder einen dort ansässigen Vertreter benennen“7, und bei einem Verlängerungsantrag der Genehmigung der Inverkehrbringung ist der Antrag spätestens neun Monate vor Ablauf der Genehmigung zu stellen. Ein Antragsleitfaden ist auf den Internetseiten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit abrufbar.8 Des Weiteren hält das BVL umfangreiches Informationsmaterial zur Antragsstellung bereit.9 Auch auf den Internetseiten der Europäischen Kommission sind einleitende Informationen zur Beantragung von GVOs in der Landwirtschaft abrufbar. Allerdings wird hier vorrangig auf das allgemeine Inverkehrbringen von GVOs in die Umwelt eingegangen, nicht speziell zu Forschungszwecken .10 Zum Antragsablauf gibt das BVL bekannt: 6 Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates - Erklärung der Kommission: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=CELEX:32001L0018 [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. 7 § 15 GenTG, Teil B, Abs. 3 (3), Satz 1. 8 Internetseite ohne Datumsangabe: Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen – Leitfaden für Antragsteller aktualisiert; https://www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik/04_Fachmeldungen/2012/Leitfaden_Freisetzung .html [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. 9 Internetseite ohne Datumsangabe: Aufgaben im Bereich Gentechnik; für Antragsteller und Anwender: https://www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik/03_Antragsteller/gentechnik_antragsteller_node.html [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. 10 Quelle: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-04-16_de.htm [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 6 „Wird eine Freisetzung beantragt, müssen die Antragsunterlagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies erfolgt im Allgemeinen durch Auslegen der Unterlagen im BVL sowie an geeigneter Stelle in der Gemeinde der geplanten Freisetzung. […] Wird ein Antrag auf Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen gestellt, prüft das BVL, ob die Gesundheit von Menschen, die Umwelt oder Sachgüter durch die geplante Freisetzung gefährdet sein könnten. Grundlage für diese Sicherheitsbewertung ist das Wissen über den Ausgangsorganismus, über die Wirkung der gentechnischen Veränderung und über die Eigenschaften des GVO. Diese Informationen bezieht das BVL aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen und aus den Ergebnisse und Beobachtungen von Vorversuchen mit den GVO in gentechnischen Anlagen (Labor oder Gewächshaus). Auch Erkenntnisse aus den Freisetzungen ähnlicher Organismen oder Organismen mit ähnlichen Merkmalen können zur Bewertung herangezogen werden. Das BVL trifft Entscheidungen über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen im Benehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz, dem Bundesinstitut für Risikobewertung und dem Robert-Koch-Institut. Das Julius Kühn-Institut, die "Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit" und die zuständige Behörde des betroffenen Bundeslandes geben Stellungnahmen zum Freisetzungsvorhaben ab. Im Falle der Freisetzung von gentechnisch veränderten Wirbeltieren oder von gentechnisch veränderten Mikroorganismen, die an Wirbeltieren angewendet werden , wird auch das Friedrich-Loeffler-Institut beteiligt. Die anderen EU-Mitgliedstaaten werden über Freisetzungsanträge in Deutschland informiert und können Stellungnahmen dazu abgeben. Wenn von der geplanten Freisetzung nach dem Stand der Wissenschaft keine Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgeht, ist die Freisetzung vom BVL zu genehmigen. Die Genehmigungspflicht besteht unabhängig vom Zweck der Freisetzung (z. B. Grundlagenforschung oder Entwicklung neuer Sorten) und jeder Freisetzungsantrag wird einzeln geprüft. […] Das BVL kann bei einer Freisetzungsgenehmigung Auflagen erteilen, soweit dies erforderlich ist, um die Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. […] Anders als GVO, für die eine EUweite Genehmigung zum Inverkehrbringen erteilt wurde, dürfen GVO, die im Rahmen von Freisetzungsversuchen ausgebracht werden, weder als Lebensmittel noch als Futtermittel verwendet oder zu solchen weiterverarbeitet werden. Es ist jedoch gestattet, sie in gentechnische Anlagen zu bringen und dort weitere Untersuchungen durchzuführen. Nicht mehr benötigtes gentechnisch verändertes Material muss inaktiviert, d. h. vermehrungsunfähig gemacht werden.“11 3. Standortregister Das GVO-Standortregister wurde nach einer Änderung des Gentechnikgesetzes (GenTG) im Februar 2005 vom BVL eingerichtet und dient der Beobachtung möglicher unerwünschter Auswirkungen von GVOs auf die Umwelt und der Information für die Öffentlichkeit.12 Das BVL muss 11 Quelle: https://www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik/01_Aufgaben/02_ZustaendigkeitenEinzelneBereiche /02_Freisetzung/gentechnik_freisetzung_node.html [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. Fettung erfolgte durch den Autor der vorliegenden Arbeit. 12 Siehe: http://apps2.bvl.bund.de/stareg_web/showflaechen.do [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 7 einen geplanten Anbau mindestens drei Monate vor der Aussaat mitteilen. Es ist allerdings festzustellen , dass in Deutschland die Zahl der Freilandversuche seit 2008 stark rückläufig ist und seit 2013 keine Freilandversuche mit GVO-Pflanzen mehr durchgeführt wurden.13 4. Zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens Laut Angaben des BVL muss der Antragssteller für das gesamte Genehmigungsverfahren etwa sechs bis sieben Monate einplanen. Vorab muss er selbstverständlich selbst seine Planungsmaßnahmen zeitlich einkalkulieren.14 Schematisch wird das Antragsverfahren im Leitfaden des BVL folgendermaßen dargestellt: 13 Siehe hierzu auch: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Pflanze/GrueneGentechnik /TI-Studie_Kennzeichnung.pdf?__blob=publicationFile [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. 14 BVL: Leitfaden für die Beantragung und Durchführung der Freisetzung gentechnisch veränderter höherer Pflanzen ; Version 1.6, Stand Oktober 2012; im Internet abrufbar unter: https://www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik /03_Antragsteller/02_Freisetzungen/gentechnik_Freisetzungen_node.html [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 8 Wissenschaftliche Dienste WD 8 - 3000 - 081/18 Seite 9 Zusätzlich ist zu beachten, dass „bei Freisetzungsvorhaben, in deren Einflussbereich sich Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung oder Europäische Vogelschutzgebiete befinden, eine Prüfung nach § 35 BNatSchG durchzuführen [ist], für die das BVL als die im gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren federführende Behörde zuständig ist. Das BVL führt die einzelnen Schritte unter Beteiligung des BfN und ggf. der örtlichen Naturschutzbehörden durch.“15 5. Kosten des Genehmigungsverfahrens Zu den Kosten des Genehmigungsverfahrens gibt das BVL in seinem Leitfaden bekannt: „Die Kosten für die Durchführung eines Freisetzungsgenehmigungsverfahrens sind vom Antragsteller zu tragen. […] Der Gebührenrahmen für die Durchführung eines Freisetzungsgenehmigungsverfahrens beträgt laut § 2 Abs. 1 Nr. 1 BGenTGKostV 2.500 bis 15.000 €. In Fällen, die einen besonders hohen Aufwand erfordern, kann die Gebühr bis auf 75.000 € erhöht werden. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine Prüfung nach § 35 BNatSchG durchgeführt werden muss.“16 6. Anträge für Freisetzungen innerhalb der EU Gemäß Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG Teil B Artikel 11(4) werden von den zuständigen Behörden jährlich die Freisetzungen an die Kommission weitergeleitet: „In Bezug auf die Freisetzungen von GVO gemäß Artikel 7 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission einmal jährlich eine Liste der GVO, die in ihrem Hoheitsgebiet freigesetzt wurden, sowie eine Liste der Anmeldungen , die abgelehnt wurden; die Kommission leitet diese Listen an die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten weiter“. Diese Auflistungen der tatsächlich erfolgten Freisetzungen wurden im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt, sondern vielmehr die Beantragungen von Freisetzungsvorhaben. Zu letzteren existiert auf den Internetseiten der Kommission eine Auflistung für alle Mitgliedstaaten der EU17: http://gmoinfo.jrc.ec.europa.eu/gmp_browse.aspx [zuletzt abgerufen am 20. August 2018] (Anlage 1). Auf den Internetseiten des BVL hingegen sind sämtliche Freisetzungsanträge für Deutschland abrufbar: http://apps2.bvl.bund.de/freisetzungsliste /home.jsf [zuletzt abgerufen am 20. August 2018]. *** 15 Ebd. Seite 71. 16 Ebd. Seite 73. 17 Zu beachten ist, dass es sich nur um Beantragungen handelt. Es geht hieraus nicht hervor, ob diese auch tatsächlich durchgeführt wurden. In einigen Fällen existiert eine Angabe, ob das Projekt zurückgezogen wurde, oder es liegt ein „Final Report“ der Durchführung vor.