© 2015 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 080/2014 Klimabilanz des Fracking in den USA Einzelfragen zur Berechnung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 080/2014 Seite 2 Klimabilanz des Fracking in den USA Einzelfragen zur Berechnung Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 080/2014 Abschluss der Arbeit: 05.11.2014 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 080/2014 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Treibhausgasausstoß bei der Erdgasförderung 4 2. Treibhausgasbilanzierung von Erdgasförderstätten in den USA 4 3. Kritik an der Treibhausgasbilanzierung 6 4. Ausgewählte Literaturquellen 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 080/2014 Seite 4 1. Treibhausgasausstoß bei der Erdgasförderung Bei der Erdgasförderung mittels Fracking entstehen bei verschiedenen Prozessschritten Treibhausgasemissionen . Zur Ermittlung der Klimabilanz werden diese getrennt voneinander betrachtet . Es werden vier Prozessschritte unterschieden. Die Erschließung und Produktion: Aus dem Bohrloch selbst können Emissionen austreten, aber auch aus den Gasleitungen und Aufbereitungsanlagen an der Produktionsstätte. Aus pneumatischen Geräten treten üblicherweise Gase aus, aber auch beim erstmaligen und allen weiteren Frackprozessen zur Erhöhung der Durchgängigkeit des Gesteins. Aus diesem Grund liegen die Treibhausgasemissionen aus unkonventionellen Erdgasförderstätten, die mittels Fracking erschlossen werden, höher als aus konventionellen Förderstätten. Die Aufbereitung: Um das Erdgas transportfähig zu machen, werden beigemischte Flüssigkeiten abgetrennt. Bei dieser Aufbereitung tritt verschiedenerorts Methan, der Hauptbestandteil des Erdgases und ein wesentlich stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid, insbesondere aus Kompressoren und deren Dichtungen aus. Nachfolgend werden saure Gase und Kohlendioxid vom Erdgas abgetrennt Bei diesem Vorgang kommt es abermals zu Treibhausgasemissionen. Transport und Lagerung: Erdgas wird mit einem hohen Druck über weite Strecken durch Pipelines gefördert. An den Kompressoren und Pumpen kommt es zum Austritt von Treibhausgasen vornehmlich Methan. In Zeiten geringerer Nachfrage wird das Erdgas in unterirdischen Formationen gespeichert. Auch hier kommt es zu Verlusten und zur Freisetzung von Treibhausgasen, vornehmlich Methan, an den Kompressoren und Dehydratatoren. Die Verteilung: Schließlich wird der Energieträger in Leitungen mit niedrigerem Druck zu den Endkonsumenten gebracht. Auch hier kann es zum Austritt von Methan kommen (U.S. Environmental Protection Agency 2013: 17ff.) 2. Treibhausgasbilanzierung von Erdgasförderstätten in den USA In den USA gibt es mehrere Tausend konventionelle sowie unkonventionelle Erdgasförderstätten. Jedes Jahr werden rund 11.000 neue Vorkommen mittels Fracking erschlossen. Rund 1.400 bereits aktive Bohrlöcher werden jedes Jahr erneut gefrackt, um den Ertrag zu erhöhen (EPA 2012). Die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen unterscheidet nicht grundsätzlich zwischen konventionellen und unkonventionellen Förderstellen. Damit die USA jedes Jahr ihre Treibhausgasemissionen im Rahmen eines Treibhausgasinvent2rs an das Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention melden können, werden die Emissionen je Sektor abgeschätzt. Einer dieser Sektoren ist der Erdgassektor. Die sektoralen Berechnungen führt die EPA selbst durch. Diese Berechnung ist im Wesentlichen eine extrapolierte Abschätzung: Für einige Hundert Förderquellen werden die Methan- und Kohlendioxidemissionen über die vier oben genannten Prozessschritte abgeschätzt , dann die Minderung durch bekannte oder berichtete Reduktionsmaßnahmen abgeschätzt und subtrahiert und durch Summation die Nettoemissionen der Förderquellen ermittelt. Dieser Mittelwert wird dann auf die tatsächliche Zahl der Förderquellen extrapoliert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 080/2014 Seite 5 Daneben gibt es seit 2011 ein „greenhouse gas reporting system", in dem Unternehmen Daten über die gesamte Prozesskette im Sinne der oben genannten vier Prozesse liefern. Bei der Bilanzierung der Treibhausgasemissionen können die Unternehmen allerdings verschiedene Herangehensweisen wählen. Sie können freigesetztes Gas an der Förderstelle mit Durchflussmessern oder ähnlichen Geräten messen. Sie können aber auch ingenieurswissenschaftliche Rechenmodelle zugrunde legen, um ihre Emissionen zu berechnen. Sie können des Weiteren auch von der EPA vorgegebene Emissions- und Aktivitätstaktoren für eine pauschale Hochrechnung zu Grunde legen , um ihre Emissionen abzuschätzen. Seit 2011 werden Daten auf Ebene der einzelnen Förderstätte im Rahmen des greenhouse gas reporting programs erhoben. Wenn die Treibhausgasemissionen 25.000 m3 Kohlendioxidäquivalente pro Jahr übersteigen, muss das Unternehmen Emissionsdaten an die EPA liefern. Die meisten Firmen werden von der Berichtspflicht erfasst. Auf Ebene des Betriebs der Förderstätten gibt die EPA vier verschiedene Emissionsfaktoren vor, diese differenzieren jedoch nicht nach unkonventionellem oder konventionell gewonnenem Erdgas , sondern danach ob überschüssiges austretendes Gas ungehindert in die Atmosphäre abgelassen wird, in reduzierter Menge infolge von Kontrollmechanismen austritt, abgefackelt wird oder aufgefangen wird. Naturgemäß ist der Treibhausgaseffekt am größten, wenn das Erdgas — das überwiegend aus dem Treibhausgas Methan besteht — ungehindert in die Atmosphäre abgelassen wird. Der faktorbasierte Ansatz mit vier verschiedenen Faktoren je nach Betriebsweise beruht auf Abschätzungen, nicht auf individuellen realen Messungen. In diesem Jahr hat die EPA jedoch neue Emissions- und Aktivitätsfaktoren vorgeschlagen, um diese realen Begebenheiten anzupassen , nachdem diese überprüft wurden. Es lässt sich aber laut EPA nicht pauschal sagen, ob sich infolge dieser Korrektur die so berechneten Emissionen erhöhen oder vermindern. Es gab Korrekturen , die sich in beide Richtungen auswirken können. Wie oben dargestellt können die Unternehmen ihre Daten auch anders erheben und müssen nicht auf die von der EPA vorgeschlagenen Faktoren zurückgreifen. Bei der Berechnung des Treibhausgasausstoßes von mittels Fracking erschlossenen Förderstätten mittels ingenieurswissenschaftlicher Rechenmodelle werden beispielsweise die Druckunterschiede ausgewertet und auf die Menge austretender Gase zurückgerechnet. 2010 gab die EPA an, dass 3,8 Prozent der Treibhausgasemissionen des Erdgassektors auf die Erschließung mittels Fracking oder die erneute Anwendung des Fracking im Betrieb einer Erdgasförderstätte zurückgehen. Die Erschließung mittels Fracking ist generell mit höheren Emissionen verbunden verglichen mit anderen Erschließungstechniken. Die EPA berichtet, dass der Treibhausgasausstoß aus Erdgasförderstätten von 2012 bis 2014 stark gesunken sei. Diese Aussage beruht auf den sektoralen Treibhausgasemissionsdaten. Die Entwicklung geht auf eine Auflage der EPA vom April 2012 zurück, wonach Erdgasförderstätten zumindest ihre Emissionen abfackeln müssen. Dies war der erste föderale Umweltstandard für Erdgas aus gefrackten Quellen. Beim Abfackeln wird Methan in Kohlendioxid umgewandelt, wodurch der klimaschädliche Effekt vermindert wird. Ab 2015 müssen die Betreiber die austretenden Gase bei Erschließung und Produktion auffangen, wodurch die Emissionen sinken sollten . Es gibt einen stetigen Austausch zwischen Industrie und der Umweltbehörde EPA, der in regelmäßigen Workshops und Stakeholder Workshops offenkundig wird (fernmündlich: EPA 28.10.2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 080/2014 Seite 6 3. Kritik an der Treibhausgasbilanzierung Der EPA wird sowohl eine Unterschätzung der wahren Treibhausgasemissionen aus mittels Fracking erschlossenen Förderquellen vorgeworfen als auch eine Überschätzung. Erstere Kritik stammt überwiegend von Hochschulforschern, zweitere überwiegend aus der Industrie. Die Forscher stützen sich teils auf punktuelle Messungen, wonach der Methanausstoß an ausgewählten Förderquellen höher lag, als nach den Methoden der EPA veranschlagt oder aber auf globale Emissionsdaten, aus denen sie die Emissionen einzelner Sektoren abschätzten und zu höheren Emissionsdaten kamen als berichtet. Grundsätzliche Kritik kommt von Robert Howarth und Anthony Ingraffea von der Cornell University, die sich mit der Treibhausgasbilanzierung von Erdgasförderstätten beschäftigen. Die EPA veranschlagt das Treibhausgaspotenzial von Methan mit dem 21-fachen verglichen mit Kohlendioxid bezogen auf einen Zeitraum von 100 Jahren. Dies sei nicht mehr Stand der Wissenschaft und zu niedrig, so die Forscher. Sie stützen sich auf die Einschätzung des Weltklimarates IPCC, der das Treibhasgaspotenzial mit dem 34-fachen verglichen mit Kohlendioxid beziffert. Die EPA hat angekündigt, den Faktor ab 2015 von 21 auf 25 zu erhöhen. Auf diesen Faktor haben sich die Unterzeichnerstaaten der Klimarahmenkonvention verständigt; er wird also auch in Deutschland zur Erstellung der Treibhausgasinventare herangezogen . Howarth und Ingraffea beschäftigen sich intensiv mit der Ermittlung der Treibhausgasemissionen gefrackter Quellen und vertreten aufgrund eigener Berechnungen die Auffassung, dass diese mit wesentlich höheren Emissionen als der Betrieb konventioneller Quellen verbunden ist. Sie gehen von einem mindestens 30 bis 100 Prozent höheren Treibhausgasausstoß aus. Abb. 1.: Abschätzung der Treibhausgasemissionen aus verschiedenen Energiequellen (Quelle: Howarth, Santoro, Ingraffea 2011: 8). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 080/2014 Seite 7 4. Ausgewählte Literaturquellen EPA (2012). Overview of final amendments to air regulations for the oil and natural gas industry. Fact sheet, 17. April 2014, Washington, im Internet: http://www.epa.gov/oaqps001/oilandgas /pdfsJ20120417fs.pdf [Stand: 4.11.2014] EPA (2013). Methodologies for U.S. Greenhouse das Emissions Projections: Non-CO2 and Non¬Energy CO2 Sources. Dezember 2013, Washington, im Internet: http:www.state.gov/documents/organization/219472.pdf [Stand: 4.11.2014]. Howarth, R; Santoro, R; Ingraffea, A. (2011): Methane and the greenhouse-gas footprint of natural gas from shale formations In: Clirnate Change, im Internet: http://www.acsf.cornell.edu/Assets /ACSF/docs/attachments/Howarth-EtAl-2011.pdf. [Stand: 4.11.2014].