© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 079/20 Einzelfragen zu synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) Herstellungskosten und Anrechnung auf den CO2-Flottenverbrauch Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 2 Einzelfragen zu synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) Herstellungskosten und Anrechnung auf den CO2-Flottenverbrauch Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 079/20 Abschluss der Arbeit: 18. Dezember 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Herstellungskosten 5 3. Anrechnung auf den CO2-Flottenverbrauch 10 3.1. Europäische Union 10 3.2. USA 12 3.3. China 13 3.4. Schweiz 13 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 4 1. Einleitung Unter dem Begriff E-Fuels werden jegliche Formen synthetischer, chemischer Brennstoffe verstanden , die Strom in Form von chemischer Energie speichern und als Energieträger zur Verfügung stellen. Für viele Anwendungsfälle sind chemische Kohlenwasserstoffe als Energieträger besonders geeignet. Die Produktion dieser Kohlenwasserstoffe erfordert neben Wasserstoff zusätzlich eine Kohlenstoffquelle, wie beispielsweise CO2 aus Biomasse, CO2 aus industriellen Prozessemissionen oder atmosphärisches CO2. In der aktuellen Forschung um E-Fuels werden u.a. folgende Kohlenwasserstoffe als vielversprechende Kraftstoffe identifiziert: - Methanol - Ethanol - Oxymethylenether (OME) - Dimethyloxymethylen (DME) - Methan1 Zu den Vorteilen synthetischer Kraftstoffe erklärt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): „Synthetische Kraftstoffe - auch e-fuels genannt - werden im Gegensatz zu Benzin und Diesel nicht aus Erdöl, sondern aus erneuerbarem Strom und CO2 gewonnen. Sie können aber wie Benzin oder Diesel in Verbrennungsmotoren eingesetzt oder diesen beigemischt werden. Dabei handelt es sich um Verbindungen mit Namen wie Oxymethylenether (kurz: OME) oder n-Octanol. Diese Verbindungen verbrennen nahezu rußfrei und erlauben es daher , Motoren so zu verbessern, dass sie in der Gesamtbilanz sehr viel weniger CO2 und fast keinen Feinstaub oder Stickstoffoxid emittieren. (…) Hergestellt werden können sie aus verschiedenen Rohstoffen: aus fossilen Quellen und Biomasse , vor allem aber auch aus CO2, Wasser und regenerativ erzeugtem Strom. Das ist besonders interessant. Werden nämlich synthetische Kraftstoffe aus Biomasse oder regenerativen Energien gewonnen, ist ihre CO2-Bilanz nahezu neutral, da nur so viel CO2 ausgestoßen wird, wie für ihre Produktion gebraucht wurde. Das benötigte CO2 kann dabei entweder direkt aus der Atmosphäre gewonnen, oder bei Industrieprozessen wie der Stahlproduktion abgefangen werden.“2 1 Gatzen, Christoph; Bothe, David (2019). Kohlenstoffbasierte EFuels – wird der “grüne“ Kohlenstoff zur knappen Res-source? Eine Überschlagsrechnung für den deutschen Verkehrssektor. In: Maus, Wolfgang (Hrsg.). Zukünftige Kraftstoffe. Energiewende des Transports als ein weltweites Klimaziel. ATZ/MTZ-Fachbuch 2019. S. 116. 2 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Synthetische Kraftstoffe. https://www.bmbf.de/de/synthetische -kraftstoffe-5040.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 5 Nach Angaben des BMBF bestehe noch einiger Forschungsbedarf, vor allem wenn es darum geht, synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien und CO2 in großen Anlagen herzustellen. Erste kleinere Anlagen konnten synthetische Kraftstoffe bisher noch nicht im industriellen Maßstab liefern.3 Im Rahmen des vom BMBF geförderten Kopernikus Projekts Power2X wurde in Phase I eine modulare und kompakte P2X-Syntheseanlage aufgebaut und in Betrieb genommen. Diese Anlage sei das weltweit erste Beispiel für ein vollintegriertes P2X-System, in welchem alle Prozessschritte der P2X-Wertschöpfungskette von der Gewinnung des Ausgangsstoffes CO2 aus der Umgebungsluft bis hin zur Synthese der CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffe durchgeführt werden. Im Versuchsbetrieb werde es möglich sein, kontinuierlich etwa 10 Liter synthetischen Kraftstoff pro Tag zu produzieren.4 Für erste Projekte im industriellen Maßstab bestehen konkrete Planungen.5 Viele Technologien zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe hätten Beobachtern zufolge einen fast vollständigen Reifegrad erreicht. Diese müssten kontinuierlich weiterentwickelt und deren Effizienz verbessert werden, damit mit Skalen- und Erfahrungseffekten weitere Potentiale, u.a. hinsichtlich einer Kostenreduzierung, entstehen könnten.6 2. Herstellungskosten Für die Herstellung von E-Fuels stellt sich die Herausforderung der Erschließung von grünen Kohlenstoffquellen in erheblichem Umfang. In Betracht kommt etwa eine Gewinnung direkt aus der Luft („Direct Air Capturing“) oder aus industriellen Brennstoffprozessen. Die Kosten hierfür schätzen Experten wie folgt ein: „Entsprechend liegen die Kosten für die Gewinnung des Kohlenstoffs aus Direct Air Capturing sehr (prohibitiv) hoch bei heute rund 600 US$/t CO2. Langfristige Zielkosten in der 3 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Synthetische Kraftstoffe. https://www.bmbf.de/de/synthetische -kraftstoffe-5040.html. 4 Kopernikus Projekt Power2X (2019). Flyer Highlights Phase I. https://www.kopernikus-projekte.de/lw_resource /datapool/systemfiles/elements/files /B0ED082071AE27C3E0537E695E867659/live/document/P2X_Flyer_DE_20190828.pdf. 5 Z.B. das Projekt „Norsk e-Fuel“ in Norwegen von der Firma Sunfire (https://www.sunfire.de/de/e-fuel) und das Projekt „Haru Oni“ in Chile u.a. von Siemens Energy und Porsche (https://press.siemens-energy.com/global /de/pressemitteilung/siemens-energy-und-porsche-treiben-mit-partnern-die-entwicklung-klimaneutraler). 6 Damasky, Joachim; Block, Tobias (2019). CO2 und Emissionsgesetzte, Anforderungen & Lösungen. In: Maus, Wolfgang (Hrsg.). Zukünftige Kraftstoffe. Energiewende des Transports als ein weltweites Klima-ziel. ATZ/MTZ-Fachbuch 2019. S. 80. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 6 Literatur für die CO2 Extraktion aus Air Capturing liegen (optimistisch geschätzt) bei rund 100 US$/t CO2.7 […] Die Kosten für das „Abzweigen“ von CO2 aus Punktemissionsquellen liegen derzeit bei rund 60 US$ (bei Emissionsintensitäten wie bei Kohlekraftwerken) zuzüglich Kosten für den Transport und die Einlagerung von rund 10-15 US$/t CO2.“8 Differenziert nach der jeweiligen CO2-Quelle berechnen Beobachter folgende Produktionskosten für Methanol: „Die Produktionskosten des Methanols unter Einsatz von Elektrolyse-H2 liegen bei optimalen Randbedingungen ([…] CO2-Punktquelle nach Prozess A […]) bei 375 €/t (0,69 €/Liter Dieseläquivalent, 6,8 €c/kWh) und können sich mit den Stromkosten und verringerter Betriebszeit um mehrere Faktoren erhöhen. Beim Verwenden von CO2 aus der Luft (Prozess C […]) steigen die Methanolkosten auf 3,23 €/Liter Dieseläquivalent (32 €c/kWh).“9 7 Gatzen, Christoph; Bothe, David (2019). Kohlenstoffbasierte EFuels – wird der “grüne“ Kohlenstoff zur knappen Ressource? Eine Überschlagsrechnung für den deutschen Verkehrssektor. In: Maus, Wolfgang (Hrsg.). Zukünftige Kraftstoffe. Energiewende des Transports als ein weltweites Klimaziel. ATZ/MTZ-Fachbuch 2019. S. 120. 8 Ebenda. S. 123. 9 Jacob, Eberhard (2019). C-1 Oxygenate als nachhaltige Kraftstoffe und deren günstige Eigenschaften. In: Maus, Wolfgang (Hrsg.). Zukünftige Kraft-stoffe. Energiewende des Transports als ein weltweites Klimaziel. ATZ/MTZ-Fachbuch 2019. S. 164. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 7 Quelle: Jacob, Eberhard (2019). C-1 Oxygenate als nachhaltige Kraftstoffe und deren günstige Eigenschaften. In: Maus, Wolfgang (Hrsg.). Zukünftige Kraftstoffe. Energiewende des Transports als ein weltweites Klimaziel. ATZ/MTZ-Fachbuch 2019. S. 157. Die Studie der Agora Verkehrswende, Agora Energiewende und Frontier Economics „Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe“ aus dem Jahr 201810 prognostiziert die Kosten von synthetischem Methan und synthetischen Flüssigkraftstoffen in nachfolgender Übersicht. Die Studie zeigt exemplarisch auf, dass Standorte im Ausland wie Nordafrika, der Nahe Osten oder auch Island langfristig E-Fuels deutlich günstiger bereitstellen können, als bei einer einheimischen Herstellung mittels Offshore-Windenergie. 10 Agora Verkehrswende, Agora Energiewende und Frontier Economics (2018). „Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe.“ https://www.agora-verkehrswende.de/fileadmin/Projekte/2017/Die_Kosten _synthetischer_Brenn-_und_Kraftstoffe_bis_2050/Agora_SynCost-Studie_WEB.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 8 Quelle: https://www.agora-verkehrswende.de/fileadmin/Projekte/2017/Die_Kosten_synthetischer _Brenn-_und_Kraftstoffe_bis_2050/Agora_SynCost-Studie_WEB.pdf (S. 20) Die vom Verband der Automobilindustrie (VDA) geförderte Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) „E-FUELS STUDY - The potential of electricity based fuels for low emission transport in the EU“ aus dem Jahr 2017 beziffert die Kosten folgendermaßen: „At the moment, the costs of e-fuels are high (up to 4.50 € per liter diesel equivalent). Target costs of approximately 1 € per liter diesel equivalent appear possible with imports Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 9 from regions with very good solar and wind power conditions. The quoted target costs include CO2 extraction from ambient air.”11 Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Herstellungskosten von E-Fuels und fossilen Kraftstoffen nach Berechnungen der vorgenannten „E-FUELS STUDY“. Der rote Bereich stellt dabei die berechnete Preisdifferenz dar. Quelle: Damasky, Joachim; Block, Tobias (2019). CO2 und Emissionsgesetzte, Anforderungen & Lösungen. In: Maus, Wolfgang (Hrsg.). Zukünftige Kraftstoffe. Energiewende des Transports als ein weltweites Klimaziel. ATZ/MTZ-Fachbuch 2019. S. 81. Die Kosten für Atomkraft als Input Faktor für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe war, sofern ersichtlich, nicht Gegenstand von Studien. Aufgrund der Komplexität dieser Fragestellung (u.a. Berücksichtigung vorgelagerter Investitionen, Einbeziehung von Kosten für Sicherheit, Berechnung nachgelagerter Kosten für Entsorgung) kann eine Einschätzung im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht erfolgen.12 11 Deutsche Energie Agentur GmbH (2017). „E-FUELS” STUDY - The potential of electricity based fuels for low emission transport in the EU. S. 9. https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/9219_E-FUELS- STUDY_The_potential_of_electricity_based_fuels_for_low_emission_transport_in_the_EU.pdf. 12 Zur diesbezüglichen Debatte in der Schweiz vgl. Verein Clean Fuel Now (2019). Synthetischer Treibstoff wird atomstromfrei sein. https://www.cleanfuelnow.com/post/synthetischer-treibstoff-wird-atomstromfrei-sein. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 10 3. Anrechnung auf den CO2-Flottenverbrauch Die Frage der Anrechnung der CO2-Ersparnisse durch synthetische Kraftstoffe auf den CO2-Flottenverbrauch ist Gegenstand einer aktuellen politischen Diskussion13 und wird von Experten unterschiedlich beantwortet.14 Nachfolgend wird die Rechtslage in der Europäischen Union sowie in ausgewählten Staaten dargestellt. Sofern Primärquellen nicht zur Verfügung standen, wird auf ausgewählte Sekundärquellen Bezug genommen. 3.1. Europäische Union In der Verordnung (EU) 2019/631 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge15 werden Anforderungen an die CO2-Emissionsleistung neuer Personenkraftwagen und neuer leichter Nutzfahrzeuge aufgestellt. Gemäß Artikel 15 Absatz 1 führt die Europäische Kommission im Jahr 2023 eine eingehende Überprüfung der Wirksamkeit dieser Verordnung durch und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht mit dem Ergebnis der Überprüfung vor. In diesem Bericht wird die Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 2 u.a. den möglichen Beitrag der Nutzung synthetischer und fortschrittlicher alternativer Kraftstoffe aus erneuerbaren Energiequellen zur CO2-Emissionsminderung berücksichtigen und gegebenenfalls einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/631 beigefügen. Diese Überprüfung soll nach Angaben der Bundesregierung von 2023 auf 2021 vorgezogen werden .16 13 Zur Frage der Anrechenbarkeit gebe es derzeit keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung. Die Bundesregierung werde sich dazu zur gegebenen Zeit positionieren. Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Till Mansmann, Alexander Graf Lambsdorff, Olaf in der Beek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16007 – „E-Fuels und synthetische Kraftstoffe für eine effiziente Klimapolitik“. S. 7. https://dserver.bundestag.de/btd/19/168/1916829.pdf. 14 Vgl. Hörmandinger, Günter (2020). Synthetische Kraftstoffe nicht auf CO2-Flottengrenzwerte anrechnen. https://background.tagesspiegel.de/mobilitaet/synthetische-kraftstoffe-nicht-auf-co2-flottengrenzwerte-anrechnen ; Küchen, Christian (2019). E-Fuels auf CO2-Flottenziele anrechnen. https://background.tagesspiegel.de/e-fuelsauf -co2-flottenziele-anrechnen. 15 Verordnung (EU) 2019/631 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.4.2019 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011 (Neufassung) (ABl. L 111 vom 25.4.2019, S. 13). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R0631. 16 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Till Mansmann, Alexander Graf Lambsdorff , Olaf in der Beek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16007 – “E-Fuels und synthetische Kraftstoffe für eine effiziente Klimapolitik“. Bundestagsdrucksache 19/16829. S. 7. https://dserver .bundestag.de/btd/19/168/1916829.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 11 Ein Review-Prozess findet auf der Grundlage von Artikel 15 Absatz 2 lit. g) der Verordnung (EU) 2019/124217 auch für neue schwere Nutzfahrzeuge statt. Die Europäische Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2022 Bericht, welcher die „Bewertung der Möglichkeit, eine spezielle Methode zu entwickeln, um dem möglichen Beitrag Rechnung zu tragen, den die Nutzung synthetischer und alternativer flüssiger und gasförmiger erneuerbarer Kraftstoffe, einschließlich „E-Fuels“, die aus erneuerbaren Energiequellen stammen […] zur CO2-Emissionssenkung leisten kann“ umfasst. Die Europäische Kommission hat am 7. Juli 2020 eine parlamentarische Anfrage aus dem Europäischen Parlament zur „Emissionsfreiheit“ von Fahrzeugen wie folgt beantwortet: „Laut den Verordnungen (EU) 2019/631 und (EU) 2019/1242 zur Festsetzung der CO2- Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und neue leichte Nutzfahrzeuge bzw. neue schwere Nutzfahrzeuge gelten solche Fahrzeuge als emissionsfrei, die keine Auspuffemissionen ausstoßen. Dieses „Vom-Tank-zum-Rad“-Konzept für Emissionen ist seit Langem im EU-Recht etabliert. Darin kommt zum Ausdruck, dass die in dieser Verordnung festgelegten obligatorischen CO2- Ziele für Automobilhersteller gelten, die unmittelbar für die Intensität der CO2-Emissionen aus dem Auspuff ihrer Fahrzeuge verantwortlich sind. Die Emissionen im Zusammenhang mit der Produktion von Kraftstoffen für Fahrzeuge sowie der Herstellung und am Ende der Lebensdauer der Fahrzeuge werden in anderen EU- Rechtstexten wie z.B. der Kraftstoffqualitätsrichtlinie, der Richtlinie über erneuerbare Energien, der Richtlinie über das Emissionshandelssystem und der Richtlinie über Altfahrzeuge geregelt. Wie im europäischen Grünen Deal angekündigt, wird die Kommission im Jahr 2020 auch Rechtsvorschriften vorschlagen, um eine sichere, kreislauforientierte und nachhaltige Wertschöpfungskette für Batterien zu gewährleisten. Im Rahmen der Überprüfung der Verordnungen (EU) 2019/631 und (EU) 2019/1242 wird die Kommission auch untersuchen, inwiefern synthetische und fortschrittliche alternative Kraftstoffe aus erneuerbaren Energiequellen einen Beitrag zur Verringerung der Emissionen leisten können. Außerdem wird die Kommission im Einklang mit diesen Verordnungen bis spätestens 2023 die Möglichkeit prüfen, eine EU-Methode zu entwickeln , mit der die CO2-Emissionen von Fahrzeugen bewertet und gemeldet werden.“18 Die Bundesregierung nimmt in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2019 zur Berücksichtigung des CO2-Einsparpotentials durch alternative Kraftstoffe im Rahmen der CO2- Flottengrenzwerte wie folgt Stellung: 17 Verordnung (EU) 2019/1242 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Festlegung von CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 595/2009 und (EU) 2018/956 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 96/53/EG des Rates (ABl. L 198/202 vom 25.7.2019). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R1242. 18 Europäisches Parlament (2020). Parlamentarische Anfragen. Bezugsdokument: E-002631/2020. Antwort von Frans Timmermans im Namen der Europäischen Kommission. https://www.europarl.europa .eu/doceo/document/E-9-2020-002631-ASW_DE.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 12 „Zur Deckelung der CO2-Emisionen des Stromsektors gibt es den EU-Emissionshandel. Alternative Kraftstoffe werden bis zum Jahr 2030 im Rahmen der Fortschreibung der Erneuerbaren -Energien-Richtlinie („RED II“), die sich an Kraftstofflieferanten richtet, gefördert. Die CO2-Flottenziele richten sich an die Automobilhersteller, deren Kernkompetenz im Bau von Fahrzeugen und Antriebssträngen liegt. Eine Anrechnung nachhaltig hergestellter synthetischer Kraftstoffe auf die CO2-Zielwerte ist Gegenstand der Überprüfung der Regulierung durch die Europäische Kommission im Jahr 2023. […] Im Rahmen der Verhandlungen in Rat und Europäischem Parlament wurde mit der Einbeziehung synthetischer Kraftstoffe in den Review im Jahr 2023 eine Kompromisslösung gefunden. […]“19 Ein aktuelles Gutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) schlägt ein Anrechnungssystem für erneuerbare Kraftstoffe in der EU-Flottenregulierung vor.20 3.2. USA Die unter der Präsidentschaft von Barack Obama erlassene Final Rule for Model Year 2017 and Later Light-Duty Vehicle Greenhouse Gas Emissions and Corporate Average Fuel Economy Standards21 enthält Bestimmungen für sogenannte „flexible-fuel vehicles (FFVs)“ und „dual- and alternative-fueled vehicles“:22 „EPCA/EISA sets forth statutory provisions for manufacturers building alternative-fueled and dual- (or flexible-) fueled vehicles by providing special fuel economy calculations for ‘‘dedicated’’ (that is, 100 percent) alternative fueled vehicles and ‘‘dualfueled’’ (that is, capable of running on both the alternative fuel and gasoline/ diesel) vehicles. Consistent with the overarching purpose of EPCA/EISA, these statutory provisions establish incentives to help reduce petroleum usage and thus improve our nation’s energy security .“23 19 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic, Frank Sitta, Torsten Herbst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10415 – „Auswirkung der EU-CO2- Flottengrenzwerte auf die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie“. Bundestagsdrucksache 19/10853. S. 6 f. https://dserver.bundestag.de/btd/19/108/1910853.pdf. 20 Flick Gocke Schaumburg; frontier economics (2020). Anrechnungssystem für erneuerbare Kraftstoffe in EU-Flottenregulierung . Deutsche Zusammenfassung des Gutachtens für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/A/anrechnungssystem-fuer-erneuerbarekraftstoffe -in-eu-flottenregulierung.pdf?__blob=publicationFile&v=10. 21 Derzeit gelten die von Präsident Donald Trump initiierte Safer Affordable Fuel Efficient (SAFE) Vehicles Final Rule for Model Years 2021-2026 mit gelockerten Emissionsvorgaben. Nach der Amtsübernahme des gewählten Präsidenten Joe Biden ist damit zu rechnen, dass die Biden-Administration zu den unter Präsident Barack Obama formulierten Emissionsvorgaben zurückkehren wird. 22 2017 and Later Model Year Light-Duty Vehicle Greenhouse Gas Emissions and Corporate Average Fuel Economy Standards vom 14.12.2012. https://www.govinfo.gov/content/pkg/FR-2012-10-15/pdf/2012-21972.pdf. 23 Ebenda. S. 63127. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 13 Die United States Environmental Protection Agency (EPA) definiert alternative Kraftstoffe wie folgt: „Alternative fuels include gaseous fuels such as hydrogen, natural gas, and propane; alcohols such as ethanol, methanol, and butanol; vegetable and waste-derived oils; and electricity . These fuels may be used in a dedicated system that burns a single fuel, or in a mixed system with other fuels including traditional gasoline or diesel, such as in hybridelectric or flexible fuel vehicles. Some vehicles and engines are designed for alternative fuels by the manufacturer. Others are converted to run on an alternative fuel by modifying the engine controls and fueling system from the original configuration.“24 Da auf mittels erneuerbarer Energien und CO2 hergestellte synthetische Kraftstoffe nicht ausdrücklich Bezug genommen wird, ist fraglich, ob solche Kraftstoffe auch einbezogen sein sollen. Unter der Administration des gewählten Präsidenten Joe Biden dürfte der Klimaschutz, etwa durch Reduzierung des CO2-Flottenverbrauches, wieder deutlich mehr im Fokus stehen. Wie dies erreicht werden soll, und ob synthetische Kraftstoffe dabei eine Rolle spielen werden, ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Dokumentation indes noch unklar. 3.3. China Ab 2025 solle in China Beobachtern zufolge nicht mehr der Kraftstoffverbrauch für den Flottenverbrauch der Hersteller maßgeblich sein, sondern das, was für ihren Betrieb tatsächlich an CO2- Emissionen aufgewendet wird. Dann würden auch Elektrofahrzeuge und Plug-In-Hybride mit ihrem Stromkonsum – umgerechnet in CO2 – belegt werden. Methanol, Wasserstoff- und E-Fuel- Fahrzeuge würden nach Medienberichten hingegen mit Null veranschlagt.25 Mit dem Pilotprojekt „Liquid Sunshine“ würde in China damit beginnen, die Produktion von synthetischem Methanol aus Photovoltaik-Energie zu skalieren.26 3.4. Schweiz Ein System zur Anrechnung der CO2-Ersparnis synthetischer Kraftstoffe auf den CO2-Flottenverbrauch wurde Beobachtern zufolge in der Schweiz durch die beiden Parlamentskammern auf den 24 EPA. Renewable Fuel Standard Program. Alternative Fuels. https://www.epa.gov/renewable-fuel-standard-program /alternative-fuels. 25 Viehmann, Sebastian (2019). Es wäre ein Desaster für Volkswagen: China erwägt teilweise Abkehr vom Elektroauto . https://www.focus.de/intern/impressum/autoren/sebastian-viehmann_auid_6218.html unter Bezugnahme auf das Beratungsunternehmen JSC Automotive. 26 Hutchkins, Mark (2020). China’s ‘Liquid Sunshine’ project demonstrates PV powered methanol. https://www.pv-magazine.com/2020/11/13/chinas-liquid-sunshine-project-demonstrates-pv-powered-methanol /. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 079/20 Seite 14 Weg gebracht.27 Die Schweiz bereite damit als eines der ersten Länder weltweit der wirtschaftlichen Einführung synthetischer Kraftstoffe den Boden28.29 Der insofern einschlägige Artikel 18 des Bundesgesetzes über die Verminderung von Treibhausgasemissionen (CO2-Gesetz)30 vom 25. September 2020 lautet wie folgt: „Art. 18 CO2-vermindernde Faktoren bei Neuwagenflotten durch den Einsatz von synthetischen Treibstoffen 1 Importeure und Hersteller von Fahrzeugen können beantragen, dass die CO2-Verminderung , die durch die Verwendung von Treibstoffen erzielt wird, die mittels Elektrizität aus erneuerbaren Energien hergestellt werden (synthetische Treibstoffe), bei der Berechnung der CO2-Emissionen ihrer Neuwagenflotte berücksichtigt wird. Sie müssen hierfür Nachweise vorlegen, aus denen hervorgeht, welche Menge solcher Treibstoffe ihnen welcher Inverkehrbringer vertraglich zurechnet. 2 Die CO2-Verminderung nach Absatz 1 bestimmt sich nach: a. der Summe der für das betreffende Jahr vertraglich zugerechneten Mengen synthetischer Treibstoffe; b. der Anzahl Fahrzeuge in der Neuwagenflotte, für die synthetische Treibstoffe verwendet werden können; und c. dem Umfang der CO2-Emissionen, die die Fahrzeuge nach Buchstabe b während ihrer durchschnittlichen Lebensdauer erwartungsgemäss verursachen. 3 Die synthetischen Treibstoffe müssen die Anforderungen nach Artikel 12b Absätze 1 und 3 MinöStG6 erfüllen.“ *** 27 Verein Clean Fuel Now (2019). Power-to-Fuel und das CO2-Gesetz. https://www.cleanfuelnow.com/co2-gesetz. 28 Winterhagen, Johannes (2018). Wichtig für Flottenziele: Synthetische Kraftstoffe haben Potenzial. In: Automobilwoche . 29 Siehe auch Automobilwoche (2019). Umstrittene E-Fuels: Klimaretter oder "unbezahlbar teuer und ineffizient"? https://www.automobilwoche.de/article/20190704/Agenturmeldungen/307049982/umstrittene-e-fuels-klimaretter -oder-unbezahlbar-teuer-und-ineffizient. 30 Abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2020/7847.pdf.