Verwendung von CO2 zur Synthese von Benzin/Kohlenwasserstoffen - Sachstand - © 2007 Deutscher Bundestag WD 8 - 079/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verwendung von CO2 zur Synthese von Benzin/Kohlenwasserstoffen Sachstand WD 8 - 079/07 Abschluss der Arbeit: Fachbereich WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Hintergrund: Kohlendioxid und Energiepolitik Kohlendioxid (CO2) ist als eines der wichtigsten Treibhausgase bekannt. Seine Anwesenheit in der Atmosphäre führt dazu, dass einfallende Sonnenenergie auf der Erde zurückgehalten und nicht wieder in Form von Wärmeenergie in den Weltraum abgegeben wird. Die seit Jahrzehnten steigende Konzentration von CO2 in der Atmosphäre wird daher ursächlich mit der globalen Erwärmung in Zusammenhang gebracht, deren zu erwartende negative Folgen für Umwelt, Mensch und Wirtschaft derzeit von Wissenschaft und Politik intensiv diskutiert werden. Kohlendioxid entsteht bei der Verbrennung von Kohlenstoff (chemisches Symbol: C) mit Sauerstoff (O2). Große Mengen dieses Gases werden bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas) produziert. Wird dieses Gas in die Atmosphäre freigesetzt, so verteilt es sich dort um den gesamten Erdball und bleibt für relativ lange Zeiten klimawirksam. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist der mittlere CO2- Gehalt der Atmosphäre auf den heutigen Wert von etwa 380 ppm (d.h. Millionstel Volumenanteil am atmosphärischen Gasgemisch) angestiegen. CO2 ist damit immer noch ein Spurengas, dessen Konzentration wesentlich geringer ist als die der Hauptbestandteile der Atmosphäre (Stickstoff und Sauerstoff). Auf der anderen Seite liegt der CO2- Gehalt bereits etwa ein Drittel höher als vor der industriellen Revolution, und die Kurve weist auch für die Zukunft weiterhin deutlich nach oben. Um zu verhindern, dass dies in den nächsten Jahrzehnten deutliche Temperaturerhöhungen auf der Erdoberfläche und einen drastischen Klimawandel nach sich zieht, ist die nationale und internationale Politik im Begriff, Gegenmaßnahmen einzuleiten, mit denen der Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre reduziert werden soll. Hierfür kommt eine Kombination verschiedener Mittel in Frage: Einsparungen, Erhöhung der Energieeffizienz und Änderungen des Energiemixes (schrittweiser Ersatz fossiler Rohstoffe durch erneuerbare Energien, aber auch Umstieg von CO2-intensiveren auf CO2-ärmere fossile Energieträger – Gas statt Kohle). In der jüngeren Diskussion ist mit der so genannten CO2-Sequestrierung ein weiteres Mittel dazugekommen: Bei Kohlekraftwerken könnte entstehendes CO2 abgefangen und nicht in die Atmosphäre entlassen, sondern im Untergrund endgelagert werden . So würde zwar nicht die Produktion von CO2, aber doch seine Wirkung als Treibhausgas verhindert. - 4 - 2. Vorgeschlagener Lösungsansatz von Dr. E. Wagner Der Vorschlag von Dr. E. Wagner zur Lösung von Problemen der Klima- und Energiepolitik geht in eine ähnliche Richtung. Entstehendes oder bereits vorhandenes CO2 soll der Atmosphäre entzogen und einer neuen Nutzung zugeführt werden, indem es zur Herstellung von Benzin verwendet wird. Der Vorschlag nimmt Bezug auf Verfahren, die aus der Geschichte bekannt sind: Mit Hilfe des so genannten Fischer-Tropsch-Verfahrens kann Benzin (bzw. allgemein Kohlenwasserstoffe) aus Kohle gewonnen werden. Dieses Verfahren der „Kohleverflüssigung “ wurde u.a. zu Zeiten des Dritten Reiches angewandt, als Deutschland von internationalen Öllieferungen abgeschnitten war, jedoch noch ausreichende Reserven an heimischer Kohle hatte. Mit Hilfe der Kohleverflüssigung konnten so u.a. Kraftstoffe für Fahrzeugmotoren aus eigenen Rohstoffen hergestellt werden. Generell kann dieses Verfahren für Staaten von Interesse sein, die zwar eigene Kohlevorräte, jedoch (aus ökonomischen, politischen oder anderen Gründen) keinen Zugang zu Öl- oder Gasreserven haben – so z.B. auch für Südafrika zu Zeiten der Apartheid, teilweise auch bis heute. Abgesehen von solchen Spezialfällen ist das Verfahren – zumindest bei derzeitigen Rohstoffpreisen - ökonomisch jedoch nicht rentabel, weshalb es in Deutschland und anderen Industrieländern nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr großtechnisch eingesetzt wurde. Der Vorschlag von E. Wagner zielt in eine ähnliche Richtung, wobei die Neuerung in erster Linie darin zu bestehen scheint, das Verfahren als ein Mittel gegen den Klimawandel zu betrachten. Ein technischer Unterschied besteht offenbar darin, dass als Rohstoff nicht Kohle, sondern ausschließlich gasförmiges Kohlendioxid verwendet werden soll. Allerdings tritt auch bei der traditionellen Kohleverflüssigung Kohlendioxid als ein Zwischenprodukt auf; es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern der Vorschlag von E. Wagner überhaupt über bekannte und etablierte Verfahren hinausgeht. Dies wird in seinem Text auch nicht näher ausgeführt, ebenso wenig wie die Frage, ob und wie das CO2 direkt aus der Umgebungsluft oder etwa aus dem Abgasstrom großer Kraftwerke extrahiert werden soll. Zweiteres wäre wegen der höheren CO2-Konzentration deutlich einfacher und weniger energieaufwändig. Unklar bleibt, worin – jenseits konzeptioneller Gesamtzusammenhänge und energiepolitischer Einordnungen – die Neuheit gegenüber bekannten Verfahren bestehen soll. Unklar bleibt auch, ob der erwähnte Patentantrag nur gestellt oder bereits (positiv?) beschieden wurde. - 5 - 3. Fachliche Einordnung und Bewertung Die Idee, Kohlendioxid nicht in die Atmosphäre zu entlassen, sondern anderen Verwendungen zuzuführen, verdient im Prinzip durchaus Beachtung. Dies wird anhand der Diskussion um CO2-Sequestrierung deutlich, aber auch anhand einiger anderen Verfahren der chemischen Industrie, in denen CO2 als Grundstoff für die Herstellung anderer Stoffe dient. Im Zusammenhang mit dem vorgelegten Vorschlag ist jedoch einiges zu beachten. Zunächst gilt, dass CO2 die vollständig verbrannte (oxidierte) und damit besonders energie -arme Form des Kohlenstoffs darstellt. Als Energieträger erscheint es damit in besonderer Weise ungeeignet. Soll CO2 in Benzin umgewandelt werden – was technisch sicherlich möglich ist – dann muss dafür mindestens ebenso viel Energie aufgewendet werden, wie später bei der Verbrennung wieder freigesetzt wird; angesichts unvermeidbarer Verluste wäre die aufzuwendende Energiemenge mit Sicherheit größer als der Gewinn. Der energetische Aufwand könnte evtl. mit Hilfe von Katalysatoren (Reaktions -Hilfsmitteln) reduziert werden, jedoch nur zu einem gewissen Teil. Es handelt sich bei Benzin, das auf diese Weise hergestellt würde, also nicht um einen originären Energieträger , sondern allenfalls um eine Art „Zwischenspeicher“ für Energie, die sich aus anderer Quelle speisen müsste. Zweitens würde bei der Verbrennung des so hergestellten Benzins z.B. in Fahrzeugmotoren der darin enthaltene Kohlenstoff wiederum zu CO2 verbrannt, das dann wohl wieder in die Atmosphäre gelangen würde. Es handelt sich also nicht um eine endgültige Vermeidung von CO2-Emissionen, sondern allenfalls um eine Verzögerung. Sinnvoll könnte das Verfahren dennoch in dem Falle sein, dass dadurch an anderer Stelle Emissionen vermieden würden: Falls aufgrund des vorgeschlagenen Verfahrens weniger fossile Rohstoffe verbraucht würden, falls also z.B. mehr Erdöl im Boden bleiben und weniger darin enthaltener Kohlenstoff als CO2 in die Atmosphäre emittiert würde, dann könnte sich daraus tatsächlich ein Beitrag zum Klimaschutz ergeben. Hierzu kommt es entscheidend darauf an, in welcher Weise die zur Benzin-Synthese erforderliche Energie bereitgestellt wird. Würden dazu wiederum fossile Brennstoffe genutzt, wäre das Konzept sinnlos. Der Autor verweist hingegen mit einem kurzen Satz darauf, dass sich dafür „Solarstrom, am effektivsten in der Wüste“ anbiete. Eine solche Lösung der Energieprobleme zumindest in Europa hatte z.B. auch die Deutsche Physikalische Gesellschaft angeregt (DPG 2005). Rein naturwissenschaftlich wäre es durchaus machbar, mit Solarzellen, solarthermischen Kraftwerken und/oder Aufwindkraftwerken in der nordafrikanischen Wüste erhebliche Anteile des Strombedarfs - 6 - in Europa zu decken. In einer langfristigen Perspektive kann dies also ein sinnvoller Ansatz sein. Kurz- und mittelfristig scheitert er jedoch an vielen Problemen: Nicht nur sind viele Formen der solaren Stromgewinnung noch nicht so effizient und kostengünstig realisierbar, wie dies langfristig möglich und wünschenswert scheint. Auch sind einige der nötigen hochwertigen Materialien im Moment nicht in den entsprechenden Mengen am Markt verfügbar, um daraus Solarkraftwerke in der erforderlichen großen Zahl herstellen zu können. Des weiteren ist der Bau von Stromleitungen hoher Kapazität über interkontinentale Distanzen ein erheblicher Kostenfaktor. Schließlich sind viele der afrikanischen Länder mit hoher Sonneneinstrahlung politisch nicht in der Weise stabil, wie dies als Garantie für die Sicherheit der zu tätigenden erheblichen Investitionen wünschenswert wäre. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das Szenario der großtechnischen Solarstromgewinnung in der Wüste auf absehbare Zeit ein Wunschtraum bleiben wird. Wenn es aber eines Tages doch realisiert wird, dann ist nicht offensichtlich, warum die so gewonnene Energie gerade zur Synthese von Benzin aus Kohlendioxid verwendet werden sollte. Als potentieller „Zwischenspeicher“, als „Transportmittel“ für die gewonnene Solarenergie würde synthetisches Benzin mit anderen Lösungsmöglichkeiten konkurrieren , insbesondere mit der in diesem Zusammenhang immer wieder diskutierten Wasserstoffwirtschaft : Wasserstoffgas (H2) könnte mit Hilfe von Solarstrom aus Wasser gewonnen und dann in neuartigen Brennstoffzellen-Motoren auch im Verkehr als Energieträger verwendet werden. Vorteile der Benzinsynthese gegenüber einer zukünftigen Wasserstoffwirtschaft sind nicht unmittelbar offensichtlich, sondern müssten zunächst in technischer und ökonomischer Hinsicht genauer untersucht werden. Die Benzin-Synthese mit Hilfe von Solarstrom scheint also möglicherweise dann sinnvoll , wenn eines Tages die Solarstromgewinnung großtechnisch etabliert ist und die Erdölvorräte endgültig erschöpft sind, aber die Umstellung von Fahrzeugmotoren auf neuartige Antriebstechniken vermieden werden soll. In allen anderen Fällen ist schwer vorstellbar, dass sich die Benzin-Synthese in der vorgeschlagenen Form am Markt durchsetzen würde. 4. Fazit Der vorgelegte Text schildert zwar die aktuellen Probleme der Energie- und Klimapolitik richtig, enthält aber keine erkennbar originellen und realisierbaren Vorschläge zu deren Lösung. Die vorgeschlagene Benzin-Synthese aus CO2 ist als Nischenlösung in speziellen Szenarien möglicherweise erwägenswert, stellt aber mit Sicherheit keine universelle Lösung aller Energie- und Klima-Probleme dar. - 7 - Im Übrigen ähnelt der Vorschlag dem aus P. Plichtas Buch „Benzin aus Sand“ bekannten Varianten (Plichta 2001, s. auch Lübbert 2006). Zwar ist die Chemie der Kohlenwasserstoffe sicherlich weniger problematisch und besser erforscht als die der Silizium- Wasserstoffe; insofern wäre die Benzin-Synthese aus Kohlendioxid eher Erfolg versprechend als die Synthese „aus Sand“. Grundsätzlich aber erscheinen beide Ansätze gleichermaßen wenig aussichtsreich, vor allem weil beide einen erheblichen Energieaufwand erfordern. 5. Quellen und Literatur Kohlendioxid-arme Kraftwerke. Info-Brief der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags (52 Seiten). Im Internet: http://www.bundestag.de/bic/analysen/2006/Kohlendioxid-arme_Kraftwerke.pdf DPG – Deutsche Physikalische Gesellschaft (2005). Klimaschutz und Energieversorgung in Deutschland 1990 – 2020. Bad Honnef. Verfügbar im Internet unter: http://www.dpg-physik.de/static/info/klimastudie_2005.pdf (Stand 30.11.2005). Benzin aus Sand: Silan Stickstoff-Kreislauf von Peter Plichta - Kritische Würdigung der Argumentationskette. Sachstand WD8 - 186/06 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags. Benzin aus Sand – Die Silan-Revolution. 2. Auflage 2006. München : Herbig. Römpp (2006). RÖMPP Online - Lexika zur Chemie und angrenzenden Wissenschaften . Im Internet: http://www.roempp.com/prod/index1.html (Stand 28.09.2006).