© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 078/20 C.A.R.E.-Diesel Einzelfragen zu alternativen Dieselkraftstoffen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 2 C.A.R.E.-Diesel Einzelfragen zu alternativen Dieselkraftstoffen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 078/20 Abschluss der Arbeit: 16. November 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtslage in Deutschland 6 3. Vor- und Nachteile der Nutzung von C.A.R.E.-Diesel 8 3.1. Einsparung von Treibhausgasemissionen 8 3.2. Nachhaltigkeit 9 3.3. Verfügbarkeit 9 3.4. Industrielle Nutzungskonkurrenz 10 3.5. Logistik 10 3.6. Kosten 11 3.7. Fahrzeugfreigabe 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 4 1. Einleitung Der Einsatz alternativer Kraftstoffe in Deutschland ist Gegenstand einer aktuellen politischen Diskussion . Dies betrifft auch den Dieselkraftstoff C.A.R.E. – ein Markenprodukt, das von dem finnischen Mineralölunternehmen und Biokraftstoffhersteller Neste Oyj unter der Produktbezeichnung Neste MY Renewable Diesel hergestellt1 und deutschlandweit von der Firma Tool-Fuel als C.A.R.E.-Diesel vertrieben wird.2 Die Bezeichnung C.A.R.E. steht für CO2-Reduction (CO2-Reduzierung ), Arctic Grade (Kältebeständigkeit), Renewable (Erneuerbarkeit), Emission Reduction (Emissionsreduzierung).3 Neste MY Renewable Diesel ist ein durch Hydrierung gewonnener erneuerbarer Dieselkraftstoff4, der gemäß Herstellerinformation zu 100% auf erneuerbaren Rohstoffen basiert.5 Dabei handelt es sich nach Angaben der Firma Tool-Fuel um Altspeisefette, Reststoffe aus der Pflanzenölverarbeitung und nicht mehr als Nahrungsmittel verkäufliche, sog. technische Pflanzenöle.6 Neste MY Renewable Diesel wird in Europa als „Hydrotreated Vegetable Oil“ (HVO, Hydriertes Pflanzenöl) klassifiziert. Aus chemischer Sicht zählt Neste MY Renewable Diesel zu den paraffinischen Kraftstoffen.7 1 Neste (2020). Neste Renewable Diesel. Leistungsstarker, CO2-armer Biokraftstoff. https://www.neste.de/fuerkunden /produkte/erneuerbare-produkte/neste-my-renewable-diesel (letzter Zugriff: 12.11.2020). 2 TOOL-FUEL Services GmbH (2020). C.A.R.E. Diesel® – innovativ und nachhaltig. https://toolfuel.eu/care-diesel -innovativ-nachhaltig/ (letzter Zugriff: 12.11.2020). 3 Patrick Schäfer, SpringerProfessional (2019). Fragen und Antworten zum Biodiesel-Kraftstoff Care. https://www.springerprofessional.de/betriebsstoffe/dieselmotor/fragen-und-antworten-zum-biodiesel-kraftstoffcare /16328898 (letzter Zugriff: 12.11.2020). 4 Neste (2016). Neste Renewable Diesel Handbuch. S. 2 und 5. https://www.neste.de/sites/neste.com/files /image_gallery/renewable_products/neste_renewable_diesel_handbook_german.pdf (letzter Zugriff: 12.11.2020). 5 Siehe Fn. 1. 6 Siehe Fn. 2. 7 Siehe Fn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 5 Die verschiedenen Rohstoffe und Verfahren zur Biokraftstoffherstellung werden anhand der folgenden Übersicht deutlich. Das Markenprodukt C.A.R.E.-Diesel lässt sich der Gruppierung „Biodiesel (HVO)“ zuordnen. Quelle: Vogelpohl, Thomas (2018). Biokraftstoffpolitik in Deutschland. In: Energiepolitik und Klimaschutz. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. S. 76. Nach Angaben des Unternehmens Neste Oyj sei Neste MY Renewable Diesel in den Niederlanden an über 100 Verkaufsstellen erhältlich.8 Auch Finnland würde Neste zufolge hinsichtlich der Verfügbarkeit von Neste MY Renewable Diesel an Tankstellen weiter expandieren. Im Frühjahr 2020 hätten 120 Tankstellen diesen alternativen Kraftstoff im Angebot, so Neste.9 Bis zum Jahresende 2020 sei in Schweden nach Angaben von Neste mit mehr als 200 Verkaufsstellen für Neste 8 Neste (2020). Tank Neste MY Renewable Diesel door heel Nederland. https://www.neste.nl/neste-my-hvo-diesel /tank-hier-neste-my (letzter Zugriff: 12.11.2020). 9 Neste (2020). Neste brings Neste MY Renewable Diesel to 51 new stations in Finland – the aim is to expand its availability to the whole of Finland. https://www.neste.com/releases-and-news/renewable-solutions/nestebrings -neste-my-renewable-diesel-51-new-stations-finland-aim-expand-its-availability-whole (letzter Zugriff: 12.11.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 6 MY Renewable Diesel zu rechnen.10 Im Oktober 2019 wäre Neste MY Renewable Diesel laut Neste an der ersten Zapfsäule in Estland und damit in allen drei baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen) verfügbar.11 Ein im Auftrag der Europäischen Kommission erstellter Bericht einer Expertengruppe zu der Thematik alternativer Kraftstoffe aus dem Jahr 2017 konstatiert, dass HVO bei leichten Nutzfahrzeugen europaweit mit Ausnahme von Finnland noch nicht in großem Ausmaß zum Einsatz käme.12 Bei Schwerlastkraftwagen würde HVO in einzelnen Mitgliedstaaten, beispielsweise Finnland , in größerem Rahmen genutzt.13 Dieser Sachstand beleuchtet die Möglichkeiten der Nutzung von C.A.R.E.-Diesel in Deutschland, sowie Argumente für und gegen einen solchen Einsatz. 2. Rechtslage in Deutschland Die Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen (10. BImSchV)14 regelt, welche Anforderungen an einzelne Kraftstoffarten zu stellen sind. Dabei nimmt die Verordnung auf verschiedene DIN-Normen Bezug. Dieselkraftstoff darf gemäß § 4 Abs. 1 der 10. BImSchV nur dann gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen gegenüber dem Letztverbraucher in den Verkehr gebracht werden , wenn er den Anforderungen der DIN EN 590 („Kraftstoffe - Dieselkraftstoff - Anforderungen und Prüfverfahren“), Ausgabe Oktober 2017, genügt. Einer darüberhinausgehenden Zulassung einzelner Produkte bedarf es nach deutschem Recht nicht. Gemäß der vom Europäischen Komitee für Normung angenommenen Norm DIN EN 590 müssen Dieselkraftstoffe eine Mindestdichte von 820 kg/m³ und eine Maximaldichte von 845 kg/m³ aufweisen. § 4 Abs. 1 der 10. BImSchV wurde zuletzt mit Wirkung vom 20. Dezember 2019 durch die „Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/94/EU und weiterer immissionsschutzrechtlicher Rechtsakte der Europäischen Union“ vom 13. Dezember 2019 geändert. In der Begründung zu 10 Neste (2020). Neste MY Renewable Diesel available at more than 200 sales points in Sweden by year-end. https://www.neste.com/releases-and-news/renewable-solutions/neste-my-renewable-diesel-available-more-200- sales-points-sweden-year-end (letzter Zugriff: 12.11.2020). 11 Neste (2019). Neste MY Renewable Diesel is now available in all Baltic countries, including Estonia. https://www.neste.com/releases-and-news/neste-my-renewable-diesel-now-available-all-baltic-countries-including -estonia (letzter Zugriff: 12.11.2020). 12 Europäische Kommission (2017). Alternative Fuels. Expert group report. S. 17. https://ec.europa.eu/transparency /regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetailDoc&id=34592&no=1 (letzter Zugriff: 12.11.2020). 13 Ebenda. S. 21. 14 Zehnte Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen - 10. BImSchV) vom 8.12.2010 (BGBl. I S. 1849), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 13.12.2019 (BGBl. I S. 2739). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_10_2010/10._BImSchV.pdf (letzter Zugriff: 12.11.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 7 dieser Änderungsverordnung wies die Bundesregierung klarstellend darauf hin, dass in dem geänderten § 4 Abs. 1 der 10. BImSchV auch paraffinische Dieselkraftstoffe erfasst seien: „§ 4 Absatz 1 wird durch Inbezugnahme der aktuellen Norm, DIN EN 590, Ausgabe Oktober 2017, an den neuesten wissenschaftlichen Stand angepasst. Paraffinischer Dieselkraftstoff darf aufgrund dieser Regelung im Rahmen der Beimischung dem konventionellen Dieselkraftstoff zugefügt werden, solange das Endprodukt die Anforderungen der DIN EN 590, Ausgabe Oktober 2017, einhält. Aufgrund der unterschiedlichen Dichte von konventionellem und paraffinischem Diesel ist somit eine Beimischung bis zu etwa 26% paraffinischem Dieselkraftstoff möglich.“15 Paraffinische Dieselkraftstoffe werden für den Einsatz in Verbrennungsmotoren in der DIN EN 15940 („Kraftstoffe - Paraffinischer Dieselkraftstoff aus Synthese oder Hydrierungsverfahren - Anforderungen und Prüfverfahren“) genormt.16 Auf diese Norm nimmt die 10. BImSchV keinen Bezug. Paraffinische Kraftstoffe, zu denen auch der C.A.R.E.-Diesel zählt, dürfen daher nicht in Reinform an öffentlichen Tankstellen in Deutschland angeboten werden.17 Die technischen Spezifikationen von Kraftstoffen sind zudem Gegenstand der Richtlinie 98/70/EG.18 Ziel dieser Richtlinie ist u.a. eine Harmonisierung der auf Gesundheits- und Umweltaspekten beruhenden technischen Spezifikationen für Kraftstoffe unter Berücksichtigung der technischen Anforderungen der Motoren (Art. 1). In Anhang II der Richtlinie wird für die Dichte ein Maximalwert von 845 kg/m³ festgelegt. Eine Mindestdichte findet sich in Anhang II dagegen nicht. Die in § 4 Abs. 1 der 10. BImSchV in Bezug genommene Norm DIN EN 590, Ausgabe Oktober 2017, übernimmt den Wert der Maximaldichte für Dieselkraftstoffe aus der Richtlinie 98/70/EG und legt darüber hinaus eine Mindestdichte von 820 kg/m³ fest. Ein Konflikt mit der Richtlinie 98/70/EG besteht gleichwohl nicht. Die Richtlinie 98/70/EG bezweckt nämlich nicht die Angleichung aller Qualitätsanforderungen oder technischen Spezifikationen , die auf die betreffenden Kraftstoffe Anwendung finden könnten, sondern verbietet nur Einschränkungen oder Abweichungen hinsichtlich solcher technischer Spezifikationen, die auf Gesundheits- und Umwelterwägungen beruhen.19 Der Grenzwert der Mindestdichte dient nicht 15 Bundesrat Drucksache 486/19, S. 45. 16 Umweltbundesamt (2020). Diesel aus biogenen Rest- und Abfallstoffen: Fragen und Antworten. https://www.umweltbundesamt.de/diesel-aus-biogenen-rest-abfallstoffen-fragen (letzter Zugriff: 12.11.2020). 17 Ebenda. 18 Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2018/1999. Eine konsolidierte Fassung ist verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:01998L0070- 20181224&from=EN (letzter Zugriff: 16.11.2020). 19 EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 – C-251/14. Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 8 dem Umweltschutz, sondern betrifft Aspekte der Betriebs- und Anlagensicherheit der Tankstellen sowie des Verbraucherschutzes. Hierzu gehört auch der Gesichtspunkt der Fahrzeugfreigabe, der in Gliederungspunkt 3.7. in diesem Sachstand näher eingeht. Diese Aspekte können die Beschränkungen der Verkehrsfähigkeit unabhängig von den Aspekten des Umweltschutzes tragen.20 Die Richtlinie 98/70/EG räumt den Mitgliedstaaten für Kraftstoff-Spezifikationen, die nicht in den harmonisierten Bereich fallen, mithin Spielräume ein. Hieraus ergeben sich die Unterschiede zwischen Deutschland und den in der Einleitung genannten Mitgliedstaaten hinsichtlich des In- Verkehr-Bringens von paraffinischem Kraftstoff in Reinform. 3. Vor- und Nachteile der Nutzung von C.A.R.E.-Diesel 3.1. Einsparung von Treibhausgasemissionen Ein Forschungsprojekt am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien beschäftigte sich mit dem Emissionsverhalten von NExBTL21, einem HVO der Firma Neste Oyj. Dabei wurde dieser Kraftstoff in Reinform und auch als Blend mit zwei verschiedenen Beimischraten zu fossilem Diesel untersucht. Zusammenfassend stellten die Forscher fest, dass mit HVO die Partikelmassenemissionen bis zu 50% reduziert würden, wobei die Reduktion bei niedrigen Lasten aufgrund des verkürzten Zündverzuges von HVO kleiner ausfalle. Die Aromatenfreiheit des Alternativkraftstoffes resultiere in geringeren HC-, CO-, Aldehyd- und PAK-Emissionen bei seiner Verbrennung. Das vorteilhaftere C/H-Verhältnis im HVO-Molekül führe zu einem Rückgang der CO2-Emissionen um ca. 5 % im Vergleich zum konventionellen Dieselkraftstoff.22 Auch nach Auffassung des Umweltbundesamtes (UBA) könnten die Treibhausgasemissionen aus Verbrennungsmotoren durch den Einsatz paraffinischer Kraftstoffe wie C.A.R.E.-Diesel deutlich reduziert werden. Gerade bei Fahrzeugen ohne moderne Abgasnachbehandlung könnten zudem die Emissionen einiger Luftschadstoffe sinken. Bei aktuellen Pkw und Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotor und modernen Abgasnachbehandlungssystemen zur Reduzierung von Partikeln und Stickoxiden sei aber zu erwarten, dass die Emissionen am Endrohr und damit am Auspuff weitgehend unabhängig von den Rohgasemissionen des Motors sind.23 20 Weitergehend zu diesem Aspekt: Wissenschaftliche Dienste (2019). Kurzinformation. „Zum Verhältnis der Richtlinie 98/70/EG zu den Europäischen Normen zur Qualität von Dieselkraftstoffen“. WD 8 - 3000 - 142/19. 21 Nach Angaben von Neste handelt es sich dabei um Nestes Handelsmarke und Warenzeichen für den Hydrierungs -Prozess bei Pflanzenölen. Siehe Fn. 4, S. 62. 22 Damyanov, Aleksandar (2019). Hydriertes Pflanzenöl (HVO). In: Maus, Wolfgang (Hrsg.). Zukünftige Kraftstoffe – Energiewende des Transports als ein weltweites Klimaziel. S. 900. 23 Siehe Fn. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 9 Ein Vorteil im Rahmen der Produktion errechne sich Beobachtern zufolge dadurch, dass bei der Verwendung von Abfallstoffen nur die CO2-Emissionen berücksichtigt würden, die bei der Umwandlung der Abfallstoffe in Kraftstoff entstehen. Die Abfallstoffe selbst würden als CO2-neutral angesehen, da sie bereits vorhanden sind.24 Indes ist auch zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Rest- und Abfallstoffe eine industrielle Nutzungskonkurrenz bestehen könnte. Näheres dazu unter Gliederungspunkt 3.4. 3.2. Nachhaltigkeit Anders als Biokraftstoffe der 1. Generation benötigen abfallbasierte Kraftstoffe z.B. aus Altspeisefetten keine landwirtschaftlichen Produktionsflächen und begegnen daher hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit deutlich weniger Bedenken.25 3.3. Verfügbarkeit Die Verfügbarkeit von paraffinischen Dieselkraftstoffen, die ausschließlich aus biogenen Restund Abfallstoffen hergestellt werden, sei nach Einschätzung des UBA begrenzt.26 In einer Studie aus dem Jahr 2014 konstatierte das UBA: „Altöle und Altfette stehen nur in geringen Mengen zur Verfügung – bezogen auf die USA könnten sie Abschätzungen zufolge derzeit rund 3% der US-amerikanischen Kerosinproduktion ersetzen. […] Biokraftstoffe aus Reststoffen und Abfällen haben zwar Potentiale zur Treibhausgasminderung, sind aber in der Menge nur ausreichend für Nischenanwendungen .“27 Beobachtern zufolge sei der europäische Markt für Altspeisefette als abfallbasierte Rohstoffe angespannt , während solche Rohstoffe in Asien noch in großem Ausmaß zur Verfügung stünden.28 In den letzten Jahren hätte es seitens der HVO-Produzenten umfangreiche Bemühungen gegeben, durch Investitionen die Produktionskapazität der Anlagen zu steigern und den Anteil von Abfallund Reststoffen in der Verarbeitung zu erhöhen.29 24 Siehe Fn. 3. 25 Europäische Kommission (2017). Alternative Fuels. Expert group report. Siehe Fn. 12. S. 33. 26 Siehe Fn. 16. 27 Umweltbundesamt (2015). Postfossile Energieversorgungsoptionen für einen treibhausgasneutralen Verkehr im Jahr 2050: Eine verkehrsträgerübergreifende Bewertung. TEXTE 30/2015. S. 52. https://www.umweltbundesamt .de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_30_2015_postfossile_energieversorgungsoptionen .pdf (letzter Zugriff: 12.11.2020). 28 GREENEA (2017). New players join the HVO game. http://www.greenea.com/publication/new-players-join-thehvo -game/ (letzter Zugriff: 12.11.2020). 29 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 10 3.4. Industrielle Nutzungskonkurrenz Viele Ausgangsstoffe für paraffinische Dieselkraftstoffe, darunter Abfälle, würden nach Einschätzung des UBA30 heute sowohl stofflich als auch energetisch anderweitig sinnvoll genutzt. Setzt man sie im Verkehr ein, könne es erforderlich sein, in der bisherigen Anwendung fossile Ausgangstoffe zu nutzen. Der Klimanutzen würde nur in den Verkehrssektor verlagert. Zudem könne der Einsatz der Abfallströme in anderen Bereichen wie Kraftwerken sinnvoller sein, da dort höhere Wirkungsgrade als im Verbrennungsmotor eines Autos erzielt würden – und damit im Kraftwerk eine höhere Treibhausgasminderung als im Auto. 3.5. Logistik Nach Auffassung des UBA sei zu berücksichtigen, wie weit die Abfall- und Reststoffe vor der Nutzung transportiert werden müssen.31 Auch der Transport paraffinischer HVO-Kraftstoffe vom Produktionsstandort nach Deutschland dürfte in den Blick zu nehmen sein. Die nachfolgende Übersicht zeigt bestehende und geplante Produktionsstätten für HVO: Quelle: GREENEA (2017). New players join the HVO game. http://www.greenea.com/publication /new-players-join-the-hvo-game/ (letzter Zugriff: 12.11.2020). 30 Siehe Fn. 16. 31 Siehe Fn. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 078/20 Seite 11 3.6. Kosten Beobachter gehen davon aus, dass herstellungsbedingt ein Liter C.A.R.E.-Diesel etwas mehr kosten wird als herkömmlicher Dieselkraftstoff.32 Eine im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Studie aus dem Jahr 2017 bewertet die Kosten alternativer Biokraftstoffe. Hinsichtlich der Kosten für HVO stellte die Firma Neste Oyj Daten zur Verfügung und wirkte an der Erstellung der Studie mit. Die Produktionskosten für HVO bewege sich im Bereich von 50-90 EUR/MWh abhängig von den Kosten für die Rohstoffe.33 Beobachtern zufolge könnte die gestiegene Konkurrenz auf dem HVO-Markt einen positiven Einfluss auf die Preisentwicklung haben.34 3.7. Fahrzeugfreigabe Derzeit gebe es nach Einschätzung des UBA kaum Altfahrzeuge, für die der Hersteller die Verwendung von reinem paraffinischem Dieselkraftstoff der Norm DIN EN 15940 freigegeben hat. Dies seien derzeit ausschließlich Nutzfahrzeughersteller. Kommt es zu Motorschäden unter Verwendung von paraffinischem Diesel, verfalle die Fahrzeuggarantie und der Fahrzeughalter hafte selbst.35 Neben der Komponentenverträglichkeit spiele Experten zufolge möglicherweise die bei der Verbrennung auftretende Erhöhung des Spitzendrucks eine Rolle.36 *** 32 Siehe Fn. 3. 33 Europäische Kommission (2018). Building Up the Future. Cost of Biofuel. S. 7. https://op.europa.eu/en/publication -detail/-/publication/13e27082-67a2-11e8-ab9c-01aa75ed71a1/language-en/format-PDF (letzter Zugriff: 12.11.2020). 34 Siehe Fn. 28. 35 Siehe Fn. 16. 36 Siehe Fn. 3.