© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 077/19 Einzelaspekte zur CO2-Absorption durch Wälder Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 2 Einzelaspekte zur CO2-Absorption durch Wälder Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 077/19 Abschluss der Arbeit: 19. Juni 2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Hintergrund 4 2. Zur CO2-Absorption und Freisetzung durch den Wald 5 3. Zur Aufforstung nicht bewaldeter Flächen 9 3.1. Auswahl wissenschaftlicher Literatur zu Aufforstung und CO2- Kreislauf 10 3.2. Zum wissenschaftlichen Diskurs bezüglich des Stellenwerts von Bewaldungskampagnen 12 3.3. Angaben des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik 13 3.4. Kosten der Aufforstung 15 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 4 1. Einleitung und Hintergrund In Hinblick auf Maßnahmen zur Begegnung des Klimawandels erhofft man sich von forstwirtschaftlichen Ansätzen eine besondere Wirksamkeit. In der ober- und unterirdischen Biomasse der lebenden Pflanzen, aber auch in der organischen Bodensubstanz ist Kohlenstoff gespeichert. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik1 sind allein im Wald 1.169 Mio. t Kohlenstoff in lebenden Bäumen und in Totholz gebunden (Stand 2016). Umgerechnet auf Waldflächen entspricht diese Angabe rund 385 t CO2-Äq je ha Wald. Besonders der Forstwirtschaft wird ein hohes Potenzial zugesprochen, als Produktspeicher über lange Zeit Kohlenstoff zu binden. Daher kann sie über stoffliche und energetische Substitutionseffekte zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und zur Vermeidung von Emissionen aus fossilen Energieträgern beitragen. Es wird geschätzt, dass ohne den fortwirtschaftlichen Beitrag die deutschen Gesamtemissionen (Bezugsjahr 2014) um 14% höher ausfallen würden.2 In unterschiedlichen Schichten des Waldes werden allerdings auch unterschiedliche Mengen CO2 gebunden. In der Zeitschrift AFZ-DerWald3 ist 2014 ein allgemein verständlicher Artikel einer Wissenschaftlerin des Johann Heinrich von Thünen-Instituts4 zum Thema „Wälder in Deutschland speichern Kohlenstoff “ erschienen5. Hierin wird insbesondere auf die grundsätzlich unterschiedliche Verteilung der Kohlenstoffvorräte in unterschiedlichen Bereichen im Wald eingegangen. Dies veranschaulicht auch die untenstehende Grafik: 1 Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten. Berlin; im Internet abrufbar unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Klimaschutzgutachten _2016.pdf%3F__blob%3DpublicationFile [zuletzt abgerufen am 13. Juni 2019]. 2 Ebd. 3 Hierbei handelt es sich um eine deutschsprachige (nicht Peer-Review) forstliche Mitteilungs- und Fachzeitschrift . 4 Autorin: Nicole Wellbrock, Leiterin Arbeitsbereich Bodenschutz und Waldzustand, Kontaktperson für Bodenzustandserhebung und Waldzustandserhebung. Johann Heinrich von Thünen-Institut. 5 Nicole Wellbrock: Wälder in Deutschland speichern Kohlenstoff, AFZ-DerWald, 18/2014, im Internet abrufbar unter: https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn054334.pdf [zuletzt abgerufen am 17. Juni 2019]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 5 In der vorliegenden Arbeit werden Einzelaspekte der CO2-Absorption und Freisetzung im forstwirtschaftlichen Sektor beleuchtet. Insbesondere geht es um Auswirkungen von Aufforstungsmaßnahmen . Zudem wird darauf eingegangen, dass der wissenschaftliche Diskurs um den Stellenwert von Aufforstungen und seinen Auswirkungen noch geführt wird und nicht abgeschlossen ist. 2. Zur CO2-Absorption und Freisetzung durch den Wald Am 12. Dezember 2018 hat das Statistische Bundesamt (destatis) die Umweltökonomische Gesamtrechnungen – Waldgesamtrechnung publiziert.6 In den Tabellen 1, 6 und 7 werden Angaben zur physischen Waldflächenbilanz, der Kohlenstoffbilanz der Holzbiomasse und der Kohlenstoff- 6 (destatis 2018): Destatis: Umweltökonomische Gesamtrechnungen – Waldgesamtrechnung; Berichtszeitraum 2014 – 2016; Artikelnummer: 5852102167004; erschienen am 12. Dezember 2018; im Internet abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Publikationen/Querschnitt-Sonstiges/waldgesamtrechnung -tabellenband-5852102167004.pdf?__blob=publicationFile&v=4 [zuletzt abgerufen am 6. Juni 2019]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 6 bilanz des Waldökosystems gemacht. Wie in den nachfolgenden Tabellen ersichtlich, wird allerdings nicht zwischen Waldarten unterschieden. Die Darstellung beschränkt sich auf deutsche Wälder. Tabelle 1 in destatis 2018, Seite 9 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 7 Tabelle 6 in destatis 2018, Seite 15 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 8 Tabelle 7 in destatis 2018, Seite 16 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 9 Mittels dieser Daten lässt sich berechnen, dass die Kohlenstoffbilanz der gesamten Holzbiomasse : 2014 0,121 Mill t CO2 pro 1000 ha 2015 0,121 Mill t CO2 pro 1000 ha 2016 0,121 Mill t CO2 pro 1000 ha betrug.7 Für das gesamte Waldökosystem hingegen beläuft sich die Kohlenstoffbilanz im Endbestand auf: 2014 0,267 Mill t CO2 pro 1000 ha 2015 0,269 Mill t CO2 pro 1000 ha 2016 0,270 Mill t CO2 pro 1000 ha.8 Vergleichbare Zahlen für die Emission von CO2 infolge von Zersetzungsprozessen durch den Wald konnten im Zuge der Recherchen für diese Arbeit nicht gefunden werden. In der bereits zitierten Arbeit des Wissenschaftlichen Beirates Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und des Wissenschaftlichen Beirates Waldpolitik9 findet sich eine Grafik, die die Größenordnungen in Hinblick auf Treibhausgasemissionen unter anderem aus Forst- und Holzwirtschaft beziffert. Im Zuge der „Herstellung von Holzprodukten“ werden weniger als 6 Mio. t CO2Äq/Jahr angegeben und für „Vorleistungen und Waldbewirtschaftung“ weniger als 1 Mio, t CO2Äq/Jahr.10 3. Zur Aufforstung nicht bewaldeter Flächen Gesamtstatistische Darstellungen (europaweit oder weltweit) zu CO2-Emissionen im Verlaufe von Aufforstungsprozessen konnten im Zuge der vorliegenden Arbeit nicht gefunden werden. Die nachfolgenden wissenschaftlichen Arbeiten beleuchten jeweils Teilaspekte in spezifischen geografischen Regionen. 7 Beispielrechnung für 2016: 11420*10^3 ha (=114200 km^2) entsprechen laut Angaben von destatis 1387 Mill t CO2, somit 0,121 Mill t CO2 pro 1000 ha. 8 Analoge Rechnung. 9 Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten. Berlin; im Internet abrufbar unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Klimaschutzgutachten _2016.pdf%3F__blob%3DpublicationFile [zuletzt abgerufen am 13. Juni 2019]. 10 Seiet 5., Ebd. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 10 3.1. Auswahl wissenschaftlicher Literatur zu Aufforstung und CO2-Kreislauf The effect of afforestation on soil carbon dioxide emissions in blanket peatland in Ireland (Bryne et al., 2005) In der Publikation untersuchen die Autoren die Auswirkungen der Aufforstung auf die CO2- Emissionen des Bodens in Torf in Irland. Die Untersuchungsstandorte waren wie folgt: zwei unentwässerte Moorflächen, sechs Standorte, die vor 3, 19, 23, 27, 27, 33 und 39 Jahren entwässert und aufgeforstet worden waren, und zwei Waldgebiete, die im Sommer 1996 gerodet wurden. Die CO2-Emissionen des Bodens wurden 1997 in 13 Probenahmerunden gemessen. Jedes Mal bestand dieser Prozess aus zwei aufeinander folgenden 24-Stunden-Messungen. Der Vergleich der durchschnittlichen jährlichen CO2-Emissionen ergab kein klares Muster in Bezug auf die Bodenart und deutet darauf hin, dass die Aufforstung nicht immer zu einem Anstieg der CO2-Emissionen im Boden führt. Die Wurzelatmung scheint einen großen Anteil an den CO2-Emissionen zu haben , und der Torf ist trotz Drainage resistent gegen Fäulnis. Die Autoren folgern, dass die Verluste von Boden-Kohlenstoff durch die Aufnahme von Kohlenstoff durch die Bäume ausgeglichen werden.11 The moderating or amplifying biophysical effects of afforestation on CO2-induced cooling depend on the local background climate regimes in China (Huang et al., 2018) Die Aufforstung kann das regionale Klima sowohl durch biogeochemische12 als auch durch biophysikalische 13 Prozesse, die an den Wechselwirkungen zwischen Landoberfläche und Atmosphäre beteiligt sind, erheblich beeinflussen. Viele Studien hätten, so die Autoren der Publikation , jedoch die biophysikalischen Prozesse ignoriert, die in einigen Fällen die biogeochemischen Auswirkungen kompensieren könnten. In der Arbeit wurden die Menge des von Wäldern aufgenommenen atmosphärischen Kohlendioxids und die Veränderungen der Oberflächenenergiebilanz durch Landnutzungsänderungen von Acker- und Weideland zu Wäldern quantitativ analysiert und die Auswirkungen der Aufforstung auf die regionalen Temperaturen über verschiedene Klimazonen Chinas, insbesondere über die gemäßigten und trockenen Regionen, untersucht. Die Autoren konstatieren: (a) Wenn man nur die CO2-induzierten Effekte betrachtet, wird in allen betrachteten Klimaregionen ein Kühleffekt erreicht (Kohlenstoffbindung). (b) Betrachtet man nur die biophysikalischen Effekte, so war der Anstieg der Netto-Strahlung größer als der Anstieg der latenten Wärmeflüsse. Daher sorgt die Landoberfläche für einen positiven Wärmefluss in die Atmosphäre und erwärmt die Erde. Im Gegensatz dazu führt die Aufforstung 11 Bryne et al.: The effect of afforestation on soil carbon dioxide emissions in blanket peatland in Ireland, Forestry, Vol. 78, No. 3, 2005. doi:10.1093/forestry/cpi020. 12 Anmerkung der Verfasserin: Flüsse von chemischen Elementen, insbesondere Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Stickoxide. 13 Anmerkung der Verfasserin: beispielsweise Albedo (der Anteil des einfallenden Sonnenlichts, der zurück in den Weltraum reflektiert wird), Oberflächenstruktur, Dampftranspiration (hierdurch wird die Energieübertragung in die Atmosphäre beeinflusst). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 11 zu einer Abnahme der Netto-Strahlung und einer starken Zunahme des latenten Wärmestroms in feuchten subtropischen Regionen. Der Anstieg der Netto-Strahlung war geringer als der Anstieg der latenten Wärmeflüsse über dem tibetischen Plateau und den mittelmäßig feuchten Regionen, was zu atmosphärischen Kühleffekten führte. (c) Wenn man sowohl die CO2-induzierten als auch die biophysikalischen Effekte gleichzeitig betrachtet , wurden die potenziellen Kühleffekte durch die Aufforstung um das 1,3-1,5-fache verstärkt , verglichen mit denen, die sich ergeben, wenn man nur das CO2 für die subtropischen Regionen betrachtet. Die biophysikalischen Prozesse der Aufforstung haben die CO2-induzierten Veränderungen in den subtropischen Regionen verstärkt und in den gemäßigten Regionen gedämpft, während das Gegenteil in den trockenen Regionen der Fall war.14 Greenhouse gas (CO2, CH4, N2O) emissions from soils following afforestation in central China (Dou et al., 2016) Die Auswirkungen der Aufforstung sind von großer Bedeutung für die terrestrische Kohlenstoffspeicherung . Die Folgen der Aufforstung für die Treibhausgasflüsse (THG, CO2, CH4 und N2O) sind, so die Autoren der Publikation, jedoch noch wenig quantifiziert. Sie untersuchen die zeitlichen Schwankungen der CO2-, CH4- und N2O-Flüsse in aufgeforsteten Böden (mit Wald und Buschland) und den angrenzenden unbeforsteten Flächen im Danjiangkou-Stauseegebiet in Zentralchina. Dabei wurden die Auswirkungen von beispielsweise Bodenfaktoren [z.B. Bodentemperatur , Bodenfeuchte, Boden-pH, Bodenorganischer Kohlenstoff, Bodenorganischer Stickstoff ] und Vegetationsarten auf Treibhausgasflüsse studiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Aufforstung zu einem höheren durchschnittlichen CO2-Flux (um 63,96%) und einem höheren N2O- Flux (um 54,53%) im beobachteten Zeitraum führt. Die CO2- und CH4-Spitzenflüsse aus aufgeforsteten Böden traten im Sommer auf, während die N2O-Spitzenflüsse im Winter auftraten. Die Aufforstung hat auch den CH4-Flux im Boden verbessert, wobei die größte Zunahme im Wald um 247,94% und im Frühjahr um 188,18% im Strauchland im Vergleich zur offenen Fläche zu verzeichnen war.15 Land use strategies to mitigate climate change in carbon dense temperate forests (Law et al, 2018) In dieser Arbeit werden Strategien zur Minderung der Kohlendioxidemissionen durch forstwirtschaftliche Aktivitäten vorgeschlagen. Die Autoren untersuchen die Vorzüge von Aufforstung, Wiederaufforstung, Managementveränderungen und Bioenergierückständen im pazifischen Nordwesten . Diese Region repräsentiere einige der Wälder mit der höchsten Kohlenstoffdichte der Welt, die Kohlenstoff in Bäumen für 800 Jahre oder mehr speichern können. Die Wissenschaftler konstatieren, dass eine Erhöhung des Waldkohlenstoffs auf öffentlichen Flächen die Emissionen im Vergleich zur Lagerung in Holzprodukten reduziere. Gemäßigte Wälder haben mit ihrer hohen 14 Huang et al.: The moderating or amplifying biophysical effects of afforestation on CO2-induced coo-ling depend on the local background climate regimes in China; Agricultural and Forest Meteorology Volumes 260–261, 15 October 2018, Pages 193-203. 15 Dou et al.: Greenhouse gas (CO2, CH4, N2O) emissions from soils following afforestation in central China; Atmospheric Environment Volume 126, February 2016, Pages 98-106. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 12 Kohlenstoffdichte und einer geringerer Anfälligkeit für Sterblichkeit ein erhebliches Potenzial zur Verringerung der Emissionen im Forstsektor.16 New estimates of CO2 forest emissions and removals: 1990–2015 (Forest Ecology and Management , 2015) Die Autoren analysieren Daten der FAOSTAT Emissions database in Hinblick auf CO2 Emissionen im Zusammenhang mit Bewaldungszuständen. 17 Die Ergebnisse zeigten, dass die CO2-Emissionen aus der Nettowaldumwandlung deutlich zurückgegangen seien, von durchschnittlich 4,0 Gt CO2 jährlich im Zeitraum 2001-2010 auf 2,9 Gt CO2 jährlich im Zeitraum 2011-2015. Mehr als die Hälfte der geschätzten Verringerungen in den letzten fünf Jahren, etwa 0,6 Gt CO2 jährlich, finde in Brasilien statt18. Die Autoren konstatieren, dass im Gegensatz zu den CO2-Emissionen aus der Entwaldung, die CO2-Emissionen aus der Waldschädigung deutlich zunähmen, von 0,4 Gt CO2 jährlich in den 90er Jahren auf 1,1 Gt CO2 jährlich im Zeitraum 2001-2010 und 1,0 Gt CO2 jährlich im Zeitraum 2011-2015, so dass die Emissionen aus der Waldschädigung ein Viertel der Emissionen aus der Entwaldung in den Jahren 2001-2010 ausmachten und auf ein Drittel im Zeitraum 2011-2015 stiegen. 3.2. Zum wissenschaftlichen Diskurs bezüglich des Stellenwerts von Bewaldungskampagnen How much can forests fight climate change? (Feature in Nature, 2019) Anfang diesen Jahres ist in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature ein Feature-Artikel zum Stellenwert von Wäldern erschienen, indem darauf eingegangen wird, dass die Diskussion um das Ausmaß der notwendigen Aufforstung wissenschaftlich durchaus nicht abgeschlossen ist, und sich das Bild wesentlich komplexer darstellt als weitläufig angenommen.19 Niemand leugne, dass Bäume gut für den Menschen und die Umwelt seien und einen hohen Stellenwert für die weltweite terrestrische Biodiversität trügen. Auch würde kein Wissenschaftler die Entwaldung vorschlagen oder auch der Bekämpfung kritisieren. Aber vor dem Hintergrund, dass durch Politik und verschiedene Organisationen immer ehrgeizigere Programme zur Eindämmung des Klimawandels vorangetrieben würden, warnten einige Wissenschaftler davor, sich auf Wälder als Lösung für die globale Erwärmung zu verlassen. Forscher seien an großangelegten Kampagnen zur Datenerhebung mit Flugzeugen, Satelliten und anderen Geräten beteiligt, um die Auswirkungen von Bewaldung auf Klima und Luft-Verschmutzung besser zu verstehen. Sodann geht der Autor, Gabriel Popkin, auf einzelne aktuelle Forschungsergebnisse ein. 16 Law et al.: Land use strategies to mitigate climate change in carbon dense temperate forests; PNAS April 3, 2018 115 (14) 3663-3668; first published March 19, 2018 https://doi.org/10.1073/pnas.1720064115. 17 Forest Ecology and Management, Volume 352, 7 September 2015, Pages 89-98: https://www.sciencedirect .com/science/article/pii/S0378112715002443 [zuletzt abgerufen am 17. Juni 2019]. 18 Siehe hierzu auch: https://www.deutschlandfunk.de/klimaweltmeister-brasilien-brandrodung-um-70-prozent .676.de.html?dram:article_id=288999 [zuletzt abgerufen am 17. Juni 2019]. 19 Gabriel Popkin: The forest question; 280 | NATURE | VOL 565 | 17 JANUARY 2019 https://www.nature .com/magazine-assets/d41586-019-00122-z/d41586-019-00122-z.pdf [zuletzt abgerufen am 13. Juni 2019]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 13 Die meisten Wissenschaftler seien sich einig, dass tropische Wälder klare „Klimakühler“ seien: Bäume dort wüchsen relativ schnell und setzten große Mengen an Wasser frei, die wiederum Wolken bildeten (Kühlungseffekt). Neuere Studien hätten allerdings ein umfassenderes Bild ergeben : Im Laufe ihres Lebensprozesses seien Bäume im ständigen Austausch mit Luft, Kohlenstoff, Wasser, Licht und einer großen Vielzahl von mit dem Klima interagierenden Chemikalien. Die Atmosphärenchemikerin Nadine Unger, führte – so der Autor des Artikels - eine der ersten globalen Studien durch, die einen Teil dieses Austauschprozesses untersuchte: den Einfluss von flüchtigen organischen Verbindungen oder VOCs (volatile organic component), die von Bäumen freigesetzt werden. Dazu gehöre Isopren, der die Erde auf verschiedene Weise erwärmen kann. Es könne mit Stickoxiden in der Luft zu Ozon reagieren - einem starken klimaschützenden Gas, wenn es sich in der unteren Atmosphäre aufhielte. Isopren könne auch die Lebensdauer von atmosphärischem Methan - einem weiteren Treibhausgas - verlängern. Aber auch Isopren könne einen kühlenden Einfluss haben, indem es dazu beitrage, Aerosolpartikeln zu bilden, die wiederum einfallendes Sonnenlicht blockierten. Unger stelle ein Modell vor, das die Auswirkungen chemischer Emissionen aus dem Wald abschätze. Ihre Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die Umwandlung von Wäldern in Ackerland während des gesamten Industriezeitalters insgesamt wenig Einfluss auf das Klima gehabt haben könnte. Durch die Rodung von Wäldern wurde Kohlenstoff freigesetzt, der in Bäumen gespeichert war, aber das Albedo der Erde20 wurde erhöht und die Emissionen von VOCs, die sowohl kühlen als auch wärmen könnten, verringert. Diese Darstellungen sind allerdings nicht unumstritten. Tatsächlich antwortete eine Gruppe von 30 Forstwissenschaftlern auf die Darstellungen von Unger (“We strongly disagree with Professor Unger’s core message.”). Allerdings teilten einige Wissenschaftler die Meinung, dass es erforderlich sei, in die Betrachtungen die Auswirkungen von Wald-VOCs mit einzubeziehen. Nachfolgende Studien führten sowohl zu Unterstützung als auch zum Widerspruch der Analyse von Unger. Ein britisches Team21 führte ein Modell ein, das auch berechnete, wie Aerosole durch Wälder entstehen könnten, die das Sonnenlicht reflektierten. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Nettoeffekt von VOCs aus dem Wald ein kühlender sei. Diese Studie wurde wiederum von Unger kritisiert. Die neuesten Erkenntnisse – so der Nature-Feature Artikel – führten zu noch komplexeren Darstellungen . Die Ökologin Sunitha Pangala (Großbritannien) habe infolge von Arbeiten im Amazonas -Regenwald konstatiert: "Wir waren wirklich über die Größenordnung überrascht, in der diese Bäume Methan ausstoßen“. 3.3. Angaben des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik Mit der Problematik der Aufforstung, Wiederaufforstung und Vermeidung von Entwaldung beschäftigt sich ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik, das 20 Rückstrahlungsvermögen 21 Scott, C. E. et al. Nature Commun. 9, 157 (2018). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 14 2016 erschienen ist.22 Maßnahmen innerhalb der Forstwirtschaft werden dabei besondere Potenziale eingeräumt: „Die quantitativ größten Minderungspotenziale liegen in absteigender Reihenfolge in folgenden Bereichen: a) Veränderung der Baumartenzusammensetzung in der forstlichen Produktion (Erhöhung des Nadelbaumanteils) (langfristig wirksam), b) Schutz von Mooren unter derzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung (langfristig umsetzbar /wirksam), c) Reduzierung des Konsums tierischer Produkte (mittelfristig wirksam), d) Lignocellulose aus landwirtschaftlicher Produktion (z. B. aus Kurzumtriebsplantagen) (mittelfristig wirksam), e) Erhöhung der stofflichen Nutzung von Holz in langlebigen Holzprodukten (langfristig wirksam ) und f) Verbesserung der N-Effizienz der Düngung (kurzfristig wirksam).“23 Zudem werden konkrete Daten zu Treibhausgasemissionen und Kohlenstofffestlegung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft gegeben.24 Auf konkrete Zahlen zur CO2-Freisetzung infolge von Zersetzungsprozessen wird nicht eingegangen, wohl aber bemerkt: „Je älter die Bestände werden, desto mehr CO2 wird durch die natürliche Zersetzung von abgestorbenen Bäumen und Baumteilen freigesetzt, ohne vorher Substitutionseffekte entfalten zu können. In einem späten „Oldgrowth “-Stadium können sich dann CO2-Einbindung und CO2-Freisetzung in etwa die Waage halten . Dieses Stadium wird im Betrachtungszeitraum von der Mehrzahl von den aus der Nutzung genommenen Waldbeständen nicht erreicht, da diese sich in der Regel frühestens in der Optimalphase befinden. Zudem werden in den Szenarien keine Wechselwirkungen zwischen Bestandsalter und -dichte einerseits und der Mortalität von Bäumen andererseits abgebildet, sodass die Freisetzung von CO2 aus diesen Prozessen langfristig unterschätzt wird.“25 22 Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten. Berlin; http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads /Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Klimaschutzgutachten_2016.pdf%3F__blob%3DpublicationFile [zuletzt abgerufen am 17. Juni 2019]. 23 Seite v, ebd. 24 Seite 19, ebd.; Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft: LULUCF 25 Seite 270, ebd. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 077/19 Seite 15 3.4. Kosten der Aufforstung Bereits im Jahr 2011 ist in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Climatic Change“ ein Artikel mit dem Titel „A Method for Estimating the Cost of CO2 Mitigation through Afforestation“ erschienen .26 Hierin wird eine Methodik vorgestellt, um abschätzen zu können, was eine Zunahme der Waldfläche und eine Netto-Reduktion der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre an Kosten verursacht. Unter verschiedenen Szenarien werden diese auf Maine, South Carolina und Wisconsin angewendet. In der bereits zitierten Publikation des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik27 werden Folgen der Aufforstung, Wiederaufforstung und Vermeidung von Entwaldung diskutiert (Kapitel 5.4.1). Zu den Kosten wird festgestellt: „Bei Aufforstung und Wiederaufforstung treten Investitionskosten für die Kulturbegründung auf (durchschnittlich ca. 5.500 €/ha für Nadelholz und 9.300 €/ha für Laubholz). In den Jahren danach fallen i. d. R. noch zusätzliche Kosten für die Kultursicherung an. Diese werden über fünf Jahre pauschal mit jeweils 500 €/ha pro Jahr angesetzt. Auf ehemals landwirtschaftlichen Flächen entstehen weiterhin Opportunitätskosten durch entgangene landwirtschaftliche Produktion. Sie werden näherungsweise mit pauschal 1.000 €/ha pro Jahr angesetzt (Zinsen werden nicht betrachtet ). Dieser Betrag orientiert sich an den Erträgen aus Ackerbau auf eher schwachen Standorten . Würde ein Teil der Aufforstungen auf Grünland stattfinden, dürfte der Betrag die Opportunitätskosten aus landwirtschaftlicher Produktion überschätzen. In den beiden hier betrachteten Szenarien treten folgende Kosten auf: Szenario a) Bei der mittleren jährlichen Erstaufforstungsrate von 14.097 ha treten über die betrachtete Periode (2013 bis 2050) Kosten in Höhe von durchschnittlich 411 Mio. €/Jahr auf. Die Gesamtkosten steigen dabei allerdings von Jahr zu Jahr, da im gesamten Betrachtungszeitraum neue Flächen erstmals aufgeforstet werden. Wegen der zunehmenden Senkenleistung der älter werdenden Bestände nehmen allerdings die Vermeidungskosten pro t CO2 stark ab. Diese liegen in der letzten Periode bei ca. 106 €/t CO2. Szenario b) Bei der durchschnittlichen jährlichen Erstaufforstungsrate von 22.368 ha betragen die Kosten über die betrachtete Periode (2013 bis 2050) durchschnittlich 652 Mio. €/Jahr. Sie liegen höher als im Szenario a), da bereits von Beginn an größere Flächen aus der Produktion genommen werden. Die Vermeidungskosten gleichen denen in Szenario a) fast vollständig. Dies ist darauf zurückzuführen , dass sich die Erstaufforstungsflächen in den beiden Szenarien in einem festen Verhältnis zueinander entwickeln. Lediglich in der ersten Periode liegen sie geringfügig auseinander.“28 *** 26 Plantinga, A.J. & Mauldin, T. Climatic Change (2001) 49: 21. https://doi.org/10.1023/A:1010749214244 27 Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten. Berlin; http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads /Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Klimaschutzgutachten_2016.pdf%3F__blob%3DpublicationFile [zuletzt abgerufen am 17. Juni 2019]. 28 Seite 265 f., ebd.