© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 077/16 Schulischer Politikunterricht in den Bundesländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 077/16 Seite 2 Schulischer Politikunterricht in den Bundesländern Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 077/16 Abschluss der Arbeit: 01.12.2016 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 077/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Schulischer Politikunterricht in den Bundesländern 4 1.1. Unterschiedliche Bezeichnungen und Schwerpunkte 4 1.2. Stellung des Politikunterrichts im Vergleich zu anderen gesellschaftspolitischen Lehrfächern 5 1.3. Intensität des Politikunterrichts während einer Schullaufbahn 6 2. Quellenverzeichnis 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 077/16 Seite 4 1. Schulischer Politikunterricht in den Bundesländern1 Im deutschen Schulwesen existieren zwei schulische Unterrichtsfächer mit Verfassungsrang. Dies bedeutet, dass diese Fächer weitgehend vor Abschaffung oder tief greifender Veränderung geschützt sind. Im einen Fall handelt es sich um den Religionsunterricht. Im anderen Fall handelt es sich nicht direkt um ein Fach, sondern um die Bildungsaufgabe "politische Bildung". Die Landesverfassungen enthalten Vorgaben für die schulische Bildung und Erziehung. Gemäß dieser Vorgaben sollen jungen Menschen im Geiste von Freiheit, Demokratie und Völkerversöhnung sowie zu freiheitlicher demokratischer Haltung und zur Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen, erzogen werden (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen , Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen). Diese Vorgaben bedeuten zwar nicht zwingend die Einrichtung eines eigens dafür vorgesehenen Unterrichtsfaches , sie legen eine solche Einrichtung aber zumindest nahe, da die gewünschten Haltungen sich nicht nebenbei entwickeln, sondern im Grunde einen fachlich fundierten Unterricht erfordern . Generell betrachtet erscheint die Lage der schulischen Bildung also unkritisch zu sein, da in allen Bundesländern seit Jahrzehnten ein der politischen Bildung dienendes Unterrichtsfach existiert , dessen Bezeichnung allerdings variiert. Daneben existieren in allen Ländern auch Lehrpläne , die Inhalte, Ziele und Vermittlungsweisen des Politikunterrichts mehr oder minder detailliert vorschreiben. 1.1. Unterschiedliche Bezeichnungen und Schwerpunkte Der Politikunterricht gehört zu den jungen Schulfächern. Übereinstimmung bei seiner Einführung bestand lediglich darin, dass Politik und Gesellschaft zu den zentralen Gegenständen des neuen Faches gehören sollten. Eine Folge der fehlenden Tradition war, dass das Fach in den Stundentafeln nachrangig behandelt wurde und keine einheitliche Bezeichnung erhielt. Dieser für die Identitätsbildung des Faches eher ungünstige Zustand dauert bis in die Gegenwart an. Jedes Land folgt hinsichtlich der Fachbenennung eigenen Vorlieben. Folgende Namen sind im Umlauf : Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, Politische Bildung, Politik, Politikwissenschaft und Sozialwissenschaften . Die folgende Tabelle veranschaulicht die landestypischen Bezeichnungen des für die politische Bildung vorgesehenen spezifischen Unterrichtsfaches an den Gymnasien. Land Sekundarstufe I Sekundarstufe II Baden-Württemberg Gemeinschaftskunde Gemeinschaftskunde Bayern Sozialkunde Sozialkunde Berlin Politische Bildung (Jahrgangsstufen 5 und Politikwissenschaft (alternativ : Sozialwissenschaften ) 1 Vergl.: Bundeszentrale für politische Bildung 2015 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 077/16 Seite 5 6) Sozialkunde (Jahrgangsstufen 7 bis 10) Brandenburg Politische Bildung Politische Bildung Bremen Politik Politik Hamburg Politik / Gesellschaft / Wirtschaft Politik / Gesellschaft / Wirtschaft Hessen Politik und Wirtschaft Politik und Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommern Sozialkunde Sozialkunde Niedersachsen Politik-Wirtschaft Politik-Wirtschaft Nordrhein-Westfalen Politik Sozialwissenschaften Rheinland-Pfalz Sozialkunde Sozialkunde Saarland Sozialkunde Sozialkunde Sachsen Gemeinschaftskunde / Rechtserziehung / Wirtschaft Gemeinschaftskunde / Rechtserziehung / Wirtschaft Sachsen-Anhalt Sozialkunde Sozialkunde Schleswig-Holstein Wirtschaft / Politik Wirtschaft / Politik Thüringen Sozialkunde Sozialkunde In der Grundschule ist der Politikunterricht nur indirekt vertreten, nämlich mit einigen Themen im Rahmen des Heimat- und Sachunterrichts. In der Sekundarstufe I (Jahrgangsstufen 5 bis 10) taucht er in der Regel mit einer oder zwei Wochenstunden in den Jahrgangsstufen 8 bis 10 auf. In der Sekundarstufe II der Gymnasien (Jahrgangsstufen 11, 12 und 13) gibt es zwar Politikunterricht , aber er genießt selten den Status eines Pflichtfaches. Sein Status ist der eines Angebotsfaches , das gewählt werden kann, aber nicht muss. Er steht dabei in Konkurrenz zu anderen Fächern aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld. Zu diesen anderen Fächern gehören neben Geographie häufig Wirtschaftswissenschaft und Rechtskunde sowie manchmal noch Pädagogik und Psychologie. 1.2. Stellung des Politikunterrichts im Vergleich zu anderen gesellschaftspolitischen Lehrfächern Wie schwach die Stellung des Politikunterrichts ist, zeigt sich, wenn man ihn mit der Lage seiner Nachbarfächer Geschichte und Geographie vergleicht. In den Stundentafeln aller Länder ist Geschichte in den Jahrgangsstufen 6 bis 10 mit in der Regel zwei Wochenstunden fest etabliert. Und in der gymnasialen Oberstufe vieler Länder gehört die Geschichte zum Pflichtprogramm, das bis zum Abitur absolviert werden muss. Der Erdkundeunterricht ist etwas schwächer verankert. Seine Stundenanteile in der Sekundarstufe I sind im Verhältnis zur Geschichte geringer, übertreffen die des Politikunterrichts aber deutlich. In der gymnasialen Oberstufe ist seine Stellung mit der des Politikunterrichts in etwa vergleichbar. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 077/16 Seite 6 Wie kaum ein anderes Schulfach ist der Politikunterricht vom deutschen Föderalismus und dem darauf beruhenden Gestaltungsspielraum der Bundesländer betroffen. So gibt es zwar auf der einen Seite einige Bundesländer, die sich für eine Gleichwertigkeit von Politik- und Geschichtsunterricht in der gymnasialen Oberstufe entschieden haben (Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein -Westfalen, Rheinland-Pfalz). Aber in Bayern fristet die Sozialkunde an den normalen Gymnasien – in den wenigen Gymnasien mit sozial- und wirtschaftswissenschaftlichem Profil ist die Situation anders – ein kaum wahrnehmbares Schattendasein. Ein weiteres Anzeichen für die schwache Verankerung des Wirklichkeitsbereiches Politik in den gymnasialen Lehrplänen ist der Sachverhalt, dass das Unterrichtsfach in mehreren Bundesländern eine Erweiterung zum Kombinationsfach Politik und Wirtschaft erfahren musste. Wirtschaftsverbände hatten die Thematisierung wirtschaftlicher Sachverhalte durch den klassischen Politikunterricht für nicht ausreichend gehalten und setzten auf eine eigenständige ökonomische Bildung. Weil die Länder aber kein neues Fach einführen wollten, wurde die ökonomische Bildung in das bestehende Fach integriert. In den nichtgymnasialen Schulformen ist die Kombination von politischer Bildung mit anderen Fächern schon länger üblich. So gibt es an den bayerischen Hauptschulen das Kombinationsfach Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde. Die Sozialkunde hat dabei die geringsten Stundenanteile. 1.3. Intensität des Politikunterrichts während einer Schullaufbahn „Beachtenswert ist, dass die einzelnen Werte mehr zwischen den einzelnen Ländern als zwischen den unterschiedlichen Schulformen innerhalb eines Landes differieren – gleichwohl die Differenzen in beiden Dimensionen durchaus bezeichnend sind. Ebenso zeigen die Daten, dass „politischer Bildung” als Unterrichtsfach bundesweit tendenziell eine höhere Bedeutung an Haupt-, Real- sowie integrierten Gesamtschulen zukommt als an Gymnasien“.2 2 Konrad-Adenauer-Stiftung 2014: 46. Weitere statistische Daten über die Dauer des Politikunterrichts an den verschiedenen Schulformen (Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien) befinden sich auf den Folgeseiten der Studie. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 077/16 Seite 7 Anzahl der insgesamt erteilten Unterrichtsstunden in der unmittelbaren schulischen politischen Bildung während einer Schullaufbahn (Sollwerte) (Ebenda.) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 077/16 Seite 8 2. Quellenverzeichnis Bundeszentrale für politische Bildung (2015). Detjen, Joachim. Bildungsaufgabe und Schulfach. 19.03.2015. http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/politische-bildung/193595/bildungsaufgabe -und-schulfach?p=all Konrad-Adenauer-Stiftung (2014). Kalina, Andreas. ERFOLGREICH. POLITISCH. BILDEN. FAK- TENSAMMLUNG ZUM STAND DER POLITISCHEN BILDUNG IN DEUTSCHLAND. HAND- REICHUNG ZUR POLITISCHEN BILDUNG, BAND 4. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Sankt Augustin/Berlin. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. http://www.kas.de/wf/doc/kas_20184-544-1-30.pdf?140127145043 ***