© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 076/20 Wissenschaftliche Literatur zu mikroklimatischen Auswirkungen von Windkrafträdern Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 2 Wissenschaftliche Literatur zu mikroklimatischen Auswirkungen von Windkrafträdern Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 076/20 Abschluss der Arbeit: 21. Dezember 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Lokale mikroklimatische Effekte durch Windkrafträder 4 2.1. Lee M. Miller, David W. Keith: Climatic Impacts of Wind Power 4 2.1.1. In der Publikation benannte Einschränkungen hinsichtlich der Interpretation klimatischer Effekte 5 2.1.2. Darstellung der Ergebnisse der Publikation Miller & Keith 2018 6 2.1.3. Miller: The warmth of wind power 8 2.2. S. Baidya Roy et al.: Can large wind farms affect local meteorology? 9 2.3. S. B. Roy; J. J. Traiteur: Impacts of wind farms on surface air temperatures. 10 2.4. Rajewski, D. A. et al.: Observations show that wind farms substantially modify the atmospheric boundary layer thermal stratification transition in the early evening. 11 2.5. K. Xu et al.: Positive ecological effects of wind farms on vegetation in China’s Gobi desert. 11 2.6. B. Tang et al.: The Observed Impacts of Wind Farms on Local Vegetation Growth in Northern China 11 2.7. Zur Frage inwiefern lokale mikroklimatische Veränderungen infolge des Ausbaus von Windkraftanlagen in den USA zu erwarten sind 12 3. Zur Austrocknung von Landschaften 12 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 4 1. Einleitung Im Zuge des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung wird u.a. die Windenergie als eine Form der alternativen Energiegewinnung ausgebaut.1 Zu den häufigsten Kritikpunkten in der Diskussion um die Windenergie zählen gesundheitliche Beschwerden, ästhetische Aspekte sowie Auswirkungen auf Flora und Fauna. Gegenstand dieser Arbeit ist hingegen lediglich die vergleichsweise junge Kritik, dass sich infolge des Betriebs von Windkraftanlagen das sog. Mikroklima ändere.2 Als Mikroklima wird im allgemeinen Sprachgebrauch das Klima der bodennahen Luftschicht bezeichnet . Da die Oberflächen verschieden sein können, liegt es nahe, dass auch die bodennahen (mikro-)klimatischen Verhältnisse je nach Beschaffenheit des Bodens sehr unterschiedlich sind. In der (Bio-)klimatologie, Forst- und Agrarklimatologie werden diese Zustände untersucht, indem beispielsweise Strahlungs- und Wärmehaushalte von Pflanzen oder Bodenstrukturen studiert werden.3 Da wissenschaftliche Studien belegen, dass im Umfeld von Windkraftanlagen ein gewisser Anstieg lokaler bodennaher Temperaturen gemessen wird, gewinnt die Untersuchung mikroklimatischer Veränderungen in der Umgebung von Windkrafträdern und ihre Auswirkungen auf die Umwelt an Bedeutung. Die Darstellung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes anhand einer Auswahl von Publikationen ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Abschließend wird auf die Fragestellung eingegangen, welche wissenschaftlichen Erklärungen für in Deutschland seit einiger Zeit beobachteten Austrocknungserscheinungen derzeit existieren.4 2. Lokale mikroklimatische Effekte durch Windkrafträder 2.1. Lee M. Miller, David W. Keith: Climatic Impacts of Wind Power Kritiker der Windkraftenergie verweisen im Hinblick auf durch Windräder verursachte mikroklimatische Veränderungen häufig auf eine wissenschaftliche Publikation vom 19. Dezember 2018, 1 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/klimaschutzprogramm-2030-1673578. 2 https://www.nnz-online.de/news/news_lang.php?ArtNr=273203. 3 https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/mikroklima/5099. 4 Diese Darstellung ist überblicksartig, knapp gehalten. Eine detailliertere Übersicht über wissenschaftliche Erklärungsansätze zur Dürreproblematik in Europa findet sich in einer Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (WD - 3000 - 083/20) vom 18. Dezember 2020. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 5 die in der Zeitschrift „Joule“5 unter dem Titel: Climatic Impacts of Wind Power6 [Miller & Keith] erschienen ist. In dieser Arbeit wird das Verhältnis von Windkraftnutzung und klimatischen Auswirkungen untersucht . Obwohl Windkraft in Hinblick auf klimatische Auswirkungen fossile Energiegewinnung schlage, habe es nicht zu vernachlässigende klimatische Auswirkungen, so die Autoren. Bevor der Inhalt der Arbeit dargestellt wird, werden im Folgenden die in der Publikation selbst benannten Einschränkungen hinsichtlich der Interpretation klimatischer Effekte dargestellt. Diese betreffen von den Autoren benannte Einschränkungen bei der Verwendung der Ergebnisse im Vergleich der klimatischen Auswirkungen von Windkraft auf den Klimawandel durch langlebige Treibhausgase.7 2.1.1. In der Publikation benannte Einschränkungen hinsichtlich der Interpretation klimatischer Effekte Grundsätzlich seien die Mechanismen, die den höheren (bodennahen) Temperaturen durch Windkraft zugrunde lägen, andere Mechanismen als diejenigen, die im Zuge des globalen Klimawandels zu wärmeren Temperaturen führten. Erhöhte Treibhausgas-Konzentrationen reduzierten die Strahlungswärmeverluste im Weltraum, fingen mehr Wärme in der Atmosphäre ein und verursachten damit auch wärmere Oberflächentemperaturen. Windkraft hingegen füge der Atmosphäre nicht mehr Wärme hinzu. Windkraftanlagen verteilten Wärme durch Mischen und veränderten große Strömungen, die klimatischen Einfluss haben könnten. Die Autoren betonen, dass ihr Vergleich ausschließlich auf Unterschieden der Oberflächenlufttemperatur basiere. Windkraftanlagen und Treibhausgase veränderten beide jeweils einzelne Klimavariablen. Die Verwendung der Oberflächentemperatur als alleinigen Indikator für Klimaauswirkungen zu benutzen , könne zu einer verzerrten Interpretation führen. Ihre Ergebnisse hingen zudem von der Windstromerzeugungsrate ab und es liege nahe, dass das Temperaturverhalten in etwa linear zu Erzeugungsrate und Leistungsdichte sei. Die Ergebnisse seien abhängig von der räumlichen Verteilung und Dichte der Windkraftanlagen. Sie seien davon ausgegangen, dass man dabei die windstärksten Gebiete nutze. Tatsächlich blieben in ihrer Studie eine Reihe von Vor- und Nachteilen der Klimaauswirkungen , die durch den Einsatz von Windkraft verursacht werden könnten, unberücksichtigt. Dazu zählten beispielsweise arktische Kühlung8, jahreszeitlich bedingte unterschiedliche Temperaturen sowie Auswirkungen auf Ernteerträge und die Fauna. Zudem sei zu beachten, dass der betrachtete Zeithorizont eine Rolle spiele und ihr Modell berücksichtige lediglich die USA. Eine 5 Joule ist eine begutachtete (Peer-Review) wissenschaftliche Fachzeitschrift, die seit 2017 von Cell Press herausgegeben wird. Der Journal Impact 2019 von Joule beträgt 15.040. 6 [Miller & Keith 2018] Miller & Keith, Joule 2, 1–15 Dezember 19, 2018, 2018 Elsevier Inc.: https://doi.org/10.1016/j.joule.2018.09.009. 7 Seite 2629 in [Miller & Keith 2018]. 8 Die Autoren geben in ihrer Einleitung vier Studienbelege an, in denen herausgefunden wurde, dass die Gewinnung von Windenergie in mittleren Breitengraden zu einer Abkühlung der Arktis führe. (Seite 2619 und 2629 in Miller & Keith 2018). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 6 globale Übertragung des Modells könne auf Basis ihrer Ergebnisse nicht erfolgen. Das bedeutet, dass von einer Übertragung der Ergebnisse auf eine andere Region der Welt (z.B. Europa) abgeraten wird. 2.1.2. Darstellung der Ergebnisse der Publikation Miller & Keith 2018 Basierend auf Simulationsmodellen suchen die Wissenschaftler nach Erklärungen für die Klimaauswirkungen durch Windkraft. Ihre Ergebnisse fassen sie folgendermaßen zusammen: Es wird festgestellt, dass die Erzeugung des heutigen (gesamten) US-Strombedarfs mit Windkraft die Oberflächentemperaturen in den USA um 0,24 °C erwärmen würde. Hierbei ist zu beachten, dass derzeit in den USA 300 Milliarden Kilowattstunden von Windkraftanlagen erzeugt werden. Dies entspricht 7,3 % des Strombedarfs der USA. Dies bedeutet, dass die in der Modellrechnung erzielte Größe von 0,24 °C auf einer angenommenen9 fast 14-fachen Steigerung beruht. Die Erwärmung entstehe teilweise durch Turbinen infolge einer Wärmeverteilung durch Mischen der Grenzschicht. Die modellierten täglichen und saisonalen Temperaturunterschiede stimmten in etwa mit den jüngsten Beobachtungen zur Erwärmung in Windparks überein und spiegelten ein kohärentes mechanistisches Verständnis dafür wider, wie Windkraftanlagen das (lokale) Klima veränderten. Der Erwärmungseffekt sei im Vergleich zu Prognosen der Erwärmung des 21. Jahrhunderts gering. Bei gleicher Erzeugungsrate seien die klimatischen Auswirkungen von Photovoltaik-Solaranlagen etwa zehnmal geringer als bei Windkraftanlagen. Hierbei ist zu beachten, dass die Betrachtung von Photovoltaik-Systemen nicht Gegenstand der Publikation ist und als Ausblick in der Zusammenfassung gegeben wird. Ein Vergleich klimatischer Auswirkungen von Photovoltaik und Windkraft wird in der Arbeit nicht untersucht. Die allgemeinen Umweltauswirkungen von Wind seien sicherlich geringer als die von fossiler Energie. Entscheidungen zwischen Wind und Sonne sollten durch Schätzungen ihrer konkreten Klimaauswirkungen getroffen werden. Hinsichtlich der Niederschlagsveränderungen stellen die Autoren fest, dass diese gering seien und keine klare räumliche Korrelation belegbar sei.10 Verschiedentlich wurde kritisiert, dass die Arbeit in den Medien mit verzerrten Aussagen aufgegriffen wurde.11 Von einzelnen Wissenschaftlern wurde die Studie in der Öffentlichkeit aufgrund ihrer sehr vereinfachenden und ihrer Meinung nach unrealistischen Annahmen bemängelt. Auf den Seiten der American Wind Energy Association wird die Wissenschaftlerin Christina Archer mit der Aussage zitiert, die Darstellung spiegele nicht die zukünftige Windkraft in den USA wider . Es ist bestenfalls eine interessante theoretische Übung, d.h. die Arbeit sei vielmehr theoretischer Natur.12 In der Zeitschrift MIT Technology Review wird John Dabiri zitiert. Er bemängelt, 9 In vereinfachter Annahme eines linearen Steigerungsverlaufs. 10 Seite 2621 in [Miller & Keith 2018]. 11 Siehe beispielsweise Michael Marshall: No, Wind Farms Are Not Causing Global Warming; Forbes vom 5. Oktober 2018: https://www.forbes.com/sites/michaelmarshalleurope/2018/10/05/no-wind-farms-are-not-causingglobal -warming/?sh=5cf37a1f8ce6. 12 https://www.aweablog.org/fact-check-no-wind-turbines-not-cause-climate-change/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 7 die Simulationen verwendeten Modellannahmen, die zu einem erhöhten Luftwiderstand auf der Erdoberfläche führten.13 Es sei bekannt, dass eine solche Modellannahme die Strömung in realen Windparks nur schlecht vorhersage.14 Auf den Internetseiten des Science Media Centre15 wurden Stellungnahmen einzelner Wissenschaftler zu der zitierten Publikation von Miller & Keith publiziert.16 Diese bestätigen die Ergebnisse von Miller & Keith im Wesentlichen und bewerten sie weitgehend als plausibel. So betont Alona Armstrong, Dozentin für Energie- und Umweltwissenschaften am Lancaster Environment Centre (Lancester University), dass sowohl diese als auch andere Studien nahe legten, dass Windparks eine lokale und regionale Erwärmung verursachen könnten, dies sei aber keine globale Erwärmung. Wenn man Windkraftanlagen ausschalte, verschwänden die Effekte der Erwärmung . Würde man aber Anlagen für fossile Brennstoffe abschalten, so bliebe ein Erwärmungseffekt weiterhin bestehen. Stephen Mobbs vom National Centre for Atmospheric Science in Leeds hält die Arbeit von Miller & Keith für eine ausbalancierte Studie, die konsistent sich in bereits bestehende Veröffentlichungen im Bereich der atmosphärischen Effekte von Windkraftanlagen einfüge. Die Studie verwende ein atmosphärisches Modell der Wetterforschung und -prognose und stelle lokale Auswirkungen von Windkraftanlagen dar. Die Aussagen zur Durchmischung der Atmosphäre und dem Tag-Nacht-Unterschied seien bereits bekannt. Eine weitere Konsequenz sei möglicherweise eine geringfügig erhöhte Oberflächenverdunstungsrate. Es sei wichtig zu verstehen, dass Windkraftanlagen gerade nicht zu einer wesentlichen Erwärmung der Atmosphäre beitrügen. Sie verteilten die Wärme in der Atmosphäre, die bereits auf natürliche Weise vorhanden sei, so dass mehr Wärme in der Nähe der Oberfläche vorhanden ist. Dies stehe im Gegensatz zu den Auswirkungen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid. Die Studie versuche, den Anstieg der Oberflächentemperatur infolge des Betriebs von Windparks mit dem folglich vermiedenen Temperaturanstieg aufgrund der Nichtverbrennung fossiler Brennstoffe zu vergleichen. Die Studie erkläre und beschränke die Ergebnisse ziemlich gut. Es sei von entscheidender Bedeutung, die Vorbehalte zu berücksichtigen, da es sehr leicht zu Missverständnissen kommen könne. Wenn die gesamte US- Stromerzeugung durch Verbrennung fossiler Brennstoffe plötzlich durch Windparks ersetzt würde, wäre der Effekt der Oberflächentemperatur der Windparks sofort zu spüren. Die vermie- 13 Originalzitat: „Stanford professor John Dabiri criticized the study, saying the simulations relied on a proxy for wind turbines that increases aerodynamic drag at the earth’s surface“. In: J. Temple: Wide-scale US wind power could cause significant warming, MIT technology Review vom 4.10.2018: https://www.technologyreview .com/2018/10/04/139905/wide-scale-us-wind-power-could-cause-significant-warming/. 14 Ebd. 15 Das Science Media Centre (SMC) wurde 2002 gegründet (https://www.sciencemediacentre.org/) und ist eine NON-Profit Organisation. Ihre Hauptfunktion ist, Journalisten fundierte Hintergrundinformationen zu aktuellen wissenschaftlichen Themen bereitzustellen. Finanziert wird das SMC von verschiedenen Organisationen, darunter Medienorganisationen, Universitäten, wissenschaftliche Gesellschaften, die UK Research Councils, Regierungseinrichtungen , Wohltätigkeitsorganisationen, private Spender und Körperschaften. Seit 2016 existiert SMC Germany. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist seit der Gründung des SMC Germany dessen Kooperationspartner (https://www.sciencemediacenter.de/). 16 https://www.sciencemediacentre.org/expert-reaction-to-research-on-climatic-impact-of-wind-power/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 8 dene globale Erwärmung der Atmosphäre infolge dessen, dass ihr keine Treibhausgase mehr zugesetzt würden, nehme jedoch mit der Zeit kumulativ zu. Als Schätzung sei angegeben, dass es bis zu einem Jahrhundert dauern könne, bis der Oberflächeneffekt der vermiedenen durch Treibhausgase verursachten Erwärmung den Effekt der Turbinen übersteige. Die Studie weise jedoch auf zwei entscheidende Faktoren hin. Zum einen sei die Wirkung von Treibhausgasen kumulativ und halte viele tausend Jahre an, während die Wirkung von Windparks sofort bei Abschaltung aufhöre. Zum anderen fügten Windparks der Atmosphäre keine nennenswerte Wärme zu; sie verteilten diese nur neu. Ausdrücklich deute die Studie nicht darauf hin, dass die Umweltauswirkungen von Windparks in irgendeiner Weise mit denen der Verbrennung fossiler Brennstoffe (die auf menschlicher Zeitskala global und irreversibel seien) vergleichbar seien. Robert Lowe ist Physiker und Professor am Energie Institut der University of London. Die Publikation zeige, dass Windkraftanlagen die Temperaturen auf regionaler Ebene beeinflussen könnten . Das Papier liefere jedoch ausdrücklich keine Belege für die möglichen Klimaauswirkungen des großflächigen Einsatzes von Windkraftanlagen auf der Welt insgesamt. Um dieser Frage nachzugehen, müsse das Klima eher auf globaler als auf regionaler Ebene modelliert werden. Insbesondere die Arktis werde in der Analyse von Miller & Keith nicht berücksichtigt. Daher könne die Arbeit nichts über die Auswirkungen positiver Rückkopplungsmechanismen im Zusammenhang mit der Arktis oder die Möglichkeit sagen, dass der großflächige Einsatz von Windkraft uns potenziellen Klimakipppunkten näher bringe oder von diesen wegführe. Mark Z. Jacobson, Professor für Bau- und Umwelt-Ingenieurwesen an der Stanford University kritisiert in einer auf den Internetseiten der Stanford University publizierten Stellungnahme die Publikation von Miller & Keith. Deren Modell berücksichtige nicht den starken Einfluss von Windturbinen auf die Temperatur hinsichtlich der Reduzierung des Wasserdampfes, einem Treibhausgas. Windkraftanlagen würden dazu beitragen, Wasserdampf zu reduzieren und die Auswirkungen der durch Wasserdampf erzeugten globalen Erwärmung zu senken.17 Im Zuge der Debatte um die Veröffentlichung Miller & Keith 2018 hat einer der Autoren, Lee Miller in diesem Jahr eine Kurzstudie in der Zeitschrift „Physics Today“ publiziert. In ihr greift er verschiedene Argumente nochmals auf und bestätigt in weiten Teilen die Stellungnahmen der oben zitierten Wissenschaftler. Der Inhalt der Kurzstudie wird im Folgenden dargestellt. 2.1.3. Miller: The warmth of wind power Im August 2020 hat Lee Miller in der Zeitschrift „Physics Today“ den Artikel „The warmth of wind power“ publiziert.18 In dieser Kurzstudie geht Miller auf den derzeitigen Kenntnisstand hinsichtlich der Temperaturauswirkungen von Windkraftanlagen ein und erläutert, inwiefern Fragen noch wissenschaftlich ungeklärt seien. Nach derzeitigem Kenntnisstand - belegt durch mehrere aktuelle Studien - werde in der Umgebung von Windkraftturbinen die bodennahe Atmosphäre vorübergehend und nachts erwärmt. Windkraftanlagen erreichten momentan eine Höhe von 300 m, jedes Rotorblatt eine Länge von 50 m. Die USA habe derzeit ungefähr 60.000 Turbinen . Durch den Betrieb würden Turbulenzen erzeugt, die wiederum zu einem veränderten 17 https://web.stanford.edu/group/efmh/jacobson/Articles/I/CombiningRenew/18-RespMK.pdf. 18 L. Miller: The warmth of wind power, Physics Today, 73, 8, 58 (2020); doi: 10.1063/PT.3.4553. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 9 Wärme- und Feuchtigkeitsaustausch zwischen Erdoberfläche und der unteren Atmosphäre führten . Diese Auswirkungen schienen auch noch in mehreren Kilometern Entfernung erkennbar zu sein. Der klimatische Effekt durch Windturbinen sei ein Effekt des atmosphärischen Durchmischens infolge einer Umverteilung von Hitze in niedrigere Atmosphärenschichten. Damit sei dieser Mechanismus vollkommen unabhängig von den Mechanismen des Klimawandels. Die Auswirkungen seien auch sehr verschieden, je nachdem, ob man sie tagsüber oder nachts beobachtete . Tagsüber erwärme Sonnenstrahlung die Bodenoberfläche. Dadurch werde die Windgeschwindigkeit , Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit in Höhen von eins bis drei Kilometern homogenisiert . Infolgedessen seien die Windkraftanlagen tagsüber bereits in gut gemischte Luftsäulen gehüllt und ihr Betrieb habe wenig Einfluss auf die Oberflächentemperatur. In der Nacht hingegen fehle die Aufwärmung durch die Sonne und darum sei die Atmosphäre oberhalb von 50- 150 m nicht gut durchmischt, wodurch ein vertikaler Gradient entstehe. Weitere Faktoren, wie die Ausrichtung der Turbinen, könnten auch einen Einfluss haben. Wenn die typischerweise wärmere und trockenere Luft aus höheren Lagen nach unten transportiert werde und sich mit der Oberflächenluft vermische, würde die Oberflächentemperatur erhöht. In diesem Zusammenhang verweist Miller auf eine Publikation, in der Messungen in der Umgebung von Offshore-Anlagen in der Deutschen Bucht vorgenommen wurden.19 Hier seien niedrigere Windgeschwindigkeiten und erhöhte Turbulenzen zwischen 50 km und 75 km vor dem Wind gemessen worden. Inzwischen ließen verschiedene frei zugängige Datensätze eine Visualisierung der Wärmeverteilung zu. Seinen eigenen Analysen zufolge (Analyse von Wärmeverteilungen im nördlichen Texas während des Winters 2019) sei tagsüber kein Wärmeunterschied sichtbar, nachts allerdings schon. Er betont, dass die genauen Bedingungen zur Erzeugung des Erwärmungseffekts nicht bekannt seien und somit auch keine Aussage zur Übertragbarkeit getroffen werden könne. Tatsächlich gebe es noch offene wissenschaftliche Fragen. So erwarte er auch einen Niederschlagseffekt, aber dies sei nicht Gegenstand der Studie. 2.2. S. Baidya Roy et al.: Can large wind farms affect local meteorology? Nach den oben ausgeführten Erkenntnissen ist der klimatische Effekt durch den Betrieb von Windrädern nachts von Bedeutung. Man kann die Hypothese aufstellen, dass der nächtliche Effekt zu Austrocknungsphänomenen in der Umgebung der Anlage führen kann. Gegebenenfalls spielt dieser Effekt aber nur in feuchten Bodenregionen eine Rolle, da es sich um einen nächtlichen Effekt handelt, der im Vergleich zur einstrahlungsbedingten Verdunstung (tagsüber) gering 19 Platis, A., Siedersleben, S., Bange, J. et al. First in situ evidence of wakes in the far field behind offshore wind farms. Sci Rep 8, 2163 (2018). https://doi.org/10.1038/s41598-018-20389-y. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 10 ist.20 Bereits 2004 wird in einer Studie, die im „Journal of Geophysical Research“ erschienen ist,21 untersucht, inwiefern Windkraftanlagen lokal meteorologische Effekte haben können. Die Ergebnisse zeigen, dass der untersuchte Windpark den Wind in der Höhe der Turbinennabe erheblich verlangsamt. Zusätzlich erzeugen Turbulenzen durch Rotoren Wirbel und in Folge komme es, so die Autoren, normalerweise zu einer Erwärmung und Trocknung der Oberflächenluft. Die Auswirkungen auf die Evapotranspiration22 seien aber gering. Tatsächlich ist der Effekt, durch (vergleichsweise kleinere) Windräder kalte Luftschichten nach oben zu tragen und so eine Erwärmung bodennaher Regionen zu erreichen, seit einiger Zeit bekannt und wird in der Landwirtschaft eingesetzt. In Obstplantagen23 und Weinbergen24 wird als Kälte- bzw. Frostschutz mit Windrädern gearbeitet. Das Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und ländliche Angelegenheiten (OMAFRA, Kanada)25 berichtet bereits 2010, dass in der Provinz Ontario (Kanada) zum damaligen Zeitpunkt 500 derartige Anlagen betrieben wurden und beschreibt im Detail Wirkungsweise und Temperaturauswirkungen.26 Auch bei der Kultivierung von Avocados ist der Einsatz von „wind machines“ bekannt.27 2.3. S. B. Roy; J. J. Traiteur: Impacts of wind farms on surface air temperatures. Die Auswirkungen auf oberflächennahe Lufttemperaturen sind auch Gegenstand einer Publikation aus dem Jahr 2010, die in „PNAS“ erschienen ist.28 Die Wissenschaftler finden eine nächtliche Erwärmung, zu der sie anmerken, diese Auswirkungen könnten auch vorteilhaft sein. Beispielsweise könne die nächtliche Erwärmung unter stabilen Bedingungen die Pflanzen vor Frost schützen. Wenn Windparks größer würden, sei es wichtig, dass ihre möglichen Umweltkosten und die Vorteile bewertet würden, um die langfristige Nachhaltigkeit der Windenergie sicherzustellen . 20 Persönliche Auskunft aus dem Oxford University Center for the Environment: https://www.eci.ox.ac.uk/. 21 S. Baidya Roy et al.: Can large wind farms affect local meteorology? Journal of Geophysical Research, Vol. 109, D19101, doi:10.1029/2004JD004763, 2004. 22 Evaporation: „Summe aus direkter Verdunstung (Evaporation) und Abgabe durch Pflanzen und Tiere (Transpiration ).“ (Quelle: https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z/evapotranspiration-10021). 23 https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/rheinbach/windrad-schuetzt-blueten-vor-frosttod_aid-42315741. 24 https://www.proplanta.de/agrar-nachrichten/pflanze/windraeder-sollen-weinreben-vor-frost-schuetzen_article 1384499295.html. 25 Ministerium der Regierung von Ontario. 26 http://www.omafra.gov.on.ca/english/engineer/facts/10-045.htm. 27 https://www.agric.wa.gov.au/frost/growing-avocados-frost. 28 S. B. Roy; J. J. Traiteur: Impacts of wind farms on surface air temperatures; PNAS ∣ October 19, 2010 ∣ vol. 107 ∣ no. 42 ∣ 17899–17904. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 11 2.4. Rajewski, D. A. et al.: Observations show that wind farms substantially modify the atmospheric boundary layer thermal stratification transition in the early evening. Grenzschichtänderungen sind auch Gegenstand einer aktuelleren Arbeit, die im Februar 2020 in „Geophysical Research Letters“ erschienen ist.29 Hierin wird festgehalten, dass Windparks die Atmosphäre leicht verändern. Der Transport von Impuls, Wärme und Wasserdampf erhöhe die Nachttemperatur an der Oberfläche und die Oberflächenfeuchtigkeit nehme ab. Als Ausblick (der nicht analysiert wurde) geben die Wissenschaftler an, dass es ggf. sein könne, dass Windkraftanlagen die biologische Regulation von Bodenmikroorganismen, Pflanzen oder Tieren in der Nähe von Windenergieanlagen beeinflussen würden. 2.5. K. Xu et al.: Positive ecological effects of wind farms on vegetation in China’s Gobi desert. In einer 2019 in „Scientific Reports“ erschienenen Publikation werden ökologische Auswirkungen von Windparks auf die Vegetation in der chinesischen Wüste Gobi bewertet.30 Die Auswirkungen wurden durch Vergleich zweier Gebietsgruppen analysiert. Zum einen waren dies Gebiete , die 40 m bis 90 m stromabwärts der rotierenden Windturbinen lagen, zum anderen Gebiete in über 200 m Entfernung von der Windkraftanlage. Die Ergebnisse zeigten, dass Pflanzen in den nahe gelegenen Gebieten weniger gestresst und in besserem physiologischem Zustand waren als diejenigen in entfernten Gebieten. Nahe gelegene Pflanzen waren tendenziell kürzer und dichter und hatten einen höheren Bedeckungszustand als diejenigen aus weiter entfernten Gebiete. Die Ökosystemfunktionen in nahen Gebieten wurden aufgrund des Vorhandenseins von Sträuchern und höherer Biomasse signifikant verbessert. Die Wissenschaftler bewerten die Windkraftanlagen in der Wüste Gobi als eine Win-Win-Strategie hinsichtlich der Pflanzenvegetation. 2.6. B. Tang et al.: The Observed Impacts of Wind Farms on Local Vegetation Growth in Northern China Demgegenüber steht eine Analyse im Bashang Grasland im Nordwesten Chinas. Die Studie wurde 2017 in „Remote Sensing“ veröffentlicht.31 Windparks könnten das lokale Klima beeinflussen und dadurch auch die zugrunde liegende Vegetation. In dieser Studie wurden - basierend auf dem Vegetationsindex, der Produktivität und anderen Fernerkundungsdaten des Bildgebungsspektroradiometers (MODIS) mit mittlerer Auflösung - von 2003 bis 2014 die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf das Vegetationswachstum und die Produktivität im Sommer untersucht (Juni – August 2003 bis 2014). Laut der Ergebnisse hätten Windkraftanlagen eine signifikant hemmende Wirkung auf das Vegetationswachstum. Es sei auch eine hemmende Wirkung 29 Rajewski, D. A., Takle, E. S., VanLoocke, A., & Purdy, S. L.. (2020). Observations show that wind farms substantially modify the atmospheric boundary layer thermal stratification transition in the early evening. Geophysical Research Letters, 47, e2019GL086010. https://doi.org/10.1029/2019GL086010. 30 K. Xu et al.: Positive ecological effects of wind farms on vegetation in China’s Gobi desert. Sci Rep. 2019; 9: 6341. 26. April 2019. doi: 10.1038/s41598-019-42569-0. 31 B. Tang et al.: The Observed Impacts of Wind Farms on Local Vegetation Growth in Northern China; Remote Sens. 2017, 9(4), 332; https://doi.org/10.3390/rs9040332. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 12 der Windkraftwerke auf die Brutto-Primärproduktion im Sommer und auf die jährliche Netto-Primärproduktion festgestellt worden. Die Wissenschaftler nehmen an, dass die Hauptauswirkungsfaktoren die Änderungen der Temperatur und der Bodenfeuchtigkeit seien. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Darstellungen wird in diesem Papier auch von einem Wärmeeffekt durch Windturbinen während des Tages berichtet.32 Eine kritische, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen dieser Arbeit, die in Teilen anderen Studien widersprechen, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht gefunden werden. 2.7. S.C. Pryor et al.: 20% of US electricity from wind will have limited impacts on system efficiency and regional climate Modellierungen zu Ausbauszenarien für Windkraftanlagen in den USA wurden bereits in den vorangegangenen Kapiteln thematisiert (insbesondere Miller & Keith 2018). Darüber hinaus ist in diesem Jahr ein Artikel in „Scientific Reports“ erschienen, in dem Auswirkungen aktueller und zukünftiger Windkraftanlagen thematisiert werden. Der Ausbau wird dabei in einer Höhe untersucht , die erforderlich ist, um 20 % des Strombedarfs in den USA durch Windkraft zu decken.33 Hierzu werden hochauflösende numerische Simulationsrechnungen über der östlichen USA durchgeführt. Theoretische Szenarien basieren auf Repowering (d.h. Windkraftanlagen werden mit höherer Kapazität angenommen), so würden Wettbewerbsszenarien um Landnutzung umgangen . Simulationen für das aktuelle Klima und aktuelle Windkraft-Einsätze deckten sich gut mit der beobachteten Effizienz der Stromerzeugung. Aus den Simulationsrechnungen ergibt sich, dass ein Anheben der Kapazität des Windkraftwerkes sowohl auf regionaler als auch auf lokaler Ebene keinen signifikanten Effekt auf die oberflächennahen Klimaeigenschaften habe. Die Klimaauswirkungen von Windkraftanlagen seien im Vergleich zu regionalen Veränderungen, die durch historische Veränderungen der Landbedeckung verursacht würden, und zu globalen Temperaturstörungen , zu denen es durch die Verwendung von Kohle zur Erzeugung einer äquivalenten Strommenge käme, gering. 3. Zur Austrocknung von Landschaften In diesem Jahr ist in der Springer-Zeitschrift „Bulletin of Atmospheric Science and Technology“ eine Arbeit von N. Al Fahel und C.L. Archer erschienen.34 Ziel dieser Studie war es zu bewerten, inwieweit Offshore-Windparks Auswirkungen auf den Niederschlag an nahe gelegenen Onshore- Standorten haben. Hierzu wurden Niederschlagsdaten vor und nach der Errichtung von Windkraftanlagen (Offshore) verglichen. Der Wind hinter eines Offshore-Windparks verlangsame sich aufgrund der Entnahme von kinetischer Energie aus dem Luftstrom durch die Turbinen. Infolge- 32 Originalzitat: „There is a warming effect of 0.15–0.18 °C coupled with WFs at night, which agrees with most existing studies. The possible reason for this phenomenon is that the diurnal and seasonal variations in wind speed and the changes in near-surface atmospheric boundary layer (ABL) conditions due to wind turbines operations . Contrary to some existing studies, this research finds that there is also a warming effect of 0.45–0.65 °C coupled with WFs during the daytime.“ 33 Pryor, S.C., Barthelmie, R.J. & Shepherd, T.J. 20% of US electricity from wind will have limited impacts on system efficiency and regional climate. Sci Rep 10, 541 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-019-57371-1. 34 Nicolas Al Fahel, Cristina L. Archer. (2020) Observed onshore precipitation changes after the installation of offshore wind farms. Bulletin of Atmospheric Science and Technology 1:2, pa-ges 179-203. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 13 dessen komme es zu einer leichten Niederschlagszunahme vor der Küste und einer leichten Niederschlagsabnahme in Küstennähe. Die Unterschiede waren statistisch signifikant. An beiden in der Studie untersuchten Orten wurde an Land ein Rückgang der Windgeschwindigkeit gemessen. Die Wissenschaftler nehmen an, dass bei 50 oder weniger Turbinen eine Strecke von ungefähr 10 km vor der Küste nötig sei, während bei größeren Anlagen (50-100 Turbinen) 20 km erforderlich seien, um den Niederschlagseffekt zu beobachten. C. Archer erklärt dies in einem Interview folgendermaßen : Nach dem Windpark (in Richtung Küste) beschleunige der Wind und wenn genügend Platz vorhanden sei (mindestens 10 Kilometer bei 50 oder weniger Turbinen), erreiche oder übersteige der Wind seine ursprüngliche Geschwindigkeit (Divergenz). Dadurch werde die vertikale Bewegung reduziert, und dies führe zu einer geringen Abnahme der Niederschläge. Umgekehrt, wenn der Windpark zu weit entfernt sei, habe sich die Windgeschwindigkeit „erholt“ und es gebe keinen Divergenzeffekt mehr am Ufer. In der Studie befand sich ein Windpark etwa 15 Kilometer von der Küste entfernt, was eine ausreichende Entfernung für die Divergenzzone war, während der andere Windpark nur weniger als acht Kilometer von der Küste entfernt lag, so dass das Divergenzmuster nicht immer mit ausreichender Stärke ausgebildet worden sei. Infolge dessen sei nicht immer eine Niederschlagsunterdrückung an der Küste beobachtet worden.35 C. Archer betont, dass zwar die Effekte statistisch signifikant seien, allerdings dennoch sehr gering ausfielen. In einer Stellungnahme sagt sie, sie wollten nicht, dass ihre Studie dahingehend interpretiert würde, dass Windkraftanlagen Dürren erzeugten. Der Reduktionseffekt sei sehr klein.36 Seit einigen Jahren wird in Europa ein Zuwachs an Dürreperioden festgestellt. Die Dürre des Bodens wird durch Messung der Bodenfeuchtigkeit bestimmt. Dies kann in unterschiedlichen Tiefen erfolgen. Das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung stellt auf seinen Internetseiten den sogenannten UFZ-Dürremonitor für Deutschland zur Verfügung.37 Dieser liefert täglich flächendeckende Informationen zum Bodenfeuchtigkeitszustand in Deutschland. Diese basieren auf Simulationen mittels des am UFZ entwickelten sogenannten „mesoskaligem hydrologischen Modells mHM“. Einerseits kann der Bodenfeuchteindex bis zu einer Tiefe von ca. 1,80 m in fünf Trockenklassen dargestellt werden (Dürre Gesamtboden). Andererseits liefert die Darstellung „Dürre Oberboden“ den Bodenfeuchteindex des Oberbodens bis 25 cm Tiefe in fünf Trockenklassen . „2018 hat erstmalig seit 1976 wieder eine großflächige Dürre in Deutschland sowohl im Oberboden als auch über die gesamte Bodentiefe gebracht. Sommer und Herbst 2018 waren trockener als in allen vorherigen verfügbaren Jahren im Dürremonitor seit 1951.“38 Landwirtschaftlich waren Norddeutschland, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Teile von Bayern besonders 35 https://www.newswise.com/articles/wind-farm-weather-influence. 36 https://www.udel.edu/udaily/2020/december/offshore-wind-farms-onshore-precipitation/. 37 https://www.ufz.de/index.php?de=37937. 38 https://www.ufz.de/index.php?de=44429. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 14 stark betroffen.39 Tatsächlich finden sich in diesen Regionen (in etwas geringerem Ausmaß Bayern ) auch viele Windkraftanlagen. Dies zeigt eine grafische Darstellung des Bundesamtes für Naturschutz .40 Betrachtet man allerdings die Verteilung von Windkraftanlagen in anderen Ländern Europas, so ist eine Deckung von Windkraftanlagen und Trockenheit nicht durchweg erkennbar.41 Darum ist die Annahme eines kausalen Zusammenhangs zwischen Windkraftanlagen und Dürre nicht sofort naheliegend und bedarf eingehenderer Untersuchungen. In der Umgebung von Windkraftanlagen kommt es nach derzeitigem Kenntnisstand nachts zu Temperaturerhöhungen in den unteren Luftschichten. Dies wird als ein mikroklimatischer Wechsel bezeichnet, ist aber noch keine Dürre. Wie oben ausgeführt, hat auch C. Archer in Bezug auf ihre Arbeit zum Präzipitationseffekt in Onshore-Gebieten in der Nähe von Offshore-Windkraftanlagen betont, sie wolle ihre Ergebnisse nicht dahingehend interpretiert wissen, dass durch Windkraftanlagen Dürren erzeugten.42 Auch L. Miller äußert eine Vermutung, dass es ggf. einen Niederschlagseffekt (Präzipitationseffekt) geben könne, dies sei aber nicht Gegenstand seiner Arbeiten .43 Wissenschaftler führen die bestehende Dürreproblematik (in Deutschland) auf den Klimawandel zurück.44 39 https://www.umweltbundesamt.de/themen/trockenheit-in-deutschland-fragen-antworten. 40 https://www.bfn.de/infothek/daten-fakten/nutzung-der-natur/erneuerbare-energien/ii-43-21-deutschlandweiteverteilung -elektrizitaetsgewinnung-wind-solar-biomasse.html. 41 Eine Grafik der Informationsplattform British Business Energy (Diese gehört der privaten Londoner Firma Brilliant British Ltd.) zeigt die Verteilung von europäischen Windkraftanlagen zum Zeitpunkt 16. März 2017: https://britishbusinessenergy.co.uk/europe-wind-farms/. In dieser Darstellung wird ersichtlich, dass im Nordwesten von Frankreich (Bretagne) eine Häufung von Windkraftanlagen feststellbar ist. Betrachtet man dahingegen die Verteilung der Trockenheit in Frankreich, so zählt die Bretagne im Nordwesten Frankreichs gemeinhin nicht zu den von Dürre betroffenen Regionen. Am 29. August 2019 ist in „The Connexion “ ein Artikel erschienen, in dem von insgesamt 87 Departements berichtet wird, für die eine Trockenheitswarnung vorliege. In diesem Artikel findet sich eine Grafik, die das Ausmaß der Trockenheit des Bodens in Frankreich darstellt. Der Norden und Nordwesten Frankreichs zählen nicht zu den trockensten Gebieten: The Connexion vom 29. August 2019: „87 departments on alert as France drought deepens“ im Internet abrufbar unter: https://www.connexionfrance.com/French-news/water-restrictions-in-87-departments-as-drought-continues -across-France. Die Daten dieses Artikels und die Grafik wurden von der französischen Informationsseite zum Wasserhaushalt des französischen Ministeriums für Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Energie entnommen: http://propluvia .developpement-durable.gouv.fr/propluvia/faces/index.jsp. 42 https://www.udel.edu/udaily/2020/december/offshore-wind-farms-onshore-precipitation/. 43 Siehe Kapitel 2.3. 44 https://www.ufz.de/index.php?de=37936. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 076/20 Seite 15 Eine detailliertere Übersicht über wissenschaftliche Erklärungsansätze zur Dürreproblematik in Europa findet sich in einer Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (WD 8 - 3000 - 083/20) vom 18. Dezember 2020. ***