© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 074/20 Zu möglichen Rechtsformen Europäischer Hochschulinstitutionen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 074/20 Seite 2 Zu möglichen Rechtsformen Europäischer Hochschulinstitutionen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 074/20 Abschluss der Arbeit: 5. November 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 074/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Kompetenzen der Europäischen Union im Hochschulbereich 4 3. Praxisbeispiele für europäische Institutionen im Hochschulbereich 4 3.1. Europäisches Hochschulinstitut 4 3.2. College of Europe 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 074/20 Seite 4 1. Einleitung Vor dem Hintergrund der politischen Diskussion zur Idee der Gründung einer „European Digital University“1 werden im Folgenden die Kompetenzen der Europäischen Union im Hochschulbereich beleuchtet. Zu ausgewählten Praxisbeispielen von Hochschulen mit einer dezidiert europäischen Ausrichtung, werden kurz die Rechtsgrundlagen erörtert, um Möglichkeiten für die Gründung von Hochschulen aufzuzeigen, die sich als Europäische Bildungseinrichtungen verstehen. 2. Kompetenzen der Europäischen Union im Hochschulbereich Die EU ist aufgrund von Art. 165 AEUV befugt, im Bereich der allgemeinen Bildungspolitik, die die Hochschulpolitik einschließt, tätig zu werden. Die Ziele dieser Bildungspolitik schließen unter anderem die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen und die Förderung der Entwicklung der Fernlehre mit ein (vgl. Art. 165 Absatz 2 AEUV). Die EU ist jedoch darauf beschränkt, die Tätigkeit und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu fördern, zu unterstützen und zu ergänzen. Dabei ist die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems strikt zu beachten (Art. 165. Absatz 1 AEUV). Zudem dürfen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich nicht harmonisiert werden (Art. 165 Absatz 4 AEUV).2 Die Gründung einer Universität in Trägerschaft und Finanzierungsverantwortung der Europäischen Union würde zugleich bedeuten, dass die Union auch den Rahmen festlegen würde, in dem diese ihre Lerninhalte gestaltet. Dies wäre mit der ausschließlichen Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lerninhalte nicht vereinbar. Daher tragen die derzeitigen Kompetenzen der EU keine Gründung einer Universität durch die EU selbst. 3. Praxisbeispiele für europäische Institutionen im Hochschulbereich 3.1. Europäisches Hochschulinstitut Das Europäische Hochschulinstitut (European University Institute, EUI) mit Sitz in Florenz wurde durch einen am 19. April 1972 unterzeichneten völkerrechtlichen Vertrag zwischen den damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegründet. Nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland aus der EU sind die 1 Vgl. den Antrag der Fraktion der FDP, Europäische Hochschullehre im digitalen Zeitalter – Gründung einer European Digital University, Bundestagsdrucksache 19/23108. 2 Allgemein zu den Grundlagen der Bildungspolitik der Europäischen Union vgl. den Sachstand „Handeln der Europäischen Union im Bereich der Bildungspolitik“ vom 15. Juli 2010, WD 11 - 3000 - 155/10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 074/20 Seite 5 Vertragsparteien übereingekommen, dass dementsprechend auch die Mitgliedschaft im Gründungsvertrag des EUI endet. Seitdem tragen 23 Mitgliedstaaten der EU das EUI.3 Völkerrechtliche Vereinbarungen der Mitgliedstaaten, das sogenannte Komplementärrecht, ist eine typische Handlungsform in Bereichen, in denen die EU keine ausreichenden Rechtsgrundlagen besitzt.4 Das EUI besitzt aufgrund des Übereinkommens Rechtspersönlichkeit (Art. 1 des Übereinkommens ). Die durch das Übereinkommen festgelegten Organe sind der Oberste Rat, der Präsident und der Akademische Rat (Art. 5 des Übereinkommens). Das EUI gliedert sich in vier Fachbereiche (Politik- und Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft sowie Geschichte, vgl. Art. 11 des Übereinkommens). Das Forschungsprogramm des EUI umfasst insbesondere Fragen, die von Bedeutung für die europäische Gesellschaft sind. Das EUI bietet keine grundständigen Studiengänge an, sondern Programme für Postgraduierte, Doktoranden und Postdoktoranden. Die Anerkennung zum Beispiel des Doktortitels wurde nicht durch das Übereinkommen geregelt und unterliegt insoweit jeweils nationalem Recht. Die im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten haben sich jedoch bereits 1985 in einer unverbindlichen Empfehlung dafür ausgesprochen, dass die vom EUI verliehenen Doktorgrade anerkannt werden. 3.2. College of Europe Das College of Europe mit Standorten in Brügge und Warschau bietet Studiengänge für Postgraduierte zu verschiedenen Aspekten der Europäischen Integration an. Es wurde 1949 im Zuge der Europabewegung auf Initiative von hochrangigen Persönlichkeiten gegründet. Das College of Europe begreift sich als eine Europäische Bildungsinstitution („European Educational Institution“), die als private Vereinigung nach belgischem Recht gegründet und verfasst ist. Es ist von den zuständigen Flämischen Behörden als Hochschuleinrichtung anerkannt worden. *** 3 https://www.eui.eu/Documents/AboutEUI/Convention/Consolidated-Convention-following-UK-exit.pdf. Nicht Mitglied sind Ungarn, die Tschechische Republik und Litauen. 4 Allgemein zum Komplementärrecht und seiner Bedeutung, von Bogdandy/Bast/Arndt, Handlungsformen im Unionsrecht, ZaöRV 62 (2002), S. 77, 124 ff.