© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 073/20 Einzelfragen zu digitalen Lernangeboten an Schulen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsi chtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 2 Einzelfragen zu digitalen Lernangeboten an Schulen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 073/20 Abschluss der Arbeit: 27. Oktober 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Aktuelle Beschlusslage des Bundes und der Länder 4 3. Finanzierung des DigitalPakts 5 4. Bewilligte Anträge zur Förderung durch den DigitalPakt 8 5. Aufbau und Weiterentwicklung digitaler Lehr-Lern- Infrastrukturen 8 6. Die Schul-Cloud 9 7. Die Webseite DigitalPakt Schule 10 8. Bewertung digitaler Lernangebote 11 8.1. Vermittlung von Digitalkompetenzen an Optimalschulen 11 8.2. Professionalität vor Digitalisierung 12 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 4 1. Einleitung Die durch die Corona-Pandemie bedingten Schulschließungen haben deutlich gemacht, dass bei der Nutzung digitaler Lernangebote bei den meisten Schulen starke Defizite bestehen. Die nachfolgende Dokumentation beschreibt anhand einiger ausgewählter Aspekte die inzwischen von Bund und Bundesländern eingeleiteten Maßnahmen und den Fortschritt der Implementierung digitaler Bildungsangebote in den Schulen. Zudem wird versucht, die kontroverse Diskussion über die Wirksamkeit digitaler Bildungsangebote dazustellen. Das zweite Kapitel beschreibt die aktuelle Beschlusslage des Bundes und der Länder. Im dritten und vierten Kapitel werden die in den Bundesländern bewilligten Finanzen und Projekte dargestellt . Im fünften Kapitel werden Maßnahmen zum Aufbau und zur Weiterentwicklung der digitalen Lehr-Lern-Infrastruktur beschrieben. Zwei Beispiele für die Entwicklung digitaler Lehr- Lern-Infrastrukturen sind die Schul-Cloud und die Webseite DigitalPakt Schule, die in den Kapiteln sechs und sieben vorgestellt werden. Das achte Kapitel widmet sich der Bewertung digitaler Lernangebote. Anhand von drei exemplarisch ausgewählten Studien wird die Meinungsverschiedenheit deutlich, die zwischen Befürwortern eines stärkeren Einsatzes digitaler Medien und ihren Kritikern besteht. 2. Aktuelle Beschlusslage des Bundes und der Länder Am 22. September 2020 trafen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, der Chef des Bundeskanzleramts Prof. Helge Braun und die SPD-Vorsitzende Saskia Esken mit den Kultusministern der Bundesländer. Im Vordergrund standen Maßnahmen zum Ausbau der Digitalisierung an Schulen. Es wurde vereinbart, dass die Digitalisierung an den Schulen - auch weit über die Zeit der Pandemie hinaus – voran gebracht werden müsse. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Länder und zwischen den Ländern selbst solle verstärkt werden. Insgesamt sollen nunmehr insgesamt 6,5 Milliarden Euro in die Digitalisierung der Schulen investiert werden. Das Lehrpersonal soll flächendeckend mit Endgeräten ausgestattet werden. Da die dafür notwendigen Mittel aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds aber erst ab 2021 fließen können, wird der Bund die 500 Millionen erst einmal vorstrecken. Zudem wurde beschlossen, dass die Mittel aus dem DigitalPakt bis Ende 2021 fließen können, ohne dass die Schulen zuvor ein pädagogisches Konzept vorgelegt haben müssen. „Eine weitere Vereinbarung zur Förderung von Administratoren, die sich um die digitale Technik kümmern sollen, steht unmittelbar vor dem Abschluss. In dieser Vereinbarung wird sich der Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 5 Bund verpflichten, die Länder mit 500 Millionen Euro darin zu unterstützen, dass sie den technischen Support für die Digitalisierung ausbauen, die Länder werden die digitale Fortbildung der Lehrkräfte ausbauen.“ 1 Als konkrete Handlungsfelder wurden die nachfolgenden Punkte identifiziert: 1) Ein einheitlicher Rahmen für die schulischen Infektionsschutzmaßnahmen; 2) ein zügiger Ausbau der Glasfaser-Internetanbindung für alle Schulen; 3) die Ausstattung aller Lehrkräfte und - bei Bedarf - von Kindern mit geeigneten Endgeräten aus Mitteln des Bundes (zweimal 500 Millionen Euro); 4) Beteiligung des Bundes an Ausbildung und Finanzierung technischer Administratoren in Höhe von 500 Millionen Euro; 5) Bildung von Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten, die Schulen bei Medienkonzepten und digitalen Schulentwicklungsplänen beraten; 6) Entwicklung einer Bildungsplattform durch den Bund, zur Vernetzung zwischen den bestehenden Systemen der Länder, mit dem Ziel der Bereitstellung von Bildungsinhalten in allen Bildungsbereichen; 7) Entwicklung qualitativ hochwertiger digitaler Bildungsmedien und intelligenter tutorieller Systeme, insbesondere Open Educational Resources.2 3. Finanzierung des DigitalPakts Der DigitalPakt Schule hat sich nach Ansicht des Bundeministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) als Rahmen für Hilfsmaßnahmen während der Corona-Pandemie bewährt, da ohne digitale Lehr- und Lernformate der Schulbetrieb während der pandemiebedingten Schulschließungen noch stärker beeinträchtigt worden wäre. Dadurch zumindest eine Basisversorgung sichergestellt werden. Die Corona-Krise hat aber auch gezeigt, dass dringende Handlungsbedarfe bestehen. Die gemachten Erfahrungen helfen nun dabei, die Planungen für digitale Lerninfrastrukturen an den Schulen zielgerichtet weiterzuentwickeln und mit den Mitteln des DigitalPakts Schule umzusetzen . Der DigitalPakt hat es ermöglicht, zeitlich befristet solche digitalen Lerninhalte zu finanzieren .3 1 BMBF (2020). Karliczek: Bund und Länder bringen gemeinsam Digitalisierung der Schulen voran. PRESSEMIT- TEILUNG: 131/2020 vom 22.09.2020. https://www.bmbf.de/de/karliczek-bund-und-laender-bringen-gemeinsam -digitalisierung-der-schulen-voran-12563.html 2 Vergleiche: Ebenda. 3 Vergleiche: BMBF (2020). DIGITALPAKT SCHULE. Eine Viertelmilliarde Euro für Schulen bereits bewilligt. Pressemitteilung vom 28.08.2020. https://www.bmbf.de/de/eine-viertelmilliarde-euro-fuer-schulen-bereits-bewilligt -12385.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 6 „Die Ausnahmesituation hat jedoch auch Spuren an der Dynamik des Mittelabrufs hinterlassen: Dieser war zur Jahresmitte im Vergleich zum vorangegangenen Halbjahr nahezu konstant. Planungsprozesse , die die strategisch ausgerichteten Maßnahmen im DigitalPakt Schule vorbereiten, mussten zugunsten von Sofort-Maßnahmen zurückgestellt werden. Zudem mussten sich die Schulen und Schulträger auf die Bewältigung der Folgen der Pandemie konzentrieren. Dadurch wurde der Mittelabfluss gebremst. Gleichzeitig zeigt sich jedoch eine positive Entwicklung bei der Mittelbindung – also den Mitteln , die für bereits genehmigte Projekte fest eingeplant sind. Diese ist vom ersten Berichtshalbjahr zum aktuellen Berichtszeitraum nahezu um den Faktor 17 angestiegen. Dies ist beachtlich angesichts der Herausforderungen, mit denen Schulen und Schulträger infolge der Corona-Pandemie konfrontiert waren. Die Geschichte des DigitalPakts Schule geht weiter – mit ansteigenden Mittelfestlegungen und steigenden Investitionsvolumina. Sie geht aber auch weiter mit neuen Förderbereichen wie der Administration oder dem Ausbau der Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten. Mit dem DigitalPakt Schule hat Deutschland Strukturen, mit denen die Digitalisierung der Schulen aktiv und zielgerichtet gestaltet werden kann.“ 4 Die Zahlen im Detail:5 Stichtage bis 31.12.2019 bis 31.12.2019 31.12. bis 30.06.2020 31.12.bis 30.06.2020 Beträge in Euro Mittelabfluss Eingegangene Verpflichtungen Mittelabfluss Eingegangene Verpflichtungen Baden-Württemberg 0,00 1.293.200,00 1.000.000,00 10.607.876,57 Bayern 0,00 81.000,00 0,00 4.859.288,00 Berlin 0,00 299.243,10 0,00 7.385.155,68 Brandenburg 0,00 225.223,33 0,00 3.243.497,23 Bremen 1.336.500,00 1.324.077,00 6.635.120,00 1.649.973,00 Hamburg 5.650.000,00 100.000,00 5.650.000,00 1.000.000,00 Hessen 0,00 0,00 104.462,29 18.718.837,80 Mecklenburg- Vorpommern 0,00 520.780,00 0,00 4.697.012,49 4 Ebenda. 5 BMBF (2020). DigitalPakt Schule. Die Finanzen im DigitalPakt Schule. https://www.digitalpaktschule .de/de/die-finanzen-im-digitalpakt-schule-1763.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 7 Stichtage bis 31.12.2019 bis 31.12.2019 31.12. bis 30.06.2020 31.12.bis 30.06.2020 Niedersachsen 0,00 1.189.392,00 1.417.124,07 26.596.496,20 Nordrhein- Westfalen 0,00 765.384,11 419.827,98 49.860.053,00 Rheinland- Pfalz 0,00 24.909,25 29.619,60 678.804,07 Saarland 0,00 0,00 0,00 1.738.254,02 Sachsen 137.909,40 8.431.498,03 137.909,40 105.613.514,13 Sachsen-Anhalt 0,00 0,00 0,00 3.365.380,00 Schleswig- Holstein 0,00 0,00 348.130,93 1.839.909,76 Thüringen 0,00 0,00 0,00 195.003,90 Summe 7.124.409,40 14.254.706,82 15.742.194,27 242.049.055,85 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 8 4. Bewilligte Anträge zur Förderung durch den DigitalPakt Bis zum 30. Juni 2020 wurden folgende Anträge zur Förderung durch den DigitalPakt, getrennt nach Bundesländern und nach Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft, bewilligt.6 Ebenda: Seite 4. 5. Aufbau und Weiterentwicklung digitaler Lehr-Lern-Infrastrukturen Bis zum 31. Dezember 2019 waren der Bundesregierung folgende landesweite Projekte von Länderseite benannt worden: - „Berlin: Weiterentwicklung Lernraum Berlin – landesweite, durch alle Schulen Berlins kostenfrei nutzbare digitale Lehr-Lern-Infrastruktur (Lernmanagementsystem); - Brandenburg: Pilotierungsphase der Schulcloud Brandenburg; - Thüringen: Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM): Projekt Thüringer Schulcloud. Länderübergreifende Projekte werden von der Steuerungsgruppe im Digital-Pakt beraten und durch Beschluss der Länder genehmigt. Der Steuerungsgruppe wurden bisher drei Projekte zur Beratung vorlegt, wovon zwei genehmigt wurden: 6 Vergleiche: Deutscher Bundestag (2020). Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP – Drucksache 19/20848 – Umsetzung des DigitalPakts Schule. Drucksache 19/21283. http://dip21.bundestag .btg/dip21/btd/19/212/1921283.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 9 - Im genehmigten Projekt Vermittlungsinstitut digitale Schule (VIDIS) wird ein interoperables Identitäts-Management-Systems entwickelt. - Im ebenfalls genehmigten Projekt SODiX wird ein für alle Länder nutzbares Sofortportal entwickelt , über welches frei zugängliche Bildungsmedien genutzt werden können. - Im beratenen, aber noch nicht beschlossenen Vorhaben DigLu soll eine Plattform zur Unterstützung der Unterrichtung von Kindern beruflich Reisender entwickelt werden. In der Unter-Arbeitsgruppe länderübergreifende Projekte der Steuerungsgruppe werden derzeit weitere Projektideen gesammelt und diskutiert, zu denen allerdings noch keine konkreten Inhalte und Planungen vorliegen.“7 Am 9. September 2020 verkündete Bundesbildungsministerin Karliczek und KMK-Präsidentin Hubig, dass die Steuerungsgruppe des DigitalPakts Schule zwei länderübergreifende Projekte beschlossen hat. „Mit dem Technologiebasiertes Assessment, kurz TBA, werden Tests und Prüfungen künftig auch digital möglich sein. Mit dem Projekt Digitales Lernen unterwegs, kurz DigLu, wird eine besondere Zielgruppe bedarfsgerecht in das digitale Lernen einbezogen. Die Kinder beruflich Reisender wie zum Beispiel Zirkus-Angestellte können künftig auf ein digitales Lerntagebuch zugreifen . So wird für die Stammschulen sichtbar, welche Unterrichtsinhalte tagtäglich an anderen Schulen verrichtet wurden.“8 6. Die Schul-Cloud Mit der vom Bundesbildungsministerium geförderten Schul-Cloud können Schülerinnen und Schüler sowie Lehrende digitale Lehr- und Lernangebote jederzeit und von jedem Ort schul- und fächerübergreifend abrufen. Die sogenannte Schul-Cloud wird vom Hasso-Plattner-Institut und dem Verein MINT-EC entwickelt und erprobt. Mit der Schul-Cloud soll ein Referenzmodell entwickelt werden, das im ganzen Land genutzt werden kann.9 „Seitens der Technik steht dem bundesweiten Rollout nichts im Wege. Perspektivisch spielt die Schul-Cloud eine wichtige Rolle als pädagogische Infrastruktur auch im Kontext des DigitalPakts Schule.“10 7 Vergleiche: Ebenda Seite 4f. 8 BMBF (2020). DIGITALPAKT SCHULE. Karliczek: Wir bleiben bei der Digitalisierung dran! Pressemitteilung vom 09.10.2020. https://www.bmbf.de/de/karliczek-wir-bleiben-bei-der-digitalisierung-dran-12755.html 9 Vergleiche: BMBF (2020). Die Schul-Cloud: Digitale Lernangebote für den Unterricht. https://www.bmbf.de/de/die-schul-cloud-digitale-lernangebote-fuer-den-unterricht-7479.html 10 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 10 „Die Vorteile der Schul-Cloud: (…) - Lehrkräfte müssen Hard- und Software nicht selbst warten. - Die Hard- und Software der Cloud-Lösung ist immer auf dem neuesten Stand der Technik. - Digitale Medien sind aufgrund der professionellen Wartung sicher. - Der Markt für hochwertige digitale Lern- und Lehrangebote wird belebt. - Digitale Lern- und Lehrangebote können direkt bewertet werden. - Die Cloud bietet kollaborative Lernlösungen ebenso wie Anregungen für Schüler zum autonomen Lernen. - Jeder Nutzer kann eigene Lernangebote, etwa zur Nachhilfe, bereitstellen. - Schulen können die Qualität des Unterrichts steigern und gleichzeitig Kosten reduzieren. (…) - Experten kümmern sich um die Konfiguration. Dass die Installation von Programmen entfällt, ist nur einer der vielen Vorteile der Schul-Cloud. Die Schulen brauchen keine eigenen Server und Speicherkapazitäten mehr bereitzustellen. Auch die Administration der Lernsoftware ist ausgelagert – an Experten, die sich um die sichere Konfiguration und Aktualisierungen kümmern. (…) Die Entwicklerinnen und Entwickler der Schul-Cloud beachten hohe datenschutzrechtliche Standards . Das Projektteam steht in kontinuierlichem Dialog mit Vertretern der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, insbesondere mit dem dort angesiedelten Arbeitskreis Bildung“11. 7. Die Webseite DigitalPakt Schule Das BMBF hat zur besseren Unterstützung und Durchführung des DigitalPakts Schule eine eigenständige Webseite eingerichtet, die eine Fülle allgemeiner aber auch spezieller Informationen rund um die Implementierung des DigitalPakts Schule anbietet. In der Rubrik DIGITALPAKT werden grundlegende Informationen über den DigitalPakt Schule angeboten. In der Rubrik INFORMATIONEN werden allgemeine Fragen in FAQ-Form12 für Schulträger, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Unternehmen beantwortet. 11 Ebenda. 12 Frequently Asked Questions. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 11 In der Rubrik FÖRDERSERVICE findet man Hinweise zu den landesspezifischen Fördermöglichkeiten , zuständigen Stellen und Beratungsangeboten. Die Aktualisierungen erfolgen zeitnah. Die meisten Informationen sind in der Rubrik UMSETZUNGSHILFEN vorhanden. Hier findet man Informationen über folgende Themen: Breitbandanschluss für Schulen, Service und Support der IT, Digitale Unterrichtsmaterialien, Qualifizierung der Lehrkräfte und Bildungsforschung. Die Webseite ist unter https://www.digitalpaktschule.de/ abrufbar. 8. Bewertung digitaler Lernangebote Die Wirksamkeit digitaler Lernangebote wird von Bildungsforschern sehr kontrovers diskutiert. Für viele Fachleute beweist die Krise, dass wir mehr Digitalisierung an den Schulen benötigen. Andere Fachleute sind dagegen der Ansicht, dass nicht nur Oberflächenmerkmale von Schule, wie die technische Ausstattung, die Klassengröße oder die Schulart zu diskutieren sind. Die Tiefenmerkmale , wie die Professionalität der Lehrperson, die Lehrer-Schüler-Beziehung und das Selbstkonzept der Lernenden, werden von ihnen als viel wichtiger angesehen. Exemplarisch werden im Folgenden drei Studien zu digitalen Lernangeboten vorgestellt. 8.1. Vermittlung von Digitalkompetenzen an Optimalschulen Die Vermittlung von Digitalkompetenzen an Schulen in Deutschland hängt stark von der Schulform ab. Dies ist das Ergebnis der International Computer and Information Literacy Study (ICILS) aus dem Jahr 2018. Laut dieser Studie verfügen Achtklässler/innen an Gymnasien im Mittel über höhere Digitalkompetenzen als Gleichaltrige, die an Schulen unterrichtet werden, die keinen gymnasialen Bildungsgang anbieten. Es existieren jedoch auch nicht-gymnasiale Schulen, die diesem Schema widersprechen und sogar besonders erfolgreich in der Vermittlung digitaler Kompetenzen sind. In der von Prof. Dr. Birgit Eickelmann und PD Dr. Kerstin Drossel im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland erstellten Studie wird anhand von Sekundäranalysen der ICILS-2018-Daten untersucht, wie sich diese Schulen aufgrund ihrer Rahmenbedingungen und schulischen Voraussetzungen sowie ihres Einsatzes digitaler Technologien von anderen Schulen unterscheiden. Diese Schulen werden in der Studie als „Optimalschulen“ bezeichnet. 13 Zusammenfassend macht die Studie deutlich, dass die erfolgreiche Vermittlung von Digitalkompetenzen an Optimalschulen von mehreren Faktoren abhängig ist. „Grundlage dafür sind eine funktionierende und den pädagogischen Anforderungen entsprechende technische Ausstattung inklusive IT-Support, ein höheres Fortbildungsniveau der 13 Vergleiche: Vodafone Stiftung Deutschland (2020). DIGITALES POTENZIAL. Erfolgreiche Förderung digitaler Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern an nicht-gymnasialen Schulen der Sekundarstufe I. Vertiefende Analysen von Prof. Dr. Birgit Eickelmann und PD Dr. Kerstin Drossel zur Studie ICILS 2018, im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland. Düsseldorf, Oktober 2020. Seite 3. https://www.vodafone-stiftung.de/wp-content /uploads/2020/10/Studie_Vodafone-Stiftung_Digitale-Optimalschulen.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 12 Lehrkräfte, insbesondere im fachspezifischen Einsatz digitaler Medien und der konsequente Einsatz dieser Medien sowohl zum Präsentieren von Inhalten als auch in der individuellen Förderung. Über grundlegende Anwendungen und geschickte Kombination verschiedener Technologien erreichen sie in kompetenzförderlicher Weise alle Schülerinnen und Schüler. Hierin liegen zugleich Ansatzpunkte für andere Schulen, die Vermittlung von digitalen Kompetenzen insgesamt zu verbessern und chancengerechter zu gestalten.“14 Nach Ansicht des Erziehungswissenschaftlers Aladin El-Mafaalani bieten digitale Lernmittel auch positive Ansätze, Lernungleichheit zu überwinden. „Es gibt beispielsweise ein Projekt, in dem ein Algorithmus im Mathematikunterricht erkennt , was die Kinder bei einer Aufgabe nicht können. Ohne dass das Kind in irgendeiner Form beschämt wird, sagt er dem Kind, dass es offenbar diese Regel, die vor zwei Jahren in der Schule behandelt wurde, nicht mehr beherrscht, und gibt ihm Übungen für diese Regel. Und wenn es diese Regel erklärt bekommen und dann ein, zweimal angewendet hat, kommt die alte Aufgabe zurück. Dann schaut man erneut, ob das Kind diese Aufgabe lösen kann. Meistens ja – und wenn nicht, wird noch eine andere Regel identifiziert, die es nicht beherrscht . (…) Was Lehrkräfte richtig gut können, ist ein Klassenunterricht, in dem man 20 bis 30 ganz junge Menschen in eine Richtung lenkt. (…) Aber Diagnostik und individuelle Förderung sind eine große Schwäche. Jetzt kann man sagen, dann müssen wir das ändern, die Lehrkräfte fortbilden und so weiter. Man kann aber auch sagen, hier liegt in den digitalen Mitteln ein riesengroßes Potenzial. Es geht also darum, wie man digitale und analoge Formen des Lernens in der Schule ineinander verschränkt, auch und insbesondere damit für soziale und kommunikative Prozesse, die nicht digitalisiert werden können, mehr Raum bleibt. Selbst bei einem Fach wie Mathe muss man sich unterhalten, diskutieren und reflektieren – die meisten Menschen eignen sich erst über Kommunikation und Emotion Inhalte oder Fähigkeiten an.“15 8.2. Professionalität vor Digitalisierung Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Bildungsexperte Klaus Zierer. Er vertritt allerdings die These, dass allein die Anwendung der neuesten Technik nicht automatisch dazu führe, dass Lehrer/innen diese auch sinnvoll in ihren Unterricht integrieren, und das vorhandene Potenzial einer Digitalisierung auch tatsächlich ausschöpfen. Die neuen Medien würden in erster Linie als Ersatz für traditionelle Medien genutzt und dienten somit häufig nur als Informationsträger: 14 Ebenda: Seite 5. 15 Schrenk, Lena (2020). Lasst die Lehrkräfte in Ruhe, aber nicht die Schulen. Ein Gespräch mit dem Erziehungswissenschaftler Aladin El-Mafaalani über Bildung in Zeiten der Corona-Pandemie. AUS POLITIK UND ZEITGE- SCHICHTE (APUZ 35–37/2020) vom 21.08.2020. https://www.bpb.de/apuz/314349/lasst-die-lehrkraefte-inruhe -aber-nicht-die-schulen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 13 „Der Computer als Lexikonersatz, das Tablet als Arbeitsblattersatz und das Smartboard als Tafelersatz. Wenn es jedoch Lehrpersonen gelingt, so ein wichtiges Ergebnis aus den zahlreichen Primärstudien in diesem Bereich, neue Medien nicht nur als Informationsträger, sondern auch zur Informationsverarbeitung zu nutzen, dann sind ohne Weiteres höhere Effektstärken (des Lernens möglich, d. V.) (…) Eine Digitalisierung kann im Unterricht hilfreich sein, wenn sie kein Selbstzweck ist, sondern - die Lernausgangslage berücksichtigt, - herausfordert, - Vertrauen aufbaut und Zutrauen ermöglicht, - Fehler sichtbar macht und - Gespräche über den eigenen Lernprozess initiiert. Werden diese Grundsätze einer Digitalisierung im Bildungsbereich beachtet, ist der Schritt vom Informationsträger hin zur Informationsverarbeitung möglich. Digitalisierung kann so zu einem Mehr an kognitiver und sozialer Vernetzung beitragen. Fehlen diese Grundsätze, bleibt eine Digitalisierung auf einer Ersatzebene und kann keine nachhaltigen positiven Effekte auf das Lernen von Schülerinnen und Schüler haben.“16 Der Autor widerspricht auch der Auffassung, dass Lernen ist etwas Leichtes sei, wenn nur die richtige Technik zur Verfügung gestellt würde. „Denn Lernen hat immer mit Anstrengung zu tun. Wer lernt, muss an seine Grenzen gehen, muss eingestehen, etwas nicht zu können, muss Kraft aufbringen und Einsatz zeigen, um sich weiterzuentwickeln, ja muss Fehler machen, Umwege- und Irrwege gehen. Dieser Punkt verliert im Übrigen nichts an Bedeutung, auch wenn man mit Blick auf die heranwachsende Generation von Digital Natives spricht. (…) Es mag durchaus sein, dass Kinder und Jugendliche heute mit einem anderen Bewusstsein zu neuen Medien aufwachsen. All das ändert aber nichts daran, dass sie nach denselben Grundsätzen lernen wie die ältere Generation : Sie brauchen klare Ziele, strukturierte Lernumgebungen, Phasen des bewussten Übens und eine intensive Lehrer-Schüler-Beziehung. Die menschliche Evolution kommt der digitalen Revolution in diesem Fall nicht hinterher. Lernen bleibt folglich Lernen — ob digital oder nicht.“17 16 Zierer, Klaus (2020). Lernen 4.0. Pädagogik vor Technik. Möglichkeiten und Grenzen einer Digitalisierung im Bildungsbereich. 3. erweiterte und aktualisierte Auflage, Schneider Verlag Hohengehren , Baltmannsweiler 2020, Seite 77. 17 Ebenda: Seite 78. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 073/20 Seite 14 „Wir wissen aus der Psychologie, dass mindestens sechs bis acht Wiederholungen notwendig sind, um eine Information vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu bringen. Folgen also keine Übungsphasen, so nimmt das Vergessen seinen Lauf. (…) Dieser Grundsatz des Lernens gilt unabhängig davon, mit welchen Medien gelernt wird. Um infolgedessen den Mehrwert einer Digitalisierung, den sie faktisch haben kann, im Vergleich zu traditionellen Medien ausschöpfen zu können, ist der Schritt vom Informationsträger zur Informationsverarbeitung nötig. Und dieser gelingt nur, wenn Lehrpersonen dazu in der Lage sind. Insofern sind systematische Lehrerfort- und Lehrerweiterbildungen notwendig . (…) Euphoriker der neuen Medien wehren sich gegen derartige Kritik und argumentieren beispielsweise damit, dass die genannten Einwände durchaus berechtigt seien — aber dies nur für die Hardware und Software von vor fünf, zehn Jahren gelte, wohingegen die neuesten Errungenschaften des Computerzeitalters bereits einen Schritt weiter seien und all das Gesagte aufgeholt hätten. Aber auch hier sprechen Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung eine zurückhaltendere Sprache.“18 Zusammenfassend erklärt Klaus Zierer, dass der Erfolg einer Digitalisierung des Bildungsbereichs in erster Linie von der Professionalität der Lehrpersonen abhängig ist. „Im Zentrum einer Lehrerprofessionalisierung steht das Zusammenspiel von Kompetenz und Haltung im Hinblick auf das Fach, die Pädagogik und die Didaktik. Für eine Digitalisierung im Bildungsbereich folgt daraus, dass Möglichkeiten und Grenzen bzw. Erfolg und Misserfolg nicht nur vom Können und Wissen der Lehrpersonen abhängen, sondern auch und vor allem von ihrem Wollen und Werten. Daraus ergibt sich die Herausforderung, bei einer Digitalisierung nicht nur die Strukturen zu schaffen, sondern immer auch die Menschen zu stärken . (…) Die wichtigste Botschaft über alle Theorien und empirische Studien hinweg ist, dass digitale Medien allein den Unterricht nicht revolutionieren werden. Stattdessen sind es immer die Menschen, die entscheiden, ob Digitalisierung eine positive Wirkung hat. Bildung nimmt immer den Menschen als Ausgangspunkt und als Ziel. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt des pädagogischen Denkens und Handelns.“19 *** 18 Ebenda: Seite 79 19 Ebenda: Seite 146.