WD 8 - 3000 - 071/20 (28. Oktober 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Von religiösen Gebäuden können in vielerlei Hinsicht Geräuschemissionen ausgehen (z.B. liturgisches Glockengeläut, durch Lautsprecheranlagen verstärkter Gebetsruf eines Muezzins, religiöse Festen, Anreiseverkehr). Gesonderte gesetzliche Regelungen existieren hierfür jeweils nicht. Religiöse Handlungen unterfallen der Religionsfreiheit (Art. 4 GG1). Artikel 4 Abs. 2 GG lautet: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Diese Freiheit der Religionsausübung steht jedem Menschen und allen Religionsgemeinschaften vorbehaltslos, aber nicht schrankenlos zu. Ihre Schranken findet die Religionsfreiheit in Verfassungsrecht, mit dessen Verwirklichung der Freiheitsgebrauch im Einzelfall kollidiert. Hierzu gehören in erster Linie die Grundrechte anderer , beispielsweise das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG). Im Hinblick auf die Grundrechte der von den Immissionen Betroffenen sind auch bei Geräuschemissionen religiöser Gebäude die allgemeinen Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes2 (BImSchG) zu beachten. Danach sind Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BIm- SchG). Konkretisierungen der Erheblichkeitsschwelle finden sich in unterparlamentsgesetzlichen Regelwerken. Im Bereich akustischer Umwelteinwirkungen kann die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm3) als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden. Diese enthält dB (A)-Richtwerte differenziert nach den Beurteilungszeiten „tags“ (6:00-22:00 Uhr) und 1 Abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf (letzter Zugriff: 27.10.2020). Englische Fassung: http://www.gesetze-im-internet.de/englisch_gg/englisch_gg.pdf (letzter Zugriff: 27.10.2020). 2 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschg/BImSchG.pdf (letzter Zugriff: 27.10.2020). Englische Fassung: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Luft/bimschg_en_bf.pdf (letzter Zugriff : 27.10.2020). 3 Abrufbar unter: http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26081998_IG19980826.htm (letzter Zugriff: 27.10.2020). Technical Instructions on Noise Abatement. Only German version available. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Geräuschemissionen religiöser Gebäude Kurzinformation Geräuschemissionen religiöser Gebäude Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 „nachts“ (22:00-6:00 Uhr) unter Berücksichtigung von Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit beispielsweise für Wohngebiete. Auch die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung (StVO4) zum Schutz der Verkehrsteilnehmer können im Einzelfall Einschränkungen der Religionsfreiheit rechtfertigen. So ist beispielsweise der Betrieb von Lautsprechern verboten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 StVO). Die Beeinträchtigung der Religionsfreiheit ist stets im Rahmen einer qualifizierten Verhältnismäßigkeitsprüfung mit dem fremden Grundrechtsinteresse nach dessen Bedeutung und dem Maß seiner Beeinträchtigung abzuwägen (praktische Konkordanz). Diese Abwägung ist am konkreten Einzelfall durchzuführen. Pauschale Aussagen, welches Grundrecht zurücktritt und welches sich durchsetzt, lassen sich daher nicht treffen. Im Rahmen dieser Einzelfallabwägung kann die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Anlage mit Auflagen verbunden werden. Auf diese Weise kann beispielsweise der Betrieb einer Lautsprecheranlage an einer Moschee hinsichtlich des zeitlichen Umfangs und der Lautstärke begrenzt werden. *** 4 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/StVO.pdf (letzter Zugriff: 27.10.2020). Englische Fassung: https://germanlawarchive.iuscomp.org/?p=1290 (letzter Zugriff: 27.10.2020).