© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 066/20 Einzelfragen zur Rechtsstellung wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 2 Einzelfragen zur Rechtsstellung wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 066/20 Abschluss der Arbeit: 30. Oktober 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Einzelne Rechte und Pflichten wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 4 2.1. Pflicht zur selbstständigen Forschung 4 2.2. Recht auf angemessene Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln 7 2.3. Pflicht zur Drittmittelforschung 7 2.4. Publikationsfreiheit hinsichtlich eigener Forschungsergebnisse 8 2.5. Wissenschaftsfreiheit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 4 1. Einleitung Im Jahr 2018 waren einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes zufolge 193.494 wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an deutschen Hochschulen tätig.1 165.329 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befanden sich in einem Angestelltenverhältnis 2, die deutlich überwiegende Mehrzahl von ihnen war befristet angestellt.3 Die Finanzierung von unbefristeten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgte im Jahr 2018 überwiegend aus Haushaltsmitteln der Hochschule. Bei befristeten Stellen kam der Finanzierung durch öffentliche Drittmittelgeber eine erhebliche Bedeutung zu.4 Rechtsgrundlagen des Wissenschaftsrechts finden sich auf Bundesebene im Hochschulrahmengesetz (HRG), welches durch die jeweiligen Hochschulgesetze der Länder ausgefüllt wird. Daneben bedienen sich Hochschulen der autonomen Rechtssetzung durch Satzungen (u.a. Grundordnung, Studien- und Prüfungsordnungen). Für angestellte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten spezielle arbeitsrechtliche Regelungen, insbesondere im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV‑L).5 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Beamtenstatus sind den allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Dieser Sachstand beleuchtet anfragegemäß einzelne Rechte und Pflichten unbefristet beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen. Sofern landesrechtliche Bestimmungen Inhalt dieser Betrachtung sind, wird exemplarisch auf die Rechtslage in Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen abgestellt. 2. Einzelne Rechte und Pflichten wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 2.1. Pflicht zur selbstständigen Forschung § 53 Abs. 1 u. 2 HRG enthält für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die folgenden Regelungen: 1 Statistisches Bundesamt (2019). Bildung und Kultur - Personal an Hochschulen 2018. S. 19. Abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Hochschulen/Publikationen /Downloads-Hochschulen/personal-hochschulen-2110440187004.pdf?__blob=publicationFile (letzter Zugriff : 30.10.2020). 2 Ebenda. S. 34. 3 Ebenda. S. 131-167. In der Fächergruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften betrug das Verhältnis zwischen unbefristet und befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 1:13 (S. 139). 4 Ebenda. Insbesondere in der Fächergruppe der Natur- und Ingenieurwissenschaften überwog die Drittmittel- Finanzierung deutlich (S. 143, 153). 5 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Abrufbar unter: https://oeffentlicherdienst .info/pdf/tv-l/tv-l-nr11.pdf (letzter Zugriff: 30.10.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 5 „§ 53 Wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (1) Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Beamtinnen, Beamten und Angestellten, denen wissenschaftliche Dienstleistungen obliegen. […] In begründeten Fällen kann wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre übertragen werden. (2) Soweit befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Aufgaben übertragen werden, die auch der Vorbereitung einer Promotion oder der Erbringung zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen förderlich sind, soll ihnen im Rahmen ihrer Dienstaufgaben ausreichend Gelegenheit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit gegeben werden.“ Wissenschaftliche Dienstleistung in § 53 Abs. 1 Satz 1 HRG bedeutet eine weisungsabhängige Tätigkeit.6 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Regel Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern zugeordnet, erbringen ihre wissenschaftlichen Dienstleistungen unter deren fachlicher Verantwortung und Betreuung, und sind ihnen gegenüber weisungsgebunden .7 Welche wissenschaftlichen Dienstleistungen die einzelne Mitarbeiterin oder der einzelne Mitarbeiter erbringt, wird regelmäßig bei der Einstellung festgelegt. Eine nachträgliche Änderung der Tätigkeitsbeschreibung ist möglich.8 Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG kann wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in begründeten Fällen auch die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre übertragen werden. Eine solche Übertragung stellt eine wesentliche Unterbrechung der Weisungsabhängigkeit dar.9 Das Begründungserfordernis dürfte sich für die Übertragung von selbstständiger Lehre auf ein Lehrerfordernis im Sinne eines Kapazitätsdefizits professoraler Lehre beziehen .10 Entsprechendes dürfte für die Übertragung von selbstständiger Forschung gelten.11 6 Reich, Andreas (2012). Kommentar zum Hochschulrahmengesetz mit Wissenschaftszeitvertragsgesetz. 11. Auflage . § 53 Rn. 2. 7 Ebenda. Rn. 5. 8 Vgl. z.B. § 49 Abs. 1 a.E. Brandenburgisches Hochschulgesetz (BbgHG). 9 Hartmer, Michael in: Hartmer (Hrsg.). Hochschulrecht – Ein Handbuch für die Praxis. 3. Auflage 2017. S. 283. 10 Reich, Andreas (2012). aaO, Rn. 5. Ebenso VGH Mannheim, Beschluss vom 22.6.2004, 4 S 452/04, NVwZ-RR 2004, 753. Zustimmend mit kritischen Überlegungen Hartmer. aaO, S. 283. 11 Reich, Andreas (2012). aaO, Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 6 Das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG)12 formuliert in § 110 Abs. 3 Satz 2 BerlHG: „In begründeten Einzelfällen kann wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die selbstständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre übertragen werden.“ Der Landesgesetzgeber wählte mit „Einzelfälle“ eine Formulierung, die den Ausnahmecharakter der Entscheidung verdeutlicht. Im Brandenburgischen Hochschulgesetz (BbgHG)13 findet sich keine Regelung zur Übertragung von selbstständigen Aufgaben in Forschung und Lehre an wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei fehlender Detailregelung im Landeshochschulrecht dürfte § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG unmittelbare Geltung entfalten und eine entsprechende Übertragung dienstvertraglich erfolgen können.14 In § 52 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg (LHG Baden- Württemberg)15 heißt es: „[…] in begründeten Fällen kann Akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Vorschlag des Dekanats oder der Rektorin oder des Rektors der Studienakademie vom Rektorat auch die selbstständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre übertragen werden.“ Für akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit qualifizierter Promotion enthält § 52 Abs. 4 Satz 2 LHG Baden-Württemberg die folgende Regelung: „Ihnen ist die selbstständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung, Lehre und Weiterbildung zu übertragen und Gelegenheit zu eigener wissenschaftlicher Weiterbildung zu geben.“ Das LHG Baden-Württemberg trifft innerhalb der Gruppe der akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mithin eine Differenzierung nach dem Grad der Qualifikation. Das Hochschulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (HG NRW)16 füllt § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG wie folgt aus: „Der Fachbereichsrat kann im Benehmen mit den fachlich zuständigen Professorinnen und Professoren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Universitäten auf deren Antrag bestimmte Forschungsaufgaben zur selbstständigen Erledigung übertragen (§ 44 Abs. 1 Satz 6 HG NRW).“ Es bedarf eines Antrages der wissenschaftlichen Mitarbeiterin bzw. des wissenschaftlichen Mitarbeiters. Eine Verpflichtung zur selbstständigen Wahrnehmung von Forschungsaufgaben erkennt das HG NRW nicht. 12 Gesetz über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz - BerlHG). GVBl. 2011, 378. Abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=HSchulG+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true (letzter Zugriff: 30.10.2020). 13 Brandenburgisches Hochschulgesetz (BbgHG). GVBl. 2014 I/14, Nr. 18. Abrufbar unter: https://bravors.brandenburg .de/gesetze/bbghg#49 (letzter Zugriff: 30.10.2020). 14 Reich, Andreas (2012). aaO, Rn. 5. 15 Gesetz über die Hochschulen in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz - LHG). GBl. 2005 S. 1. Abrufbar unter: http://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal/t/fgl/page/bsbawueprod.psml?pid=Dokumentanzeige &showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-HSchul- GBWV26IVZ&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=0#focuspoint (letzter Zugriff: 30.10.2020). 16 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG). GV NRW 2014 S. 547. Abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000654 (letzter Zugriff: 30.10.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 7 2.2. Recht auf angemessene Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln Die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, denen die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugeordnet sind, können grundsätzlich frei über Personal- und Sachmittel disponieren .17 Wird befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemäß § 53 Abs. 2 HRG Gelegenheit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit gegeben, so berechtigt dies nach Auffassung von Stimmen in der juristischen Literatur nicht nur zur Einräumung von Zeit, sondern auch zur tatsächlichen Gelegenheit, z.B. durch Zugriff auf die Ausstattung der Hochschule bzw. des jeweiligen Faches.18 Es erscheint angemessen, diese Erwägungen auch für die Übertragung von selbstständigen Aufgaben in der Forschung gemäß § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG als anwendbar zu erachten. 2.3. Pflicht zur Drittmittelforschung Die Drittmittelforschung ist mit § 25 HRG und den entsprechenden landeshochschulrechtlichen Vorschriften detaillierten inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Vorgaben unterworfen. § 25 HRG gestattet den „in der Forschung tätigen Hochschulmitglieder[n]“ Drittmittelforschung zu betreiben, „wenn die Erfüllung anderer Aufgaben der Hochschule sowie die Rechte und Pflichten anderer Personen dadurch nicht beeinträchtigt werden und entstehende Folgelasten angemessen berücksichtigt sind.“ § 25 HRG schränkt die Berechtigung zur Drittmittelforschung insofern ein, als das betreffende Hochschulmitglied im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben auch in der Forschung selbstständig tätig sein muss.19 Es ist somit nur solchen Hochschulmitgliedern möglich, Drittmittelprojekte zu übernehmen, die nach der Aufgabenstellung im Hauptamt berechtigt sind, ihre Dienstaufgaben in der Forschung selbst zu bestimmen.20 Hiermit dürften namentlich die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer gemeint sein.21 Wird wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine bestimmte Forschungsaufgabe zur selbstständigen Erledigung übertragen (§ 53 Abs. 1 Satz 3 HRG), so dürfte damit auch eine Befugnis zur Drittmittelforschung in diesem übertragenen Forschungsbereich einhergehen.22 Näheres regelt das jeweilige Landeshochschulrecht. So ist die Drittmittelforschung in § 40 BerlHG, § 36 BbgHG und § 71 HG NRW als Recht, nicht als Pflicht, ausgestaltet. Hingegen gehören die Einwerbung und Verwendung von Mitteln Dritter für die Durchführung von Forschungsvorhaben gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 LHG Baden-Württemberg zu den Dienstaufgaben der 17 Pschorr, Simon (2017). DoktorArbeit. - Die Dissertation als Gegenstand der Arbeitspflicht. WissR 50, 347, 355. 18 Reich, Andreas (2012). aaO, Rn. 7. BeckOK TV‑L/Müller. § 40 Nr. 2 Zu § 3, Rn. 5. 19 Reich, Andreas (2012). aaO, § 25 Rn. 2. 20 Reich, Andreas (2012). aaO, § 25 Rn. 3. 21 So Lux-Wesener, Christina in: Hartmer (Hrsg.). aaO, S. 429. 22 BeckOK Hochschulrecht Nordrhein-Westfalen/Noack. 16. Edition 2020. HG § 71 Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 8 in der Forschung tätigen Mitglieder der Hochschule. Hieraus erwachse nach Auffassung der Literatur eine dienstrechtliche (theoretisch sogar disziplinarrechtliche) Verpflichtung des Hochschulmitgliedes , sich an der Drittmitteleinwerbung und -verwendung aktiv zu beteiligen.23 Nach Auffassung der juristischen Literatur könne eine Berechtigung, Drittmittelforschung zu betreiben , im Hinblick auf die Forschungsfreiheit nicht zu einer Verpflichtung des Hochschulmitgliedes führen, ein der Hochschule angebotenes Projekt durchzuführen.24 Dies dürfte für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, sowie gleichermaßen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, sofern letztere eine Forschungsaufgabe selbstständig wahrnehmen. 2.4. Publikationsfreiheit hinsichtlich eigener Forschungsergebnisse Handelt es sich bei den eigenen Forschungsergebnissen um Erfindungen im Sinne des Arbeitnehmererfindungen -Gesetzes (ArbNErfG)25, so gelten für Erfindungen an Hochschulen die besonderen Bestimmungen des § 42 Nr. 1 u. 2 ArbNErfG: „§ 42 Besondere Bestimmungen für Erfindungen an Hochschulen Für Erfindungen der an einer Hochschule Beschäftigten gelten folgende besonderen Bestimmungen : 1. Der Erfinder ist berechtigt, die Diensterfindung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit zu offenbaren, wenn er dies dem Dienstherrn rechtzeitig, in der Regel zwei Monate zuvor, angezeigt hat. § 24 Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung. 2. Lehnt ein Erfinder aufgrund seiner Lehr- und Forschungsfreiheit die Offenbarung seiner Diensterfindung ab, so ist er nicht verpflichtet, die Erfindung dem Dienstherrn zu melden. Will der Erfinder seine Erfindung zu einem späteren Zeitpunkt offenbaren, so hat er dem Dienstherrn die Erfindung unverzüglich zu melden.“ Diese Bestimmungen betreffen indes nur Personen, die kraft ihrer Dienststellung weisungsfrei über die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen entscheiden dürfen, mithin diejenigen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eigenverantwortlich Wissenschaft betreiben .26 Forschungsergebnisse von Forschung mit Mitteln Dritter sollen gemäß § 25 Abs. 2 HRG in der Regel in absehbarer Zeit veröffentlicht werden. 23 BeckOK Hochschulrecht Baden-Württemberg/ Krausnick. 17. Edition 2019. LHG § 41 Rn. 6. 24 Reich, Andreas (2012). aaO, § 25 Rn. 2. 25 Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/arbnerfg /ArbnErfG.pdf (letzter Zugriff: 30.10.2020). 26 Kraßer, Rudolf in: Hartmer (Hrsg.). aaO, S. 857. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 9 Wird wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemäß § 53 Abs. 2 HRG Gelegenheit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit gegeben, so stehen ihnen die Urheberpersönlichkeitsrechte und Verwertungsrechte in vollem Umfang zu.27 Im Übrigen kommt für ein Werk, das in Erfüllung einer Verpflichtung aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen wurde, § 43 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG)28 mit der Folge zur Anwendung, dass der Arbeitgeber bzw. Dienstherr die Nutzungsrechte an dem Werk erwirbt.29 2.5. Wissenschaftsfreiheit Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht das Freiheitsrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in Bezug auf ihre wissenschaftliche Tätigkeit ebenso zu wie den Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern.30 Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt jede Tätigkeit, „die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“,31 insbesondere die Fragestellung, die Grundsätze der Methodik, die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung.32 Geschützt werden darüber hinaus alle wissenschaftlichen Tätigkeiten , die eigenverantwortlich durchgeführt werden, v.a. die Wahl von Fragestellung und Methode , Vorarbeiten und Materialsammlung, Ermittlungen über den Stand der Forschung, Mitteleinwerbung , Experimentieren sowie Bewertung und Publikation der Ergebnisse.33 Die Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG wird vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet . Schranken ergeben sich aus anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern. Kollisionen mit diesen Rechtsgütern müssen durch Verfassungsauslegung und unter Abwägung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips gelöst werden (praktische Konkordanz).34 Erbringen angestellte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unselbstständige Dienstleistungen, so hat der Arbeitgeber gemäß § 40 Nr. 2. zu § 3 TV-L bei der Wahrnehmung des Direktionsrechts u.a. das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zu beachten. Die Weisungsunterworfenheit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin bzw. des wissenschaftlichen Mitarbeiters ist insofern verfassungskonform auszulegen.35 27 Leuze, Dieter in: Hartmer (Hrsg.). aaO, S. 829. 28 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz - UrhG). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/UrhG.pdf (letzter Zugriff: 30.10.2020). 29 BeckOK Urheberrecht/Lindhorst. 29. Edition 2020. UrhG § 43 Rn. 16 f. 30 BVerfGE 35, 79. NJW 1973, 1176 (1179). „Hochschulurteil“ 31 Ebenda. 32 BeckOK Grundgesetz/Kempen. 44. Edition 2020. GG Art. 5 Rn. 182. 33 Ebenda. 34 Ebenda. Rn. 199. 35 Pautsch, Arne; Dillenburger, Anja (2016). Kompendium zum Hochschul- und Wissenschaftsrecht. De Gruyter Handbuch. S. 224. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/20 Seite 10 Wird wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemäß § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG die selbstständige Wahrnehmung von Aufgaben in der Forschung übertragen, so entfällt die Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Methodenwahl und Durchführung dieser Forschungsaufgabe .36 *** 36 Reich, Andreas (2012). aaO, § 53 Rn. 5.