© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 066/16 Einzelaspekte der Zulassung von Glyphosat und Beistoffen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 2 Einzelaspekte der Zulassung von Glyphosat und Beistoffen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 066/16 Abschluss der Arbeit: 7. Oktober 2016 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zur Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 4 3. Rechtliche Regelungen der EU-Wirkstoffprüfung 5 4. Pflanzenschutzmittelzulassung 6 5. Im Pflanzenschutzrecht beteiligte Behörden in Deutschland 7 6. Anforderungen an den antragstellenden Hersteller 8 7. Zur Gefahreneinstufung von Nitroryl 8 8. Klassifikation von Beistoffen in Glyphosat 10 9. Auswahl wissenschaftlicher Studien 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 4 1. Einleitung Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln müssen vor ihrer Anwendung und ihrem Vertrieb in der Europäischen Union (EU) genehmigt werden. Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen werden national zugelassen. Dabei ist eine gegenseitige Anerkennung der Zulassungen in der EU vorgesehen . Die für Deutschland zuständige Behörde für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Hierbei handelt es sich um eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Auf den Internetseiten der Behörde ist umfangreiches Material zum Zulassungsprozess (Formulare, Einstufung, Wirksamkeit, Analytik etc.) abrufbar.1 Im Folgenden wird auf die rechtlichen Grundlagen der Pflanzenschutzmittelzulassung eingegangen. Zudem werden verschiedene in Deutschland zuständige Behörden aufgelistet und auf die Gefahreneinstufung von Beistoffen zu Glyphosat eingegangen. Abschließend werden ausgewählte wissenschaftliche Studien, die sich mit der Toxizität von Glyphosat bzw. seinen Formulierungen beschäftigen , vorgestellt. 2. Zur Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 Für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in der Europäischen Union (EU) ist die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates rechtlich grundlegend. Die Verordnung regelt auch die gemeinschaftliche Wirkstoffprüfung und löste im Juni 2011 die Richtlinie 91/414/EWG ab.2 Das Pflanzenschutzmittelzulassungsverfahren der EU ist zweistufig: Wirkstoffgenehmigung durch die EU-Kommission sowie Pflanzenschutzmittelzulassung durch die Mitgliedstaaten. Diese beiden Verfahrensstufen werden in der Verordnung (EG) No 1107/2009 festgeschrieben. Außerdem finden sich hier „Rechte und Pflichten der EU-Kommission, der EFSA, der Mitgliedstaaten , der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten und der Antragsteller“. In Hinblick auf den Verfahrensablauf werden in der Verordnung die „Form, der Ablauf und Anträge inklusive Fristen definiert. Zudem werden Schutzgüter, Schutzziele, Bewertungsgrundlagen, methodische Aspekte, Ermächtigungen für notwendige weitere Rechtsakte (z.B. für einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln) und Leitlinien, Aufhebung der zuvor maßgeblichen Richtlinien“ festgelegt.3 Weitere zentrale Dokumente, die den EU-Rechtsrahmen festlegen, werden im Folgenden aufgelistet : 1 Quelle: http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/03_Antragsteller/04_Zulassungsverfahren /psm_zulassungsVerf_node.html [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. 2 Quelle: http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/03_EUWirkstoffpruefung/01_rechtliche _Regelungen/psm_euWirkstoffpruefung_rechtl_regel_node.html [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. 3 Ebd. Folie 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 5 (1) DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (2) VERORDNUNG (EU) Nr. 546/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich einheitlicher Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (3) VERORDNUNG (EU) Nr. 547/2011 der Kommission vom 8. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Kennzeichnungsanforderungen für Pflanzenschutzmittel (4) VERORDNUNG (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (5) VERORDNUNG (EU) Nr. 284/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (6) DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 844/2012 der Kommission vom 18. September 2012 zur Festlegung der notwendigen Bestimmungen für das Erneuerungsverfahren für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. 3. Rechtliche Regelungen der EU-Wirkstoffprüfung Die für die EU-Wirkstoff-Genehmigung zuständige Behörde ist die EU-Kommission. Bewertungen innerhalb des Verfahrens werden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorgenommen. Im Verfahren beteiligt sind die jeweils zuständigen Behörden und Experten der Mitgliedstaaten und der EFSA. Voraussetzung für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels mit einem zu genehmigenden Wirkstoff in einem Mitgliedstaat ist eine EU-weite Genehmigung des Wirkstoffs.4 Für die Durchführung der gemeinsamen Wirkstoffbewertung hat die Europäische Kommission eine Reihe von Leitfäden erstellt. Darin sind Einzelheiten zu Datenanforderungen, Testmethoden und Bewertungsverfahren beschrieben. Im Folgenden werden einige Beispiele der Leitfäden, die von der Europäischen Kommission herausgegeben wurden, aufgelistet: Zur Erarbeitung von Prozeduren gemäß Verordnung (EG) No 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in Hinblick auf die Verlängerung von Zulassungen gemäß Artikel 43: EUROPEAN COMMISSION, HEALTH & FOOD SAFETY DIRECTORATE-GENERAL, Safety of the food chain, Pesticides and Biocides, SANCO/2010/13170 rev. 13, 14 July 4 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 6 2015, Guidance Document on the Renewal of Authorisations according to, Article 43 of Regulation (EG) No 1107/2009.5 Zur Erarbeitung von Möglichkeiten und Prozeduren gemäß Artikel 43 sowie als Hilfestellung für Beurteilungen, die noch gemäß Richtlinie 91/414 / EWG durchgeführt werden müssen: EUROPEAN COMMISSION HEALTH & CONSUMER PROTECTION DIRECTORATE-GEN- ERAL Safety of the food chain Chemicals, contaminants, pesticides SANCO/12638/2011 20 November 2012 rev. 2 Guidance document on significant and non-significant changes of the chemical composition of authorised plant protection products under Regulation (EG) No 1107/2009 of the EU Parliament and Council on placing of plant protection products on the market and repealing Council Directives 79/117/EEC and 91/414/EEC.6 Zur Ausgestaltung der Festlegung von zonalen Evaluationen. Gemäß Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 besteht nunmehr ein effizienteres System der gegenseitigen Anerkennung, indem jede Bewertung, die bereits von einem Mitgliedstaat durchgeführt wurde, außer in begründeten Einzelfällen nicht von einem anderen wiederholt wird: EUROPEAN COMMISSION HEALTH AND CONSUMERS DIRECTORATE-GENERAL Safety of the Food Chain Chemicals, contaminants, pesticides SANCO/13169/2010 rev. 9 11 July 2014 Guidance document on zonal evaluation and mutual recognition under Regulation (EG) No 1107/2009.7 4. Pflanzenschutzmittelzulassung Mit der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels8 wird ein Verwaltungsakt bezeichnet, mit „dem die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels auf dessen Gebiet zulässt“.9 Tatsächlich erfolgt eine Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nicht „von Amts wegen“, sondern auf Antrag. In Deutschland ist die zuständige Behörde das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Beim Zulassungsprozess sind ggf. verschiedene Bewertungsbehörden zuständig. Einen Antrag auf Zulassung können sowohl Pflanzenschutzmittelhersteller stellen als auch andere juristische Personen. „Seit dem 14. Juni 2011 erfolgt die Bewertung der Zulassungsfähigkeit in sogenannten zonalen Zulassungsverfahren: Die 5 Quelle: http://ec.europa.eu/food/plant/docs/pesticides_aas_guidance_renewal_1107-2009_rev_13.pdf [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. 6 Quelle: http://ec.europa.eu/food/plant/docs/pesticides_ppp_app-proc_guide_phys-chem-ana_formulationchange .pdf [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. 7 Quelle: http://ec.europa.eu/food/plant/docs/pesticides_ppp_app-proc_guide_mut-rec_en.pdf [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. Fettungen durch den Autor der vorliegenden Arbeit. 8 Hierbei wird von formulierten Pflanzenschutzmitteln ausgegangen, die bestehen aus: Wirkstoff, Safener, Synergisten und Formulierungshilfsstoffen sowie ggf. weiteren Komponenten. 9 Thomas Schneider: „Rechtsrahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Vortrag vom 19. Januar 2015. Abrufbar im Internet unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Veranstaltungen/PSMZulassung-Schneider.pdf?__blob=publication File [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 7 Staaten der EU wurden drei Zonen zugeordnet (Süd, Zentral, Nord). Deutschland gehört zur zentralen Zone.“10,11 Bei der Zulassungsüberprüfung von Pflanzenschutzmitteln sind folgende Aspekte von zentraler Beachtung: Pflanzenschutzmittel dürfen weder unmittelbar noch zeitlich verzögert zu schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen oder von Tieren führen. Die Aufnahme könnte dabei entweder über das Trinkwasser, Nahrungs- oder Futtermittel oder die Luft erfolgen. Allerdings sind außerdem die Exposition am Arbeitsplatz sowie andere indirekte Effekte zu beachten . Eine Prüfung erfolgt unter der Beachtung von „Kumulations- und Synergieeffekten, soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung derartiger Effekte gibt“. Auch die Auswirkungen auf das Grundwasser sind zu beachten.12 5. Im Pflanzenschutzrecht beteiligte Behörden in Deutschland Die zuständige Zulassungsbehörde in Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). In ihrem Zuständigkeitsbereich liegen das Gesamtverfahren, Zulassungsbescheid , Risikomanagement, Koordination im nationalen und EU-Verfahren. Weitere Bewertungsbehörden: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist für die Bewertung von chemischen, physikalischen und technischen Eigenschaften zuständig. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bewertet Belange im Bereich der Gesundheit (von Mensch und Tier) sowie Rückstände in Lebens- und Futtermitteln. In die Zuständigkeit des Julius Kühn-Instituts – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) fällt die Prüfung der Wirksamkeit, Resistenz, Auswirkungen auf die behandelten Pflanzen, Schutz kommerziell genutzter Bienen und anderer Bestäuber. Das Umweltbundesamt (UBA) beurteilt die Verträglichkeit der Auswirkungen auf den Naturhaushalt und Abfall.13 10 Zudem gehören der zentralen Zone Belgien, Deutschland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich an. 11 Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/pflanzenschutzmittel/zulassung-von-pflanzenschutzmitteln [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. 12 Thomas Schneider: „Rechtsrahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Vortrag vom 19. Januar 2015. Abrufbar im Internet unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Veranstaltungen/PSMZulassung-Schneider.pdf?__blob=publication File [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. 13 Thomas Schneider: „Rechtsrahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Vortrag vom 19. Januar 2015. Abrufbar im Internet unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Veranstaltungen/PSMZulassung-Schneider.pdf?__blob=publication File [zuletzt abgerufen am 4. Oktober 2016]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 8 6. Anforderungen an den antragstellenden Hersteller Die Anforderungen an den antragstellenden Hersteller ergeben „sich aus den Verordnungen (EU) Nr. 283/2013 (Datenanforderungen für Wirkstoffe) und Nr. 284/2013 (Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel). In Hinsicht auf Beistoffe ist die letztgenannte Verordnung maßgeblich. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf folgende Punkte: • Der Antragsteller muss alle Inhaltsstoffe seines Pflanzenschutzmittels angeben (Teil A und B, jeweils Abschnitt 1, Punkt 1.4). • Bestimmte toxikologische Untersuchungen müssen mit dem zubereiteten Pflanzenschutzmittel durchgeführt werden, es sei denn eine Beurteilung ist aufgrund der Toxizitätsdaten sämtlicher Bestandteile möglich (Teil A und B, jeweils Abschnitt 7). • Zu Beistoffen sind die Informationen einzureichen, die ggf. bereits auf Grundlage anderer EU-Vorschriften für die Stoffe erarbeitet wurden. Im Einzelfall können die Zulassungsbehörden weitere Untersuchungen verlangen (Einleitung, Punkt 1.11).“14 7. Zur Gefahreneinstufung von Nitroryl Im Zuge der Diskussionen um die Gefahreneinstufung von Glyphosat sind seine Beistoffe besonders kontrovers diskutiert worden. Während die EU-Mitgliedstaaten mit Einschränkungen Glyphosat genehmigten, wurde im Sommer diesen Jahres der Beistoff POE-Tallowamin verboten. „Pflanzenschutzmitteln auf Glyphosatbasis, einschließlich Monsantos RoundUp, dürfen somit keine POE-Tallowamine mehr beigemischt werden.“15 Dies führt natürlicherweise zur Frage, welche alternativen Beistoffe sich anbieten. Ein solcher Beistoff ist Nitroryl, das bereits in Herbiziden eingesetzt wird. Roundup® Prime und Roundup®PowerFlex sind zwei Beispiele für Herbizide , in denen Nitroryl enthalten sind, wie im Internet recherchierbar ist. Inwieweit Nitroryl in weiteren Produkten enthalten ist, wurde an dieser Stelle nicht recherchiert. Roundup® Prime ist ein nicht-selektives Herbizid, das im Landwirtschaftsbereich, Forst und Gartenbau eingesetzt wird. Es ist Tallowamin-frei16 und enthält Nitroryl. Hierbei handelt es sich um die Substanz mit der CAS Nummer: 226563-63-9. Das Chemikalienblatt der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) ist im Internet abrufbar.17 14 Informationen durch das BMEL vom 6. Oktober 2016. 15 Quelle: https://www.euractiv.de/section/gesundheit-und-verbraucherschutz/news/eu-verbietet-beistoff-vonglyphosat / [zuletzt abgerufen am 7. Oktober 2016]. 16 Quelle: http://www.staehler.ch/typo3temp/tx_staehlerproducts/roundupprime.pdf?cachebreaker=165548 [zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2016]. 17 Quelle: https://echa.europa.eu/substance-information/-/substanceinfo/100.214.987 [zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2016]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 9 Zusammensetzung von Roundup® Prime nach MONSANTO Europe S.A./N.V. 18: Zudem findet sich Nitroryl in Roundup®PowerFlex: Zusammensetzung von Roundup® PowerFlex nach MONSANTO Europe S.A./N.V. 19: 18 Quelle: http://www.sdslibrary.monsanto.com/MSDS%20Datasheet/cd0fc693-3276-42d3-a7ae- 091a79bc289c/Roundup%20Prime-57062-de-ch.816.pdf [zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2016]. 19 Quelle: http://s3.nuuspace.com/monsanto/roundup/wp-content/uploads/2015/04/Roundup_PowerFlex- 42122CLPde-de1.pdf [zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2016]. Zulassungsbericht des BVL: http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/04_Pflanzenschutzmittel/01_zulassungsberichte/006921-00- 00.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2016]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 10 Nitroryl wurde mit folgender Gefahreneinstufung bewertet: H302 Gesundheitsschädlich bei Verschlucken (Akut Toxisch 4), H315 Verursacht Hautreizungen (Hautreizend 2), H318 Verursacht schwere Augenschäden (Augenschädlich 1), H332 Gesundheitsschädlich bei Einatmen (Akut Toxisch 4).20 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bemerkt zu dieser Gefahreneinstufung , die Datenanforderungen für Beistoffe seien in der Verordnung Nr. 284/2013 festgelegt . Die Kriterien zur Einstufung würden in Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen definiert. Anhang I, Abschnitt 3 lieferten die detaillierten Kriterien zur Einstufung und Kennzeichnung von Gesundheitsgefahren. „Dabei handelt es sich es sich um Vorschriften des Chemikalienrechts, das einheitlich für alle Stoffe und Zubereitungen gilt, nicht nur für Pflanzenschutzmittel. Die entsprechenden Kennzeichnungen dienen dem sicheren Umgang und Transport. So ist zum Beispiel handelsübliche Essigessenz (25%ige Essigsäure), wie sie zum Würzen von Speisen oder als „Entkalker“ eingesetzt wird, mit den Kennzeichnungen H315 (Verursacht Hautreizungen) und H 319 (Verursacht schwere Augenreizungen) versehen. Koffein (CAS NR 58-08-2) trägt die Kennzeichnung H302 (Gesundheitsschädlich bei Verschlucken), obwohl die Koffein-haltige Tasse Kaffee in der Regel ohne Gefahr für die Gesundheit getrunken werden kann. Auch bei Pflanzenschutzmitteln lassen sich aus den Gefahrenhinweisen zur Handhabung des unverdünnten Mittels nicht die Risiken einer Anwendung ableiten, denn dabei spielen neben den Eigenschaften eines Stoffes oder eines Produkts vor allem die Art und Weise der Anwendung (sog. Risikomanagement) eine wichtige Rolle.“21 8. Klassifikation von Beistoffen in Glyphosat Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 „regelt sowohl die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen , also z. B. Wirkstoffen und Beistoffen von Pflanzenschutzmitteln, also auch die Einstufung und Kennzeichnung von Gemischen, also den zubereiteten Pflanzenschutzmitteln. Bei der Kennzeichnung von Gemischen wird der Anteil der Inhaltsstoffe berücksichtigt, was dazu führen kann, dass ein Stoff mit einem bestimmten Gefahrenhinweis zu kennzeichnen ist, ein Gemisch, das diesen Stoff enthält jedoch nicht.“22 20 Quelle: Seite 57: Deutscher Bundestag: Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 22. August 2016 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, Bundestags- Drucksache 18/9476 vom 26.08.2016. 21 Informationen durch das BMEL vom 6. Oktober 2016. 22 Informationen durch das BMEL vom 6. Oktober 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 11 „POE-Tallowamine wurden als Netzmittel vor allem in glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Alternative Netzmittel in diesen Pflanzenschutzmitteln sind polyethoxylierte Tallölfettsäureamidoamine , polyethoxylierte Tallölester, polyethoxylierte Alkoholphosphate und Fettalkohole , Betaine und Alkyl-Oligosaccharide. Die genauen Angaben der Beistoffe einzelner Pflanzenschutzmittel stellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar und unterliegen deshalb der Vertraulichkeit . Beistoffe werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens für die zubereiteten Pflanzenschutzmittel geprüft und bewertet. Sollte sich dabei herausstellen, dass das Pflanzenschutzmittel aufgrund eines Beistoffs unannehmbare Auswirkungen auf die Gesundheit oder die Umwelt hat, so kann dieses Pflanzenschutzmittel keine Zulassung erhalten. Die Bewertung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt in Hinsicht auf die vorgesehene Anwendung. Berücksichtigt werden also Anwendungsgebiete , Anwendungstechnik, Aufwandmenge und andere Faktoren. Besonders problematische Beistoffe werden von den deutschen Zulassungsbehörden in Pflanzenschutzmitteln grundsätzlich nicht akzeptiert, wie z. B. Benzol (siehe dazu im Internet des BVL: "Liste unerwünschter Beistoffsubstanzen ", www.bvl.bund.de > Pflanzenschutzmittel > Aufgaben im Bereich … > Produktchemie > Beistoffe und Formulierungschemie). Gemäß Artikel 27 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hat die Europäische Kommission den Auftrag, eine solche Negativliste auch auf EU- Ebene zu schaffen. Dafür ist Anhang III der Verordnung vorgesehen. Die Bundesregierung unterstützt nachdrücklich die Schaffung dieser Liste.“23 9. Auswahl wissenschaftlicher Studien Defarge et al. veröffentlichten Anfang 2016 eine Studie24, in der sie die Wirkung von Hilfsstoffen (Co-Formulanten) in Glyphosat-basierten Herbiziden als endokrine Disruptoren untersuchen. Nicht etwa der deklarierte aktive Stoff Glyphosat, sondern alle untersuchten Hilfsstoffe seien deutlich unter der landwirtschaftlichen Verdünnungskonzentration von 1% vergleichbar cytotoxisch gewesen. Die endokrin disruptiven Effekte aller Komponenten wurden unterhalb der Toxizitätsschwelle in Hinblick auf die Aromatase-Aktivität gemessen (Schlüsselenzym im Gleichgewicht der Sexualhormone). Untersuchte aktive Inhaltsstoffe waren hierbei: Polyethoxylated Tallow Amine (POEA und POEA/F), Quaternary ammonium compound (QAC), POE alkyl phosphate ether (POE-APE), Alkyl polyglucoside (APG). Mesnage et al. publizierten 2015 einen Übersichtsartikel, in dem sie toxische Wirkungsweisen von Glyphosat sowie seinen Formulierungen untersuchen.25 Dabei werteten sie veröffentlichte Literatur und regulatorische Berichte aus. Sie kommen zum Schluss, dass eine ausreichende Evi- 23 Informationen durch das BMEL vom 6. Oktober 2016. 24 Nicolas Defarge, Eszter Takács, Verónica Laura Lozano, Robin Mesnage, Joël Spiroux de Vendômois, Gilles-Eric Séralini, András Székács: Co-Formulants in Glyphosate-Based Herbicides Disrupt Aromatase Activity in Human Cells below Toxic Levels, Int. J. Environ. Res. Public Health 2016, 13, 264; doi:10.3390/ijerph13030264, 26. Februar 2016. 25 R. Mesnage, N. Defarge, J. Spiroux de Vendômois, G.E. Séralini: Potential toxic effects of glyphosate and its commercial formulations below regulatory limits, Food and Chemical Toxicology, DOI: 10.1016/j.fct.2015.08.012, August 2015. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 066/16 Seite 12 denz dafür bestehe, dass Glyphosat-basierte Herbiziden auch in niedrigsten Konzentration chronisch toxische Effekte hervorrufen können (z.B. Entwicklungsstörungen, tumorigene Effekte und Leber-Nieren-Effekte). Diese könnten beispielsweise durch endokrine Disruption und oxidativen Stress erklärt werde. Toxische Effekte könnten auch durch Hilfsstoffe mit deren eigenen Toxizität hervorgerufen werden. Die besprochenen Literaturquellen/Studien werden tabellarisch zusammengefasst . Im Artikel findet sich eine Übersichtstabelle von bereits untersuchten toxikologischen Eigenschaften von Glyphosat-basierten Hilfsstoffen in Säugetieren (Tabelle 3 der zitierten Publikation). Diese umfasst die Stoffe: Ethoxylated tallowamine CAS 61791-26-2, Ethoxylated etheralkylamine CAS 68478-96-6, Ethoxylated ether amine CAS 71486-88-9, 1-Propanamine, 3- ((C12eC15)alkyloxy) derivs, ethoxylated CAS 71486-88-9, Sodium sulphite CAS 7757-83-7, Glycerine CAS 56-81-5, Pelargonic acid CAS 112-05-0, Polyethylene glycol (5) undecyl ether CAS 34398-01-1, Bis (2-hydroxyethyl) cocoalkylamine CAS 61791-31-9, Nitroryl, CAS 226563-63-9, Alkylpolyglycoside CAS 68515-73-1, Methylchloroisothiazolinone CAS 26172-55-4, FD&C Blue No. 1 CAS 3844-45-9, 3-Iodo-2-propynyl butyl carbamate CAS 55406-53-6, Light aromatic petroleum distillate CAS 64742-95-6, Methylparaben CAS 99-76-3, ropylene Glycol CAS 57-55-6, Sodium benzoate CAS 532-32-1, Sodium o-phenylphenate CAS 132-27-4, Sorbic acid CAS 110- 44-1, 1,4 Dioxane, N-nitroso-glyphosate, Formaldehyde. Für Nitroryl (CAS 226563-63-9) wird angegeben, dass keine toxikologischen Daten vorlägen. Im Jahr 2014 wurde ein Buch zu Hilfsstoffen - Öle, Tenside und andere Additive für landwirtschaftliche Chemikalien (Adjuvants – Oils, surfactants and other additives for farm chemicals) veröffentlicht.26 Hierin findet sich eine detaillierte und eingehende Einführung in Hilfsstoffe, ihre Klassifikation und Wirkweise. Auf Eigenschaften von Glyphosat-basierten Herbiziden wird in einem eigenen Kapitel eingegangen (Kapitel 3, Group M27) Ende der Bearbeitung 26 Adjuvants – Oils, surfactants and other additives for farm chemicals – revised 2014 edition, ISBN: 978-1- 921779-32-9. 27 Ebd. Seite 22ff.