© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 063/16 Zonales Pflanzenschutzmittelzulassungsverfahren Gründe der Einführung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 2 Zonales Pflanzenschutzmittelzulassungsverfahren Gründe der Einführung Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 063/16 Abschluss der Arbeit: 15.9.2016 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Rechtliche Grundlagen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln – Antragsbearbeitung nach zonalem Verfahren 4 2. Gründe für die Einführung des zonalen Zulassungsverfahrens 7 3. Zulassungsregelungen vor dem 14. Juni 2011 11 4. Literatur 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 4 1. Rechtliche Grundlagen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln – Antragsbearbeitung nach zonalem Verfahren Seit 2012 gilt ein neues Pflanzenschutzrecht, das sich auf die EU-Zulassungsverordnung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln 1107/20091-, die zum 14. Juni 2011 Gültigkeit erlangte 2, und in der Folge insbesondere auf das deutsche Gesetz zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechtes 3 vom 6.Februar 2012 stützt. Mit der Neureglung zur Zulassungsverordnung gilt grundsätzlich weiterhin, dass Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel in der Europäischen Union (in einem neuen klar geregelten Verfahren und nach neuen Regeln4) gemeinschaftlich genehmigt, und Pflanzenschutzmittel (ebenfalls weiterhin) national zugelassen werden müssen5. Neu eingeführt wurde dabei die auf Zonen bezogene gleichzeitige (oder zeitlich folgende) Zulassungsbewertung der Pflanzenschutzmittel in den Mitgliedstaaten sowie die damit verbundene und nun erheblich vereinfachte gegenseitige und grundsätzlich geforderte Anerkennung innerhalb (und außerhalb) der Zonen. Gepaart ist damit die Setzung 1 Daneben regelt die EU-Richtlinie 128/2009 vom 21. Oktober 2009 die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Deren Ziel ist es, die Abhängigkeit der Landwirtschaft von chemischen Pestiziden zu verringern, dabei den ökologischen Landbau zu stärken, den Pestizideinsatz aus der Luft zu unterbinden (nur Ausnahmen zuzulassen) sowie ihn in bestimmten Gebieten ganz einzuschränken, um somit in Gänze die Risiken von Pflanzenschutzmitteln für Mensch und Umwelt zu reduzieren. Unterstützend sollten die Mitgliedstaaten dazu Nationale Aktionspläne zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden verabschieden. „In Deutschland sind die Vorschriften [dieser ] Rahmenrichtlinie zum Teil [ebenfalls] im Pflanzenschutzgesetz umgesetzt. […]. Am 10. April 2013 hat die Bundesregierung ihren „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ verabschiedet .“ (UBA 2013). Pflanzenschutzmittel, die im ökologischen Anbau eingesetzt werden können, sind in der EG- Öko-Basisverordnung 834/2007 aufgeführt. Rückstandshöchstgehalte von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in Lebens- und Futtermitteln regelt die EU-Verordnung 396/2005. Seit 2013 regelt darüber hinaus die EU-Verordnung 283/2013 die Datenanforderungen für die Bewertung von Wirkstoffen, die in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden sollen; die Verordnung 284/2013 setzt die Standards für den Umfang toxikologischer Untersuchungen für Pflanzenschutzmittel . (Vgl. BfR 2016). Die Wirkstoffe, die in der EU genehmigt werden, sind in der EU-Durchführungsverordnung 540/2011 gelistet (inklusive der Änderungen). 2 Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 wurde am 24. November 2009 im Amtsblatt bekannt gemacht, trat am 14. Dezember 2009 in Kraft, erlangte 18 Monate danach, am 14. Juni 2011, ihre Gültigkeit und löste zu diesem Termin die Richtlinien 91/414/EWG und 79/117/EWG ab. Sie hat unmittelbare Gesetzeskraft in den Mitgliedstaaten und muss daher nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Die Novelle des deutschen Pflanzenschutzgesetzes wurde notwendig, um Konsistenz zwischen EU-Recht und nationalem Recht herzustellen. (Vgl. BVL 2009). 3 Weiteres regeln vor allem die Verordnungen über Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenschutzgeräte oder die Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung. 4 Wirkstoffe, die nach bestimmten Kategorien als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuft sind, Substanzen, die das endokrine System schädigen können und Wirkstoffe mit bestimmten Persistenz- und Akkumulationseigenschaften, werden nicht mehr zugelassen. Eingeführt wird die Kategorie der „zu ersetzenden Wirkstoffe" sowie eine Kategorie der „Pflanzenschutzmittel mit geringem Risiko, die dann einem vereinfachten und schnelleren Zulassungsverfahren in den Mitgliedstaaten unterliegen. Synergisten und Safener werden ebenfalls einem gemeinschaftlichen Bewertungsverfahren zugeführt. Für Beistoffe gilt eine Negativliste . (Vgl. BVL 2011). 5 Für Zusatzstoffe wurde auch eine Zulassungspflicht eingeführt; diese soll aber allein national erfolgen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 5 von Vorgaben für vereinheitlichte und klare Fristen der Zulassungsverfahrensabläufe innerhalb der EU. Das neue klare Verfahren der harmonisierten und gemeinschaftlichen Bewertung der Wirkstoffe zur Verwendung in Pflanzenschutzmitteln sieht vor, dass der Hersteller eines Wirkstoffs einem Mitgliedstaat einen Antrag auf Genehmigung dieses Wirkstoffs oder auf Änderung der Bedingungen für eine Genehmigung vorlegt, zusammen mit einem vollständigen Dossier (Nachweis der Erfüllung der Genehmigungskriterien, Vorlage aller Versuche und Studien). In der Regel wird der Antrag von dem Mitgliedstaat geprüft, den der Antragsteller vorgeschlagen hat. Dieser erstellt (ggf. in der Zusammenarbeit mit weiteren Mitgliedstaaten) einen Bericht. „Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit organisiert ein „PEER-Review“ mit allen Mitgliedstaaten und erstellt eine abschließende Risikobewertung (EFSA-Conclusion). Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten entscheiden [dann] in einem gemeinsamen Ausschuss über die abschließende Genehmigung und mögliche Einschränkungen.“ (BVL, Kula 2014b: 7). „Im Allgemeinen gelten die Genehmigungen der Wirkstoffe für zehn Jahre, danach müssen Anträge auf erneute Genehmigung gestellt werden. Es wird dann geprüft, ob der Wirkstoff nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik weiterhin genehmigt werden kann.“ (UBA 2013). Die gemeinschaftliche Genehmigung eines Wirkstoffes bedeutet noch keine Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, denn dieses enthält zumeist nicht nur den Grundstoff, sondern Beistoffe oder es sind mehrere Wirkstoffe miteinander kombiniert. Vermarktet und verwendet werden darf ein Pflanzenschutzmittel erst dann, wenn es in dem betreffenden und jeweiligen Mitgliedstaat [durch die nationalen Behörden] zugelassen wurde. Rechtsgrundlage [dafür ist ebenfalls] die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 [sowie] das [nationale] Pflanzenschutzgesetz (PflSchG).“ (Ebd.). Die Zulassungsfähigkeit eines Pflanzenschutzmittels wird für jede konkrete Art der Verwendung gesondert geprüft. „Mit der Novellierung erfolgt die Bewertung der Zulassungsfähigkeit [nunmehr] in sogenannten zonalen Zulassungsverfahren: Die Staaten der EU [werden dabei] drei Zonen zugeordnet (Süd, Zentral, Nord).“ (Ebd). Nord: Mitte: Süd: Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Schweden Belgien, Deutschland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich , Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien , Ungarn, Großbritannien Bulgarien, Frankreich, Griechenland , Italien, Malta, Portugal , Spanien, Zypern, Koratien (Vgl. : EG-Verordnung 1107/2009: 39 (ohne Kroatien). Antragsteller können eine Zulassung so gleichzeitig parallel für mehrere Mitgliedstaaten innerhalb einer Zone stellen. Einer der Mitgliedsstaaten einer Zone übernimmt auf Vorschlag des Antragsstellers die inhaltliche Zulassungsbewertung für die gesamte Zone (unter Gelegenheit der Stellungnahme der anderen Zonenmitgliedstaaten) des vom Antragssteller einzureichenden Dos- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 6 siers. Die anderen Zonenmitgliedstaaten, bei denen die jeweils nationale Zulassung aber weiterhin einzeln zu beantragen ist, erteilen anschließend auf Basis eben dieser zonalen Bewertung in einem verkürzten Verfahren (an ihre nationalen Bedingungen angepasst6) die Zulassung. Ist entsprechend ein Produkt in einer der drei Zonen zugelassen, gibt es auch noch im Nachhinein die Möglichkeit, eine nationale Zulassung eines anderen Mitgliedstaats der Zone (oder außerhalb der Zone7) zu übernehmen, dann auf Grundlage der „gegenseitigen Anerkennung“. (Vgl. BVL/Kula 2014b: 9). Bei Mitteln für Gewächshäuser, für Lagerräume, zur Saatgutbehandlung und zur Nacherntebehandlung gilt die Beantragung des Zulassungsverfahrens EU-weit und damit von vorneherein zonenübergreifend. Dabei werden die Antragsarten in Deutschland folgendermaßen unterschieden: beim Zonalen Zulassungsverfahren 1 (ZV 1) ist ein Mitgliedstaat zonaler bewertender Mitgliedstaat für den Erstantrag (mit 12-monatiger Bearbeitungsfrist), beim Verfahren ZV 2 handelt es sich um die Erneuerung des Antrages. Beim Verfahren ZV 3 ist das Land beteiligter Mitgliedstaat beim Erstantrag, wobei die betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von höchstens 120 Tagen nach Erhalt des Bewertungsberichts und der Kopie der Zulassung durch den den Antrag prüfenden Mitgliedstaat über den Antrag entscheiden müssen. Beim ZV 4 geht es um den entsprechenden Erneuerungsantrag . Beim Verfahren ZV 5 ist der Mitgliedstaat nicht direkt als Antragsland beteiligt, hat aber eine Kommentierungsmöglichkeit. Beim Verfahren der Antragsart ZVU auf „gegenseitige Anerkennung “ handelt es sich um Verfahren, die bereits die zonale Zulassung durchlaufen haben und bei denen (für andere Mitgliedstaaten im Nachhinein) eingereichte Zulassungsanträge verpflichtend von diesen innerhalb einer Frist von 120 Tagen bearbeitet werden müssen. (Vgl. BVL 2012: 1-19). Der Beitrag Deutschlands zur EU-Wirkstoffprüfung und die nationale Zulassung von Pflanzenschutzmitteln werden durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) koordiniert. Beteiligt sind das UBA, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Julius-Kühn-Institut (JKI). Das Umweltbundesamt ist hierbei für die Risikobewertung in Bezug auf den Naturhaushalt und das Grundwasser zuständig. „Bei der nationalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verfügt das Umweltbundesamt über einen Einvernehmensstatus. Das bedeutet, dass eine Zulassung nur mit Zustimmung des UBA erfolgen darf. Gemäß Paragraf 29 des Pflanzenschutzgesetzes kann das BVL darüber hinaus für einen auf 120 Tage begrenzten Zeitraum auch die Anwendung nicht regulär zugelassener Pflanzenschutzmittel genehmigen. Voraussetzung ist eine Gefahr, die nicht anders abzuwehren ist (Notfallsituation im Pflanzenschutz). Das Gesetz sieht in diesem Verfahren keine Beteiligung des Umweltbundesamtes vor.“ (UBA 2013). 6 Das bezieht sich vor allem auf Maßnahmen der Risikominderung (, wobei insbesondere Auflagen erteilt werden können). Eine Verweigerung der Zulassung eines Mitgliedstaates einer Zone ist unter bestimmten Bedingungen auch möglich, aber auch eine Anfechtung dieser Entscheidung vor den nationalen Gerichten. (Vgl. Art. 36 Abs. 3 EG-Verordnung 1107/2009). 7 Die „gegenseitige Anerkennung“ kann auch zonenübergreifend beantragt werden. Hat ein Hersteller beispielsweise die Zulassung für die zentrale Zone erhalten, kann er unter Vorlage dieser bei der Süd- oder Nordzone oder einem Mitgliedstaat dieser Zonen den Antrag auf Prüfung der „gegenseitigen Anerkennung“ stellen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 7 2. Gründe für die Einführung des zonalen Zulassungsverfahrens Grundsätzliches Ziel der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 war es, die Wirkstoffprüfung für und die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln in der EU zu harmonisieren und zu beschleunigen. Im Bereich der Wirkstoffzulassung , die ja bereits auf gemeinschaftlicher Ebene erfolgt, hat man es geschafft, durch noch besser abgestimmte und klar vorgegebene Verfahrensabläufe diese Harmonisierung weiter zu intensivieren . Im Bereich der Pflanzenschutzmittelzulassung sahen sich die EU-Mitgliedstaaten bislang nicht in der Lage, eine gänzliche Vereinheitlichung, wie eine EU-weite Zulassungsbewertung, umzusetzen. Die Einteilung von Zonen, in denen dann jeweils eine Gesamtzulassung erfolgt8, ist damit ein Kompromiss und ein erster Schritt in Richtung des Ziels einer gänzlichen Vereinheitlichung bzw. des tatsächlichen Umsetzens von Arbeitsteilung. So wird die Einführung von Zonen für die Produktzulassung dazu führen9, bisherige Doppelarbeit bei den nationalen Zulassungsverfahren, bei der (auch vorher schon möglichen) obligatorischen „gegenseitigen Anerkennung“ und bei weiteren administrativen und verfahrenstechnischen Aufgaben für die Industrie und die Mitgliedstaaten zu vereinfachen und zu verringern, sowie durch die klaren und kurzen Fristen - von zum Beispiel 120 Tagen für das Verfahren auf „gegenseitige Anerkennung“ - Verfahren deutlich zu beschleunigen und zu straffen. Auch Landwirte sollen so schneller und unter einheitlicheren Bedingungen Zugang zu Pflanzenschutzmitteln haben.10 Für dieses Ziel wird aber noch weitere Harmonisierung benötigt. Im Bereich der Datenanforderungen und der Zulassungskriterien ist man bei der europaweiten Harmonisierung schon gut vorangekommen ; bei der vollständigen Harmonisierung der Bewertungsgrundsätze und Risikominderungsmaßnahmen wird noch erheblicher Abstimmungsbedarf gesehen. (Vgl. BVL; Kula 2014a: 8 Unbenommen der nach wie vor eingeforderten und auch rechtlich dann festgesetzten nationalen Zulassungserfordernis innerhalb der Zone, die aber auf Grundlage der Gesamt-Zonenzulassungsbewertung zu erfolgen hat. 9 Bisher sind „die beteiligten Behörden mit dem vorhandenen Personal nicht in der Lage, die Anträge termingerecht zu bearbeiten. Die Zahl der in Bearbeitung befindlichen Anträge [auf zonale Zulassung] steigt stetig an und [lag] einschließlich der Altanträge [… mit Stand Februar 2014] bei 533 Anträgen. […] [Auch d]ie bisherigen Erfahrungen mit den Anträgen auf gegenseitige Anerkennung zeigen, dass eine Bearbeitung der Mehrzahl der Anträge in den vorgesehenen 120 Tagen bislang nicht möglich ist. Dies ist vorwiegend auf Unterschiede in der landwirtschaftlichen Praxis und die noch ausstehende Harmonisierung der Bewertungsgrundsätze in bestimmten Prüfbereichen zurückzuführen.“ (Deutscher Bundestag 2014 - BT-Drs. 18/1591: 2). Laut Angaben des BMEL hat sich an dieser Situation seither nicht viel geändert, da die zonale Zulassung gleichzeitig auch einen größeren Prüfaufwand beinhaltet als die rein nationale Zulassungsprüfung und die Standards für die „gegenseitige Anerkennung“ noch angeglichen werden müssen. Der Prozess der Harmonisierung der Bewertungsgrundsätze findet bereits sukzessive auf vielen Arbeitsebenen statt. Zum Teil entstehen dadurch aber auch weiterhin neu aufgeworfene und zu lösende Fragen. Daher wird erst in der mittleren oder langfristigen Perspektive von einer entlastenden Arbeitsteilung auszugehen sein. 10 So begrüßte auch der Deutsche Bauernverband die zonale Zulassung ausdrücklich, weil er auf eine verbesserte Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für die deutschen Erzeuger hofft. Gleichzeitig forderte er, dass die verpflichtende Übernahme einer Zulassung innerhalb einer Zone fristgerecht und ohne nationale Verschärfungen durchgesetzt werden sollte. (Vgl. Deutscher Bauernverband 2011). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 8 31). In allen Zonen wurden „Zonal Steering Committees“ eingerichtet, die die engere Abstimmung zwischen den zuständigen Zulassungsbehörden in den Mitgliedstaaten verbessern sollen, um so die Zulassungsprozesse weiter zu optimieren. Eingeteilt wurden die Zonen so, dass es sich dabei jeweils um eine Gruppe von Mitgliedstaaten handelt, für die angenommen wird, dass die Bedingungen im Hinblick auf Landwirtschaft, Pflanzengesundheit und Umwelt (einschließlich Klima) relativ ähnlich sind. So sollte auch sichergestellt werden, dass die zonale Zulassungsbewertung gut umsetzbar und das Aussprechen der nationalen Zulassungen tatsächlich erleichtert und vereinfacht wird, weil regionale Besonderheiten weiterhin Beachtung finden.11 Werden die angesprochenen Bedingungen und Gegebenheiten als nicht vergleichbar erachtet, kann zum Beispiel im Verfahren auf „gegenseitige Anerkennung “ die Zulassung unter Auflagen erfolgen oder auch begründet verweigert werden. Wörtlich heißt es zu den vorangehenden Ausführungen in der EG-Verordnung 1107/2009 in Grundsatz 29: „Der Grundsatz der [Verpflichtung der] gegenseitigen Anerkennung stellt eines der Mittel dar, mit denen der freie Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet werden soll. Zur Vermeidung von Doppelarbeit, Verringerung des Verwaltungsaufwands für Industrie und Mitgliedstaaten und Sicherstellung einer einheitlicheren Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln sollte die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden , sofern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar sind. Daher sollte die Gemeinschaft in Zonen mit diesbezüglich jeweils vergleichbaren Bedingungen unterteilt werden, um diese gegenseitige Anerkennung zu erleichtern. Besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten können es jedoch erforderlich machen, dass die Mitgliedstaaten auf Antrag die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung anerkennen oder ändern, oder die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in ihrem Gebiet verweigern, wo dies aufgrund besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Gegebenheiten gerechtfertigt ist oder wo das in dieser Verordnung vorgeschriebene hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt nicht erreicht werden kann.“ (EG-Verordnung 1107/2009: 3). Damit sind die Bedingungen für die Zoneneinteilung, unter Hinzunahme der landwirtschaftlichen Strukturen der Länder, weiter gefasst als bei allein geografischen oder aber nur klimatischen Gegebenheiten (wie beim EPPO-Standard, s. nachfolgend) oder bei anderen Vielfach-Zonenvarianten , die das Ziel der Vereinheitlichung konterkarieren würden. Im Falle neuer Beitrittsländer (wie bei Kroatien) kann die Zuteilung aber auch vorrangig auf Grund von geografischen Gesichtspunkten erfolgen. Die Tatsache, dass Frankreich der Südzone angehört, entspringt dem eigenen Wunsch Frankreichs. (Vgl. Angaben des BMEL). 11 Antragsteller reichen ihre Dossiers auf Zulassung inklusive ihrer Versuche und Analysen so ein, dass sie in Bezug auf landwirtschaftliche, pflanzengesundheitliche und ökologische Aspekte unter Bedingungen durchgeführt werden, die für die Verwendung des betreffenden Pflanzenschutzmittels relevant und für die Bedingungen in der Zone repräsentativ sind, in der das Pflanzenschutzmittel verwendet werden soll. (Vgl. u.a. EG-Verordnung 1107/2009: 18) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 9 Grundsätzlich wäre es auch denkbar gewesen, andere (oder gar keine) Zonen für die Einteilung zu wählen. So kritisiert beispielsweise das Europäische Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN Europe ), dass es sich bei den Zonen um eine willkürliche Aufteilung in Zonen handele, die in Widerspruch zu den ökologischen, klimatischen und naturräumlichen Gegebenheiten stehe und die dem Trend im Risikomanagement, dieses immer kleinräumiger und differenzierter auszuführen, entgegenstehe. Seiner Ansicht nach solle jeder Staat souverän selbst den Schutzstandard bei der Vermarktung und Anwendung gefährlicher Produkte festlegen dürfen, solange dieser nicht hinter den EU-harmonisierten Standards zurückbleibe. (Vgl. PAN 2007). Denkbar wäre zudem auch die Einteilung der Zonen nach dem EPPO-Standard gewesen. Dabei handelt es sich um agroklimatische Zonen, die von der „European and Mediterranean Plant Protection Organisation’s (EPPO)“12 anhand vergleichbarer klimatischer und meteorologischer Gegebenheiten (auch im Hinblick auf die Pflanzenschutzmittelzulassung) eingeteilt wurden. Danach wären beispielsweise Schweden, Dänemark und Deutschland in einer Zone zusammen mit Nordfrankreich . Oder umgekehrt: Die zentrale Zone (von Irland bis nach Rumänien) der geltenden EU- Verordnung umfasst drei EPPO-Zonen. (Vgl. EPPO 2016). Zonen nach EPPO-Standard (Abb. nach EPPO 2005). Darüber hinaus wäre theoretisch eine Zoneneinteilung anhand der relativ zahlreichen biogeografischen Regionen Europas anhand der Flora-Fauna-Habitat-Naturschutz-Richtlinie der EU (zum Schutz der biologischen Vielfalt) mit jeweils charakteristischer Vegetation, eigenem Klima und Geologie denkbar gewesen. Danach hat die EU neun biogeografische Zonen. 12 EPPO ist eine internationale Organisation zur Kooperation im Pflanzenschutz mit gegenwärtig 51 europäischen Mitgliedsländern. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 10 Europäische biogeografische Zonen (Abb. nach EEA 2012). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 11 3. Zulassungsregelungen vor dem 14. Juni 2011 Vor dem 14. Juni 2011 bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 galt als zentrale Vorschrift die EU-Richtlinie 91/414/EWG vom 15. Juli 1991 zur Zulassung von Pestiziden13. Sie schrieb erstmals eine amtliche Zulassungspflicht für das Inverkehrbringen und Anwenden von Pflanzenschutzmitteln vor und regelte die Kontrolle von Wirkstoffen für Pflanzenschutzzwecke. Auch auf dieser rechtlichen Grundlage war die Bewertung und Genehmigung von Wirkstoffen bereits gemeinschaftlich und EU-weit geregelt. Allerdings war das Verfahren weniger stringent und klar als es die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorsieht. Die Richtlinie sah vor, dass nicht nur das Aussprechen der Zulassung von Pestizidprodukten (wie derzeit), sondern das komplette Zulassungsverfahren (weiterhin) einzelstaatlich organisiert ist. Allerdings gab es bereits die Möglichkeit der „gegenseitigen Anerkennung“ von Zulassungen. Artikel 10 der Richtlinie regelte: „Auf Ersuchen des Antragstellers, der die vergleichbaren Elemente nachzuweisen hat, muß [sic] ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels gestellt wird, das in einem Mitgliedstaat bereits zugelassen ist, 1. davon absehen zu verlangen, daß [sic] die Versuche und Analysen, die im Zusammenhang mit der Zulassung des Pflanzenschutzmittels in diesem letztgenannten Mitgliedstaat bereits durchgeführt worden sind, wiederholt werden, soweit die für die Anwendung des Pflanzenschutzmittels relevanten Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt —einschließlich der Witterungsverhältnisse – in den betreffenden Gebieten vergleichbar sind, und — zulassen — soweit die einheitlichen Grundsätze gemäß Artikel 23 festgelegt worden sind —, daß [sic] dieses Pflanzenschutzmittel, falls es nur Wirkstoffe des Anhangs I enthält, auch in seinem Staatsgebiet in den Verkehr gebracht wird, soweit die für die Anwendung des Pflanzenschutzmittels relevanten Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt — einschließlich der Witterungsverhältnisse — in den betreffenden Gebieten vergleichbar sind.“ (EU-Richtlinie 91/414/EWG: 15f).14 In der Praxis ist diese Regelung aber kaum zum Tragen gekommen. Zu erklären ist das damit, dass es sich im Rahmen einer Richtlinie, die von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten eigenständig in nationales Recht umgesetzt wurde, weder um eine verpflichtende Regelung handelte, noch bei der Anwendung der Option zwischen den EU-Mitgliedstaaten auf gemeinschaftliche Grundlagen der Umsetzung gesetzt werden konnte. Diese Hemmnisse sind mit dem Rechtssetzungsverfahren der Verordnung und weiteren Verfahrensbestimmungen in der EG-Verordnung 1107/2009 ausgeräumt worden. (Vgl. Angaben des BMEL). 13 Die EG-Durchführungsverordnung 540/2011, die nunmehr die in der EU zugelassenen Wirkstoffe listet, hat auch die Wirkstoffe übernommen, die gemäß dem Anhang I der abgelösten Richtlinie 91/414/EWG genehmigt waren. 14 Ebenfalls mit Auflage- und Anwendungsbeschränkungsmöglichkeiten für die um Zulassung ersuchten Mitgliedstaaten . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 12 Die zonale Zulassung sollte hier gerade auch Grundlagen schaffen, damit die „gegenseitige Anerkennung “ (auch über Zonen hinweg) langfristig einfacher und anwenderfreundlicher wird und somit zur auch Anwendung kommt. Ende der Bearbeitung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 13 4. Literatur Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) (2011). Neue EU-Verordnung zu Pflanzenschutzmitteln. Internetseite vom 26.11.2011. http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/06_Fachmeldungen /2009/2009_11_26_Fa_neue_verordnung.html [Stand: 15.9.2016]. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) (2012). Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel. Beschreibung des Verfahrens für Anträge auf zonale Zulassungen in Deutschland. Braunschweig. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL); Kula, Christine (2014a). Das Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln- Schwerpunkt Naturhaushalt. Power- Point-Präsentation. Internetseite . http://www.lung.mv-regierung.de/dateien/lls_vortrag _14_10_16_kula.pdf [Stand 8.9.2016]. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL); Kula, Christine (2014b). Auswirkungen auf den Naturhaushalt -Risikominderung bei der Zulassung von Pflanzenschutzmittel . Power-Point-Präsentation. Internetseite . [Stand 8.9.2016]. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2016). Rechtliche Grundlagen im Bereich Pflanzenschutzmittel . Internetseite. http://www.bfr.bund.de/de/rechtliche_grundlagen_im_bereich_pflanzenschutzmittel -70203.html [Stand 13.9.2016]. Deutscher Bauernverband (DBV) (2011). Erklärung des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes (DBV) vom 8. November 2011 zur Neuordnung des deutschen Pflanzenschutzrechts. http://media.repro-mayr.de/72/529872.pdf [Stand: 13.9.2016]. Deutscher Bundestag (2014). Bericht über den Stand der Harmonisierung von Pflanzenschutzmittelzulassungen im zonalen Verfahren – insbesondere im Falle gegenseitiger Anerkennungen – und den Umgang mit Pflanzenstärkungsmitteln im Allgemeinen. Unterrichtung durch die Bundesregierung . BT-Drs. 18/1591 vom 27.05.2014. European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO) (2005). EPPO Standard PP1/241(1). Guidance on comparable climates. https://www.eppo.int/PPPRODUCTS/ppp_standards /comparable_climates.htm [Stand: 13.9.2016]. European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO) (2016). About EPPO. Internetseite . https://www.eppo.int/?utm_source=www.eppo.org&utm_medium=int_redirect [Stand 13.9.2016]. European Environment Agency (EEA) (2012). Main threats to biodiversity by biogeographic region . http://www.eea.europa.eu/data-and-maps/figures/main-threats-to-biodiversity-by-biogeographic -region. Abbildung vom 12.11.2009, zuletzt geändert am 29.11.2012. [Stand: 13.9.2016]. Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (2012). Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (PflSchG v. Februar 2012). Power-Point-Präsentation. Internetseite. https://www.nw- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 063/16 Seite 14 fva.de/fileadmin/user_upload/Abteilung/Waldschutz/Schulungen/Neues_PflSchG_2012.pdf . [Stand: 8.9.2016]. Pesticides Action Network Europe (PAN) u.a. (2007). Notes on the Commission’s proposal to create Multi-National, Authorisation zones. http://www.pan-europe.info/old/Resources/Briefings /Analysis_of_the_Commission's_proposal_to_create_zones.pdf [Stand 13.9.2016]. RICHTLINIE DES RATES vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (91/414/EWG) (Amtsblatt L 230 vom 19.8.1991 (1-339). Umweltbundesamt (UBA) (2013). Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Internetseite. https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/pflanzenschutzmittel/zulassung-vonpflanzenschutzmitteln [Stand 8.9.2016]. VERORDNUNG (EG) Nr. 1107/2009 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates. Amtsblatt der Europäischen Union L 309 vom 14.11.2009 (1-50).