© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 061/19 Einzelfragen zu Schutzgebieten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 2 Einzelfragen zu Schutzgebieten Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 061/19 Abschluss der Arbeit: 21.05.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Unterschutzstellung 4 2.1. Erklärung 4 2.2. Form der Unterschutzstellung 5 3. Gebote und Verbote 5 4. Befreiungen 6 5. Wasserschutzgebiete 8 5.1. Schutzzonen 8 5.2. Bauliche Vorhaben in den Schutzzonen II und III 9 5.3. Haftung für Gewässerveränderungen § 89 WHG 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 4 1. Einleitung Der Gebietsschutz stellt eines der elementarsten Instrumente des Naturschutzes und der Landschaftspflege dar. Schutzgebiete tragen unmittelbar zur Erhaltung von Arten und ihren Lebensräumen bei, und die Vernetzung von Lebensräumen ist zur Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen von entscheidender Bedeutung .1 Es existieren in Deutschland unterschiedliche Schutzgebietskategorien, die ihre rechtliche Grundlage im Bundesnaturschutzgesetz2 (BNatSchG) finden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, ihres Schutzzwecks und den sich daraus ergebenen Nutzungseinschränkungen.3 Zu den bedeutsamsten Schutzgebietskategorien zählen Naturschutzgebiete, Nationalparke, Biosphärenreservate , Landschaftsschutzgebiete und Naturparke sowie die Schutzgebiete gemäß NATURA 2000. 2. Unterschutzstellung 2.1. Erklärung Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft erfolgt durch Erklärung, welche den Schutzgegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote, und, soweit erforderlich, die Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen bestimmt. Die Schutzzwecke und deren Intensität unterscheiden sich je nach festgelegtem Schutzgebiet. Der Schutzzweck gilt hierbei als Steuerungsinstrument für die Reichweite des Schutzgebiets, als Maßstab für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Schutzmaßnahmen und für eventuelle Erlaubnisse und Befreiungen. 4 Je höher die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ist, desto strenger muss auch das Schutzregime gefasst werden.5 1 Bundesministerium für Umwelt (2017), Naturschutz und nukleare Sicherheit, Gebietsschutz und Vernetzung, abrufbar unter: https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt /gebietsschutz-und-vernetzung/ (zuletzt aufgerufen am 21.05.2019) 2 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/BJNR254210009.html (zuletzt aufgerufen am 21.05.2019) 3 Bundesministerium für Umwelt (2017), Naturschutz und nukleare Sicherheit, Gebietsschutz und Vernetzung, abrufbar unter: https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt /gebietsschutz-und-vernetzung/ (zuletzt aufgerufen am 21.05.2019) 4 Albrecht, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 50. Edition, Stand: 01.01.2019, § 22 BNatSchG, Rn. 8. 5 Appel, in: Frenz/Müggenborg, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage 2016, § 22 BNatSchG, Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 5 2.2. Form der Unterschutzstellung Die jeweiligen Schutzgebietskategorien der §§ 23 bis 29 BNatSchG müssen rechtsverbindlich festgesetzt werden. Aufgrund der Außenwirkung der Unterschutzstellung muss die Erklärung Rechtsaktqualität und wegen der Allgemeinverbindlichkeit darüber hinaus auch Rechtssatzqualität erlangen. Hierfür ist eine Verlautbarung der jeweils zuständigen Stelle über die Unterschutzstellung eines Teils von Natur und Landschaft erforderlich, die in Gestalt eines formellen, nach außen wirkenden allgemein verbindlichen Rechtsaktes zu erfolgen hat. 6 In der Regel erfolgt dies in Gestalt einer Rechtsverordnung oder einer Satzung. Vor diesem Hintergrund ist der durch die Schutzverordnung festgelegte Schutzzweck als auch die Gebote sowie Handlungen, die verboten sind oder nur unter einem bestimmten Genehmigungsvorbehalt stehen, für jedermann verbindlich festgelegt. 3. Gebote und Verbote Mit der Schutzerklärung werden auch die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Geund Verbote aufgestellt. Sie bilden den wesentlichen Inhalt einer Unterschutzstellung, da mit ihnen konkrete Pflichten zum Ausdruck gebracht werden.7 Die Ge- und Verbote werden jeweils in den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes näher ausgeführt. So sind beispielsweise in einem Naturschutzgebiet nach § 23 Abs. 2 BNatSchG alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandzeile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, während in einem Landschaftsschutzgebiet nach § 26 Abs. 2 BNatSchG alle Handlungen verboten sind, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Die in den Vorschriften der §§ 23-29 BNatSchG enthaltenen Ge- und Verbote bilden dabei zwar einen schutzkategoriebezogenen Ausgestaltungsrahmen, allerdings nur „nach Maßgabe näherer Bestimmungen“. Die Ge- und Verbote gelten damit nicht unmittelbar kraft Gesetzes, sondern müssen in der jeweiligen Schutzerklärung bzw. Schutzgebietsverordnung selbst normiert werden . 8 Der jeweilige (landesrechtliche) Verordnungsgeber hat hier die Wahl zwischen der Statuierung von repressiven und präventiven Verboten und von Ausnahme- oder Freistellungsklauseln.9 Sofern bestimmte Verhaltensweisen mit dem Schutzzweck schlechterdings unvereinbar sind, kommt ein repressives Verbot in Betracht. Im Bereich der strengeren Schutzgebietskategorien ist 6 BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2007 – 7 B 68/06 – juris, Rn. 9. 7 Appel, in: Frenz/Müggenborg, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage 2016, § 22 BNatSchG, Rn. 46. 8 Ebenda. 9 Agena/Louis, Die Schutzerklärung für geschützte Teile von Natur und Landschaft, NuR 2014, S. 396. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 6 es meist sachgerecht bei dem erhöhten Gefährdungspotential, repressive Verbote festzulegen und lediglich die Möglichkeit einer Befreiung nach § 67 BNatSchG zu gewähren.10 Ist jedoch zur Wahrung des Schutzzwecks eine Einzelfallprüfung mit Erlaubnisvorbehalt ausreichend , wird aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich ein präventives Verbot festgelegt .11 In einem solchen Fall wird in einem Anzeige-, Erlaubnis- oder Genehmigungsverfahren geprüft , ob die beabsichtigte Handlung den in der Schutzverordnung festgelegten Schutzzweck konkret beeinträchtigt.12 Sofern das Vorhaben keine der in der Schutzverordnung genannten Wirkungen hervorruft oder diese Wirkungen durch Auflagen oder Bedingungen ausgeglichen werden können, besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung bzw. auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung .13 Von der Möglichkeit Ausnahme- oder Freistellungsklauseln in Schutzverordnungen festzulegen, wird dann Gebrauch gemacht, wenn von vorneherein erkennbar ist, dass bestimmten Handlungen nicht gegen den festgelegten Schutzzweck verstoßen oder wenn überwiegende andere Belange des Gemeinwohls eine Einschränkung einzelner Verbote gebietet.14 4. Befreiungen Von den Geboten und Verboten des BNatSchG, der Landesnaturschutzgesetze und auf deren Grundlage erlassene Rechtsverordnungen, eröffnet § 67 BNatSchG die Möglichkeit der Befreiung. Die Erteilung einer Befreiung dient der Herstellung einer Einzelfallgerechtigkeit für einen Dispens von der Pflicht zur Beachtung von Vorschriften aufgrund atypischer Umstände von Einzelfällen , deren Verhältnis zur betreffenden Vorschrift der Normgeber nicht abschließend entschieden hat.15 Unter dem Naturschutzrecht der Länder im Sinne des § 67 Abs. 1 S. 1 BNatSchG ist dabei sowohl bestehendes – einschließlich von den Ländern übergeleitetes – wie künftiges gesetzliches und 10 Agena/Louis, Die Schutzerklärung für geschützte Teile von Natur und Landschaft, NuR 2014, Seite 397. 11 Appel, in: Frenz/Müggenborg, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage 2016, § 22 BNatSchG, Rn. 48. 12 Agena/Louis, Die Schutzerklärung für geschützte Teile von Natur und Landschaft, NuR 2014, Seite 397. 13 Ebenda. 14 Ebenda. 15 Teßmer, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 50. Edition, Stand: 01.04.2019, § 67 BNatSchG, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 7 untergesetzliches Regelwerk auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verstehen .16 Damit eingeschlossen sind vor allem die Ge- und Verbote, die sich aus der auf landesrechtlicher Grundlage erfolgenden Schutzerklärung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 2 BNatSchG ergeben .17 Nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kann eine Befreiung von Geboten und Verboten erteilt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Dies kann beispielsweise das Interesse am Bau neuer Verkehrswege, am Ausbau der regenerativen Energieerzeugung oder dem sozialen Wohnungsbau sein.18 Einem rein privaten Interesse kommt dagegen keinerlei Bedeutung zu; es muss zwingend aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses geboten sein. 19 Darüber hinaus kann eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG erteilt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Hierdurch sollen die sich aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG ergebenden Anforderung ausreichend geschützt werden.20 Diese Tatbestandsvariante stellt ein mögliches Korrektiv für grundstücksbezogene Besonderheiten dar, weshalb sich unzumutbare Belastungen nur aus boden-, nicht aber aus personenbezogenen Umständen wie finanzieller oder familiärer Art ergeben können.21 Sofern ein entsprechender Grund vorliegt, kann ein Antrag auf Befreiung auf der Grundlage des § 67 Abs. 1 S. 1 BNatSchG von den Verboten der Schutzvorschrift gestellt werden. Eventuelle Bauverbote in einem Landschaftsschutzgebiet oder Störungsverbote in einem Naturschutzgebiet sind damit einer Befreiung zugänglich. 22 Überwiegen hingegen die naturschutzfachlichen Bedenken ist das Vorhaben stets unzulässig. Vor diesem Hintergrund wird darauf verwiesen, dass es eine Prüfung des Einzelfalls ist, ob ein Dispens nach § 67 Abs. 1 BNatSchG gegeben ist. Die Zulässigkeit eines Vorhabens in einem Schutzgebiet hängt somit von der konkreten Ausgestaltung der zugrunde liegenden Schutzgebietsverordnung ab und inwieweit eine naturschutzrechtliche Vereinbarkeit besteht. 16 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 17.03.2009, BT-Drs. 16/12274, S. 77. 17 Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 88. EL September 2018, § 67 BNatSchG, Rn. 8. 18 Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 88. EL September 2018, § 67 BNatSchG, Rn. 11. 19 Ebenda. 20 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 17.03.2009, BT-Drs. 16/12274, S. 77. 21 Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 88. EL September 2018, § 67 BNatSchG, Rn. 15. 22 Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 88. EL September 2018, § 67 BNatSchG, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 8 5. Wasserschutzgebiete Durch das Wasserhaushaltsgesetz23 (WHG) wird die Möglichkeit eröffnet, im Interesse der derzeit bestehenden und der zukünftigen Wasserversorgung Wasserschutzgebiete festzusetzen, in denen bestimmte Handlungen verboten oder nur für beschränkt zulässig erklärt werden können.24 Durch den Erlass einer Wasserschutzgebietsverordnung oder durch eine an die Schutzgebietsfestsetzung anknüpfende behördliche Entscheidung können insbesondere bestimmte Handlungen verboten oder für nur eingeschränkt zulässig erklärt (§ 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG) sowie die Eigentümer und/oder Nutzungsberechtigten zur Vornahme oder Duldung bestimmter Maßnahmen verpflichtet werden (§ 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a–c WHG). 25 5.1. Schutzzonen In Wasserschutzgebieten werden unterschiedliche Schutzzonen festgelegt, welche die Schutzstärke im Einzugsgebiet bestimmen und abgestufte Beschränkungen oder Verbote vorgeben. Den Fassungsbereich, der die Wasserentnahmestelle selbst umfasst (Zone I), die engere Schutzzone, in der vornehmlich nur beschränkte landwirtschaftliche Nutzungen erlaubt sind (Zone II) und die weitere Schutzzone, in der im Einzelfall auch Wohnhäuser und gewerbliche Nutzungen zugelassen werden können (Zone III).26 Folgende Darstellung gibt einen Überblick über die verschiedenen Schutzzonen: 23 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2254) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/whg_2009/BJNR258510009.html (zuletzt aufgerufen am 21.05.2019) 24 BMU (2012), Trinkwasserschutzgebiete, abrufbar unter: https://www.bmu.de/themen/wasser-abfall-boden/binnengewaesser /trinkwasser/trinkwasser-trinkwasserschutzgebiete/ (zuletzt aufgerufen am 21.05.2019) 25 Tünnesen-Harmes, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 50. Edition, Stand: 01.04.2019, § 51 WHG, Rn. 1. 26 Tünnesen-Harmes, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 50. Edition, Stand: 01.04.2019, § 51 WHG, Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 9 5.2. Bauliche Vorhaben in den Schutzzonen II und III Bei Bauvorhaben in den Schutzzonen II und III eines festgesetzten Schutzgebietes sind zum Schutz des Grundwassers die getroffenen Verbotsbestimmungen der jeweiligen Wasserschutzgebietsverordnung ausschlaggebend. Diese kann vorgeben, inwieweit die Errichtung oder die Erweiterung baulicher Anlagen oder die Errichtung und Erweiterung von Straßen, Wegen oder sonstigen Verkehrsflächen unter Verbot gestellt ist. Sollte ein Verbot normiert sein, besteht je nach Ausgestaltung der Verordnung die Möglichkeit der Zulassung von Ausnahmen und/oder Befreiungsvorschriften. Rechtsgrundlage für eine mögliche Befreiung von den festgelegten Verboten ist die Vorschrift des § 52 Abs. 1 S. 2 WHG. Danach kann die zuständige Behörde von Verboten, Beschränkungen sowie Duldungs- und Handlungspflichten nach § 52 Abs. 1 S. 1 WHG eine Befreiung erteilen, wenn der jeweilige Schutzzweck nicht gefährdet ist oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern, wobei regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen ist.27 27 Hünnekens, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 88. EL September 2018, § 52 WHG, Rn. 35. Quelle: BMU, https://www.bmu.de/themen/wasser-abfall-boden/binnengewaesser/trinkwasser/trinkwasser-trinkwasserschutzgebiete/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 061/19 Seite 10 § 52 Abs. 1 S. 2 und S. 3 WHG regelt hierbei drei Befreiungstatbestände. Während die ersten beiden (§ 52 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 und Alt. 2) ein Ermessen einräumen, handelt es sich bei dem Befreiungstatbestand nach § 52 Abs. 1 S. 3 WHG um eine gebundene Entscheidung, mit der Folge, dass die Befreiung zu erteilen ist.28 5.3. Haftung für Gewässerveränderungen § 89 WHG § 89 des WHG normiert einen Haftungstatbestand, der in § 89 Abs. 1 WHG die Verhaltenshaftung und in § 89 Abs. 2 WHG die Anlagenhaftung sanktioniert. So ist nach § 89 Abs. 1 WHG derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder wer in anderer Weise auf ein Gewässer einwirkt und dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert . Die normierte Verhaltenshaftung setzt zweckgerichtetes und gewässerbezogenes Handeln voraus.29 Gelangen hingegen aus einer Anlage, die bestimmt ist, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern , abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, derartige Stoffe in ein Gewässer, ohne in dieses eingebracht oder eingeleitet zu sein, und wird dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert , so ist der Betreiber der Anlage nach § 89 Abs. 2 WHG zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet. Für die Anlagenhaftung genügt es, dass wassergefährdende Stoffe aus einer gefährlichen Anlage in ein Gewässer gelangen. Es bedarf damit im Gegensatz zu § 89 Abs. 1 WHG kein gewässerbezogenes oder zweckgerichtetes Handeln.30 *** 28 Tünnesen-Harmes, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 50. Edition, Stand: 01.04.2019, § 52 WHG, Rn. 26. 29 Hilf: in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 50. Edition, Stand: 01.04.2019, Vor § 89 WHG. 30 Hilf: in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 50. Edition, Stand: 01.04.2019, § 89 WHG, Rn. 50.