© 2014 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 60/13 Vielfalt der Datenlage zum Bildungsaufstieg in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 2 Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 60/13 Abschluss der Arbeit: 13.3.2014 Fachbereich: WD 8 für Bildung, Forschung, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Datenlage und Kennziffern zur Bildungsmobilität in Deutschland 5 2.1. OECD-Studie „Education at a Glance“ 2012 5 2.2. Eurostudent-Report IV 2012 10 2.3. Vierter Bildungsbericht der Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012 12 2.4. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 2013 17 2.5. IW-Studie der Daten des Nationalen Bildungspanels 2013 21 3. Kurzübersicht zur Differenz der Ergebnisse 24 4. Literaturverzeichnis 26 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 4 1. Einleitung Wenn man ein offenes Bildungssystem anstrebt, in dem Chancengleichheit ermöglicht und realisiert wird, dann sollte zunächst geklärt werden, ob denn Chancenungleichheiten bestehen und wenn ja, wie diese vorrangig zu beschreiben sind und wie sich ihre Ausprägung darstellt. In dann erst folgenden Schritten können die einzelnen Selektionsprozesse innerhalb eines Bildungssystems betrachtet und ihre Ursachen erörtert werden. Zahlreiche internationale und nationale Untersuchungen vor allem der letzten Jahre haben wiederholt gezeigt, dass das deutsche Bildungssystem auch nach der beginnenden Bildungsexpansion in den siebziger Jahren, die zu einer insgesamt stärkeren Bildungsbeteiligung und Erhöhung des Bildungsniveaus der Gesamtbevölkerung geführt haben, weiterhin in hohem Maße soziale Disparitäten aufweist. Wenn die Bildungsbeteiligungsquoten der Geschlechter, der sozialen Schichten, der konfessionellen und regionalen Herkunftsgruppen in Relation zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung gesetzt werden, zeigt sich dabei, „dass [aber nunmehr] die regionale Herkunft , das Geschlecht und die Konfession als Determinanten sozialer Ungleichheit [im deutschen Bildungssystem gegenüber den letzten Jahrzehnten] an Bedeutung verloren haben, die Abstände zwischen den Schichten in den höheren Segmenten des Bildungssystems hingegen weitgehend erhalten geblieben sind“ (Grendel 2012: 13). Übereinstimmend stellt die Wissenschaft fest, dass mittlerweile der Einfluss der sozialen Herkunft prägend für die Beteiligung an höherer Bildung ist und dabei insbesondere der Einfluss der Bildungsherkunft. So zeigen eine Vielzahl von Untersuchungen , dass „die berufliche Stellung der Eltern, ebenso wie deren ökonomische Ausstattung, [Zukunftsorientierung oder Haushaltsgröße] nur einen nachgeordneten Effekt auf die Beteiligung im Bereich hochschulischer Bildung“ sowie auf positive Bildungsmobilität insgesamt ausüben, während der höchste Bildungsabschluss der Eltern (und hier insbesondere ein akademischer Hintergrund) einen signifikanten Zusammenhang erzeugt (Grendel 2012: 21). Die Bildungsherkunft ist daher in allen einschlägigen Studien der letzten Jahre als Erklärungsdeterminante der sozialen Disparitäten im Bildungssystem in den Mittelpunkt gestellt worden. Als bedeutsamer Indikator, inwiefern Chancengleichheit und Durchlässigkeit im Bildungssystem gegeben sind, bietet sich daher die intergenerationale Bildungsmobilität1 an. Mit ihr – als spezifischer Form der sozialen Mobilität – werden Positionswechsel zwischen Eltern- und Kindergeneration anhand der Bildungsherkunft erfasst. Mit Hilfe detaillierter Daten zur Bildungsherkunft können so Bildungsauf- und Bildungsabstiege bestimmt werden. Entsprechende Studienergebnisse zu den Bildungsauf- und -abstiegen – vor allem die, die den internationalen Vergleich thematisierten – wurden medial und politisch mit äußert großem Interesse wahrgenommen. Dass die Datenlage zu den Kennziffern der Bildungsmobilität in Deutschland – zu den Bildungsaufstiegen und den Bildungsabstiegen inklusive der Daten zur Bildungsherkunft und den Ausmaßen der Bildungsbenachteiligung und Bildungsprivilegierung – aber keineswegs einheitlich ist, soll im Nachfolgenden dargestellt werden. 1 Bisher ist Bildungsmobilität vor allem bedeutsam in der Mehrgenerationenperspektive. Denn bisher führen z.B. nur 5% der Weiterbildungen (2010; 2007 waren es 4%) zu staatlich anerkannten Bildungsabschlüssen oder einer Kammerprüfung (BMBF 2011: 18). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 5 2. Datenlage und Kennziffern zur Bildungsmobilität in Deutschland 2.1. OECD-Studie „Education at a Glance“ 2012 Nur jeder fünfte 20-34-Jährige ist Bildungsaufsteiger, aber mehr als jeder 5. ist Bildungsabsteiger (bei insgesamt jedoch hohem mittleren Bildungsniveau); die Chancen für junge Erwachsene mit Eltern mit niedrigem Bildungshintergrund auf Hochschulbildung liegen halb so hoch wie im OECD-Durchschnitt Bildungsaufstieg, -abstieg und -status-quo bei jungen Erwerbstätigen Die OECD weist in ihrer Studie „Education at a Glance 2012“2 für Deutschland auf eine Stagnation von aufwärtsgerichteter Bildungsmobilität im Vergleich zum gegenteiligen OECD-Trend hin. Im direkten Vergleich mit dem OECD-Durchschnitt von 37% (EU21 39%) erreichen hierzulande nur 20% der jungen Erwerbstätigen im Alter von 20-34 Jahre (non-students) einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern („upward mobility“). Während im OECD-Durchschnitt 13% (EU21 12%) einen niedrigeren Abschluss als ihre Eltern erlangen, liegt der Wert der Bildungsabsteiger für Deutschland bei 22% („downward mobility“3) (s. Abbildung 1). Abbildung 1 (OECD 2012: 109): 2 Datengrundlage für die Studie bildete das „2009 Transition“ Ad Hoc Module in Ergänzung der 2009er Arbeitskräfteerhebung der EU, die auf umfassenden Haushaltsstichproben beruht. Studierende sind erst ab dem Alter von 20 Jahren in die Erhebung mit aufgenommen. 3 Ebenfalls weniger als 25% Bildungsaufsteiger gibt es in Estland, Norwegen, der Slowakei und den USA. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 6 Dabei kann für Deutschland bei den Bildungsaufsteigern kein Unterschied in der Quote zwischen den Geschlechtern ausgemacht werden, bei den Absteigern ergibt sich auch nur eine marginale Differenz (21% bei den Frauen zu 22%insgesamt). Für den OECD-Durchschnitt sind jedoch größere Geschlechterunterschiede feststellbar, insbesondere die deutlich größere Aufwärtsmobilität von Frauen und die abwärts gerichtete von Männern: bei den Männern sind es 35% Aufsteiger, bei den Frauen 40% (besonders hoch in Island, Norwegen, Griechenland, Portugal, Spanien), für die Absteiger gilt: 15% bei den Männern und 11% bei den Frauen (s. Abbildung 2). In Ländern wie zum Beispiel Ungarn (53%), Polen (64%) oder Irland (57%), Griechenland (48%), Schweden (45%) und Frankreich (45%) haben ca. die Hälfte der 25-34-Jährigen ein höheres Bildungsniveau erzielt als ihre Eltern und sind Bildungsaufsteiger. Genau 50% der jungen Erwachsenen erreichen im OECD-Durchschnitt das gleiche Bildungsniveau wie ihre Eltern, sind also weder Auf- noch Absteiger: dabei haben 13% (erneut) ein niedriges Bildungsniveau (ISCED 0/1/2)4, 22% ein mittleres (ISCED ¾) und 15% hohes, dem Tertiärbereich entsprechendes (ISCED 5/6), erreicht - bei nur geringen Geschlechterunterschieden). In Deutschland erzielen 58% denselben Bildungsabschlusses wie ihre Eltern, allerdings zeigt sich dabei eine gänzlich andere Verteilung zugunsten des mittleren Bildungsniveaus: 6% erreichen wie ihre Eltern ein niedriges, 37% aber ein mittleres und gleichfalls 15% ein hohes Bildungslevel . Die OECD verweist auch selbst darauf, dass die Bildungsmobilität natürlich stark mit der Bildungsexpansion als solcher einher geht. In Ländern, in denen die höhere Bildung sich noch nicht so sehr verbreitet hat, ist denn auch die Aufwärtsmobilität tendenziell stärker mit einem niedrigeren Ausgangs-Bildungsabschluss-Niveau der Eltern verbunden (OEDC 2012: 108). Das gilt zum Beispiel für Länder wie die Türkei oder Portugal5. Allerdings zeigen zum Beispiel die Niederlande oder Schweden, dass auch bei hohem Bildungsausgangsniveau hohe Aufsteigerquoten realisierbar sind: 39% und 45%(bei 17% Absteigerquote bzw. 15%). In beiden Ländern erreichen aber beim Statuserhalt nur 45% in den Niederlanden bzw. 35% in Schweden der jungen Menschen das mittlere und hohe Bildungsniveau – in Deutschland sind es hingegen 52%. Die Bedeutung der dualen Ausbildung in Deutschland und ihr bildungspolitisch hoher Stellenwert, der ihr inund ausländisch zugesprochen wird, spiegelt sich in der Art des Umgang der OECD mit den erhobenen Daten nicht wieder. Dass 37% der jungen Erwerbstätigen mit dem Statuserhalt das Bildungsniveau „upper secondary or post-secondary non-tertiary level“ wie ihre Eltern erreichen6, 4 ISCED ist die Abkürzung für International Standard Classification of Education. Die UNESCO hat das System zur international vergleichbaren Klassifikation von organisierten, dauerhaften Bildungsangeboten entwickelt. Low level= ISCED 0-2: „not completed upper secondary education“, entspricht in Deutschland der Primarbildung , einem Hauptschulabschluss oder dem Besuch eines berufsvorbereitenden Jahres; mid-level= ISCED 3-4: „completed upper secondary or post-secondary non-tertiary education“, in Deutschland fallen allgemeinbildende (Abitur, Kolleg) als auch berufsbildende Bildungsgänge (duale Berufsausbildung) darunter (vgl. u.a. OECD 2013: 46); high-level= ISCED 5-6: “completed tertiary education”, meint in Deutschland den Hochschulabschluss , den Berufsakademieabschluss bzw. die Promotion. Vgl. für weitere Details auch OECD 2013: 326f. 5 Diese Länder haben zwar hohe Bildungsaufsteigerquoten mit 31% (Absteiger 3%) und 38% (Absteiger 3%), aber auch beim Statuserhalt eines gleich niedrigen Bildungsniveaus wie die Eltern hohe Werte wie 60% (bezogen auf 66% Status-Quo-Quote) bzw. 51% (bei 59% Status-Quo-Quote), was eindeutig auf ein insgesamt niedriges Bildungsniveau der Elterngeneration hinweist. 6 Und 15% das „high-level“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 7 kann durchaus als bildungspolitischer Erfolg7 und möglicher Ausdruck alternativer berechtigter Bildungsziele (unabhängig von alleiniger akademischer Bildung) sein. Eventuell ähnlich stellt sich nur die Lage in der Schweiz dar, die aber dennoch eine Aufsteigerquote von über 30% erreicht . Abbildung 2 (OECD 2012: 116): 7 Ähnliches gilt für die Länder Österreich, die Tschechische Republik, Estland, die Slowakei und die Schweiz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 8 Chancen auf Hochschulbildung bei Eltern mit niedrigem Bildungslevel In Deutschland haben nur 6% der Studierenden („participiants in higher/tertiary education“) im Alter zwischen 20-34 Jahre Eltern mit niedrigem Bildungsniveau, während ihr Anteil an der gesamten Eltern-Bevölkerung bei 15% liegt. Daraus ergibt sich ein Chancenwert von 0,42 („odds ratio“) auf Hochschulbildung bei Eltern mit geringerem Bildungshintergrund, wobei der Wert 1 bei voller Chancengerechtigkeit und Durchlässigkeit für Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsniveau gemäß ihrem Anteil an der Eltern-Bevölkerung (also = 15%-Anteil) erreicht wäre. Für Frauen stellt sich dieser Chancenwert anhand ihrer jetzigen größeren Präsenz (7% statt 5% bei den Männern) deutlich besser dar (0,52 zu 0,33 odds ratio bei den Männern). Der Chancenwert auf Hochschulbildung liegt bei den 20-25-Jährigen von Eltern mittleren Bildungsniveaus bei 0,70, bei denjenigen mit akademisch gebildeten Eltern bei 1,69 – die Chancen sind also ausschließlich bei hochschulgebildeten Eltern deutlich überrepräsentiert. Für den OECD-Durchschnitt ergibt sich ein auf die Chancenwerte bezogen ähnliches Bild: Es gibt 17% Studierende mit Eltern niedrigen Bildungslevels; bei einem Eltern-Bevölkerungsanteil von 33% ergibt sich eine odds ratio von 0,44. Diese liegt für diejenigen mit Eltern mittleren Bildungshintergrunds bei 1,03, und bei denen hohen Bildungsniveaus bei 1,908 – letztere sind also fast doppelt so stark an den Hochschulen repräsentiert wie es allein ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechen würde (s. Abbildung 3). Abbildung 3 (OECD 2012: 111, 112): 8 Länder, die hier Höchstwerte aufzeigen, sind z.B. die Türkei mit 3,23, Polen mit 2,42, Spanien mit 2,42, Italien mit 2,98. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 9 Abbildung 4 (OECD 2012: 102): In Australien, Kanada, Dänemark, Finnland, Island, Irland, den Niederlanden, Frankreich, Spanien und Schweden haben junge Erwachsene aus Familien mit niedrigem Bildungshintergrund laut OECD für die betrachtete Kohorte bisher die besten Möglichkeiten auf Hochschulbildung. Dort liegt der Anteil der jungen Erwerbstätigen mit Eltern mit niedrigem Bildungslevel, die selbst aber über eine hohes Bildungsniveau („tertiary degree“) verfügen bei 25-41% und bei nicht weniger als 30% (meist sogar 40-50%) derjenigen, die auch ein mittleres Level erreicht haben (OECD 2012: 102, 113, 114, 115). In Deutschland liegt der Anteil der jungen Erwerbstätigen mit mittlerem Bildungslevel und Eltern niedrigen Bildungsniveaus auch bei über 50%, jedoch erreichen nur 10% von ihnen auch einen Hochschulabschluss - während der OECD-Durchschnitt bei 20% liegt (s. Abbildung 5). Abbildung 5 (OECD 2012: 113, 115): Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 10 2.2. Eurostudent-Report IV 2012 Nur 2% der Studierenden kommen aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungshintergrund, mehr als 2/3 haben ein hochschulgebildetes Elternteil, rund 30% Eltern mit mittlerem Bildungshintergrund ; Deutschland beteiligt bildungsferne Schichten an Hochschulbildung im europäischen Vergleich mit am schlechtesten, aber die mit hohem Bildungshintergrund 2,6 so stark wie ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend Der Vergleichsreport Eurostudent-IV 20129 bezieht sich zur Darstellung der sozialen Herkunft der Studierenden ebenfalls „ausschließlich auf das Konzept des Bildungshintergrundes“ in Form des höchsten Bildungsabschlusses, den die Eltern/ein Elternteil der Studierenden erreicht haben (Eurostudent 2012: 10)10, und macht damit indirekt Angaben zu Bildungsauf- und abstiegen. Er konstatiert für Deutschland, dass nur 2% der Studierenden aus einer Familie mit "niedrigem Bildungshintergrund" kommen (beide Elternteile des/der Studierenden haben Bildungsabschlüsse, die das ISCED- Niveau 2 nicht übersteigen, ISCED 0-2), 69% mindestens ein Elternteil mit akademischen Abschluss haben (ISCED 5-6) sowie 29% mindestens ein Elternteil mit einem Bildungsabschluss im nicht-tertiären, mittleren Bereich (ISCED 0-4)11. Zusammen mit Kroatien, Polen, Lettland und der Slowakei (alle 1-2%) ist Deutschland nach dem Eurostudent-IV-Report damit Schlusslicht beim Anteil Studierender aus bildungsfernen Elternhäusern . Portugal, die Türkei und Malta fallen mit über 45%-Anteil Studierender mit Eltern niedrigen Bildungshintergrundes besonders auf12. In Spanien, der Tschechischen Republik, den Niederlanden oder Finnland variiert der Anteil der Studierenden mit niedrigem Bildungshintergrund zwischen 10-25%. 9 Datengrundlage sind von HIS-Hochschul-Informations-System in drei Jahren erhobene Befragungen von ca. 200.000 Studierenden in 25 europäischen Ländern von 2008-2010. 10 Begründet wird dies mit der dadurch besser gegeben internationalen Vergleichbarkeit. 11 Ausgewiesen werden 31% im Bereich ISCED 0-4, davon 2% im Bereich 0-2 12 Vgl. dazu aber auch den Hinweis in Fußnote 4. (Außerdem wäre zu prüfen, inwiefern auch eine geringere Gesamtstudierendenzahl berücksichtigt werden müsste.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 11 Beim Anteil der Studierenden mit mindestens einem Elternteil mit Hochschulabschluss werden für Deutschland sehr hohe 69% ausgewiesen. Nur in Dänemark13 ist der Anteil von Akademikerkindern an den Studierenden mit 79% noch höher. Entsprechend ist in Deutschland die Gruppe von Studierenden aus Familien mit nicht-tertiärem Abschluss mit den genanntem 31 Prozent im internationalen Vergleich relativ klein; nur in Dänemark ist ihr Anteil noch niedriger. In Norwegen, Finnland oder Schweden und bedingt in den Niederlanden ist die Verteilung jedoch ähnlich wie in Deutschland (was auch auf ein insgesamt hohes Gesamtbildungsniveau der Bevölkerung schließen lässt), mit dem einzigen Unterschied, dass dort aber die Repräsentation von Studierenden aus bildungsfernerem Elternhaus deutlich größer ist. Abbildung 6 (Eurostudent 2012: 11) Auch wenn die Ergebnisse für Deutschland bezüglich des Bildungsniveaus der Eltern der Studierenden in den Vergleich zur altersgleichen Gruppe der Gesamtbevölkerung gesetzt werden, wobei unterstellt wird, dass Eltern der Studierenden in der Regel zwischen 40 und 60 Jahre alt seien, „haben die Eltern von Studierenden in Deutschland überdurchschnittlich häufig einen hohen Bildungsabschluss“ (Eurostudent 2012: 10). „Während nur knapp ein Drittel der Eltern von Studierenden einen nicht-tertiären Bildungsabschluss besitzt, liegt dieser Anteil in der altersgleichen Gesamtbevölkerung bei fast drei Viertel.“ Der Anteil von Akademiker-Elternteilen bei den Studierenden (69%) liegt „2,6-mal so hoch“ wie der Akademiker-Anteil in der Referenz-Gesamtbevölkerung (26%: 40-60 Jahre) (Eurostudent 2012: 10f). 13 Allerdings verweist Eurostudent IV selbst in einer Fußnote darauf, dass es für Dänemark zu einer Überrepräsentation der Studierendem mit hohem Bildungshintergrund gekommen ist (vgl. Eurostudent 2012: 10, Fußnote 8). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 12 „Ein ähnliches, wenn auch weniger prononciertes Bild ergibt sich bei einer geschlechterspezifischen Analyse. Sowohl die Väter als auch die Mütter der Studierenden verfügen etwa doppelt so häufig über eine hohe Bildung (ISCED 5–6) wie die altersgleichen Referenzgruppen in der Gesamtbevölkerung . Im Hinblick auf die Personen mit nichttertiärer Bildung (ISCED 0–4) besteht insbesondere bei den Vätern der Studierenden eine deutliche Unterrepräsentation gegenüber den altersgleichen Männern in der Gesamtbevölkerung“ (Eurostudent 2012: 11). Abbildung 7 (Eurostudent 2012: 11) 2.3. Vierter Bildungsbericht der Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012 Aufstiege überwiegen mit gut 40% deutlich gegenüber den Abstiegen (12 bzw. 15%), aber die „Erblichkeit eines hohen Bildungsstatus` ist etwa gleich stark ausgeprägt wie die eines niedrigen“ (ca. 50% der Hochschulabsolventen haben ein Akademiker-Elternteil , ca. 50% derjenigen mit Hauptschulabschluss haben Eltern mit dem gleichen Bildungshintergrund) Auch der Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2012“ der Autorengruppe Bildungsberichterstattung unter Federführung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung thematisiert explizit die Bildungsmobilität in Deutschland. Dabei lässt er zusätzlich eine Unterscheidung nach West und Ost, nach deutschlandspezifisch differenzierten Bildungsabschlüssen und nach Kohorten zu. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 13 Die Analyse14 zeigt , dass die Mobilitätsquote für Deutschland West bei knapp 53% und für die neuen Bundesländer sogar bei 58% liegt. Dabei machen die Bildungsaufstiege 40,4% (im Osten 42,4%) aus und die Abstiege 12,5% bzw. 15,6% in Ostdeutschland. Die „Aufstiege überwiegen [damit deutlich] gegenüber den Abstiegen“ (s. Abbildung 8). Die höhere Abstiegsquote für Ostdeutschland kann laut Bildungsbericht vor allem mit einer höheren strukturellen Mobilität15 erklärt werden, „da sich in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung die Bildungsstrukturen veränderten“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 213). Abbildung 8 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 213) Bei den Mobilitätsquoten16 zwischen Eltern- und Kindergeneration zeigt sich vor allem, dass „erhebliche Mobilitätsbarrieren für die Kinder von Eltern bestehen, die über keinen oder maximal einen Volks- bzw. Hauptschulabschluss verfügen. Die Betroffenen erlangen überproportional häufig ebenfalls keinen oder maximal einen Hauptschulabschluss: etwas mehr als die Hälfte in Westdeutschland (51,8%) gegenüber 37,8% in Ostdeutschland“ (ebd.). Gleichfalls stammen etwa die Hälfte derjenigen mit Hochschulabschluss (Ost 45,6%; West 52,2%) aus Familien mit mindestens einem Akademiker-Elternteil. „Demnach scheint in Westdeutschland die `Erblichkeit` eines hohen Bildungsstatus etwa gleich stark ausgeprägt wie die eines niedrigen. In Ostdeutschland ist dagegen die `Vererbung ` eines niedrigen Bildungsstatus offenbar stärker gebremst worden, während sie im Bereich der Hochschulabschlüsse nur wenig geringer als in Westdeutschland ist“ (ebd.). 14 Auf Grundlage von Daten des SOEP zur Sozialstruktur und anhand von Befragungen des European-Social- Survey (ESS). 15 Strukturelle Mobilität ist der Anteil von Mobilität, der auf Strukturveränderungen zurückzuführen ist. Für Ostdeutschland liegt er bei 31%, für Westdeutschland bei 25,5 (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 213). 16 In der Abstromperspektive interessiert die Vererbung von Positionszugehörigkeiten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 214) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 14 Abbildung 9 (Web-Tabellen des Bildungsbericht, hier „Wirkungen und Erträge. Mobilitätsquoten zwischen Eltern- und Kindergeneration in Westdeutschland“): Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 15 Abbildung 10 (Web-Tabellen des Bildungsbericht, hier „Wirkungen und Erträge. Mobilitätsquoten zwischen Eltern- und Kindergeneration in Ostdeutschland) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 16 Betrachtet man die Stärke des Zusammenhangs zwischen elterlichem Bildungsniveau und dem Bildungsabschluss der Kinder nach Kohorten, unterscheidet der Bildungsbericht nur zwischen Hochschulabschluss und anderen Abschlussgruppen in der Gesamtheit. Die Quotenverhältnisse sind als Yule’s-Koeffizient17 dargestellt. Abbildung 1118 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 214) In Ländern wie Dänemark, Finnland, Großbritannien und Italien ist der Zusammenhang zwischen elterlichem Bildungsabschluss und Bildungsabschluss der Kinder geringer ausgeprägt als in Deutschland. Länder wie Spanien, Frankreich oder Ungarn haben sehr stark ausgeprägte Zusammenhänge . In fast allen Ländern ist der `Vererbungs`-Zusammenhang in der jüngeren Kohorte deutlich niedriger als in der ältesten – das gilt nur nicht für die postsozialistischen Länder Polen, Tschechische Republik und Ungarn, sondern auch für Dänemark. „Während in Deutschland die westlichen Bundesländer dem allgemeinen Trend einer stetigen Abnahme des Zusammenhangs [von elterlichem und kindlichem Bildungsabschluss] gefolgt sind, ist in den östlichen Bundesländern in der jüngsten Kohorte (1970 bis 1984) gegenüber der mittleren Kohorte (1950 bis 1969) wieder eine Verstärkung des Zusammenhangs zu beobachten“, die nun in etwa auf dem Niveau der westdeutschen Länder liegt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 213). 17 „Der Yule-Koeffizient drückt die statistische Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen aus. Demnach besteht bei + 1 ein sehr starker positiver Zusammenhang, bei – 1 ein sehr starker negativer Zusammenhang und bei 0 kein statistischer Zusammenhang zwischen zwei Variablen. Q stellt eine Standardisierung der/des Odds Ratio /Quotenverhältnisses auf den Wertebereich [– 1, + 1] dar“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: 214). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 17 Der niedrige Zusammenhang der beiden älteren ostdeutschen Kohorten liegt laut Bildungsbericht „vermutlich in den politisch gesteuerten Zugangsbedingungen zur Hochschule in der ehemaligen DDR“ (ebd.: 214). 2.4. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 2013 Zwar ist mittelfristig eine Akademisierung des Bildungshintergrundes der Studierenden klar zu beobachten – doch der Trend stagniert; jeder zweite Studierende kommt aus einem nichtakademischem Elternhaus, aber nur jeder zehnte hat eine niedrige Bildungsherkunft; zwischen Universität und Fachhochschule gibt es große Unterschiede beim Sozialprofil der Studierenden Die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks widmet sich ebenfalls und sehr ausführlich der Bildungsherkunft der Studierenden und führt mit der aktuellen Erhebung erstmals die Unterscheidung nach „sozialen Herkunftsgruppen“ nicht mehr weiter19, sondern ersetzt sie ebenfalls durch die alleinige Differenzierung „Bildungsherkunft“, für die ausschließlich Bildungsmerkmale der Eltern zu Grunde gelegt werden . Dabei führt die Sozialerhebung eine neue Typisierung ein20, wobei neben der Bildungsherkunft niedrig (kein beruflicher Abschluss der Eltern bzw. maximal ein Elternteil mit nicht-akademischer Berufsausbildung) und der Bildungsherkunft mittel (beide Elternteile mit nicht-akademischer Berufsausbildung) nun auch der akademische Hintergrund der Eltern differenzierter erfasst werden soll. Dazu wird die Bildungsherkunft als gehoben eingestuft, wenn ein Elternteil einen akademischen Abschluss hat, und als hoch, wenn beide Eltern Akademiker mit Hochschulabschluss sind. Im Sommersemester 2012 haben drei von zehn Studierenden (30 %) Eltern, die einen mittleren Schulabschluss erworben haben, weniger als ein Zehntel (9 %) kommt aus einer Familie, in der die Eltern maximal über einen Volks- oder Hauptschulabschluss verfügen, und bei 60% haben die Eltern die Hochschulreife erlangt (s. Abbildung 12). Abbildung 12 (20. Sozialerhebung, Hauptbericht: 66) 19 Aufgrund „inhaltlicher und methodischer Überlegungen“ (ebd.). 20 Für die vorangehenden Sozialerhebungen wurde „der Typ Bildungsherkunft entsprechend nachmodelliert“, um auch nachträglich jetzt eine Betrachtung im Zeitverlauf zu ermöglichen (ebd.).Außerdem werden in der Sozialerhebung auch Erst-Studierende erfasst, die nicht ausschlißlich ohne ersten Studienabschluss sein müssen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 18 Im Vergleich zu 2009 sind die Anteile der Studierenden, in deren Herkunftsfamilie mindestens ein Elternteil die Hochschulreife bzw. die mittlere Reife hat, jeweils um 1% gestiegen. Entsprechend und „in Fortsetzung eines lang anhaltenden Trends hat sich der Anteil an Studierenden, deren Eltern eine Hauptschule abschlossen, erneut reduziert, diesmal um zwei Prozentpunkte. Hinter diesen Entwicklungen stecken zweifellos auch gesamtgesellschaftliche Prozesse: So ist auch in der Gesamtbevölkerung der Anteil derer, deren höchster allgemeinbildender Abschluss der einer Hauptschule ist, seit mehr als vier Jahrzehnten deutlich rückläufig“ (Deutsches Studentenwerk ; HIS 2013: 9). 21 Die Hälfte der Studierenden (50%) hat Eltern mit einem Hochschulabschluss (36% Universität, 14% Fachhochschule). „Mit der 19. Sozialerhebung 2009 war erstmals festgestellt worden, dass im Vergleich zu den Vorjahren der Anteil an Studierenden aus einer Akademikerfamilie erstmals nicht weiter gewachsen war. Dieser Befund bestätigt sich mit Blick auf die aktuellen Werte erneut “ (ebd.). Bei mehr als einem Viertel (27 %) der Studierenden haben die Eltern eine abgeschlossene Berufsausbildung, jeder fünfte (21%) kommt aus einer Familie mit dem Abschluss Meister/Techniker/Fachschule – letzteres ist eine leicht steigende Tendenz (s. Abbildung 12). In Bezug auf die neu eingeführte Kategorie der Bildungsherkunft und ihrer Differenzierung lässt sich feststellen, dass aktuell jeder zweite Studierende aus einem nicht-akademischen Elternhaus kommt (die meisten aus der Bildungsherkunftsgruppe mittel mit 41 % und knapp jeder zehnte aus der Gruppe niedrig mit 9 %. Bei den Studierenden aus Akademikerfamilien lassen sich 28% der gehobenen Bildungsherkunft zuordnen und 22% der hohen (Doppelakademiker).22 Zwar hat sich im Vergleich zum Sommersemester 2009 hat die Zusammensetzung zwischen den Herkunftsgruppen nur marginal verschoben, allerdings kann im Verlauf der letzten 30 Jahre gezeigt und erneut (wie oben bereits) bestätigt werden, dass der zunächst über die Jahre wachsende Anteil an Studierenden aus hochschulnahem Elternhaus (1985 28%, 1991 36%, 1997 40%, 2003 46%), der auch unter dem Schlagwort „Akademisierung“ gefasst werden kann, nun „auf hohem Niveau stagniert [2006 51%, 2009 51%, 2012 50%]“ (Deutsches Studentenwerk, HIS 2013: 11). Allerdings bleibt auch festzustellen, dass anteilig immer weniger Studierende mit der Bildungsherkunft niedrig an der Hochschule sind (1997 16%, 2012: 9%) (s. Abbildung 13). Die Sozialerhebung führt für beide Entwicklungen zwei Gründe an: nach wie vor bestehende Selektionsprozesse entlang sozialer Merkmale im Bildungsverlauf, aber auch das gestiegene Bildungsniveau der Gesamtbevölkerung (ggf. auch mit gestiegenen Bildungsaspirationen) (s. dazu auch Fußnote 20). 21 So lag der Anteil derjenigen an der Bevölkerung mit Hauptschulabschluss1976 noch bei 74%, 2003 bei 44,1% und 2011 bei 36,3%. Währenddessen ist der Anteil derjenigen mit Fachhochschul- oder Hochschulreife in den genannten Jahren von 7,7% auf 21,2% und schließlich 26,6% angestiegen ist (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 11). Der Anteil derjenigen mit Hochschulabschluss stieg von 4,8%, über 10,1 % auf jetzt 12,1% (Statistisches Bundesamt 2012: 13). 22 Bei den Promotionsstudierenden kommen fast 2/3 (65%) aus einer Akademikerfamilie, mehr als die Hälfte sogar aus einer doppelt akademisch geprägten Familie (36%). Der Anteil Promotionsstudierender mit mittlerem Bildungshintergrund beträgt 28%, der mit niedrigem 7% (Deutsches Studentenwerk,; HIS 2013: 11f). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 19 Abbildung 13 (20. Sozialerhebung: 11) Interessantes ergibt sich in Bezug auf die Sozialprofile auch bei der Betrachtung der vier Studienformen (die 20. Sozialerhebung erlaubt erstmals diese Betrachtung). Danach ist der Anteil der Studierenden mittlerer Bildungsherkunft in dualen Studiengängen, beim berufsbegleitenden Studium, aber auch beim Teilzeitstudium deutlich größer als im Vollzeitstudium. Beim berufsbegleitenden Studium steigt sogar der Anteil Studierender mit niedriger Bildungsherkunft auf das doppelte (20%) an (s. Abbildung 14). Abbildung 14 (20. Sozialerhebung Hauptbericht: 93) Ein ähnlich deutliches Bild ergibt sich bei der differenzierten Betrachtung der Bildungsherkunft an Universitäten und Fachhochschulen. „Das Studienangebot an Fachhochschulen ist nach wie vor besonders attraktiv für Studieninteressierte aus hochschulfernen Schichten: Mehr als sechs von zehn Studierenden an Fachhochschulen kommen aus einem nichtakademischen Elternhaus (62 %, davon 50 % Bildungsherkunft „mittel“ und 12 % „niedrig“)“ (Deutsches Studentenwerk; HIS 2013: 11). Dagegen ist der Anteil Studierender aus Akademikerfamilien mit einem Elternteil Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 20 mit akademischer Bildung dort nur halb so groß wie an den Universitäten (13% versus 26%) (s. Abbildung 15). Abbildung 15 (20. Sozialerhebung, Hauptbericht: 95) Eine nach Studienfächern differenzierte Betrachtungsweise der Bildungsherkunft ist nicht außerordentlich augenfällig. Aber dennoch lassen sich auch hier einige Befunde ausmachen. So wird auch die „Studienfachwahl von der Bildungsherkunft beeinflusst“, wobei die „Disparitäten zwischen den „betrachteten Fächergruppen der Sozialerhebung an Universitäten stärker als an Fachhochschulen“ ausgeprägt sind (Deutsches Studentenwerk; HIS 2013: 97f). Sowohl an Fachhochschulen als auch Universitäten haben die Studierenden der Fächergruppe Sozialwissenschaften/Psychologie überdurchschnittlich oft ein nicht-akademisches Elternhaus (65% und 49%). Für die Ingenieurwissenschaften gilt (gerade an den Universitäten) gegenteiliges . Geringere Beteiligungsquoten für Studierende mit niedrigem oder mittlerem Bildungshintergrund gibt es an den Universitäten nur noch in den Fächern Medizin/Gesundheitswissenschaften (33% gegenüber dem Durchschnittswert von 45% über alle Fächergruppen hinweg)23. 23 Die Disparitäten zu den Fachhochschulen ergeben sich vor allem aus der Tatsache, dass dort „sehr verschiedene Studiengänge zusammenfasst werden“ (Deutsches Studentenwerk, HIS 2013: 98). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 21 Abbildung 16 (20. Sozialerhebung, Hauptbericht: 98) 2.5. IW-Studie der Daten des Nationalen Bildungspanels 2013 Bildungsmobilität ist von Aufstiegen geprägt: 1/3 Bildungsaufsteiger (bei Vaterbezug) der 33-45- Jährigen sogar 2/5 (bei Mutterbezug), nur 1/5 Bildungsabsteiger (bei Vaterbezug) und nur 1/11 (bei Mutterbezug); zukünftig kann weiter mit einer hohen Aufwärtsmobilität gerechnet werden Die Studie von Fischer/Geis des Institut der deutschen Wirtschaft Köln übt grundsätzliche Kritik an der bisherigen Datenerhebung zur Bildungsmobilität und der dafür notwendigen zur Bildungsherkunft . So sprächen zwar „[a]us globaler Perspektive .. empirische Befunde dafür, dass sich die Bildungsmobilität trotz des gesellschaftlichen und technischen Wandels in den letzten 50 Jahren kaum verändert hat“. Auch wiesen egalitärere Gesellschaften, wie in Skandinavien, nach wie vor eine deutlich höhere Mobilität auf als Länder mit einer ungleicheren Einkommensverteilung, wie zum Beispiel in Lateinamerika. Dennoch seien konkrete Befunde zur nationalen Bildungsmobilität bisher insofern ungenau, als zumeist Daten über Befragungen herangezogen würden, wo „das Bildungsniveau der Eltern in der Regel nur erhoben wurde, wenn die Kinder noch im elterlichen Haushalt lebten.“ Damit lasse sich zwar der Zusammenhang zwischen dem Bildungsweg der Kinder und dem Bildungshintergrund der Eltern untersuchen, verlässliche Aussagen zur Bildungsmobilität seien jedoch schwierig (IW 2013: 2). Um diese Aussagen treffen zu können, müsse das endgültig erreichte Bildungsniveau der Kinder berücksichtigt werden, was eher gewährleistet sei, wenn die Gruppe der 35-44-Jährigen betrach- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 22 tet werde, da es „im Falle eines tertiären Bildungsabschlusses die Regel sei, dass der Bildungsweg bis in die zweite Hälfte der dritten Lebensdekade reicht, in manchen Fällen sogar bis über das 30. Lebensjahr hinaus“ – gerade bei späterer Studienaufnahme nach einem Berufsabschluss oder dem Nichterreichen und Abbruch eines angestrebten Abschlusses (IW 2013: 3). Die Studie arbeitet in der Darstellung der Bildungsherkunft sowie der Bildungsmobilität mit den Daten der Erwachsenenbefragung des Nationalen Bildungspanels (NEPS)24 und bezieht sich dabei explizit auf die Generation der 35-44-Jährigen und erlaubt zusätzlich den Vergleich zwischen den Bildungsabschlüssen der Eltern und schaut nicht nur – wie vor allem die OECD – nur auf den höchsten Bildungsabschluss unter den Eltern, was insgesamt dazu führe, „dass die Anzahl der Bildungsabsteiger stark überschätzt werden“ (vgl. IW 2012: 6). Danach weisen die Daten für die Bildungsherkunft (nach vier Bildungsniveaus gegliedert, s. Tabelle ) aus, dass zwar bei einem Vater oder bei einer Mutter (noch mehr) mit Hochschulabschluss zu gut 50% von dem 35-44-Jährigen ebenfalls ein Hochschulabschluss erworben wird. Allerdings zeigen sie auch, dass bei der Altersgruppe gut sechs von zehn, deren Vater über keinen berufsqualifizierenden Abschluss verfügt, einen solchen erreichten, 7% machten `sogar` einen Hochschulabschluss – nur knapp 39% verbleiben auf dem gleichen niedrigen Bildungsniveau des Vaters . Für den mütterlichen Bildungsabschluss in diesem Fall als Referenz ergibt sich sogar, dass mehr als 2/3 der 35-44-Jährigen einen höheren Bildungsabschluss erwarben (s. Abbildung 17). Abbildung 17 (IW 2013: 5) 24 Mit dem NEPS wurde in den letzten Jahren ein neues Erhebungsinstrument geschaffen, das Bildungsprozesse von Neugeborenen, Kindergartenkindern, Fünft- und Neuntklässlern, Studierenden und Erwachsenen untersucht . In der Erwachsenenbefragung wurden zwischen 2009 und 2010 mit rund 12.000 Personen zu ihrer Bildungs - und Erwerbslaufbahn befragt; dabei wurden ebenfalls die Bildungsabschlüsse beider Elternteile erfragt (vgl. IW 2013: 3). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 23 Für die Bildungsmobilität wird entsprechend festgestellt, dass der Bildungsabschluss von knapp einem Drittel (31,2%) der 35-44 Jährigen in Deutschland höher als der Abschluss ihres Vaters ist. Nur etwa knapp ein Fünftel (19,6%) hat einen niedrigeren Bildungsabschluss. Bei den Frauen gibt es knapp weniger Aufsteiger (30,3%), aber deutlich mehr Absteiger als bei den Männern (21,9% versus 17%). Wird der Bildungsabschluss der Mutter als Maßstab zur Bestimmung der Mobilität genommen, dann steigen sogar zwei von fünf Personen in der Altersgruppe der 35-44-Jährigen auf, nur jeder Elfte (8,9%) ist dann Bildungsabsteiger. Die Geschlechterunterscheide beim Mutterbezug sind ähnlich dem beim Vaterbezug: leicht weniger weibliche Bildungsaufsteiger und deutlich mehr weibliche Absteiger (s. Abbildung 18). „Da sich der Aufholprozess von Frauen im Bildungssystem auch in den letzten Jahren fortgesetzt hat, darf davon ausgegangen werden, dass die Unterscheide in den Mobilitätskennziffern mittelfristig ganz verschwinden“ (IW 2012:5). Abbildung 18 (IW 2013: 4) Betrachtet man gar die Gruppe der 45-54-Jährigen fällt die Bildungsaufsteigerquote beim Vaterbezug noch geringfügig deutlicher aus: 33,9% Bildungsaufsteiger, 19,7% Bildungsabsteiger. Beim Bildungsabschluss der Mutter als Referenz zur Bestimmung der Bildungsmobilität sind gar mehr als die Hälfte (52,8%) als Aufsteiger und nur 6,5% als Absteiger zu zählen (s. Abbildung 17). Prognostisch geht die IW-Studie davon aus, dass „obwohl die Bildungsexpansion der vergangenen Jahrzehnte Bildungsaufstiege heutiger und zukünftiger Nachfolgegenerationen zunehmend schwieriger macht, auch in Zukunft noch mit einer hohen Aufwärtsmobilität gerechnet werden“ dürfe (IW 2013: 6). Festgemacht wird das vor allem daran, dass der Anteil der Gymnasiasten un- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 24 ter den 17-Jährigen, deren Vater über keinen beruflichen Abschluss verfügt, zwischen 2000 und 2009 von 17% auf 22% gestiegen ist (vgl. ebd.: 1, 8, 10f). 3. Kurzübersicht zur Differenz der Ergebnisse 1. OECD-Studie „Education at a Glance“ 2012: Nur jeder fünfte 20-34-Jährige ist Bildungsaufsteiger, aber mehr als jeder 5. ist Bildungsabsteiger (bei insgesamt jedoch hohem mittleren Bildungsniveau); die Chancen für junge Erwachsene mit Eltern mit niedrigem Bildungshintergrund auf Hochschulbildung liegen halb so hoch wie im OECD-Durchschnitt 2. Eurostudent-Report IV 2012: Nur 2% der Studierenden kommen aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungshintergrund, mehr als 2/3 haben ein hochschulgebildetes Elternteil, rund 30% Eltern mit mittlerem Bildungshintergrund ; Deutschland beteiligt bildungsferne Schichten an Hochschulbildung im europäischen Vergleich mit am schlechtesten, aber die mit hohem Bildungshintergrund 2,6 so stark wie ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend 3. Vierter Bildungsbericht der Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012: Aufstiege überwiegen mit gut 40% deutlich gegenüber den Abstiegen (12 bzw. 15%), aber die „Erblichkeit eines hohen Bildungsstatus ist etwa gleich stark ausgeprägt wie die eines niedrigen“ (ca. 50% der Hochschulabsolventen haben ein Akademiker-Elternteil, ca. 50% derjenigen mit Hauptschulabschluss haben Eltern mit dem gleichen Bildungshintergrund) 4. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 2013: Zwar ist mittelfristig eine Akademisierung des Bildungshintergrundes der Studierenden klar zu beobachten – doch der Trend steigt nicht weiter an; jeder zweite Studierende kommt aus einem nicht-akademischem Elternhaus, aber nur jeder zehnte hat eine niedrige Bildungsherkunft; zwischen Universität und Fachhochschule gibt es große Unterschiede beim Sozialprofil der Studierenden 5. IW-Studie der Daten des Nationalen Bildungspanels 2013: Bildungsmobilität ist von Aufstiegen geprägt: 1/3 Bildungsaufsteiger (bei Vaterbezug) der 35-44- Jährigen sogar 2/5 (bei Mutterbezug), nur 1/5 Bildungsabsteiger (bei Vaterbezug) bzw. nur 1/11 (bei Mutterbezug); zukünftig kann weiter mit einer hohen Aufwärtsmobilität gerechnet werden Zusammenfassung Allen Studien ist gemein, dass sie eine stark überproportionale und stabile Repräsentation von Akademikerkindern an deutschen Hochschulen feststellen (allerdings variierend zwischen 50%, 58% und 69%). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 25 Inwiefern auch hohe (wenn auch nicht dem Bevölkerungsanteil entsprechende) Anteile von Studierenden mittleren oder auch gänzlich nicht-tertiären Bildungshintergrunds ausgemacht werden , ist nicht konsistent (29%, 3%, 30%, 36%, 41%), ebenso wenig wie die daraus resultierende Einschätzung der entsprechenden Benachteiligung in der Bildungsbeteiligung und/oder den geringeren Chancen auf Hochschulbildung in Deutschland. Übereinstimmend wird jedoch auf den besonders geringen (bzw. auch geringer werdenden) Anteil Studierender mit niedriger Bildungsherkunft hingewiesen (2%, 6%, 9%). Die auf den internationalen Vergleich ausgelegten Studien stellen für Deutschland im Großen und Ganzen eine Stagnation von Bildungsaufstiegen im Gegensatz zum allgemeinen OECD- bzw. vielfachen europäischen Trend fest. So wird Deutschland als Mit-Schlusslicht bei der Beteiligung bildungsferner Herkunftsschichten an der Hochschulbildung bezeichnet oder beim Länder- Ranking in der Aufwärtsmobilität auf die hinteren Plätze verwiesen (1/5 Bildungsaufsteiger im Verhältnis zu gut 1/5 Absteiger). Nur bedingt wird dabei das insgesamt hohe Bildungsniveau und der hohe Statuserhalt bei mittlerer Bildungsherkunft gewürdigt. Den deutschen Studien ist gemein, dass sie hingegen klar eine positive Bildungsmobilität (vor allem auch zum nächst höheren Bildungsniveau) konstatieren (31%/43%, 40% Aufsteiger) bei geringerer Abstiegsmobilität (9-20%, 12-15%). Grundsätzlich und auch innerhalb der Mobilität wird jedoch auch ein ausgeprägter Zusammenhang von elterlichen und kindlichem Bildungsabschlussniveau festgestellt; die größten Aufstiegsmobilitätsbarrieren werden eindeutig für Kinder niedriger Bildungsherkunft ausgemacht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 60/13 Seite 26 4. Literaturverzeichnis Autorengruppe Bildungsberichterstattung: DIPF; DJI; HIS, SOFI; DESTATIS; StLÄ (2012). Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Vierter Bildungsbericht der Autorengruppe Bildungsberichterstattung (hrsg. von wbv; BMBF; KMK). Bielefeld. http://www.bildungsbericht.de/zeigen.html?seite=10221 [Stand 17.2.2014). BMBF (2011). Weiterbildungsverhalten in Deutschland. AES 2010 Trendbericht. Bonn. Deutsches Studentenwerk, HIS-Institut (Hrsg.); Middendorff, Elke; Apolinarski, Beate; Poskowsky, Jonas; Kandulla, Maren; Netz, Nicolai (2013). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Auszug - Zusammenfassung (gefördert durch das BMBF). Bonn, Berlin. Deutsches Studentenwerk, HIS-Institut (Hrsg.); Middendorff, Elke; Apolinarski, Beate; Poskowsky, Jonas; Kandulla, Maren; Netz, Nicolai (2013). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Hauptbericht (gefördert durch das BMBF). Bonn, Berlin. Eurostudent, HIS-Institut (Hrsg.); Gwosc, Christoph; Netz, Nicolai; Orr, Dominic; Middendorff; Isserstedt, Wolfgang (2012). Soziale und wirtschaftliche Bedingungen des Studiums. Deutschland im europäischen Vergleich. Eurostudent IV 2008-2011 (gefördert durch das BMBF, eurostudent .eu; wbv). Bielefeld. Grendel, Tanja (2012). Bezugsgruppenwechsel und Bildungsaufstieg. Zur Veränderung herkunftsspezifischer Bildungswerte. Wiesbaden. IW Köln (Hrsg.); Fischer, Mira; Geis, Wido (2013). Bestimmungsgrößen der Bildungsmobilität in Deutschland. IW-Trends Nr. 1 1-15. OECD (2012). Education at a Glance 2012. 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