© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 057/19 Rechtsfragen zur Sanierung von Kali-Abraumhalden Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 2 Rechtsfragen zur Sanierung von Kali-Abraumhalden Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 057/19 Abschluss der Arbeit: 22.05.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsgrundlagen 4 2.1. Sanierungsanordnung nach § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG 4 2.2. Sanierungsplanung nach § 13 f. BBodSchG 6 3. Rechtsnachfolgerhaftung und Vertrauensschutz 7 4. Verjährung, Verwirkung und Legalisierungswirkung 8 5. Kostentragung 9 5.1. Grundsatz 9 5.2. Freistellung von DDR-Altlasten 10 6. Sanierung von Kalihalden durch Verbandsklagen 11 7. Strafbarkeit der Betreiber sanierungsbedürftiger Abraumhalden nach § 324 StGB 12 7.1. Grundwasser als Tatobjekt 12 7.2. Taterfolg 12 7.3. Strafbarkeit von Betreibern sanierungsbedürftiger Kalihalden 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 4 1. Einleitung Stillgelegte Halden von Rückständen aus dem Kalibergbau existieren vielerorts in Deutschland. Der Lösungsaustrag aus dem Haldenkörper wirft umweltrechtliche Fragestellungen auf, u.a. hinsichtlich einer nachteiligen Veränderung des Grundwassers. Dieser Sachstand beleuchtet einzelne Rechtsfragen zur Sanierung von Kali-Abraumhalden (im Folgenden „Kalihalden“) und zur Inanspruchnahme von aus der Bergaufsicht entlassenen Betrieben bzw. deren Rechtsnachfolgern.1 2. Rechtsgrundlagen 2.1. Sanierungsanordnung nach § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG Die Rechtsgrundlage für Anordnungen zur Sanierung von aus der Bergaufsicht entlassenen Kalihalden ergibt sich unmittelbar aus dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG).2 Einschlägig ist § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG als bodenschutzrechtliche Generalklausel: (1) Zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 und den auf Grund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen. Voraussetzung für den Erlass eines zur Sanierung verpflichtenden Verwaltungsaktes ist die Verletzung einer Bodenschutzpflicht nach § 4 BBodSchG. Vorliegend richtet sich das weitere Vorgehen nach § 4 Abs. 3 BBodSchG: (3) Der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger , der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierzu kommen bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Soweit dies nicht möglich oder unzumutbar ist, sind sonstige Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen durchzuführen. (…) 1 Aus dem Bergrecht resultierende Befugnisse für Auflagen und Anordnungen gegenüber den verantwortlichen Betrieben von noch aktiven bergbaulichen Standorten bleiben unberücksichtigt. 2 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG) vom 17.03.1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.09.2017 (BGBl. I S. 3465). http://www.gesetze-im-internet.de/bbodschg/BJNR050210998.html (letzter Zugriff: 22.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 5 Kalihalden stellen eine Altlast im Sinne einer Altablagerung dar (§ 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG). Die mit dem Abbau von Rohsalzen anfallenden, nicht weiter verwertbaren Reststoffe sind Abfälle , deren sich die Betreiber des Bergwerkes durch Ablagerung auf der Halde entledigt haben.3 Verliert der Boden infolge der Durchsalzung seine Pufferfunktion zum Schutz des Grundwassers, wird eine schädliche Bodenveränderung hervorgerufen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c, Abs. 3 BBodSchG).4 Tritt eine Versalzung des Grundwassers ein, können von der Halde in besonderem Maße Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, denn insbesondere das Grundwasser ist als eine natürliche Lebensgrundlage gegen Verschmutzungen zu schützen.5 Bei der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen hat die Behörde das Bestimmtheitsgebot zu beachten . Sanierungsmaßnahmen sind dann hinreichend bestimmt, wenn zum einen die zu beseitigende Verunreinigung genau bezeichnet und das Sanierungsziel eindeutig festgelegt ist. Zum anderen darf die Verwaltungsbehörde hinsichtlich der einzusetzenden Mittel nicht mehr offen lassen , als nach ihren Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung offen bleiben muss. Soweit Festlegungen durch die Behörde möglich sind, müssen diese erfolgen.6 Des Weiteren hat sich die Behörde beim Erlass eines Sanierungsbescheides am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten. Danach sind nur solche behördlichen Anordnungen zulässig, die geeignet sind, zur Erfüllung der mit der Maßnahme ins Auge gefassten bodenschutzrechtlichen Pflichten beizutragen. Zudem muss die Anordnung erforderlich sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn das Ziel der Anordnung durch gleich geeignete, den Bescheidadressaten aber geringer belastende, beispielsweise kostengünstigere Maßnahmen erreichbar wäre. Schließlich müssen die Belastungen, die von der Anordnung ausgehen, angesichts des Nutzens, der durch die Maßnahme erreicht werden soll, zumutbar erscheinen.7 Bei der Auswahl des Sanierungsverantwortlichen nach § 4 Abs. 3 BBodSchG hat die Behörde ihr Ermessen korrekt auszuüben. Die im Rahmen der Sanierung von Kalihalden auftretenden Besonderheiten werden nachfolgend unter „Rechtsnachfolgerhaftung und Vertrauensschutz“ (Seite 7) erörtert. 3 So BVerwG, Urteil vom 16.03.2006, 7 C 3/05, zitiert nach juris, Rn. 13. 4 Ebenda. 5 So VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2008, 10 S 1388/06, zitiert nach juris, Rn. 26. 6 So OVG Bremen, Urteil vom 29.08.2000, 1 A 398/99, zitiert nach juris, Rn. 50. 7 BeckOK UmweltR/Dietlein, 50. Ed. 1.4.2019, BBodSchG § 10 Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 6 2.2. Sanierungsplanung nach § 13 f. BBodSchG Für komplexe Sanierungsfälle ergänzt § 13 BBodSchG die behördlichen Befugnisse: § 13 Sanierungsuntersuchungen und Sanierungsplanung (1) Bei Altlasten, bei denen wegen der Verschiedenartigkeit der nach § 4 erforderlichen Maßnahmen ein abgestimmtes Vorgehen notwendig ist oder von denen auf Grund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, soll die zuständige Behörde von einem nach § 4 Abs. 3, 5 oder 6 zur Sanierung Verpflichteten die notwendigen Untersuchungen zur Entscheidung über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen (Sanierungsuntersuchungen) sowie die Vorlage eines Sanierungsplans verlangen, der insbesondere 1. eine Zusammenfassung der Gefährdungsabschätzung und der Sanierungsuntersuchungen , 2. Angaben über die bisherige und künftige Nutzung der zu sanierenden Grundstücke, 3. die Darstellung des Sanierungsziels und die hierzu erforderlichen Dekontaminations-, Sicherungs-, Schutz-, Beschränkungs- und Eigenkontrollmaßnahmen sowie die zeitliche Durchführung dieser Maßnahmen enthält. (…) (2) Die zuständige Behörde kann verlangen, dass die Sanierungsuntersuchungen sowie der Sanierungsplan von einem Sachverständigen nach § 18 erstellt werden. (…) Nach dem Vorliegen eines Sanierungsplans stehen der Behörde die folgenden Handlungsoptionen zur Verfügung: Abschluss eines Sanierungsvertrages (§ 13 Abs. 4 BBodSchG), Verbindlichkeitserklärung des Sanierungsplans (§ 13 Abs. 6 BBodSchG), ergänzende Anordnungen zur Altlastensanierung (§ 16 BBodSchG). In der Praxis kommt dem Sanierungsvertrag besondere Bedeutung zu.8 § 14 BBodSchG eröffnet der Behörde die Möglichkeit, unter den dort genannten Voraussetzungen (z.B. nicht fristgerechte oder fachlich unzureichende Planerstellung) selbst einen Sanierungsplan zu erstellen oder von einem Sachverständigen erstellen zu lassen. Hier normiert das BBodSchG eine Art Ersatzvornahme der Sanierungsplanung.9 8 Frenz, Walter; Heßler, Pascal (2001). Altlastensanierung und öffentlich-rechtlicher Sanierungsvertrag. NVwZ 2001, 13 ff. 9 Schlacke, Sabine (2018). Umweltrecht. 7. Auflage. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. S. 404. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 7 3. Rechtsnachfolgerhaftung und Vertrauensschutz Die teilweise beträchtlichen Zeiträume, die zwischen einer Ablagerung und der ins Auge gefassten Gefahrenabwehr vergangen sind, werfen häufig das Problem auf, wie sich der Wegfall des ursprünglichen Verursachers bzw. ein Wechsel in der Verantwortlichkeit durch Unternehmensveräußerung oder Unternehmensverschmelzung auf die Frage der Inanspruchnahme auswirkt.10 § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG beantwortet dies durch die Normierung einer Rechtsnachfolgerhaftung. Im Falle eines behördlichen Vorgehens gegen den Gesamtrechtsnachfolger stellt sich zusätzlich die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers für Altlasten zurückreicht und ob diese auch dann in Betracht kommt, wenn die Rechtsnachfolge vor dem Inkrafttreten des BBodSchG (01.03.1999) stattfand. Eine Anwendbarkeit des BBodSchG auf Gesamtrechtsnachfolgen, die vor diesem Stichtag eingetreten sind, könnte eine echte Rückwirkung darstellen und dem verfassungsrechtlichen Vertrauensgrundsatz zuwiderlaufen. Literatur und Rechtsprechung bieten diesbezüglich kein einheitliches Bild. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem Urteil betreffend die Sanierung der Kalihalde in Buggingen klargestellt, dass eine Haftung der K + S AG als Gesamtrechtsnachfolgerin keine verfassungswidrige Rückwirkung darstellt. Der Betrieb des Bergwerkes in Buggingen wurde im April 1973 eingestellt und das Bergwerk im Juli 1988 aus der Bergaufsicht entlassen. Die Gesamtrechtsnachfolge trat im Jahr 1972 ein.11 Dem Bundesgerichtshof (BGH) zufolge ist § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG verfassungskonform dahingehend zu reduzieren, dass nicht jegliche Rechtsnachfolge erfasst ist. Jedenfalls bei einer Rechtsnachfolge bis 1926, möglicherweise bis in die 1960er Jahre, greife § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG nicht ein. In dem konkreten Rechtsstreit durfte die Beklagte nach Auffassung des BGH im Zeitpunkt der Verschmelzung im Jahr 1926 darauf vertrauen, nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin der Badischen Zuckerfabrication in deren Haftung als Verhaltensstörer für die Verursachung der Bodenverunreinigungen einzutreten.12 In der Literatur wird hierin teilweise ein Dissens zwischen zwei obersten Bundesgerichten gesehen , der vom Gemeinsamen Senat oder vom Bundesverfassungsgericht aufgelöst und abschließend geklärt werden müsse.13 Nach anderer Literaturansicht stelle die neueste Rechtsprechung des BGH zur Rückwirkung des § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG keine wesentliche Änderung der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG dar, sondern führe diese nur fort.14 10 Dombert, Matthias (2018). In: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Kommentar, § 4 BBodSchG, Rn. 34. 11 BVerwG, Urteil vom 16.03.2006, 7 C 3/05, zitiert nach juris, Rn. 2 f., 18 ff. 12 BGH, Urteil vom 29.09.2016, I ZR 11/15, zitiert nach juris, Rn. 13 ff. 13 Schmitt, Thomas; Leitzke, Claus; Schmitt, Franziska (2018). Die aktuelle Rechtsprechung zu § 24 II BBodSchG: Alle (Un-)Klarheiten beseitigt? NVwZ 2018, 949, 954. 14 Nusser, Jens; Fehse, Marthe-Louise (2018). Die Auswirkungen der Rückwirkungsrechtsprechung des BGH zum BBodSchG auf bestehende Sanierungsanordnungen und -verträge. ZUR 2018, 393, 398. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 8 4. Verjährung, Verwirkung und Legalisierungswirkung Die Verpflichtung des Verantwortlichen nach dem BBodSchG unterliegt keiner Verjährung. Dies gilt auch dann, wenn ein Rechtsnachfolger in Anspruch genommen wird.15 Eine Sanierungsanordnung nach § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG kann daher grundsätzlich auch noch Jahrzehnte nach der Verursachung der Kontamination verfügt werden.16 Diese ständige Rechtsprechung vertrat auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Rechtsstreit um die Sanierung der Kalihalde in Buggingen.17 Auch eine Verwirkung der behördlichen Befugnis zum Erlass einer Sanierungsanordnung nach § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG kommt nach der Rechtsprechung aufgrund der Unverwirkbarkeit ordnungsrechtlicher Befugnisse zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht.18 Damit ist es insbesondere nicht von Belang, dass die Sanierungsverantwortlichkeit durch die zuständige Behörde über längere Zeit nicht geltend gemacht wurde bzw. die Behörde einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen hat, den Sanierungsverantwortlichen auch zukünftig nicht in Anspruch nehmen zu wollen.19 Im konkreten Fall der Sanierung der Kalihalde in Buggingen formulierte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg diesbezüglich Folgendes: „Zunächst geht der Senat davon aus, dass polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr nicht verwirkt werden können. Diesen Befugnissen kommt im öffentlichen Interesse ein überragendes Gewicht zu, das deren Verwirkung nicht zulässt. Polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse, die die zuständigen Behörden unter den verschiedensten sachlichen Aspekten ermächtigten, gegen bestehende Störungen vorzugehen, stellen kein subjektives Recht dar, dessen Bestand oder Ausübung durch Nicht- oder Fehlgebrauch in Frage gestellt und daher in letzter Konsequenz verwirkt werden könnten. Sie knüpfen vielmehr an das Vorhandensein einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. einer Gefahr an und sind den zuständigen Behörden im öffentlichen Interesse an der Gewährleistung rechtmäßiger Zustände zur pflichtgemäßen Erledigung auferlegt. Dieses öffentliche Interesse und diese zur pflichtgemäßen Erledigung übertragene Aufgabe werden nicht dadurch geschmälert oder gar obsolet, dass zu deren Durchsetzung von der Behörde über längere Zeit hinweg nichts bzw. wenig unternommen worden ist (…).“20 15 Schlacke, Sabine (2018). Umweltrecht. 7. Auflage. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. S. 407. 16 BeckOK UmweltR/Dietlein, 50. Ed. 1.4.2019, BBodSchG § 10 Rn. 12. 17 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2008, 10 S 1388/06, zitiert nach juris, Rn. 48. 18 BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008, 7 B 12/08, zitiert nach juris, Rn. 7. 19 BeckOK: Ebenda. 20 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2008, 10 S 1388/06, zitiert nach juris, Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 9 Die Rechtsfrage der sog. Legalisierungswirkung bergrechtlicher Zulassungen gegenüber späteren Altlasten ist am jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Im Falle der Kalihalde in Buggingen ließ der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg es offen, ob bergrechtliche Betriebspläne eine Legalisierungswirkung mit der Folge einer Haftungsfreistellung entfalten können. Die besseren Argumente sprächen nach Auffassung des Gerichts dagegen, weil der bergrechtlichen Betriebszulassung lediglich eine Präventivkontrolle zukomme. Im konkreten Fall sei ein Legalisierungstatbestand jedenfalls nicht feststellbar. In dem Abschlussbetriebsplan sei weder eine Regelung zur Problematik eines Eintrags von Salzen in das Grundwasser enthalten, noch seien diesbezüglich Vorkehrungen für notwendig erachtet worden.21 Bergbehördliche Anforderungen, die vor der Entlassung aus der Bergaufsicht gestellt wurden, können sich jedenfalls nicht auf eine Gefahrenlage beziehen, die erst später als solche erkannt wird.22 5. Kostentragung 5.1. Grundsatz Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG tragen die zur Durchführung Verpflichteten die Kosten der nach § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1, §§ 12, 13, 14 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 BBodSchG angeordneten Maßnahmen. Im Falle einer Anordnung zur Sanierung einer Kalihalde auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG ist somit i.d.R. der die Altlast verursachende Betreiber des Kalibergwerks bzw. dessen Rechtsnachfolger kostenpflichtig. So werden beispielsweise die Kosten der Sanierung der Kalihalde in Buggingen nach Aussage des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg von der K+S Aktiengesellschaft getragen.23 Für die nicht in § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG genannten Maßnahmen besteht eine behördliche Kostentragungspflicht als Konsequenz des Amtsermittlungsprinzips.24 Bei behördlichen Eil- oder Sofortmaßnahmen, bei Vollzugsmaßnahmen sowie bei der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung behördlicher Anordnungen ergibt sich der behördliche Kostenerstattungsanspruch aus dem jeweiligen Landesvollstreckungsgesetz.25 21 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2008, 10 S 1388/06, zitiert nach juris, Rn. 33, 38. 22 Müggenborg, Hans-Jürgen (2012). Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht. NVwZ 2012, 659, 664. Zur Legalisierungswirkung von Genehmigungen siehe auch Frenz, Walter (2012). Die Wiedernutzbarmachung von Kalihalden durch Abfälle. AbfallR 2/2012, 72, 84 ff. 23 Landtag von Baden-Württemberg (2019). Grundwasserbelastung durch unsanierte Abraumhalde in Buggingen. DruckS. 16/5799. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen /5000/16_5799_D.pdf (letzter Zugriff: 22.05.2019). 24 Dombert, Matthias (2018). In: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Kommentar, § 24 BBodSchG, Rn. 4. 25 Schlacke, Sabine (2018). Umweltrecht. 7. Auflage. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. S. 406. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 10 5.2. Freistellung von DDR-Altlasten Anders gestaltet sich die Rechtslage im Falle der Freistellung eines Unternehmens von der Kostenlast für die Sanierung von Altanlagen nach Art. I § 4 Abs. 3 Umweltrahmengesetz26 - einer in den neuen Bundesländern in Teilen fortgeltenden Rechtsvorschrift der ehemaligen DDR: (3) Eigentümer, Besitzer oder Erwerber von Anlagen und Grundstücken, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, sind für die durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1. Juli 1990 verursachten Schäden nicht verantwortlich, soweit die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde sie von der Verantwortung freistellt. (…) Mit der Freistellung, die bis zum Jahr 1992 beantragt werden konnte, sollte in den neuen Bundesländern eine rechtliche Möglichkeit bereitgestellt werden, die Privatisierung der bisher staatlichen Anlagen und Grundstücke zu erleichtern und Investitionshindernisse aufgrund ungewisser zukünftiger Sanierungsanforderungen zu beseitigen.27 Eine solche Freistellung erfolgte beispielsweise auf der Grundlage des Freistellungsvertrages vom 21.10.1999 zwischen der Kali und Salz GmbH, dem Freistaat Thüringen und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben.28 Rechtsnachfolgerin der Kali und Salz GmbH ist die K + S KALI GmbH, ein Unternehmen der K+S Gruppe.29 26 Umweltrahmengesetz (URaG) vom 29.06.1990 (GBl. DDR 1990 I S. 649), geändert durch Gesetz vom 22.03.1991 (BGBl. I S. 766, 1928). http://www.gesetze-im-internet.de/urag/DDNR006499990.html (letzter Zugriff: 22.05.2019). 27 Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (2019). Altlastenfreistellung. https://www.thueringen.de/th8/tmuen/umwelt/bodenschutz_altlasten/altlasten/altlastenfreistellung/ (letzter Zugriff: 22.05.2019). 28 Verwaltungsgericht Meiningen (2015). Presseerklärung: Mündliche Verhandlung in der Sache K + S Kali GmbH gegen den Freistaat Thüringen (5 K 204/13 Me). http://www.vgme.thueringen .de/webthfj/webthfj.nsf/6B01F6C7B6ED950BC1257DE10045F061/$File/Pressemitteilung-K+S-GmbH.pdf?Open Element (letzter Zugriff: 22.05.2019). 29 K+S KALI GmbH (2019). Impressum. http://www.kali-gmbh.com/dede/impressum.html (letzter Zugriff: 22.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 11 6. Sanierung von Kalihalden durch Verbandsklagen Vereinigungen sind nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG)30 zur Einlegung von Rechtsbehelfen ermächtigt, wenn die Voraussetzungen des UmwRG erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen zählt unter anderem die ideelle und nicht nur vorübergehende Förderung der Ziele des Umweltschutzes nach der Satzung der jeweiligen Vereinigung. Dies muss über einen Mindestzeitraum von 3 Jahren erfolgt sein. Zudem müssen gemeinnützige Zwecke verfolgt werden und grundsätzlich jeder Person eine Mitgliedschaft offenstehen, soweit sie die Ziele der Vereinigung unterstützt. Eine Vereinigung kann Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)31 gegen das Unterlassen einer Maßnahme nur bei der Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a - 6 UmwRG). Nach § 11 Abs. 2 Umweltschadengesetz (USchadG)32 ist § 2 UmwRG auch auf Rechtsbehelfe von Vereinigungen gegen eine Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung der zuständigen Behörde nach dem USchadG anwendbar. Weil sich die Ermächtigungsgrundlage für die Sanierungsanordnung aus § 7 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 USchadG ergibt, kann eine Verbandsklage gegen das Unterlassen der Anordnung zulässig sein.33 Der einschlägige Rechtsbehelf nach der VwGO ist die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, da ein Verwaltungsakt in Form einer Sanierungsanordnung angestrebt wird. Fälle, in denen durch die Klage einer Vereinigung die Betreiber einer Abraumhalde zur Sanierung verpflichtet wurden, sind nicht ersichtlich. Allerdings wurde durch die Anzeige des Bundes 30 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.08.2017 (BGBl. I S. 3290), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften vom 17.12.2018 (BGBl. I S. 2549), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/umwrg/__3.html (letzter Abruf: 16.05.2019). 31 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.03.1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.07.2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/ (letzter Abruf: 16.05.2019). 32 Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz) vom 10.05.2007 (BGBl. I S. 666), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie vom 04.08.2016 (BGBl. I S. 1972), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/uschadg/ (letzter Abruf: 16.05.2019). 33 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Aktenzeichen WD 7 - 3000 - 012/19, Dokumentation , Verbandsklagerechte im geltenden Bundesrecht, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/632972/2e97464681adb27e2f3b56200fa21fff/WD-7-012-19-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 16.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 12 für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) eine zuständige Behörde in Baden Württemberg tätig und forderte von dem Bertreiber einen Sanierungsplan.34 Diese Anordnung wurde in einem langjährigen Rechtsstreit durch die Gerichte bestätigt.35 7. Strafbarkeit der Betreiber sanierungsbedürftiger Abraumhalden nach § 324 StGB Nach § 324 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert. Die fahrlässige Tatbegehung ist nach § 324 Abs. 3 StGB auch strafbar. 7.1. Grundwasser als Tatobjekt Die Sanktionierung soll die Verschlechterung des status quo verhindern, sodass nur das individuelle Gewässer in der aktuellen Beschaffenheit als Tatobjekt in Frage kommt. War das Gewässer bereits nachteilig verändert, kann es also trotzdem ein taugliches Tatobjekt darstellen. Nach der Legaldefinition des § 330d Abs. 1 Nr. 1 StGB gelten neben oberirdischen Gewässern und dem Meer auch das Grundwasser als „Gewässer“ im Sinne von § 324 StGB. Als Grundwasser wird dabei nach § 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG)36 das gesamte unterirdische Wasser verstanden und jenes, das in Niederungen aus dem Boden tritt.37 7.2. Taterfolg Unter Strafe gestellt ist jede nachteilige Veränderung der Wasserqualität. Diese Veränderung kann auch im Rahmen mehrerer (jeweils für sich betrachtet unschädlicher) Einleitungen schädlicher Stoffe erfolgen. Ob Umweltschäden durch sanierungsbedürftige Kalihalden die Erheblichkeitsschwelle des § 324 StGB erreichen, ist vom Einzelfall abhängig. Die Grundlage bilden dabei Überwachungswerte oder im Genehmigungsbescheid festgelegte und auslegungsbedürftige Grenzwerte.38 34 BUND, „Buggingen: Grundwasserversalzung „schnell“ und nachhaltig stoppen - BUND-Presseerklärung vom 21.11.2012, abrufbar unter: http://www.bund-rvso.de/urteil-kalihalde-buggingen.html (letzter Abruf: 20.05.2019). 35 BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - Az. 7 C 3/05, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2006, 928; SWR, „Unsanierter Kaliberg macht Grundwasser ungenießbar“, Stand: 08.02.2019, abrufbar unter: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/Sanierung-in-Buggingen-steht-aus-Unsanierter- Kaliberg-macht-Grundwasser-ungeniessbar,kali-halde-100.html (letzter Abruf: 16.05.2019). 36 Wasserhaushaltsgesetz vom 31.07.2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Beschränkung des marinen Geo-Engineerings vom 04.12.2018 (BGBl. I S. 2254), abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/whg_2009/__3.html (letzter Abruf: 16.05.2019). 37 Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 324 Rn. 1, 5; BT-Drucks. 8/2382, S. 26, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/08/023/0802382.pdf (letzter Abruf: 16.05.2019). 38 Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 324 Rn. 8; Alt, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 324 Rn. 22, 23, 83. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 057/19 Seite 13 7.3. Strafbarkeit von Betreibern sanierungsbedürftiger Kalihalden Geht die Verunreinigung von dem Betreiber einer Kalihalde aus, gilt im strafrechtlichen Sinn sowohl der handelnde Betriebsangehörige als auch derjenige, der die unmittelbare Entscheidungsgewalt über die Anlage hat, als verantwortlich. Dies kann auch eine juristische Person oder ein Amtsträger sein. Ein weisungsgebundener und gutgläubiger Angestellter darf allerdings darauf vertrauen, dass die Weisung rechtmäßig ist. Eine Strafbarkeit scheidet für ihn aus.39 Zu beachten ist weiterhin, dass die Genehmigung durch eine Behörde rechtfertigend wirkt. Ein Betreiber, der im Rahmen einer behördlichen Genehmigung handelt, macht sich somit nicht strafbar. Werden sogenannte „materielle Betreiberpflichten“ (z.B. aus § 5 Abs. 1 WHG) verletzt, muss für die Strafbarkeit auch noch ein Verstoß gegen das Genehmigungserfordernis hinzukommen.40 Erfolgt die Gewässerverunreinigung durch ein Unternehmen, kann diesem nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)41 eine Geldbuße auferlegt werden. *** 39 Schmitz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, Vorbemerkung zu § 324 Rn. 126, 140. 40 Alt, in: Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 324 Rn. 92, 107-113; Schmitz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, Vorbemerkung zu § 324 Rn. 54 f.. 41 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.02.1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung vom 17.12.2018 (BGBl. I S. 2571), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/owig _1968/__30.html (letzter Abruf: 16.05.2019).