© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 053/20 Zur Reichweite der Verordnungsermächtigung in § 25 Absatz 3 Pflanzenschutzgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung § 25 Absatz 3 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) ermächtigt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter bestimmten Voraussetzungen durch Rechtsverordnung die Ausfuhr bestimmter Pflanzenschutzmittel oder von Pflanzenschutzmitteln mit bestimmten Stoffen in Staaten außerhalb der Europäischen Union zu verbieten oder zu beschränken oder von einer Genehmigung oder Anzeige abhängig zu machen. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob solche Exportbeschränkungen nur für die für den Endverbraucher bestimmten Produkte erlassen werden können oder ob auch die Ausfuhr einzelner Wirkstoffe erfasst wird. Zu dieser Frage liegen soweit ersichtlich weder Rechtsprechung noch Stimmen aus der Fachliteratur vor. Da die Verordnungsermächtigung zudem soweit ersichtlich in der Praxis bisher keine Anwendung erfahren hat1, lassen sich auch hieraus keine Rückschlüsse auf die Auslegung ziehen. Im Folgenden werden daher Gesichtspunkte dargestellt, die für die Auslegung von § 25 Absatz 3 PflSchG von Bedeutung sind. 2. Zur Auslegung des Begriffs „Pflanzenschutzmittel“ in § 25 Absatz 3 PflSchG Nach dem Wortlaut der Vorschrift werden nicht nur bestimmte Pflanzenschutzmittel im Sinne von bestimmten gebrauchsfertigen Produkten, sondern auch Pflanzenschutzmittel mit bestimmten Stoffen von der Verordnungsermächtigung erfasst. Die Formulierung „bestimmte Stoffe“ stellt auf bestimmte Wirkstoffe ab und ist zum Beispiel unabhängig davon, in welcher Konzentration oder Gebrauchsform diese vorliegen. Für die Frage, ob das Pflanzenschutzmittel gebrauchsfertig sein muss, ist der Wortlaut hingegen nicht ergiebig. § 2 Satz 1 PflSchG verweist unter anderem auf die Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Nach dieser Verordnung werden bestimmte „Produkte in der dem Verwender gelieferten Form“ als Pflanzenschutzmittel bezeichnet (Artikel 2 Absatz 1 VO (EG) Nr. 1107/2009). Diese Definition des Begriffs „Pflanzenschutzmittel“ spricht zunächst einmal dafür, dass in § 25 Absatz 3 PflSchG nur gebrauchsfertige Pflanzenschutzmittel erfasst werden. Jedoch dürfte zu berücksichtigen sein, dass die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gerade und nur die Genehmigung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln zum Gegenstand hat. 1 Siehe dazu die Ausarbeitung des Fachbereiches WD 5, Export nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel, WD 5 - 3000 – 015/20, S. 12, verfügbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/689790/5d86d62bff8866bae6864f2d8ea2b977/WD-5-015-20-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 053/20 Seite 5 Die Verordnungsermächtigung in § 25 Absatz 3 PflSchG dient hingegen der Durchführung europäischer Rechtsakte (Nr. 1) und dem ausnahmsweisen Erlass von über die europäischen Regelungen hinausgehenden Ausfuhrbeschränkungen (Nr. 2), soweit dies im Rahmen des europäischen Rechts ausnahmsweise möglich ist.2 Dies ließe sich dafür anführen, die Bestimmung allgemein und das Tatbestandsmerkmal „bestimmte Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenschutzmittel mit bestimmten Stoffen“ im Lichte der hierfür einschlägigen europäischen Regelungen auszulegen. Dies ist hier insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 649/2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien3. Art. 15 der VO (EU) Nr. 649/2012 regelt die Ausfuhr von bestimmten Chemikalien und Artikeln in Staaten außerhalb der EU und stellt dabei auch auf die einzelnen chemischen Stoffe und nicht nur auf die aus diesen hergestellten Endprodukte ab. Nach dem in Art. 23 der VO (EU) Nr. 649/2012 niedergelegten Verfahren können die Anhänge, die die unter Ausfuhrbeschränkungen fallenden Stoffe enthalten, geändert werden. Die Fassung des Pflanzenschutzgesetzes zum Zeitpunkt der Neufassung der Verordnungsermächtigung 4 enthielt hingegen in § 2 folgende Definition: „9. Pflanzenschutzmittel: Stoffe, die dazu bestimmt sind, a) Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen, b) Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse vor Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen zu schützen, die nicht Schadorganismen sind, c) die Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen, ohne ihrer Ernährung zu dienen (Wachstumsregler), d) das Keimen von Pflanzenerzeugnissen zu hemmen, ausgenommen sind Wasser, Düngemittel im Sinne des Düngemittelgesetzes und Pflanzenstärkungsmittel; als Pflanzenschutzmittel gelten auch Stoffe, die dazu bestimmt sind, Pflanzen abzutöten oder das Wachstum von Pflanzen zu hemmen oder zu verhindern, ohne daß diese Stoffe unter Buchstabe a oder c fallen.“ 2 Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Verordnungsermächtigung nach Nr. 2 sind nicht Gegenstand dieses Sachstandes. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnungsermächtigung aus einer Zeit stammt, zu der die Ausfuhrkontrolle von Pflanzenschutzmitteln auf europäischer Ebene nur rudimentär geregelt war. 3 Siehe die konsolidierte Fassung unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=CELEX%3A02012R0649-20200901 4 Damals in § 23 PflSchG, vgl. den Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 13/8443, S. 17. Zu § 2 siehe ebenda, S. 5 und BGBl. 1998 I 950, 951. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 053/20 Seite 6 Diese Definition stellt auf die Bestimmung eines Stoffes und nicht auf die Gebrauchsform oder die Verwendbarkeit durch den Endanwender ab. Dies lässt sich als Indiz dafür deuten, dass bereits der Wirkstoff Regelungsgegenstand einer Verordnung sein kann. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift deuten in Richtung einer Auslegung, die auf den Wirkstoff und nicht auf das Endprodukt abzielt. Ansonsten wäre eine Umgehung einer Exportbeschränkung ohne weiteres möglich. Zusammenfassend lassen sich gute Gründe für eine Auffassung benennen, nach der der Begriff „Pflanzenschutzmittel“ bereits die Wirkstoffe umfasst, die in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden. Rechtssicher geklärt ist diese Lesart jedoch nicht. Ob für § 25 Absatz 3 PflSchG angesichts der seit der Einführung der Norm erfolgten Überformung der Regelung von Ausfuhrverboten für bestimmte Pflanzenschutzmittel durch unmittelbar anwendbares europäisches Verordnungsrecht überhaupt ein praktisch bedeutsamer Anwendungsbereich verbleibt5, bedürfte einer weiteren, über die hier erörterte Fragestellung hinausreichenden Prüfung. *** 5 Vgl. hierzu schon die Begründung des Gesetzentwurfes auf Bundestagsdrucksache 13/8443, S. 34: „Die Regelungen des § 23 gelten nur, soweit diese Verordnung [der EU] keine Regelungen enthält.“