© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 052/21 Straßenzubau und klimaschädlicher Stop-and-go-Verkehr Effekte des Verkehrsflusses auf Umwelt und Klimaschutz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 2 Straßenzubau und klimaschädlicher Stop-and-go-Verkehr Effekte des Verkehrsflusses auf Umwelt und Klimaschutz Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 052/21 Abschluss der Arbeit: 27. Mai 2021 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Kohlendioxidausstoß 4 3. Maßnahmen zur Vermeidung von Stop-and-go-Verkehr 6 4. Umwelteffekte des Straßenzubaus und Straßenverkehrs 8 5. Literatur und Quellen 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wird, welchen Einfluss der Zubau von Straßen auf die Umwelt, im Besonderen die Treibhausgasemissionen im Straßenverkehr hat. Von besonderem Interesse ist der Aspekt, ob ein Zubau von Verkehrswegen einen positiven Effekt auf die Treibhausgasbilanz haben kann, indem er Stop-and-go-Verkehr und Staus abwenden könnte. Im Folgenden wird der wissenschaftliche Stand zum Zusammenhang zwischen Verkehrsfluss und den Kohlendioxidemissionen im Straßenverkehr dargelegt. Im Weiteren werden technologische Möglichkeiten vorgestellt, Staus und stockenden Verkehr zu vermeiden. Schließlich werden neben den Klimaeffekten des Straßenverkehrs die anderen bekannten Umwelteffekte von Straßenzubau und Straßenverkehr skizziert. 2. Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Kohlendioxidausstoß Der Bereich Verkehr ist für 19 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich und damit für den Klimaschutz relevant. Die Treibhausgasemissionen von Neuwagen mit Verbrennungstechnik lagen 2017 bei 118 Gramm je gefahrenem Kilometer und waren damit gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. Dies liegt am Trend zu größeren Fahrzeugen (Umweltbundesamt 2018). Die Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs hängen neben anderen Faktoren wie der Antriebstechnik , dem Kraftstoff, der Fahrzeuggröße etc. auch von der Geschwindigkeit der Fahrzeuge ab. Es ist wissenschaftlich unstrittig, dass in dem Maße, „in dem Verkehrsstaus zunehmen, die Kohlendioxidemissionen ebenfalls zunehmen“(Barth et al. 2008: 3). Dieser Zusammenhang spiegelt sich in den Empfehlungen für so genanntes „ökologisches Autofahren “ wider. Wer mit gleichmäßiger moderater Geschwindigkeit fährt, verursacht geringere Emissionen, als bei Geschwindigkeiten oberhalb von 90 Kilometern pro Stunde oder bei einem häufigen Wechsel zwischen Abbremsen und Beschleunigen (Barth et al. 2008: 3). In der Fachliteratur wird auf Basis empirischer Daten und von Modellierungen ein u-förmiger Zusammenhang zwischen Kohlendioxidausstoß und Geschwindigkeit beschrieben: Dargelegt werden im Folgenden Daten der PKW-Flotte aus dem Raum Kalifornien. Diese Daten sind in den Details nur bedingt auf Deutschland übertragbar, im Grundsatz geben sie die Tendenzen aber gut wieder. Unterhalb von etwa 50 Stundenkilometern steigt der Ausstoß an Treibhausgasemissionen an und liegt dann je gefahrenem Kilometer umso höher, je langsamer der Wagen fährt. Zwischen 50 und 90 Stundenkilometern ergibt sich ein plateauförmiges Minimum, sodass in diesem Bereich bei Fahrzeugen mit Verbrennungstechnik relativ gesehen die geringsten Kohlendioxidemissionen anfallen . Aber ab ca. 90 Stundenkilometern steigen die Emissionen wieder an (Barth et al. 2008). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 5 Abb. 1: Zusammenhang zwischen Fahrtgeschwindigkeit und CO2-Ausstoß (modifizierte Abbildung nach Barth et al. 2008) Insofern kann fließender Straßenverkehr mit wenig Stop-and-go sowohl mit niedrigeren als auch höheren Treibhausgasemissionen verbunden sein: Wenn Staus und verstopfte Straßen die Durchschnittsgeschwindigkeit auf unter 70 Kilometer pro Stunde absenken, dann steigen die Kohlendioxidemissionen Barth zufolge an. Dies geschieht bereits ab 70 Kilometern pro Stunde, weil die Fahrzeuge dann mehr Zeit auf der Straße verbringen, ist also nicht nur auf den Geschwindigkeitseffekt zurückzuführen. Wenn aber dichter Verkehr dazu führt, dass Geschwindigkeiten von über 90 Kilometern pro Stunde abgesenkt werden, hat dies eine Verminderung der Kohlendioxidemissionen zur Folge. Generell haben extrem hohe Geschwindigkeiten von 100 Stundenkilometern und mehr einen großen negativen Klimaeffekt (Barth et al. 2008: 7). Mit Blick auf den Straßenzubau kommen weitere Einflussgrößen ins Spiel: Mit geringeren Emissionen ist der Verkehr auf einer zugebauten Straße nur dann verbunden, wenn die Zahl und Art der Fahrzeuge nach dem Zubau gleichbleibt, die Wegstrecken identisch wären und eine Geschwindigkeit der Flotte im Bereich von ungefähr 50 bis 90 Stundenkilometern gegeben ist. Faktisch führt aber ein Zubau im Straßennetz immer auch zu verschiedenen Kollateraleffekten, die zu Abweichungen von diesem Idealszenario im Sinne der Fragestellung führen: Häufig ist die zurückgelegte Wegstrecke bei Umgehungsstraßen und Stadtautobahnen länger. Dies kann eine Emissionseinsparung dank fließenderem Verkehr rasch zu Nichte machen oder gar Emissionserhöhungen nach sich ziehen. Auch führt der Zubau von Straßen zu anderen Wegen und Wegezeiten und in der Folge zu anderen Mobilitätsentscheidungen. Statt öffentlichen Verkehrsmitteln kann der private Pkw zum Zug Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 6 kommen. Nicht das Fahrrad ist dann beispielsweise mehr das schnellste Transportmittel durch verstopfte Straßen im städtischen Raum, sondern via Pkw auf der Stadtautobahn. Dass der Ausbau der Verkehrswege paradoxerweise oft zu mehr Verkehrsaufkommen geführt hat, wird in der Forschung unter dem Phänomen des „induzierten Verkehrs“ gefasst. Dahinter stehen nicht nur Mobilitätsentscheidungen, sondern sogar, wo Menschen wohnen und arbeiten oder einkaufen, mit der Tendenz bei ausgebauterem Verkehrsnetz größere Entfernungen in Kauf zu nehmen. Etwa haben die durchschnittlich zurückgelegten Arbeitswege von 2000 bis 2014 um 21 Prozent von 8,7 auf 10,5 Kilometer zugenommen (Spiegel Online 2020). Wie bedeutsam solche multiplen Effekte sind, zeigt schon die historische Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor hierzulande. Obwohl der Ausstoß je Pkw seit den 90er Jahren gefallen ist (in den letzten Jahren jedoch nicht mehr), sind die Gesamtemissionen aus dem Straßenverkehr von 1995 bis 2018 um 3,7 Prozent gestiegen. Ein Grund hierfür ist, dass mehr Pkw unterwegs sind (Umweltbundesamt 2020a).11 Neu gebaute Umgehungsstraßen und Autobahnen können folglich je nach Situation sowohl zu Emissionsreduktionen als auch zu Emissionserhöhungen beitragen, abhängig von den ausgelösten Effekten. Erhöht sich damit die Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf über 90 Stundenkilometer oder nutzen mehr Fahrer das Auto aufgrund der freien, schnellen Fahrt, ist der Klimaeffekt negativ . Nachteilig wirkt sich auch aus, wenn die Fahrstrecke entsprechend länger ist, als die im Stop-and-go zurückgelegte Wegstrecke. Wird der Verkehr indes umgelenkt und fließt auf einer außerörtlichen Umgehungsstraße tatsächlich im Bereich von 50 bis 90 Stundenkilometern, kann dies zu Emissionsreduktionen beitragen, jedenfalls, wenn die Wegstrecke nicht länger und die Fahrzeit kürzer als innerorts ist. Schlussendlich bedarf es jeweils einer Prüfung im Einzelfall, um die Klimawirkungen eines bestimmten Straßenausbauprojektes zu analysieren. Im Rahmen der Projektierung von Straßen wird eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Dabei wird auch der Einfluss auf die Kohlendioxidemissionen neben anderen Parametern wie Lärm, Stickoxidemissionen usw. nach standardisierten Methoden errechnet. Unterschiedliche Beispiele hierfür finden sich im Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030. Man sieht, dass es sowohl Zubauprojekte gibt, die rechnerisch einen Anstieg der CO2-Emissionen erwarten ließen etwa im Fall von Pfaffenhofen (https://www.bvwp-projekte.de/strasse/B013- G080-BY-T03-BY/B013-G080-BY-T03-BY.html) und solche, die eine Verminderung von CO2- Emissionen erwarten ließen im Beispiel Pirna (https://www.bvwp-projekte.de/strasse/B172-G10- SN/B172-G10-SN.html) (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2021). 3. Maßnahmen zur Vermeidung von Stop-and-go-Verkehr Wenn Umgehungsstraßen im Einzelfall zur Vermeidung von verkehrsbedingten Kohlendioxidemissionen beitragen, geschieht dies unzweifelhaft über fließenderen Verkehr bei gleichzeitig nicht zu hoher Durchschnittsgeschwindigkeit. 1 Zur Frage der Auswirkungen von Kapazitätserweiterung des Verkehrsnetzes auf das Verkehrsaufkommen und die -dynamik vgl. auch Wissenschaftliche Dienste (2021), WD 5-3000-044/21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 7 Staus und zu hohe wie zu niedrige Geschwindigkeiten können gleichwohl durch eine Reihe von Maßnahmen vermieden werden. Barth et al. benennen hierzu eine Reihe technologischer Optionen . Zu einem fließenden Verkehr kann ein intelligentes Verkehrsmanagement beitragen, wonach Autofahrer über Rundfunk oder Navigationssysteme von Straßen mit dichtem Verkehr abgeraten und andere Routen empfohlen werden. Abrupte Be- und Entschleunigungen werden ferner durch Zuflussregelungsanlagen vermieden: Das sind Ampeln, die je nach Verkehrsdichte das Auffahren auf Autobahnen und Schnellstraßen steuern. Es wird auch erwartet, dass das automatisierte und vernetzte Fahren von Fahrzeugen die Durchschnittsgeschwindigkeit herabsetzt, zu flüssigerem Fahren beitragen könnte und darüber Emissionsreduktionen eintreten könnten. Intelligent Speed Assistance (ISA)-Systeme könnten weiterhin zu hohe und relativ klimaschädliche Geschwindigkeiten drosseln, indem sie die Beschleunigung des Fahrzeugs elektronisch regulieren. Barth zufolge sind sie eine Ergänzung zu Tempolimits und Radarkontrollen. 2019 hat die Fachabteilung IMOC des Europäischen Parlaments die Einführung solcher Intelligent Speed Assistance (ISA)-Systeme für Neuwagen ab 2022 beschlossen. Von einer eingebauten „automatischen Bremse“ für Neufahrzeuge ist in diesem Zusammenhang die Rede. Über diese Intelligent Speed Assistance-Systeme (ISA) ließen sich prinzipiell auch variable Geschwindigkeitsobergrenzen (intelligente Tempolimits) je nach Verkehrsaufkommen realisieren , die einen optimalen Verkehrsfluss begünstigen können. Nur kleine Veränderungen der Geschwindigkeit der gesamten Fahrzeugflotte können erhebliche Kohlendioxideinsparungen nach sich ziehen. Barth berechnet auf Basis der kalifornischen Flotte beispielhaft Größenordnungen zwischen 12 bis 70 Prozent. Auch wenn er seine Szenarien für Autobahnen errechnete, seien sie grundsätzlich auf den Verkehr innerorts und auf Überlandstraßen übertragbar. Bei mehr Schwerlastverkehr seien die Klimaeffekte ausgeprägter (Barth et al 2008: 8). Weiterhin trägt die sich weiterentwickelnde Verkehrstelematik (im Englischen und fachsprachlich : Intelligent Transportation Systems ITS) zu fließenderem Verkehr bei und kann Stau vermeiden . Darunter fallende Technologien sorgen nicht nur für mehr Sicherheit im Straßenverkehr und effizientere Mobilität, sondern mindern die relative Umweltlast infolge des Straßenverkehrs. Barth et al. weisen auf Basis von Untersuchungen in den USA Treibstoff- und Emissionsreduktionen in der Größenordnung von 5 bis 15 Prozent aus. In den Blick genommen haben sie dabei fahrzeugbasierte Verkehrstelematik wie Assistenzsysteme, die Informationen über ein Fahrzeug und seine Abstände zu Nachbarfahrzeugen liefern und sofern gebündelt Auskunft über die Echtzeitverkehrsdichte geben. Auch Verkehrsmanagementsysteme analysierten Barth et al. Über Sensoren auch an Straßenbrücken oder in Fahrbahnen werden immer genauere Daten über das Verkehrsaufkommen und den Verkehrsfluss erfasst. Darüber lässt sich der Straßenverkehr in der Weise steuern, dass Staus und stockender Verkehr vermieden werden. Zum Verkehrsmanagement gehört auch das Unfallmanagement hinzu, dass Straßenverkehrsteilnehmer so rasch wie möglich über Unfälle informiert und den Straßenverkehr gegebenenfalls umleitet. Letztlich können gerade auch Navigationssysteme einen Beitrag zu fließenderem Straßenverkehr leisten, indem sie die optimale Wegstrecke auf Basis einer möglichst kurzen Route wie auch der Echtzeitverkehrsinformationen vorschlagen (Barth et al. 2015: 91-92). Kritisch sei angemerkt, dass Verkehrstelematik den Energieverbrauch für Sensorik und Datenübertragung und damit der Fahrzeuge oder der kommunalen Infrastruktur (z. B. bei Sensoren in Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 8 Fahrbahnen) erhöht. Es sind keine Analysen bekannt, die diesen Effekt in Beziehung zum potenziellen Umweltnutzen über den Effekt von fließenderem Verkehr setzen. Da auch Barth dies in seinen Arbeiten nicht berücksichtigt hat, spricht dies wohl dafür, dass die tatsächlichen Emmissionsminderungspotenziale etwas geringer liegen als oben genannt. Neben solchen rein technologischen Ansätzen, die Verkehrsdynamik günstig zu beeinflussen, haben sich zahlreiche verkehrstechnische Maßnahmen in der Stauvermeidung bewährt (Boltze 2008 et al.) Dies beginnt mit der Bereitstellung von Park-Ride-Parkplätzen bis hin zu angemessenen Tarifen im Öffentlichen Nahverkehr bis zu Straßennutzungsgebühren. Mautsysteme können mit moderner Verkehrstelematik so realisiert werden, dass das Bezahlen selbst keinen Stau verursacht (siehe hierzu auch Wissenschaftliche Dienste 2020, S. 16ff). 4. Umwelteffekte des Straßenzubaus und Straßenverkehrs Straßen und der Straßenverkehr haben neben der negativen Treibhausgasbilanz weitere nachteilige Umweltwirkungen. Straßen brauchen Fläche und ein Ausbau des Straßennetzes führt zu mehr Flächenverbrauch und der Versiegelung von Böden. Die für den Verkehr genutzte Bodenfläche nahm bisher zu. 1992 waren es 16.441 Quadratkilometer, was 4,61 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands entspricht. 2018 waren es 18.047 Quadratkilometer, entsprechend 5,05 Prozent der Gesamtfläche. Damit ist die Verkehrsfläche in diesem Zeitraum um knapp 10 Prozent gewachsen (Umweltbundesamt 2020b). In der Folge des Straßenzubaus werden Naturräume zerschnitten, was sich ungünstig auf Ökosysteme auswirkt, besonders dann, wenn seltene Landschaftsräume wie Magerwiesen oder Moorlandschaften betroffen sind. Insbesondere die lokal vorkommende Tier- und Pflanzenwelt wird durch neu gebaute Straßen und den damit verbundenen Verkehr beeinträchtigt. Ihr Migrationsverhalten wird eingeschränkt, da die Fahrbahn je nach Spezies eine Barriere darstellt, die gar nicht oder nur unter Gefahr zu überwinden ist. Nachgewiesen ist auch, dass die Fragmentierung von Lebensräumen durch Infrastruktur zu einer Verarmung der genetischen Diversität führt, da sich Populationen vereinfacht gesprochen links und rechts der Straße je nach Spezies nicht mehr so intensiv mischen. Die genetische Verarmung macht Lebewesen vulnerabler für Populationsrückgänge , weil sie weniger anpassungsfähig sind. Straßenzubau bedeutet über die Flächeninanspruchnahme auch einen Verlust an Nahrung für Tierarten. Mit der Degradation der Naturräume finden Organismen weniger Lebensraum und Nahrungsressourcen, sodass der Ausbau von menschlicher Infrastruktur ein wichtiger Faktor des wissenschaftlich dokumentierten Verlustes der Biodiversität ist. Das Straßennetz und der Zubau an Straßen ist dabei ein Faktor - neben dem Flächenverbrauch durch Gebäude, Landwirtschaft usw. -, der hierzu beiträgt. Weiterhin ist der Straßenverkehr mit dem Ausstoß von Luftschadstoffen verknüpft namentlich mit Stickoxiden, Feinstaub, flüchtigen organischen Verbindungen und Kohlenmonoxid. 2018 verursachte der Verkehr 42,9 Prozent der Emissionen von Stickstoffoxiden in die Luft, wobei der Straßenverkehr der Hauptverursacher ist (Umweltbundesamt 2020b). Soweit der Ausbau des Straßennetzes, wie bisher für Deutschland der Fall, mit einem Zuwachs des Verkehrsaufkommens einhergeht (siehe Kapitel 2), erhöhen sich auch die Schadstoffemissionen. Insbesondere die Emissionen von Feinstaub nicht nur über die Abgase, sondern durch Reifen- und Bremsabrieb Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 9 führen zusätzlich zu einer lokalen Umweltbelastung. So sind Schadstoffe wie Blei neben Fahrbahnen in erhöhten Konzentrationen im Boden nachweisbar. Der Straßenverkehr ist ein wichtiger Verbraucher von Primärenergie, die überwiegend in Form von Kraftstoffen gewonnen aus Erdöl oder Erdgas verfeuert wird. Mit der Elektrifizierung der Pkw-Flotte wird Elektrizität in großem Umfang benötigt, die nur dann in der Erzeugung klimaneutral ist, wenn sie über Wind- und Sonnenenergie gewonnen wird. Da dies momentan noch nicht der Fall ist, bedingt die gegenwärtig wachsende Zahl an Elektroautos auch Schadstoffemissionen , die vorwiegend auf der Stromerzeugerseite anfallen (siehe hierzu weiterführend Fraunhofer -Institut für Solare Energiesysteme 2019, Joanneum Research 2019 und Schmidt 2020). Weiterhin ist Verkehrslärm nicht nur eine Belastung der menschlichen Gesundheit, sondern auch für die Tierwelt. Die Lichtverschmutzung infolge der Beleuchtung von Straßen greift wiederum in den circadianen Rhythmus von Fauna und Flora ein, verändert mithin Bestäuberleistungen , im Übrigen damit auch die Ernteerträge von landwirtschaftlichen Nutzflächen neben Straßen , und das Fress- und Paarungsverhalten von Organismen und muss insofern als weitere Umweltwirkung des Straßenverkehrs benannt werden. Lichtverschmutzung gilt als weiterer Einflussfaktor für den Niedergang gefährdeter Arten (Leibnizinstitut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 2021). *** Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 10 5. Literatur und Quellen Barth, Matthew et al. 2009. Traffic Congestion and Greenhouse Gases. Online abrufbar unter: https://www.accessmagazine.org/fall-2009/traffic-congestion-greenhouse-gases /#:~:text=If%20congestion%20reduces%20the%20average,results%20in%20higher %20CO2%20emissions .&text=Smoothing%20the%20stop%2Dand%2Dgo,speed%20will%20reduce %20CO2%20emissions. (Stand: 10. Mai 2021). Barth, Matthew et al. 2008. Real-World CO2 Impacts of Traffic Congestion. Online abrufbar unter: https://journals.sagepub.com/doi/10.3141/2058-20 (Stand: 17. Mai 2021). Barth, Matthew et al. 2015. Intelligent Transportation Systems and Greenhouse Gas Reductions. In: Current Sustainable/Renewable Energy Reports, 2, 90-97, online abrufbar unter: https://www.researchgate.net/publication/280625145_Intelligent_Transportation_Systems _and_Greenhouse_Gas_Reductions (Stand: 18. Mai 2021). Boltze, Manfred et al. 2008. Strategien zur Stauvermeidung. In: Straßenverkehrstechnik, 5, 2008, online abrufbar unter: https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr /fgvv/prof_boltze/BoVeroeff104~1.pdf (Stand: 25. Mai 2021). Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2021. Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030 (Stand: Kabinettsbeschluss vom 03.08.2016 und der darauf basierenden Ausbaugesetze vom 02.12.2016). online abrufbar unter: https://www.bvwpprojekte .de/ (Stand: 17. Mai 2021). Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 2019. Treibhausgasemissionen für Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeuge mit Reichweiten von über 300 Kilometern. Online abrufbar unter: https://www.oldenburg.de/fileadmin/oldenburg/Benutzer/PDF/41/411/Elektromobilitaet /PPT_Fraunhofer-Studie-3_Lang.pdf (Stand: 26. Mai 2021) Joanneum Research 2019. Geschätzte Treibhausgasemissionen und Primärenergieverbrauch in der Lebenszyklusanalyse von Pkw-basierten Verkehrssystemen. Graz, 12. September 2019, online abrufbar unter: https://res.cloudinary.com/adacde/image/upload/v1572625374/ADACe V/KOR/Text/PDF/LCA_Tool_-_Joanneum_Research_zp22wt.pdf Leibnizinstitut für Gewässerökologie und Binnenfischerei 2021. Verlust der Nacht. Online abrufbar unter: http://www.verlustdernacht.de/startseite.html (Stand: 19. Mai 2021). Schmidt, Ulrich 2020. Elektromobilität und Klimaschutz: Die große Fehlkalkulation. In: Kiel Policy Brief, Nr. 143, Juni 2020, online abrufbar unter: https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung /IfW-Publications/-ifw/Kiel_Policy_Brief/2020/KPB_143.pdf (Stand: 25. Mai 2021) Spiegel Online 2020. Warum breitere Straßen nicht gegen Stau helfen. Online abrufbar unter: https://www.spiegel.de/auto/verkehr-studie-aus-den-usa-breitere-strassen-helfen-nicht-gegenstau -a-8f07ea3c-f0f0-42cb-a18d-629c24c6119d (Stand: 25. Mai 2021). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/21 Seite 11 Umweltbundesamt 2018. EU: CO2-Ausstoß von Neuwagen 2017 höher als im Vorjahr. online abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/eu-co2-ausstoss-von-neuwagen-2017- hoeher-als-im (Stand: 11. Mai 2021). Umweltbundesamt 2020a. Emissionen des Verkehrs. online abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt .de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#pkw-fahren-heute-klima-und-umweltvertraglicher (Stand: 11. Mai 2021). Umweltbundesamt 2020b. Umweltbelastungen durch Verkehr. online abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/umweltbelastungen-durch-verkehr#verkehrslarm -kann-krank-machen (Stand: 19. Mai 2021). Wissenschaftliche Dienste – Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2020). Ursachen von Verkehrsstaus. WD 5-3000-050-20. 24. Juni 2020, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/709142/acf9f7b648f0899152750d20ca4af7d5/WD-5-050-20-pdf-data.pdf (Stand: 25. Mai 2021).