© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 052/20 Kompensation Corona-bedingter Lernrückstände Möglichkeiten und Grenzen der Bildungsfinanzierung im Rahmen von Art. 104c GG Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 2 Kompensation Corona-bedingter Lernrückstände Möglichkeiten und Grenzen der Bildungsfinanzierung im Rahmen von Art. 104c GG Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 052/20 Abschluss der Arbeit: 21. September 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Möglichkeiten und Grenzen der Finanzierung im Rahmen von Art. 104c GG 4 2.1. Auslegungsansätze 5 2.2. Anwendung auf mögliche konkrete Maßnahmen zur Kompensation von Lernrückständen 7 3. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 4 1. Einleitung Die Zeit, in der sich Kinder täglich mit der Schule beschäftigt haben, hat sich während der Corona-bedingten Schulschließungen halbiert. Sie sank von 7,4 auf 3,6 Stunden. Über die Hälfte der Schulkinder wurde seltener als einmal pro Woche online unterrichtet. Das Ausmaß der Corona-bedingten Lernausfälle lässt sich bislang kaum abschätzen. Zu diesen Ergebnissen gelangt die Bildungsbarometer-Sonderauswertung Corona des ifo Instituts.1 Zum Ausgleich von Schulschließungen wurden den Ländern Mittel aus dem DigitalPakt Schule im Umfang von 100 Mio. Euro für die Nutzung digitaler Bildungsangebote und den Ausbau von digitalen Infrastrukturen zugewiesen.2 Ein Zusatz zum DigitalPakt Schule gestattet den Erwerb schulgebundener mobiler Endgeräte, um Schülerinnen und Schülern digitalen Unterricht zu Hause zu ermöglichen.3 Der Umgang mit den Corona-bedingten Lernrückständen ist Gegenstand einer aktuellen politischen Diskussion. Dieser Sachstand nimmt sich der Fragestellung an, welche Maßnahmen zur Eindämmung Corona-bedingter Lernrückstände – auch im Hinblick auf mögliche zukünftige Schulschließungen – auf der Grundlage von Art. 104c GG4 durch den Bund förderfähig sind. 2. Möglichkeiten und Grenzen der Finanzierung im Rahmen von Art. 104c GG Der geänderte Art. 104c GG gestattet „Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie besondere, mit diesen unmittelbar verbundene, befristete Ausgaben“. 1 Wößmann, L. u.a. (2020): Bildung in der Coronakrise: Wie haben die Schulkinder die Zeit der Schulschließungen verbracht, und welche Bildungsmaßnahmen befürworten die Deutschen? ifo Schnelldienst 9/2020. S. 38. Abrufbar unter: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-09-woessmann-etal-bildungsbarometercorona .pdf. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) 2 BMBF (2020): Corona-Hilfe I: Förderung von Content. Abrufbar unter: https://www.digitalpaktschule.de/de/corona-hilfe-i-foerderung-von-content-1759.html. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) 3 Abrufbar unter: https://www.digitalpaktschule.de/files/Zusatzvereinbarung-web.pdf. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) 4 Da der Schul- und Bildungsbereich nach den Kompetenzverteilungsnormen des Grundgesetzes in die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz der Länder fällt (Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG), tragen diese hierfür grundsätzlich die Ausgaben (Art. 104a GG). Der 2017 neu ins Grundgesetz eingefügte Art. 104c GG normiert eine Ausnahme zu diesem Prinzip der Konnexität zwischen Aufgabenwahrnehmung und Kostentragung. Im Jahr 2019 erfuhr Art. 104c GG – nach Einberufung des Vermittlungsausschusses – eine inhaltliche Ausdehnung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 5 2.1. Auslegungsansätze Aus dem Ausnahmecharakter des Art. 104c GG im Gefüge der Finanzverfassung wird geschlossen, dass Art. 104c GG restriktiv auszulegen ist.5 Dabei ist auch der Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen, dass dem Bund nicht die Mitfinanzierung des schulischen Regelbetriebes zu gestatten ist.6 Einhelligkeit scheint dahingehend zu bestehen, dass es Art. 104c GG in seiner geänderten Fassung ermöglicht, „nicht nur in Beton und Kabel, sondern auch in Know-how und Köpfe zu investieren.“7 In seiner Beschlussempfehlung zu dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Grundgesetzes hat der Haushaltsausschuss Folgendes ausgeführt: „Die Finanzhilfekompetenz des Bundes nach Artikel 104c […] wird […] um die Möglichkeit zur Mitfinanzierung solcher gewichtigen, besonderen Kosten erweitert, die mit der Nutzbarmachung der Investition in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Förderfähig sind insoweit – zeitlich auf die Begleitphase der Investition bezogen – nur Kosten besonderer Maßnahmen nicht investiver Art, die zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich sind und der Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens dienen (u.a. Aufbau einer Systemadministration, Schulung des pädagogischen Personals bei Investitionen beispielsweise in die digitale Bildungsinfrastruktur, Finanzierung spezieller personeller Ausstattung, die unmittelbar zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich ist, die Entwicklung gemeinsamer Bildungsstandards im geförderten Investitionsbereich).“8 Sofern „gewichtig“ auf die Höhe der Ausgaben abstellt, ist eine quantitative Schwelle schwer festzulegen.9 Hilfreicher erscheint der Hinweis auf einen unmittelbaren Zusammenhang zur Nutzbarmachung der Investition sowie eine Erforderlichkeit zur Verwirklichung des Investitionszwecks. Im Rahmen der Debatte im Bundesrat gab Ministerpräsident Kretschmann eine Protokollerklärung der baden-württembergischen Landesregierung zur Reichweite des ergänzten Investitionsbegriffs mit dem Inhalt ab, dass: 5 Schwarz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.). Grundgesetz-Kommentar. 90. EL Februar 2020. Art. 104c Rn. 24. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.). Grundgesetz-Kommentar. 8. Auflage 2018. Art. 104c, Rn. 4. Leisner-Egensperger, A. (2019): Das neue Finanzhilfenetz des Bundes im Spiegel des Föderalismus. Das Deutsche Verwaltungsblatt (DVBl.) 24/2019. S. 1589, 1593. 6 Speiser, G. (2020): Bundesfinanzhilfen im Bildungsbereich. Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2020. S. 14, 18. 7 Deutscher Bundestag (2019): Plenarprotokoll 19/83 vom 2102.2019. S. 9696. 8 Deutscher Bundestag (2018): Drucksache 19/6144 vom 28.11.2018. S. 16. 9 Speiser, G. Siehe Fn. 6. S. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 6 „Ausgaben für investive Begleitmaßnahmen über Finanzhilfen nur dann gefördert werden können, wenn sie mit der Investition selbst in einem engen Zusammenhang stehen, sie mithin unverzichtbar sind, um die Investition selbst überhaupt nutzbar machen zu können […].“10 Dass die Ausgaben „unverzichtbar“ für die Nutzbarmachung der Investition sein müssen, was tendenziell über eine „Erforderlichkeit“ noch hinausgehen dürfte, hat jedoch im Wortlaut des Art. 104c GG keinen Niederschlag gefunden.11 Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens verwies das Bundesfinanzministerium (BMF) in seinem Monatsbericht von Mai 2019 darauf, dass die besonderen Ausgaben für besondere nicht investive Maßnahmen anfallen müssen, „die zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich sind.“12 Eine darüberhinausgehende Auseinandersetzung mit dem Merkmal „unmittelbar verbundene […] Ausgaben“ fehlt sowohl in der Debatte zum Gesetzgebungsverfahren als auch in der juristischen Literatur. Das Grundgesetz kennt das Kriterium der Unmittelbarkeit in anderen Zusammenhängen und meint dort beispielshaft das Fehlen einer Zwischeninstanz13, eine Begrenzung der Zurechnung nach der Kausalität14 sowie eine Gleichzeitigkeit und Gleichrangigkeit.15 Das Kriterium der Verbundenheit meint eine Konnexität im Sinne einer Anbindung oder Verknüpfung. Diese Überlegungen zugrunde gelegt, unterscheiden sich „unmittelbar verbundene […] Ausgaben“ insofern von nur mittelbar verbundenen Ausgaben, als letztere nachrangig, zeitlich nachgeordnet oder erst nach weiteren Zwischenschritten anfallen. Der Wortlaut der Art. 104c GG („mit diesen [den Investitionen] unmittelbar verbundene […] Ausgaben“) erfordert einen dahingehenden Infrastrukturbezug, dass die Ausgaben mit der Nutzbarmachung der Investition unmittelbar im Zusammenhang stehen und zur Verwirklichung 10 Bundesrat (2019): Plenarprotokoll 975 vom 15.03.2019. Anlage 2: Erklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg). S. 109. 11 So auch Speiser, G. Siehe Fn. 6. S. 17. 12 Bundesfinanzministerium (2019): Monatsbericht des BMF Mai 2019. Neue Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung der Länder in wichtigen Investitionsbereichen. S. 29, 31. 13 Klein, in: Maunz/Dürig-Klein. Art. 38 Rn. 100 betreffend den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. 14 Kube in: BeckOK Grundgesetz. 43. Aufl. 2020. Art. 106 Rn. 47 betreffend den Sonderlastenausgleich. 15 Siekmann, in: Sachs. Art. 114 Rn. 15 betreffend die Berichtspflichten im Rahmen der Finanzkontrolle des Bundes. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 7 des Investitionszwecks erforderlich sein müssen. Die Förderung nicht-investiver Ausgaben ist zudem zeitlich auf die Begleitphase der Investition beschränkt.16 2.2. Anwendung auf mögliche konkrete Maßnahmen zur Kompensation von Lernrückständen Förderfähig ist die Schulung des pädagogischen Personals17 zur Nutzung der neuen digitalen Infrastrukturen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Studien zufolge Investitionen in die Infrastruktur allein nicht als ausreichend angesehen werden, um Digitalisierung im Schulalltag sinnvoll einsetzen zu können. So konstatiert eine Studie aus dem Jahr 2015, dass: „[...] die Staaten, die in den letzten Jahren verstärkt in die Ausstattung der Schulen investiert haben, in den vergangenen zehn Jahren keine nennenswerten Verbesserungen der Schülerleistungen in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik oder Naturwissenschaften erzielen konnten. Die verstärkte Nutzung digitaler Medien führt offensichtlich nicht per se zu besseren Schülerleistungen. Vielmehr kommt es auf die Lehrperson an."18 Zu ähnlichen Feststellungen gelangt eine Studie aus dem Jahr 2017 in Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz (KMK): „Neben den unterschiedlichen Funktionsweisen verschiedener Lernprogramme ist entscheidend für die Lernwirksamkeit, dass sich Lehrkräfte mit der Materie auseinandersetzen, sich weiterbilden und digitale Medien durchdacht in das Unterrichtskonzept integrieren.“19 Die KMK selbst formuliert in ihrer Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ in der Fassung von Dezember 2017: „Alle Lehrkräfte müssen selbst über allgemeine Medienkompetenz verfügen und in ihren fachlichen Zuständigkeiten zugleich „Medienexperten“ werden. […] Für sich bereits im Schuldienst befindende Lehrkräfte sind Fortbildungsmaßnahmen erforderlich, damit angesichts 16 Deutscher Bundestag (2018). Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses. Drucksache 19/6144 vom 28.11.2018. S. 16. Siehe auch Verweis in Art. 104c S. 2 GG auf Art. 104b Abs. 2 S. 6 GG. 17 Vgl. § 3 Abs. 4 des Zusatzes zur Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019 bis 2024 („Sofortausstattungsprogramm“)“ vom 04.07.2020, der „notwendige Kosten für Schulungen“ ausdrücklich umfasst. Weniger eindeutig hingegen die „Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019 bis 2024“ vom 17.05.2019. 18 Bos, W. (2015): Schule digital. Der Länderindikator 2015. Institut für Schulentwicklung IFS, TU Dortmund. Eine Studie für die Deutsche Telekom. S. 8. Abrufbar unter: https://www.telekomstiftung.de/sites/default/files/schuledigital_2015_web.pdf. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) 19 Hillmayr, D. u.a. (2017): Digitale Medien im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht der Sekundarstufe. Einsatzmöglichkeiten, Umsetzung und Wirksamkeit. Studie in Zusammenarbeit mit der KMK. S. 26. Abrufbar unter: https://www.waxmann.com/?eID=texte&pdf=3766Volltext.pdf&typ=zusatztext. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 8 der schnellen technischen Veränderungen die vorhandenen Kompetenzen ausgebaut und weiterentwickelt werden.“20 Ebenfalls förderfähig ist die Einstellung von Lehrpersonal, das befristet einen investiv bedingten, vorübergehend höheren Lehraufwand abfängt.21 Ein höherer Lehraufwand dürfte sich daraus ergeben, dass das bestehende Lehrpersonal zeitweise verstärkt durch Schulungen und Fortbildungen im Umgang mit der neuen digitalen Infrastruktur eingebunden ist. Auch ein erhöhter Lernaufwand und Förderbedarf auf Schülerseite könnte die Finanzierung zusätzlichen Lehrpersonals rechtfertigen. So deuten die Ergebnisse der Bildungsbarometer- Sonderauswertung Corona des ifo Instituts darauf hin, dass die Corona-Krise die ohnehin schon hohe Bildungsungleichheit in Deutschland weiter verschärft haben dürfte. Auch stellen die Schulschließungen dieser Studie zufolge für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler vermutlich eine besondere Herausforderung dar, da ihnen das selbständige Erarbeiten von Lerninhalten zu Hause vergleichsweise schwerfallen dürfte.22 Reine Nachhilfekosten zur Kompensation von Lernrückständen überschreiten mangels Infrastrukturbezugs die Grenzen der Förderfähigkeit im Rahmen des Art. 104c GG. Führt man sich jedoch vor Augen, dass auch Schülerinnen und Schüler für Digitalisierung geschult werden müssen, ergeben sich wiederum Spielräume für Maßnahmen. Während Kinder aus sozial privilegierten Familien von den familiären Bildungsangeboten profitieren, fehlen in anderen sozialen Herkunftsgruppen familiäre Anregungs- und Unterstützungsmechanismen.23 Dies gilt auch für die Unterstützung im Umgang mit digitalen Lernmitteln. Es lässt sich gut begründen, dass Nachhilfe, welche die Schülerinnen und Schüler an neu geschaffene digitale Infrastrukturen und Lernmethoden heranführt, mit der Nutzbarmachung der Investition in einem unmittelbaren Zusammenhang steht und zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich ist. Eine gleichzeitige Vermittlung pädagogischer Inhalte dürfte den von Art. 104c GG geforderten Zusammenhang zur Infrastrukturinvestition nicht ausschließen. In den Blick zu nehmen ist der Umstand, dass sich digitale Lernmethoden am konkreten Anwendungsfall eines Schulfachs wesentlich leichter vermitteln lassen dürften als in abstrakter Form. Fachdidaktik und digitalisiertes Lernen gehen insofern Hand in Hand. Ein Verbot einer solchen Doppelnutzung lässt sich aus dem Wortlaut des Art. 104c GG nicht herleiten. 20 KMK (2017): Strategie der KMK „Bildung in der digitalen Welt“. Beschluss der KMK vom 08.12.2016 in der Fassung vom 07.12.2017. S. 24 ff. Abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Digitalstrategie_2017_mit_Weiterbildun g.pdf. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) 21 Speiser, G. Siehe Fn. 6. S. 18. 22 Ifo Forschungsergebnisse. Siehe Fn. 1. S. 29 ff. 23 Ternès, A.; Schäfer, M. (2020): Digitalpakt – was nun? Ideen und Konzepte für zukunftsorientiertes Lernen Springer. S. 73 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 9 Eine Grenze der Finanzierbarkeit durch den Bund ist zu ziehen, wo nicht-investive Ausgaben nur unter dem Vorwand oder bei Gelegenheit einer Infrastrukturinvestition getätigt werden. Der bloße Verweis auf eine Infrastrukturinvestition wäre nicht ausreichend. Die sonstigen Ausgaben müssen vielmehr die Nutzbarmachung der Infrastrukturinvestition bedingen, um nach Art. 104c GG zulässig zu sein. Andernfalls läge eine unzulässige Umgehung vor. 3. Fazit Um die Lernrückstände aufgrund der Corona-bedingten Schulschließungen aufzuholen, eröffnet der neu ins Grundgesetz eingeführte Art. 104c GG in seiner geänderten Fassung Möglichkeiten der Finanzierung durch den Bund – beispielsweise für Schulungen von Lehrpersonal und Schülerinnen und Schülern im Umgang mit den neuen digitalen Infrastrukturen. Wo der geforderte Bezug zur Infrastrukturinvestition fehlt, ist der Anwendungsbereich des Art. 104c GG überschritten. So bleiben beispielsweise klassischer Nachhilfeunterricht oder die unbefristete Einstellung zusätzlichen Lehrpersonals Sache der Länder. Finanzhilfen auf der Grundlage von Art. 104c GG eröffnen Möglichkeiten, um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen sowie mit Hilfe von Digitalisierung Coronabedingte Lernrückstande aufzuholen bzw. im Falle zukünftiger Schulschließungen vorzubeugen. Nach Einschätzung von Beobachtern stellen die Erfordernisse der Digitalisierung die Länder darüber hinaus vor besondere Herausforderungen: Die Schülerzahlen steigen seit einigen Jahren wieder merklich; die demografisch bedingten Rückgänge beim Lehrpersonal sind höher als die Neueinstellungen; der Bedarf an Lehrkräften wächst vor allem für die naturwissenschaftlichtechnischen und digitalaffinen Schulfächer.24 Zugleich weisen zahlreiche Kommunen vor allem in westdeutschen Flächenländern eine sehr starke Verschuldung auf, die mittlerweile die Erfüllung nicht nur ihrer freiwilligen, sondern auch ihrer pflichtigen Aufgaben erheblich beeinträchtigt.25 24 Scheller, H. (2019): "Digitalpakt Schule". Föderale Kulturhoheit zulasten der Zukunftsfähigkeit des Bildungswesens ? Aus Politik und Zeitgeschichte 27-28/2019. Abrufbar unter: https://www.bpb.de/apuz/293122/digitalpaktschule -foederale-kulturhoheit-zulasten-der-zukunftsfaehigkeit-des-bildungswesens?p=0. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) 25 Schmidt, I. (2020). Kommunale Entschuldung durch den Bund zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse? Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2020. S. 818. Mit Verweis auf Statistisches Bundesamt (2020): Vorläufiger Schuldenstand der Gemeinden/Gemeindeverbände am 31.03.2020. Abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Oeffentliche-Finanzen/Schulden-Finanzvermoegen/Tabellen/listevorlaeufiger -schuldenstand-gemeine-gemeindeverbaende.html. (Letzter Zugriff: 18.09.2020) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 052/20 Seite 10 Diese Herausforderungen können nicht umfassend über Art. 104c GG gelöst werden. Sollen diese Probleme angegangen werden, so wäre eine grundlegendere Reformdebatte über die Finanzausstattung der Länder zu führen.26 *** 26 Vgl. exemplarisch Scheller, H. Siehe Fn. 24.; Speiser, G. Siehe Fn. 6. S. 22 f.; Leisner-Egensperger, A. Siehe Fn. 5. S. 1594 f.