© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 052/16 Kurzdarstellung zum Zusammenhang von Schulpflicht und Homeschooling in Deutschland Kurzinformation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz stellt das Schulwesen unter die alleinige Aufsicht des Staates. Abgeleitet wird daraus ein umfassender staatlicher Bildungs- und Erziehungsauftrag, der durch die Schulpflicht konkretisiert wird. In allen Bundesländern (Bildungspolitik liegt in Deutschland nach der föderalen Kompetenzordnung in der Zuständigkeit der Länder) ist daher die allgemeine Schulpflicht gesetzlich verankert. Sie ist in den jeweiligen Schulgesetzen aufgeführt, in einigen wird sie sogar in der Landesverfassung genannt. Ausnahmen werden nur in seltensten Ausnahmen direkt von den Schulbehörden gestattet : für Kinder von Diplomaten, Schaustellern oder in Fällen besonderer Erkrankungen. Entziehen Eltern ihre Kinder der Schulpflicht, drohen Sanktionen. In den meisten Bundesländern sind Zuwiderhandlungen Ordnungswidrigkeiten, in fünf Bundesländern auch Straftaten, die mit hohen Geldbußen oder Freiheitsstrafen belegt werden. Eine Reihe von Gerichtsurteilen der letzten zehn Jahre hat diese Haltung immer wieder bestätigt. So führte das Bundesverfassungsgericht maßgebend für alle anderen Gerichte im Mai 2006 aus, dass Eltern nicht berechtigt sind, ihre Kinder aus religiöser Überzeugung vom Schulbesuch abzuhalten (vgl. BVerfG, 2 BvR 16937/04 vom 31.5.2016). Es sei zulässig, das elterliche Erziehungsrecht durch die allgemeine Schulpflicht zu beschränken. Denn der staatliche Erziehungsauftrag diene nicht nur dazu, Wissen zu vermitteln. Kinder sollten sich auch frei zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln können. Sie sollten zu verantwortlichen Staatsbürgern werden, die an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben können. Durch den gemeinsamen Schulbesuch sollten Kinder in das Gemeinschaftsleben hineinwachsen. Dabei könnten soziale Kompetenz im Umgang mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung eingeübt werden. Dies gelinge nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes noch besser, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und mit Menschen mit unterschiedlichen Meinungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern (schulische) Alltagserfahrungen sind. Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass die Gemeinschaft darüber hinaus berechtigterweise daran interessiert sei, dass möglichst keine religiös oder weltanschaulich geprägten `Parallelgesellschaften` entstehen. Minderheiten sollten integriert werden. Dabei setze Integration voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht selbst abgrenzen und sich mit Andersdenkenden und -gläubigen regelmäßig auseinandersetzen. Dies einzuüben und zu praktizieren sei eine wichtige Aufgabe der Schule. Das Bundesverfassungsgericht entschied auch, dass Eltern aufgrund ihres Rechts auf Glaubensfreiheit nicht beanspruchen können, dass ihre Kinder vollständig von der Darstellung fremder Glaubensbekundungen oder Absichten verschont bleiben. Außerdem wurde entschieden , dass weder der Sexualkunde- noch der Biologieunterricht das staatliche Neutralitätsgebot verletze. Und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte im September 2006 fest, dass die deutsche Schulbesuchspflicht mit europäischem Recht ebenso vereinbar sei wie mit der Menschenrechtskonvention (vgl. EGMR, Nr. 35 504/03 vom 11.9.2006). Zuletzt bestätigte das Bundesverfassungsgericht seine Haltung zur Bedeutung der Schulpflicht nochmals im Oktober 2014 und unterstrich, dass auch die in einigen Bundesländern bestehende strafrechtliche Sanktionierung bei dauernder oder hartnäckiger Entziehung der Kinder von der Schulpflicht rechtens sei (vgl. BVerfG, 2 BvR 920/14 vom 15.10.2014). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation WD 8 - 3000 - 052/16 Seite 5 Nichtsdestotrotz hat sich seit den neunziger Jahre eine - überschaubare – deutsche Hausschulbewegung herausgebildet. Nach deren eigenen Angaben praktizieren schätzungsweise über die letzten Jahre 300-500 Familien bei bis zu 1.000 Kindern in Deutschland das Homeschooling (vgl. Internetportal „Schulunterricht zu Hause“, Nachfrage im Juli 2016). Vorrangig handelt es sich dabei um sehr stark religiös motivierte Familien. Nach wie vor strengen einige dieser Familien Gerichtsverfahren an, um für ihr Anliegen der Freigabe der Heimbeschulung (aus unterschiedlichen Gründen) zu streiten. Andere Familien versuchen, sich den Behörden zu entziehen oder Sondergenehmigungen zu erhalten, vereinzelt emigrierten mehrere Familien medienwirksam, um die behördliche Unterbringung ihrer Kinder zu verhindern. Es wird daher von wissenschaftlicher Seite vermutet, dass auf Grund der Rechtssprechungssituation die Anzahl der Homeschooler in Deutschland (trotz eines allgemein zunehmenden Interesses) in den letzten 3-4 Jahren sogar eher noch ab- als zugenommen hat. Ende der Bearbeitung