© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 051/20 Rechtsinstrumente zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen Zu möglichen Grundlagen für Mengenerhebungs-, Bilanz- und Reduktionspflichten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 051/20 Seite 4 1. Einleitung Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist Gegenstand einer aktuellen politischen Diskussion. Der Ernährungspolitische Bericht 2020 konstatiert: „Die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ist aus ethischer, ökologischer und ökonomischer Sicht geboten und stellt eine wichtige Aufgabe für Politik, Wirtschaftsbeteiligte , Verbraucherinnen und Verbraucher, Wissenschaft und Zivilgesellschaft dar.“1 Die Reduktion von Lebensmittelabfällen setzt eine valide Datenerhebung u.a. bei lebensmittelerzeugenden und -verarbeitenden Betrieben voraus. Am 29. Juni 2020 fand eine öffentliche Anhörung vor dem Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Lebensmittelverschwendung stoppen“2 statt. Inhalt der Anhörung waren u.a. die rechtlichen Möglichkeiten, Mengenerhebungs- und Bilanzpflichten normativ festzulegen, um eine Datengrundlage zur Bewertung von Lebensmittelabfällen zu schaffen. Die für die öffentliche Anhörung vorgelegte Stellungnahme des World Wide Fund For Nature Deutschland (WWF) verweist diesbezüglich auf einen Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem Jahr 2016. Dieser UBA-Bericht „Entwicklung von Instrumenten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen“3 erfährt im Folgenden eine eingehendere Betrachtung. 2. Rechtsinstrumente des BImSchG Der UBA-Bericht beleuchtet ausführlich die rechtlichen Möglichkeiten zur Vermeidung von Lebensabfällen im Rahmen des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG). Er unterscheidet dabei zwischen Betreibern genehmigungsbedürftiger Anlagen und Betreibern nicht-genehmigungsbedürftiger Anlagen im Sinne des BImSchG. 2.1. Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen Welche Anlagen einer Genehmigung bedürfen, ergibt sich aus dem Anhang 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV).4 Anlagen zur Herstellung von Nahrungsund Genussmitteln sind erst ab einer bestimmten industriellen Produktionskapazität erfasst (siehe dort unter Ziff. 7). Zieht die Größe und Leistung des Betriebes eine Genehmigungsbedürftigkeit im Sinne des BImSchG nach sich, so enthält § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG bestimmte Pflichten auch im Hinblick auf die Vermeidung von Abfällen. 1 Bericht der Bundesregierung zur Ernährungspolitik, Lebensmittel- und Produktsicherheit – Gesunde Ernährung, sichere Produkte. Bundestagsdrucksache 19/19430 vom 22.5.2020 S. 38. 2 Bundestagsdrucksache 19/14358 vom 23.10.2019 3 Abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-von-instrumenten-zur-vermeidung -von (letzter Zugriff: 22.9.2020). 4 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_4_2013/ (letzter Zugriff: 24.9.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 051/20 Seite 5 „§ 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen (1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt […] 3. Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; […]“ Diese Betreiberpflichten lassen nach Einschätzung des UBA5 auch Pflichten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen denkbar erscheinen, wenn sie auf lebensmittelherstellende oder -verarbeitende Betriebe anwendet werden. Bei Betreibern von Neuanlagen hat die zuständige Genehmigungsbehörde die Erfüllung der Betreiberpflichten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG im Rahmen der Genehmigungserteilung sicherzustellen . Dem Betreiber könnten Pflichten zur Abfallvermeidung sowie Mengenerfassungs- und Bilanzpflichten im Wege einer Nebenbestimmung zur Genehmigung (§ 12 BImSchG) auferlegt werden.6 Nachträglich erscheint es, so der UBA-Bericht7, schwieriger, den Anlagebetreibern umfassendere Pflichten zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten aufzuerlegen. Zwar können gegenüber Betreibern von Bestandsanlagen nachträgliche Anordnungen auf der Grundlage von § 17 BImSchG getroffen werden. § 17 Abs. 2 S. 1 BImSchG beinhaltet jedoch die folgende Einschränkung: „Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.“ Dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfte für nachträgliche Anordnungen von Mengenerhebungs -, Bilanz- und Reduktionspflichten ein erhebliches Klagerisiko begründen. Eine rechtliche Auseinandersetzung würde die angestrebte Datenlieferung wesentlich verzögern. An der Eignung 5 UBA-Bericht, S. 157. 6 UBA-Bericht, S. 159. 7 UBA-Bericht, S. 160. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 051/20 Seite 6 dieses Instruments für die zeitnahe Schaffung einer validen Datengrundlage über Lebensmittelabfälle äußert der UBA-Bericht daher nachvollziehbare Zweifel. Gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 BImSchG soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BImSchG ganz oder teilweise widerrufen, wenn eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden darf. Dass die Genehmigungsbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG) oder aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG) berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, dürfte sich vorliegend nicht begründen lassen. Auch ein Widerruf der Genehmigung, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen (§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BImSchG), dürfte ausscheiden.8 Schließlich verweist der UBA-Bericht kurz auf die Möglichkeit des Erlasses eines Änderungsbescheides zur bestehenden Genehmigung. Ein solcher Änderungsbescheid dürfte indes nur solange in Betracht kommen, wie die Genehmigung noch nicht bestandskräftig geworden ist.9 Diese zeitliche Dimension schränkt die Praxistauglichkeit eines Änderungsbescheides zur Auferlegung von Mengenerhebungs-, Bilanz- und Reduktionspflichten erheblich ein. 2.2. Betreiber nicht-genehmigungsbedürftiger Anlagen Betriebe der Lebensmittelverarbeitung und des Lebensmittelhandels sowie Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung dürften überwiegend den im Anhang 1 der 4. BImSchV geforderten Betriebsumfang nicht erreichen.10 Für die Betreiber solcher nicht-genehmigungsbedürftigen Anlagen gelten die Pflichten des § 22 Abs. 1 BImSchG. „§ 22 Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen (1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass […] 3. die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller 8 Diese Schwelle wäre erst überschritten, wenn das körperliche Wohlbefinden von Menschen in einem Maße beeinträchtigt wird, dass ein geordnetes menschliches Zusammenleben nachhaltig gestört wird, oder wenn durch den Anlagenbetrieb bedeutende Sachwerte geschädigt werden, vgl. Landmann/Rohmer, Umweltrecht/Hansmann /Röckinghausen, 92. EL Februar 2020, BImSchG § 21 Rn. 44. 9 BeckOK UmweltR/Giesberts BImSchG § 12 Rn. 7 f. unter Verweis auf die Grundsätze der reformatio in peius. 10 Laut UBA-Bericht (S. 161) stellen nicht-genehmigungsbedürftige Anlagen den Großteil der lebensmittelverarbeitenden Betriebe (z.B. Großküchen) dar. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 051/20 Seite 7 oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. […]“ Anders als § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG stellt § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSchG nur auf die Beseitigung von Abfällen ab, nicht aber auf deren Vermeidung. Daher bestünden gegenüber Betreibern nicht-genehmigungsbedürftiger Anlagen weder vermeidungsbezogene Betreiberpflichten, noch könnten solche Vermeidungspflichten über Anordnungen im Einzelfall auferlegt werden. 11 Jedoch ermöglicht § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG den Erlass einer Rechtsverordnung, mit der die Geltung der abfallrechtlichen Betreiberpflichten für genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf näher zu bestimmende nicht genehmigungsbedürftige Anlagen erstreckt wird. Diese Verordnungsermächtigung wurde durch Art. 2 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 27. September 199412 in das BImSchG aufgenommen . Bislang wurde keine Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erlassen. Mit diesem Instrument wäre nach Auffassung des UBA die Festlegung von Mengenerhebungs - und Bilanzpflichten für bestimmte nicht-genehmigungsbedürftige Anlagen, wie beispielsweise Großküchen, denkbar.13 Bedenken könnten sich mit Blick auf die Gesetzesbegründung ergeben, der zu entnehmen ist, dass „nur Anlagen betroffen sind, deren Rückstandserzeugung von erheblicher Bedeutung für die Kreislaufwirtschaft oder Abfallentsorgung sind. Diesem Gesichtspunkt soll in der Rechtsverordnung durch entsprechende Bagatellschwellen Rechnung getragen werden.“14 Unter Zugrundelegung dieser Gesetzesbegründung dürfte eine Anwendbarkeit der Verordnungsermächtigung auf Betriebe der Lebensmittelverarbeitung und des Lebensmittelhandels sowie auf Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung eher zweifelhaft sein. 2.3. Ergebnis Mit Blick auf das politische Anliegen, zeitnah einen empirischen Überblick über Lebensmittelabfälle zu erhalten, erscheinen die Instrumente des BImSchG nicht hinreichend zielführend. Praktikabel und rechtlich durchsetzbar dürfte die Auferlegung von Mengenerhebungs-, Bilanz- und Reduktionspflichten einzig für genehmigungsbedürftige Neuanlagen sein. Dies dürfte indes nur ei- 11 UBA-Bericht, S. 160. 12 BGBl. I 1994 S. 2705. 13 UBA-Bericht S. 161. 14 Bundestagsdrucksache 12/5672 vom 15.9.1993. Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Rückständen, Verwertung von Sekundärrohstoffen und Entsorgung von Abfällen. S. 43. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 051/20 Seite 8 nen kleinen Bruchteil der Betriebe im Bereich der Lebensmittelverarbeitung, des Lebensmittelhandels und der Gemeinschaftsverpflegung betreffen.15 Die Schaffung einer aussagekräftigen Statistik dürfte auf diesem Wege wohl eher nicht zu erwarten sein. 3. Rechtsinstrumente des UStatG Außerhalb des BImSchG beleuchtet der UBA-Bericht noch weitere denkbare Rechtsinstrumente zur Festlegung von Mengenerhebungs-, Bilanz- und Reduktionspflichten mit dem Ziel der Vermeidung von Lebensmittelabfällen.16 Als zur Zielerreichung geeignet sieht das UBA die Beschaffung von Lebensmittelinformationen durch eine Rechtsverordnung auf der Grundlage des Umweltstatistikgesetzes (UStatG)17 an. 3.1. Bestehende Instrumente des UStatG „Das Gesetz dient nach § 1 UStatG „für Zwecke der Umweltpolitik und zur Erfüllung europaund völkerrechtlicher Berichtspflichten“. Erfasst werden nach § 2 Abs. 2 UStatG Wirtschaftszweige nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006. Hierzu zählen auch die Bereiche Lebensmittelproduktion und -verarbeitung. Erhebungen aus dem Abfallsektor werden besonders hervorgehoben. Nach § 3 Abs. 1 UStatG werden Erhebungen bei den Betreibern von zulassungsbedürftigen Anlagen durchgeführt. Gemeint sind hiermit ausweislich der Gesetzesbegründung Abfallentsorgungsanlagen. […] Die Erhebungen nach § 3 UStatG richten sich danach nicht an Lebensmittelerzeuger und -verarbeiter. Dennoch hat die Erhebung eine gewisse Relevanz für die Ermittlung von Lebensmittelabfällen, jedenfalls soweit in Abfallentsorgungsanlagen Lebensmittelabfälle behandelt werden. […] Wie hoch der Prozentsatz der Lebensmittelabfälle ist, die hätten vermieden werden können, lässt sich aus diesen Zahlen jedoch nicht ableiten. § 3 UStatG bietet auch keine Rechtsgrundlage dafür, Daten statistikgerecht aufzubereiten. Nach geltendem Recht kann daher nicht verlangt werden, dass Abfallerzeuger und -behandler ihre Daten so aufbereiten, dass daraus der Anteil der vermeidbaren Lebensmittelabfälle ableitbar ist.“18 „§ 4 UStatG betrifft die Entsorgung nachweispflichtiger Abfälle, d.h. insbesondere gefährlicher Abfälle sowie die Abfallverbringung und ist daher für Lebensmittelverluste regelmäßig nicht rele- 15 UBA-Bericht S. 161. Siehe Fußnote 9. 16 Kreislaufwirtschaftsgesetz (S. 140 ff., „kein taugliches Instrument zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen“ S. 148); Ökodesign-Richtlinie (S. 150 ff, „mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden […] kann daher nicht empfohlen werden“ S. 153); Instrumente des Informationsfreiheitsrechts (S. 153 ff., „geht […] ohne eine Verbesserung der entsprechenden behördlichen Datenlage häufig ins Leere“ S. 157); Vergaberecht (S. 161 ff. „eignet sich […] in hohem Maße als Instrument zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten […] allerdings tun sich hier gewisse Lücken auf“ S. 164). 17 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/ustatg_2005/BJNR244610005.html (letzter Zugriff: 24.9.2020). 18 UBA-Bericht, S. 148 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 051/20 Seite 9 vant. Gleiches gilt für § 5 Abs. 1 UStatG (Bauabfälle). Nach § 5 Abs. 2 UStatG werden Erhebungen zu Verpackungsabfällen durchgeführt. Dies betrifft auch Lebensmittelverpackungen, aber nicht deren Inhalte.“19 Der UBA-Bericht kommt zu dem Zwischenergebnis, dass das UStatG mit seinen bestehenden Instrumenten für das politische Ansinnen, Lebensmittelabfälle empirisch aufzuarbeiten, nicht weiterhilft . 3.2. Verordnung auf der Grundlage von § 17 UStatG Es könne aber laut UBA-Bericht20 darüber nachgedacht werden, bei bestimmten lebensmittelerzeugenden und -verarbeitenden Betrieben (z.B. ab einer bestimmten Erzeugungs- und Verarbeitungsmenge ) statistische Daten zu erheben, um Lebensmittelabfälle nicht erst beim Abfallentsorger , sondern bereits beim Abfallerzeuger erfassen könnten. Dies ließe sich nach Ansicht des UBA ggf. über eine Verordnung auf der Grundlage von § 17 UStatG erreichen. „§ 17 Verordnungsermächtigung Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für nach diesem Gesetz durchzuführende Erhebungen […] b) einzelne neue Merkmale einzuführen, wenn dies zur Deckung eines geänderten Bedarfs für Zwecke der Umweltpolitik erforderlich ist und durch gleichzeitige Aussetzung anderer Merkmale eine Erweiterung des Erhebungsumfangs vermieden wird; nicht eingeführt werden können Merkmale, die die Höhe von Umsätzen, Einnahmen oder Gewinnen, Bildungs- oder Sozialdaten oder besondere Arten personenbezogener Daten nach § 3 Abs. 9 des Bundesdatenschutzgesetzes betreffen; c) die Erhebung von Merkmalen anzuordnen, soweit dies zur Umsetzung oder Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist.“ Die Verordnungsermächtigung wurde mit dem Gesetz zur Straffung der Umweltstatistik vom 16. August 200521 in das UStatG eingefügt. Dem Gesetzesentwurf lässt sich die folgende Begründung entnehmen: 19 UBA-Bericht, S. 149. 20 UBA-Bericht, S. 150. 21 BGBl. I 2005 S. 2446. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 051/20 Seite 10 „Die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Nummer 2 ist erforderlich, damit die Ausprägungen einzelner Erhebungsmerkmale ohne Gesetzesänderungen aktuellen sachlichen Erfordernissen angepasst werden können.“22 § 17 Buchst. b) UStatG ermächtigt dazu, durch Rechtsverordnung „einzelne neue Merkmale einzuführen “, und zwar „für nach diesem Gesetz durchzuführende Erhebungen“. Die Einführung neuer Merkmale für Abfallerhebungen nach § 3 ff. UStatG dürfte nicht zielführend im Sinne der Fragestellung sein. Diese Erhebungen betreffen vom Adressatenkreis her nur Abfallentsorgungsanlagen . Ebenso wenig dürfte die Einführung neuer Merkmale für Abfallerhebungen nach § 4 UStatG weiterhelfen. Hier sind Erhebungen nur für gefährliche Abfälle (§ 4 Nr. 1 UStatG) bzw. die Verbringung von Abfällen (§ 4 Nr. 2 UStatG) vorgesehen. Schließlich stellt auch der Adressatenkreis von § 5 Abs. 2 UStatG nicht auf Betriebe der Lebensmittelverarbeitung, des Lebensmittelhandels oder auf Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung ab. Anstelle der Einführung einzelner neuer Merkmale bedürfte es vorliegend der Schaffung einer neuen Kategorie der Abfallerhebung mit einem neuen Adressatenkreis. Von einzelnen Stimmen in der juristischen Literatur wird argumentiert, dass die Verordnungsermächtigung des § 17 UStatG den Spielraum des Verordnungsgebers in so erheblicher Weise einengen würde, dass von einem Verbleiben der wesentlichen Entscheidungen bei dem Gesetzgeber auszugehen sei.23 Diese Bedenken dürften für das hier beleuchtete politische Anliegen zutreffend sein. 3.3. Ergebnis Möglichkeiten der Verankerung von Mengenerhebungs- und Bilanzpflichten ergeben sich nur in eingeschränkter Weise aus dem BImSchG. Da die bestehenden Instrumente für Abfallerhebungen in § 3-5 UStatG nicht weiterhelfen dürften und die einschlägige Verordnungsermächtigung in § 17 UStatG zu eng gefasst sein dürfte, erscheint eine Änderung des UStatG ein mögliches Instrument, um Betrieben im Bereich der Lebensmittelverarbeitung , des Lebensmittelhandels und der Gemeinschaftsverpflegung Mengenerhebungs - und Bilanzpflichten aufzuerlegen. Hinsichtlich der normativen Festlegung von Reduktionspflichten könnten beispielsweise eine Regelung in einem eigenständigen Gesetz oder eine Änderung des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände - und Futtermittelgesetzbuches (LFGB)24 mögliche Ansatzpunkte darstellen. *** 22 Drucks. 15/5538 vom 26.5.2005 S. 30. 23 Landmann/Rohmer UmweltR/Spiecker UStatG § 17 Rn. 5. 24 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/lfgb/ (letzter Zugriff: 28.9.2020).