WD 8 - 3000 - 049/21 (12. Mai 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. In Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa (Luftqualitätsrichtlinie )1 enthält die Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV)2 rechtlich verbindliche Immissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe. Überschreiten die Werte für Schadstoffe in der Luft in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen einen Immissionsgrenzwert , so erstellen die zuständigen Behörden für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftreinhaltepläne, in denen Maßnahmen zur Erreichung der Immissionsgrenzwerte und zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festgelegt werden (§ 47 Abs. 1 BImSchG, § 27 Abs. 1 der 39. BImSchV). Hinsichtlich der Emissionsquelle3 Straßenverkehr kommen dabei auch Fahrverbote für bestimmte Diesel- und Ottomotorfahrzeuge in Betracht. § 12 Abs. 2 der 39. BImSchV legt die Modalitäten und den Zeitrahmen für die Überprüfung der Einstufung der Gebiete und Ballungsräume hinsichtlich der Belastung mit den Luftschadstoffen Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Feinstaubpartikel (PM10 und PM2,5), Blei, Benzol und Kohlenmonoxid fest. Eine solche Überprüfung erfolgt spätestens alle fünf Jahre. Bei signifikanten Änderungen der Aktivitäten, die für die Konzentration von Schadstoffen in der Luft von Bedeutung sind, findet eine Überprüfung je nach Signifikanz in kürzeren Intervallen statt. Je größer die Veränderungen ausfallen, desto kürzer werden die Abstände der Überprüfung. 1 Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11.6.2008, S. 1), https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02008L0050-20150918&from=EN. 2 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) vom 2.8.2010 (BGBl. I S. 1065), die zuletzt durch Artikel 112 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet .de/bimschv_39/BJNR106510010.html. 3 Weitere relevante Emissionsquellen sind insbesondere Industrieprozesse, Gebäudeheizungen und die Landwirtschaft , vgl. mit Blick auf Feinstaubemissionen https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1090820/umfrage /luftverschmutzung-nach-verursachergruppen-in-deutschland/. Die Anteile variieren jeweils nach den lokalen Gegebenheiten. Verkehrsbezogene Feinstaubemissionen entstehen auch durch den Abrieb von Reifen und Bremsen oder Staubaufwirbelungen. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Evaluation von Umweltzonen und Fahrverboten Kurzinformation Evaluation von Umweltzonen und Fahrverboten Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Feinstaub (PM10 und PM2,5), Blei, Benzol und Kohlenmonoxid gelten die in Anlage 2 der 39. BImSchV festgelegten oberen und unteren Beurteilungsschwellen. Je nach Luftschadstoff werden unterschiedliche Anforderungen präzisiert (Einstunden-Immissionsgrenzwert, Vierundzwanzigstunden-Immissionsgrenzwert, Jahresgrenzwert , Achtstundenmittelwert, Vierundzwanzigstundenmittelwert, Jahresmittelwert). Erforderlich ist die Einhaltung sämtlicher Grenzwerte an den konkreten Messstationen. Gemäß § 26 Abs. 3 der 39. BImSchV bemühen sich die zuständigen Behörden darum, die bestmögliche Luftqualität aufrechtzuerhalten und berücksichtigen dieses Ziel bei allen für die Luftqualität relevanten Planungen. Dieses sog. Verschlechterungsverbot ist Gegenstand der gesetzlich festgelegten planerischen Abwägung.4 Im Wege der Fortschreibung eines Luftreinhalteplans kann dieser geändert werden und etwa die Aufhebung einer Umweltzone mit Fahrverboten vorsehen. In Ansehung des Verschlechterungsverbotes und des Zieles einer dauerhaften Verminderung von Luftschadstoffen genügt hierfür eine nur temporäre oder saisonale Verbesserung der Luftqualität nicht. Vielmehr bedarf es einer gesicherten Unterschreitung aller Immissionsgrenzwerte, damit die rechtliche Grundlage für die Anordnung von verkehrlichen Maßnahmen aus Gründen der Luftreinhaltung entfällt. Dies dürfte nur bei einer mehrjährigen Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte und einer fortlaufenden Verbesserung der Luftqualität der Fall sein.5 Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur Mobilität im zweiten Lockdown kam zu dem Ergebnis, dass immer mehr Menschen den privaten PKW nutzten und gleichzeitig die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zurückging.6 Seit dem ersten Lockdown 2020 wertet die Verkehrsinformationszentrale Berlin (VIZ) die Entwicklung der Verkehrsstärke an ausgewählten Messstellen im Hauptverkehrsstraßennetz aus, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus auf die Mobilität zu verfolgen. Der VIZ zufolge erreichten die Verkehrsstärken im März 2021 wieder Verkehrsstärken von 85 % - 90 % der gemessenen durchschnittlichen werktäglichen Verkehrsstärke des Jahres 2019. Damit befanden sie sich wieder auf einem Niveau vergleichbar mit dem frühen Herbst 2020, an einigen Messstellen sogar nahezu auf dem Niveau von Anfang März 2020 (vor dem ersten Lockdown).7 4 Landmann/Rohmer UmweltR/Röckinghausen, 93. EL August 2020, 39. BImSchV § 26. 5 Aus diesen Erwägungen wurde beispielsweise die Umweltzone Balingen zum 1.11.2020 aufgehoben. Vgl. Luftreinhalteplan für den Regierungsbezirk Tübingen, Teilplan Stadt Balingen, 1. Fortschreibung von Oktober 2020, https://rp.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/RP-Internet/Tuebingen/Abteilung_5/Referat_54.1/Luftreinhalteplaene /_DocumentLibraries/Luftreinhalteplan/lrp-bl-1-fortschreibung-lrp-bl.pdf. 6 DLR (2020), Dritte DLR-Befragung: Wie verändert Corona unsere Mobilität? https://verkehrsforschung .dlr.de/de/news/dritte-dlr-befragung-wie-veraendert-corona-unsere-mobilitaet. 7 VIZ Berlin (2021), Entwicklung der täglichen Verkehrsstärke während der Corona-Pandemie, Stand: 8.4.2021, https://viz.berlin.de/2020/12/verkehrsstaerke/. Kurzinformation Evaluation von Umweltzonen und Fahrverboten Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Das Umweltbundesamt (UBA) informiert über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Luftqualität in einem Presse-Dossier.8 Danach seien die bundesweit strengen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus vom 23. März 2020 bis zum 19. April 2020 (erster Lockdown) mit vermindertem Straßenverkehr verbunden gewesen. Dennoch seien Busse im ÖPNV und private PKW nach wie vor in den Städten unterwegs gewesen. Für den Lieferverkehr müsse sogar von einem zeitweise erhöhten Aufkommen ausgegangen werden. Ein deutliches Absinken der Stickstoffdioxid -Konzentrationen in Städten könne nicht erwartet werden. Weiter konstatiert das UBA: „Die positive Auswirkung der Maßnahmen der Corona-Krise wird nur ein kurzfristiger Effekt sein und so lange anhalten, wie die Reduzierung der Emissionen. Eine langfristige und dauerhafte Verbesserung der Luftqualität kann nur mit gezielter Luftreinhaltepolitik, z.B. der Umsetzung von Maßnahmen aus Luftreinhalteplänen, erreicht werden, die auf dauerhafte Veränderungen setzt.“ *** 8 UBA (2020), Pressedossier Corona und Umwelt, FAQ: Auswirkungen der Corona-Krise auf die Luftqualität, https://www.umweltbundesamt.de/faq-auswirkungen-der-corona-krise-auf-die#welche-auswirkungen-hat-diecorona -krise-auf-die-luftqualitat-.