© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 049/20 Thorium - Flüssigsalzreaktoren Sicherheitsaspekte Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 2 Thorium - Flüssigsalzreaktoren Sicherheitsaspekte Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 049/20 Abschluss der Arbeit: 23. September 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Konzept des Flüssigsalzreaktors 6 3. Projekte 7 4. Flüssigsalzreaktoren als „Klimaretter“? 10 5. Proliferation 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 4 1. Einleitung In den 60er Jahren wurden in den USA erste Versuche mit einem Flüssigsalz-Reaktor auf Uranbasis in den USA durchgeführt. Das Molten Salt Reactor Experiment (MSRE) wies die grundsätzliche Machbarkeit des Konzepts nach. Der Brutreaktor diente, im Vergleich zu den anderen Reaktorexperimenten des Oak Ridge National Laboratory ein paar Jahre als Versuchsreaktor mit verschiedenen Laufzeiten. Die Wissenschaftler untersuchten zwei Konzepte. Beide Konzepte basierten auf dem graphitmoderierten U-233/Thorium-Brennstoffzyklus. Bei einem Konzept befanden sich Uran bzw. Thorium in der gleichen Salzlösung, beim anderen waren Thoriumsalz und Salzlösung durch Graphit getrennt. Es traten zwei wesentliche Probleme der Versuchsanordnungen auf: Zum einen diffundiert Tritium , das in der Brennstoffsalzlösung durch Neutronenreaktionen mit Lithium in geringer Menge entsteht, durch die Wärmetauscherrohre. Tritium ist radioaktiv. Zum anderen waren die Korrosionsschäden zwar geringer als erwartet, aber das Spaltprodukt Tellur hatte Risse auf der Hastelloy -N-Oberfläche erzeugt. Experimente, die diese Probleme lösen sollten, sowie das gesamte Experiment , wurden deshalb 1973 beendet.1 Im Jahr 2001 haben sich neun Staaten zusammengeschlossen, um in den nächsten Dekaden die Generation IV (GenIV) neuer Reaktortypen zu entwickeln. Zunächst waren Argentinien, Brasilien , das Vereinigte Königreich, Frankreich, Japan, Kanada, Südafrika, Südkorea und die USA beteiligt , danach haben sich die Schweiz, Russland, China und Australien des GIF (Generation IV International Forum) angeschlossen. Die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) ist ebenfalls Mitglied des GIFs und Deutschland damit indirekt am GIF beteiligt. 1 Oak Ridge National Laboratory (ORNL) (2015). „MSRE's 50th“, https://www.ornl.gov/news/msres-50th Oak Ridge National Laboratory (ORNL) (2009). „An Account of Oak Ridge National Laboratory’s Thirteen Nuclear Reactors“, https://info.ornl.gov/sites/publications/files/Pub20808.pdf, Seite 9, 29-34 Ausschuss des norwegischen Forschungsrates des Öl- und Energieministeriums (2008). „Thorium som energikilde – Muligheter for Norge“, https://www.regjeringen.no/globalassets/upload/oed/pdf_filer/horinger/horingthoriumutvalgets -rapport/thoriumrapporten-norsk-versjon.pdf, Kapitel 5.3.3. Seite 47 Tritium ist ein Betastrahler wie das zur Altersbestimmung häufig angewandte 14C oder das sich in der menschlichen Muskulatur anlagernde Isotop 40K. Tellur schmilzt oberhalb von 450 °C. Tellurschmelzen greifen Kupfer, Eisen und rostfreien Edelstahl an. Hastelloy N = ist der Markenname einer Nickel-Basislegierung mit guten korrosiven Eigenschaften im Temperaturbereich von 704 bis 871°C, die im MSRE verwendet wurde. https://www.haynesintl.com/alloys/alloy-portfolio _/Corrosion-resistant-Alloys/hastelloy-n-alloy/principle-features Ye, X.X., (2016). The high-temperature corrosion of Hastelloy N alloy (UNS N10003) in molten fluoride salts analysed by STXM, XAS, XRD, SEM, EPMA, TEM/EDS, https://www.sciencedirect.com/science/article /abs/pii/S0010938X16300440?via%3Dihub s.a. chemie.de „Lexikon“ und Spektrum.de „Lexikon der Physik“ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 5 Grundsätzliche Entwicklungsziele der Reaktortypen sind die effektive Nutzung des Brennstoffs, erhebliche Reduzierung des Atommülls, Wettbewerbsfähigkeit, hohe Sicherheitsstandards und die Vermeidung von Missbrauch von waffenfähigem radioaktivem Material. Vier Reaktorsysteme haben sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet: - SFR (Sodium-Cooled Fast Reactor, schneller natriumgekühlter Reaktor); im Wesentlichen die Weiterentwicklung von seit Jahrzehnten bestehenden Reaktorsystemen - VHTR (Very High Temperature Reactor, Höchsttemperaturreaktor); Weiterentwicklung der Hochtemperatur-Reaktoren, wie z. B. des Kugelhaufenreaktors - LFR (Lead Cooled Fast Reactor, schneller bleigekühlter Reaktor); Weiterentwicklung von bestehenden kleinen Reaktoren für Schiffsantriebe - MSR (Molten Salt Reactor, Flüssigsalzreaktor), Konzept und Weiterentwicklungen eines 60er Jahre Konzepts. SFR und VHTR haben sich am stärksten durchgesetzt. Hinzu kommen kompakte, leistungsfähige Designkonzepte, die unter den Begriff SMR (Small Modular Reactor) fallen.2 Es gibt verschiedene Reaktortechnologien, bei denen Thorium als Brennmaterial zum Einsatz kommen kann.3 Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den bisher theoretischen Aspekten der Flüssigsalzreaktoren (MSR) und den theoretischen Sicherheitsaspekten dieser Technologie. 2 Spektrum der Wissenschaft (2017). „Kernkraftwerke der Zukunft“, https://www.spektrum.de/news/kernkraftwerke -der-zukunft/1527265 Nuklear Forum Schweiz (2018). Faktenblatt „Reaktorsysteme der Zukunft“, https://www.nuklearforum.ch/sites /default/files/folder-pdf/180713_Faktenblatt-Reaktorsysteme-der-Zukunft_d_Web.pdf Swissnuclear (2019). „Kernspaltung“, https://www.kernenergie.ch/de/zukunft/kerntechnik.html Generation IV International Forum (GIF) (2019). „Technology Systems“, https://www.gen- 4.org/gif/jcms/c_9353/systems Kloostermann, J.L. TU Delft (2016). Video „Thorium fuel cycle in Molten Salts Reactors“, https://www.youtube .com/watch?v=10K6sQhzEpM&feature=youtu.be Ein Artikel auf Telepolis beschreibt zusammenfassend das ursprüngliche Konzept des Thorium-Kugelhaufen- Reaktors und die geschichtlichen und technischen Zusammenhänge bis ins Jahr 2012: https://www.heise.de/tp/features/Thorium-als-Brennstoff-der-Zukunft-3392521.html 3 Schaffer, M.B. (2013). „Abundant thorium as an alternative nuclear fuel: Important waste disposal and weapon proliferation advantages“, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421513003157 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 6 2. Konzept des Flüssigsalzreaktors Weltweit gibt es deutlich mehr Thorium-Vorkommen als Uran-Vorkommen. Die weltweit existierenden Reaktoren nutzen meist den Uran-Plutonium-Zyklus (U-Pu). Ein weiterer Zyklus ist der Thorium-Uran 233-Zyklus (Th-U). Flüssigsalzreaktoren (MSR) können theoretisch beide Zyklen verwenden. Flüssigsalzreaktoren arbeiten mit flüssigen statt festen Brennelementen und werden nicht durch Wasser gekühlt. Stattdessen ist der Brennstoff, meist Thorium, in flüssigem Salz gelöst. Das Flüssigsalz dient zugleich als Brennstoff, Wärmeträger und Moderator. Pumpen lassen die Flüssigkeit zirkulieren. In diesem Kreislauf befindet sich auch ein Wärmetauscher. In der Flüssigkeit findet die Kernspaltung statt. Dabei wird Wärme frei. Diese Wärme läuft über einen Wärmetauscher, der die Wärme an eine Turbine abgibt, die wiederum elektrischen Strom erzeugt. Thorium selbst ist nicht spaltbar. Durch Neutroneneinfang entsteht das spaltbare Uran-233. Beim Spalten des Uran-233 entstehen im Mittel mehr als zwei Neutronen, von denen eins ein weiteres Uran-233 spalten kann. Als „Schneller Brüter“ kann diese Designtechnologie mehr spaltbares Material produzieren, als sie selbst verbraucht. Dieser Prozess läuft solange, bis das Thorium durch die Umwandlung in spaltbares Uran-233 aufgebraucht ist.4 Explosionsgefahr soll auch verringert werden, weil in der erwärmenden Flüssigkeit die Dichte des Thoriums abnimmt und damit die Aktivität verringert wird. Der Reaktor soll sich nach der Theorie selbst moderieren.5 Die auch beim Flüssigsalzreaktor bestehende Gefahr der Überhitzung soll durch einen Schutzmechanismus , der das Salz in einen unter dem Reaktor befindlichen Behälter abfließen lässt, im Störfall vermieden werden.6 Ein mögliches Unfallrisiko besteht durch die Nachzerfallswärme der starken Gammastrahler. Der radioaktive Zerfall des radioaktiven Abfalls ist zwar nach mehreren hundert Jahren beendet, aus der Zerfallskette von U-232 entstehen aber hochenergetisch durchdringende Gammastrahlen. 4 Nuklear Forum Schweiz (2015). Faktenblatt „Thorium als Kernbrennstoff – Potential für die Zukunft“, https://www.nuklearforum.ch/sites/default/files/folder-pdf/170101_Faktenblatt_Thorium_d_Web.pdf Schaffer, M.B. (2013). „Abundant thorium as an alternative nuclear fuel: Important waste disposal and weapon proliferation advantages“, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421513003157 Pelland, Br. „Kernenergie Schweiz“, orell füssli Verlag, Zürich 2013 Zu den betriebstechnischen Vorteilen und Einzelaspekten der Flüssigsalz-Reaktoren s.a.: Pfistner, Ch. et al. Öko-Institut e.V. (2017). „Neue Reaktorkonzepte. Eine Analyse des aktuellen Forschungsstands. Im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung“, https://energiestiftung.ch/files/energiestiftung/publikationen /pdf/2017_Oeko-Institut_Gen_IV.pdf, Kapitel 7 „Salzschmelze-Reaktoren (Molten Salt Reactors, MSR)“, Seite 74 und Kapitel 7.1. „Systembeschreibung“ 5 ebenda 6 ebenda Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 7 Aufgrund der radioaktiven Gammastrahlung besteht eine hohe Wärmeentwicklung. Deshalb wäre für eine sichere Endlagerung eine Kühlung notwendig.7 3. Projekte Bisher existiert kein Demonstrationsreaktor mit dem die MSR-Technologie für den praktischen Betrieb mit Thorium getestet werden könnte. Die derzeitigen Planungen beinhalten einen weiteren Zeithorizont von etwa 20 bis 30 Jahren zur Erstellung eines Demonstrationsobjekts. Die Sicherheitskonzepte würden am Demonstrationsreaktor erarbeitet werden. Eine geeignete Materialauswahl für die Sicherstellung der Korrosionsbeständigkeit, die dem hochgradig korrosiven und radioaktiven Medium langfristig widersteht, konnte noch nicht getroffen werden. Das starke korrosive Medium kann zu Leckagen in der Anlage führen. Erste wissenschaftliche Materialuntersuchungen hierzu wurden durchgeführt. Aufgrund der bisher fehlenden Korrosionsbeständigkeit der Komponenten von Flüssigsalzreaktoren haben Wissenschaftler weitere Untersuchungen an korrosionsbeständigen Legierungen durchgeführt. Die theoretischen Betriebstemperaturen von Flüssigsalzreaktoren sollen je nach Design etwa zwischen 600 bis 1000 °C liegen. Je höher die Temperatur, desto höher ist der Wirkungsgrad . Die Betriebsdauer soll mehrere Dekaden betragen. Die werkstoffkundlichen Untersuchungen führten die Experten beispielsweise bei 700 °C für einen Zeitraum von einem guten Jahr durch.8 Das Projekt SAMOFAR (Safety Assessment of the Molten Salt Fast Reactor) aus dem Horizon 2020-EURATOM-Forschungsprogramm sollte sicherheitstechnische Fragestellungen aufzeigen. Nach Abschluss des Förderzeitraums stellten die Experten nach dem ersten Forschungszyklus einen Fahrplan für die nächsten Jahre auf, um theoretische Überlegungen zu theoretischen Sicherheitsaspekten des offenen Designs untersuchen zu können.9 7 Green, Jim (2015). „Thor-bores and uro-sceptics: thorium´s friendly fire“, Nuclear Monitor 801 Seite 4, https://opac.bibliothek.bundestag.btg/aDISWeb/app;jsessionid=8AFED44E295B46279E3469A2C3033128?service =aDISStream/POOLBUNA- PROD20@@_4402EC00_35106000/ZLA3_HTMLGL_1&sp=S%24OTPDF_1&sp=SMT00000001&requestCount=0 8 Zhou, W. et al. (2020). „Proton irradiation-decelerated intergranular corrosion of Ni-Cr alloys in molten salt“, https://www.nature.com/articles/s41467-020-17244-y Zheng, G. et al. (2018). „Corrosion of Structural Alloys in High-Temperature Molten Fluoride Salts for Applications in Molten Salt Reactors“, https://link.springer.com/article/10.1007/s11837-018-2981-2 Elbakhshwan, M. et al. (2019). „Corrosion and Thermal Stability of CrMnFeNi High Entropy Alloy in Molten FLiBe Salt“, https://www.nature.com/articles/s41598-019-55653-2 Röhrlich, D., Deutschlandfunk (2019). „Mit Flüssigbrennstoff im Reaktor soll Kernenergie sicher werden“, https://www.deutschlandfunk.de/dual-fluid-reaktor-mit-fluessigbrennstoff-im-reaktor-soll.676.de.html?dram:article _id=462710 9 Die Präsentationen der theoretischen Projektergebnisse: Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 8 Von den an Thorium-Vorkommen reichen Staaten10 planen insbesondere China und Indien thoriumbasierte Reaktoren unterschiedlicher Konzepte. China plant den Bau eines Thorium-Flüssigsalzreaktors in Zusammenarbeit mit dem oben genannten Oak Ridge National Laboratory. Das Oak Ridge Laboratory hat in den 60er Jahren das erste Konzept eines Flüssigsalzreaktors entwickelt.11 Wahrscheinlich könnte erst nach einem Bau des Demonstrationsreaktors der langfristige Betrieb zeigen, ob sich die ausgewählten Materialien in einer korrosiven und dabei radioaktiven Salzlösung bewähren würden. Die Analysten des Öko-Instituts haben die vom GIF (Generation IV International Forum) formulierten konkreten Forschungsschwerpunkte der Entwicklungsarbeiten an einem mit schnellen Neutronen arbeitenden Flüssigsalzreaktor (MSFR) zusammengefasst. Nach ihren Schätzungen ist mit einem kommerziellen Reaktor nicht vor 2060 zu rechnen.12 Videos: https://www.youtube.com/channel/UCd2wCkwQwTaxKgibxWcAg0Q/videos, u.a.WP1, Folie 12, 15, WP 2, Folie 11 PP-Präsentationen: http://samofar.eu/samofar-final-meeting/presentations/ A Paradigm Shift in Reactor Safety with the Molten Salt Fast Reactor (SAMOFAR): Experimente zu Sicherheitseinrichtungen und Entwicklung numerischer Methoden zur Sicherheitsbewertung schneller Flüssigsalzreaktoren , Factsheet: https://cordis.europa.eu/project/rcn/196909_en.html Tiberga, M. et al. Samofar-Project (2020), „Results from a multi-physics numerical benchmark for codes dedicated to molten salt fast reactors“, https://zenodo.org/record/3714160/files/Tiberga_ANE_107428.pdf?download=1 Martin, R. Technology Review (2015). „Atomkraft ohne Kernschmelz-Risiko?“, https://www.heise.de/hintergrund /Atomkraft-ohne-Kernschmelz-Risiko-2807018.html 10 Sinding-Larsen, R. Hrsg. (2012). „Non-renewable resource issues: geoscientific and societal challenges“, Springer -Verlag, 2012, Seite 111 Nuclear Energy Agency (NEA), Organisation for Economic Co-Operation and Development (OECD) (2015). „Perspectives on the Use of Thorium in the Nuclear Fuel Cycle“, https://www.oecd-nea.org/science /pubs/2015/7228-thorium-es.pdf 11 Thorium Energy World (2018). „China - Thorium Molten Salt Reactor (TMSR)“, http://www.thoriumenergyworld .com/china.html Zou, Y. (2019). „Research Progress of TMSR design“, http://samofar.eu/wp-content/uploads/2019/07/2019- TMSR-SAMOFAR%E2%80%94%E2%80%94Yang-ZOU-PDF-version-1.pdf Mühlbauer, P., Telepolis (2018). „China baut Thoriumreaktor in Gansu“, https://www.heise.de/tp/features /China-baut-Thoriumreaktor-in-Gansu-4012683.html 12 Pfistner, Ch. et al. Öko-Institut e.V. (2017). „Neue Reaktorkonzepte. Eine Analyse des aktuellen Forschungsstands . Im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung“, https://energiestiftung.ch/files/energiestiftung/publikationen /pdf/2017_Oeko-Institut_Gen_IV.pdf, Kapitel 7.2.3. „Zeitpläne und technischer Entwicklungsstand“, Seite 84f Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 9 Norwegen besitzt, wie China und Indien, ein sehr großes Thorium-Vorkommen. Nach dem Ergebnis einer Studie13 über die sicherheitstechnischen Aspekte eines Thoriumreaktors der norwegischen Strahlenschutzbehörde „Statens Strålevern“, hat die norwegische Regierung die Entwicklung eines Prototyps aufgegeben. In der Studie haben Wissenschaftler ein Thorium-Konzept bewertet, das auf dem Konzept eines Accelerator Driven Systems (ADS) beruht. Dies ist eine Kombination aus einem Teilchenbeschleuniger und einem bleigekühlten Reaktor. Die Experten bemerken, dass die Gefahr einer Kernschmelze gering wäre, weil das Blei des Kühlsystems die Nachwärme aus dem Kern absorbieren könnte, aber das Design aufgrund der Kombination mit einem Teilchenbeschleuniger insgesamt störungsanfälliger wäre. Auch würde es zu einer radioaktiven Verstrahlung des gesamten Kühlsystems kommen. Ein mit Thorium betriebener Reaktor würde nach Meinung der Wissenschaftler weniger langlebigen radioaktiven Abfall produzieren als ein mit Uran betriebener. Dieser Abfall würde deutlich stärker strahlen und Transport und Lagerung erschweren. Offen sei auch, ob sich das Konzept in 20 oder 30 Jahren zu ökonomisch vertretbaren Kosten verwirklichen ließe.14 Indien plant den Bau eines thoriumbasierten "Prototype Fast Breeder Reactor" (PFBR) in Kalpakkam in Zusammenarbeit mit dem staatlichen russischen Atomenergiekonzern Rosatom. Russland betreibt seine BN-Brüter-Reaktoren (Schneller Brüter) mit Uran.15 Generation IV International Forum (GIF) (2014). „Technology Roadmap Update for Generation IV Nuclear Energy Systems“, https://www.gen-4.org/gif/upload/docs/application/pdf/2014-03/gif-tru2014.pdf, Kapitel 2, Seite 31 ff 13 Nordic society for radiation protection - NSFS (Statens Strålevern) (2008). Strålevern Rapport 10: 2008 „Miljøkonsekvenser og regulering av potensiell thoriumrealtert industri i Norge“, https://dsa.no/publikasjoner /_/attachment/download/f10a3ea8-f09c-4744-8843- 28c0c18a9025:f89208e5e3122d2d84ebf49beb4a2b62a60cbffc/StralevernRapport_10_2008.pdf 14 Wolff, R. taz (2009). „Absage von Norwegens Strahlenschutzbehörde: Thorium ist auch keine Lösung“, https://taz.de/Absage-von-Norwegens-Strahlenschutzbehoerde/!5170129/ Ausschuss des norwegischen Forschungsrates des Öl- und Energieministeriums (2008). „Thorium som energikilde – Muligheter for Norge“, https://www.regjeringen.no/globalassets/upload/oed/pdf_filer/horinger/horingthoriumutvalgets -rapport/thoriumrapporten-norsk-versjon.pdf Vergleich der Kosten: Kemfert, C. et al. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), (2017). „Nuclear power unnecessary for climate protection - there are more cost-efficient alternative“, zur Rolle der Kernenergie beim Klimaschutz und kosteneffizienteren Alternativen, https://www.diw.de/documents/publikationen /73/diw_01.c.572291.de/diw_econ_bull_2017-48-2.pdf, DIW Economic Bulletin 48.2017, S. 498–506 Der radioaktive Zerfall des radioaktiven Abfalls ist zwar nach mehreren hundert Jahren beendet, aus der Zerfallskette von U-232 entstehen aber hochenergetisch durchdringende Gammastrahlen. 15 Mühlbauer, P., Telepolis (2018). „China baut Thoriumreaktor in Gansu“, https://www.heise.de/tp/features /China-baut-Thoriumreaktor-in-Gansu-4012683.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 10 Neue Reaktortechnologien entwickeln beispielsweise in den USA die TerraPower LCC. Das von Bill Gates gegründete Unternehmen forscht an einem Flüssigsalzreaktor (Molten Chloride Fast Reactor, MCFR), einem Laufwellenreaktor (TWR) und lanciert mit der GE Hitachi Nuclear Energy (GEH) ein Reaktorkonzept eines natriumgekühlten Schnellen Reaktors in Kombination mit einem Energiespeichersystem für Salzschmelze.16 4. Flüssigsalzreaktoren als „Klimaretter“? Die zeitlichen Entwicklungshorizonte von (Thorium)-Flüssigsalzreaktoren reichen derzeit nicht aus, um im Rahmen der CO2-Einsparung eine Alternative für die sichere Bereitstellung von Energie in Frage zu kommen. Zu diesem Ergebnis kommt u.a. auch die oben erwähnte norwegische Studie zur Entwicklung thoriumbasierter Reaktortechnologien.17 Ein Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) untersucht, ob Kernenergie eine wirtschaftliche und saubere Option für eine zukünftige nachhaltige Energieversorgung darstellt. Eine Gegenauffassung liefert ein Artikel in der Zeitschrift „atw“.18 Eine Literaturstudie aus dem Jahr 2016 vergleicht die Umwelteinwirkungen von erneuerbaren und nuklearer Energieerzeugung. Der Artikel beinhaltet u.a. Grafiken zum Treibhausgaspotential der Energieträger und betrachtet insbesondere das Schadenspotential verschiedener Energieträger . Wobei nur Technologien der Generation II, bzw. der Tschernobyl-Reaktor eingebunden wurden .19 Zu den vorhandenen Unsicherheiten in den bisher bekannten Daten und ihre Auswirkung auf die Sicherheitseigenschaften beim Wechsel von Uran zu Thorium als Brennstoff s.a.: Pfistner, Ch. et al. Öko-Institut e.V. (2017). „Neue Reaktorkonzepte. Eine Analyse des aktuellen Forschungsstands. Im Auftrag der Schweizerischen Energie -Stiftung“, https://energiestiftung.ch/files/energiestiftung/publikationen/pdf/2017_Oeko-Institut_Gen_IV.pdf, Kapitel 4.1.2. „Sicherheitsaspekte“ 16 Terrapower (2020). „Terrapower’s Molten Chloride Fast Reactor Technology: Retooling Nuclear for a Changing Energy Sector“, https://www.terrapower.com/wp-content/uploads/2020/08/TP_2020_MCFR_Technology _082020.pdf Nuklear Forum Schweiz (2015). „Neue Reaktortechnologie von TerraPower“, https://www.nuklearforum .ch/de/aktuell/e-bulletin/neue-reaktortechnologie-von-terrapower 17 Ingenieur.de (2019). „Kann Kernenergie das CO2-Problem lösen?“, https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche /energie/dual-fluid-reaktor-kann-kernenergie-das-co2-problem-loesen/ 18 Wealer, B. et al. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) (2019). „Zu teuer und gefährlich: Atomkraft ist keine Option für eine klimafreundliche Energieversorgung“, DIW Wochenbericht Nr. 30 (2019), https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-30-1 Wendland, A.V. et al., atw (2019). „Das DIW-Papier über die „teure und gefährliche“ Kernenergie auf dem Prüfstand “, atw, Vol. 64 (2019), Issue 10 October, https://www.kernd.de/kernd-wAssets/docs/fachzeitschriftatw/artikel /atw_2019-10_wendland_peters.pdf 19 McCombie, Ch. et al. (2016). „Renewable and nuclear electricity: Comparison of environmental impacts“, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421516301240 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 049/20 Seite 11 5. Proliferation Waffenfähiger, nuklearer Abfall entsteht ebenso wie bei den bisher eingesetzten Reaktortechnologien . Beim Thorium-Kreislauf kann waffenfähiges Uran-233 chemisch abgetrennt werden. Durch die starke Gammastrahlung der Zerfallsprodukte des Uran-232, das neben Uran-233 immer auch vorhanden ist, könnte ein Missbrauch als Kernwaffe erschwert werden. Die starke Wärmestrahlung kann andere konstruktive Komponenten wie z.B. das Zündsystem schädigen. Auch wenn sich aus den nuklearen Abfällen keine Kernwaffen bauen ließen, so würde die radioaktive Strahlung zur Verwendung in einer Terrorwaffe möglicherweise ausreichend sein.20 *** 20 Nuklear Forum Schweiz (2015). Faktenblatt „Thorium als Kernbrennstoff – Potential für die Zukunft“, https://www.nuklearforum.ch/sites/default/files/folder-pdf/170101_Faktenblatt_Thorium_d_Web.pdf Schaffer, M.B. (2013). „Abundant thorium as an alternative nuclear fuel: Important waste disposal and weapon proliferation advantages“, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421513003157 Pfistner, Ch. et al. Öko-Institut e.V. (2017). „Neue Reaktorkonzepte. Eine Analyse des aktuellen Forschungsstands . Im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung“, https://energiestiftung.ch/files/energiestiftung/publikationen /pdf/2017_Oeko-Institut_Gen_IV.pdf, Kapitel 4.2.3. „Proliferation“, Seite 37f Atomunfälle und Schäden durch radioaktive Verstrahlung sind in Versicherungspolicen ausgeschlossen.