© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 049/19 Kommunikationsstandard 5G Aspekte zu möglichen Gesundheitsrisiken Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 2 Kommunikationsstandard 5G Aspekte zu möglichen Gesundheitsrisiken Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 049/19 Abschluss der Arbeit: 29.04.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesundheitliche Risiken 5 3. Gesundheitliche Auswirkungen 9 4. Fazit 10 5. Quellenverzeichnis 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 4 1. Einleitung Für den Betrieb der Standorte des zukünftigen 5G-Netzes gelten dieselben Anforderungen und Grenzwerte wie für die bestehenden Mobilfunknetze. Die bisher für den Mobilfunk verwendeten hochfrequenten elektromagnetischen Felder liegen im Bereich von 450 bis 2.700 Megahertz. Die drei heute gebräuchlichen Mobilfunkstandards GSM (Global System for Mobile Communications ), UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) und LTE (Long Term Evolution) verwenden jeweils verschiedene Frequenzbereiche (GSM: 900 und 1.800 MHz; UMTS: 1.900- 2.170 MHz und LTE: 800 und 2.600 MHz). Der neue Standard „5G“ ist eine Weiterentwicklung des LTE-Standards (4G) und nutzt zu den bereits verwendeten Frequenzbereichen weitere, wie z.B. zwischen 3,4 und 3,7 Gigahertz (3,7 GHz = 3.700 MHz). Nach Einführung des Betriebes, sollen zusätzlich Frequenzbereiche oberhalb von 24 Gigahertz (26, 40 und bis zu 86 GHz) genutzt werden. Der 5G-Standard setzt auch Techniken wie „intelligente“ Antennen (Beamforming) und zusätzliche, kleine Antennen (Small Cells/Kelinzellen) ein. Die intelligenten Antennen, auch „adaptive“ Antennen genannt, können das Signal in die Richtung des Nutzers bzw. des Mobilfunkgerätes fokussieren. Damit wird in die Richtung des Nutzers eine hohe Leistung abgestrahlt, in allen anderen Richtungen ist die Leistung jedoch niedriger. Insgesamt haben adaptive Antennen dadurch eine geringere Strahlenbelastung zur Folge als herkömmliche Antennen.1 Netzkomponenten wie z.B. WLAN - Router funken schon jetzt im Allgemeinen mit einer Frequenz von 2,4 GHz, mit der auch Mikrowellenküchengeräte und z.B. der „Playstation“-Controller funken. Den Bereich um 5 GHz nutzen ebenfalls WLAN-Router wie auch Wetterstationen. Das Netz wird schneller. Die Übertragungsrate wird größer. Je mehr „Hertz“, desto mehr Bit (Daten ) pro Sekunde können übertragen werden. Je höher die Frequenz (mehr Hertz), desto niedriger ist aber auch die Reichweite. Wegen der kürzeren Reichweite sind für 5G mehr Antennen notwendig . “Kritiker befürchten einen allgemeinen Anstieg der Funkwellenbelastung“.2 1 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2019). „5G“, http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/basiswissen /5g/5g_node.html, vom 18.2.2019 Informationszentrum-Mobilfunk.de „Fragen und Antworten zu 5G“, http://www.informationszentrum-mobilfunk .de/artikel/fragen-und-antworten-zu-5g 5G-Anbieter.info „Beamforming und 3D-MIMO“, https://www.5g-anbieter.info/technik/beamforming.html Das Beamforming verbessert die Sendeleistung z.B. durch ständige Anpassung der Strahlrichtung. Die sogenannte MIMO-Technik wird auch schon bei WLAN-Routern eingesetzt. Geltende Vorschriften berücksichtigen diese Vorgehensweise bisher nicht. Eine Anpassung der Vorschriften läuft bereits. Small Cells sind kleine, zusätzliche Antennen, die das Mobilfunknetz ergänzen und speziell für Orte mit höherem Bedarf mehr Bandbreite liefern. 2 c´t Magazin für Computertechnik (2019). „5G kommt, bevor alle Risiken ausgeräumt sind“, https://www.heise.de/ct/artikel/5G-kommt-bevor-alle-Risiken-ausgeraeumt-sind-4349805.html, vom 5.4.2019 c´t Magazin für Computertechnik (2019). „Unklare Symptome“, Heft 08/2019, Seite 66-67 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 5 Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem aktuellen Stand der möglichen gesundheitlichen Risiken des neuen Kommunikationsstandards „5G“. 2. Gesundheitliche Risiken Die Wirkung nichtionisierender Strahlung auf den Menschen hängt von deren Intensität und Frequenz ab.3 „Seit 1997 gilt zum Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitsschädigenden Wirkungen elektromagnetischer Felder in Deutschland die Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV). Die hier festgelegten derzeitig geltenden Grenzwerte sind Teil der EU-Ratsempfehlung ‚Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder‘ von 1999. Sie basieren auf Empfehlungen der internationalen Kommission zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (ICNIRP) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).4 In seiner Bewertung zu den gesundheitlichen Risiken elektromagnetischer Strahlung schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): „Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat hochfrequente elektromagnetische Felder am 31.5.2011 in Gruppe 2B ‚möglicherweise krebserregend‘ der IARC-Skala eingestuft. Diese Einordnung bedeutet , dass es nach Einschätzung der IARC nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand begrenzte Hinweise auf eine krebserregende Wirkung dieser Felder auf den Menschen gibt. Diese stammen aus epidemiologischen Beobachtungen, können aber nur unzureichend beziehungsweise nicht durch experimentelle Befunde gestützt werden.“5 Deutscher Bundestag (2018). Unterrichtung „Achter Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen“ BT-Drs 19/6270 3 Der menschliche Körper nimmt hochfrequente elektromagnetische Felder in Abhängigkeit von der Frequenz unterschiedlich stark auf. Deshalb gibt es für Mobilfunksendeanlagen in Abhängigkeit von der Frequenz entsprechende Grenzwerte für die Feldstärken beim Sendebetrieb. Daraus berechnen sich die Grenzwerte für die Immissionen für die Leistungsaufnahme in der Einheit [Watt pro Quadratmeter, W/m2]. Um gesundheitliche Wirkungen von Endgeräten auszuschließen, darf die spezifische Absorptionsrate (SAR), das ist die Energie- bzw. Leistungsaufnahme die beim Betrieb der Mobilfunkgeräte auftritt, nicht überschritten werden. Dieser Höchstwert von 2 Watt pro Kilogramm Körpergewicht basiert auf einer Empfehlung der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP), der EU-Kommission und der Strahlenschutzkommission (SSK). Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2016). „Strahlenschutz bei mobilen Endgeräten“, https://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/schutz/recht/grenzwerte.html 4 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (UBA) (2013). „Hintergrundpapier: Grenzwerte im Bereich Mobilfunk“, https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Strahlenschutz /hintergrund_grenzwerte_mobilfunk_bf.pdf Das Beamforming verbessert die Sendeleistung z.B. durch ständige Anpassung der Strahlrichtung. Geltende Vorschriften berücksichtigen diese Vorgehensweise bisher nicht. Eine Anpassung der Vorschriften läuft bereits. Quelle: c´t Magazin für Computertechnik „5G kommt, bevor alle Risiken ausgeräumt sind“, https://www.heise.de/ct/artikel/5G-kommt-bevor-alle-Risiken-ausgeraeumt-sind-4349805.html, vom 5.4.2019 5 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) „Wirkungen hochfrequenter Felder“, http://www.bfs.de/DE/themen /emf/hff/wirkung/wirkung_node.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 6 Weiter heißt es in einer Pressemitteilung des BfS: „Die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen sind laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auch für 5G weitestgehend aussagekräftig. ‚Wenn der Aufbau der nötigen Infrastruktur umsichtig erfolgt, sind auch durch 5G keine gesundheitlichen Wirkungen zu befürchten ‘, betont die Präsidentin der Behörde, Inge Paulini.“6 Ob und welche Gefahren vom neuen Mobilfunkstandard 5G ausgehen können, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Die Bundesregierung schreibt dazu in ihrem achten Bericht: „Zur Verbesserung der wissenschaftlichen Datenlage zu den beschriebenen Unsicherheiten und hinsichtlich der Entwicklung neuer technologischer Anwendungen in verschiedenen Frequenzbereichen der hochfrequenten elektromagnetischen Felder wurden und werden Forschungsprojekte initiiert. Sie sollen zu einer Verbesserung der Risikoabschätzung und -bewertung für hochfrequente elektromagnetische Felder beitragen. Weiterhin ist die Höhe der Exposition der Bevölkerung durch hochfrequente Felder laufend zu beobachten, insbesondere im Hinblick auf die rasante Entwicklung bei der Nutzung hochfrequenter Felder für moderne Kommunikationstechnologien. […] Es wird im Bereich der gesundheitlichen Auswirkungen einen Schwerpunkt bei den im Mobilfunk neu genutzten, höheren Frequenzbändern geben. Die 5G-Strategie der Bundesregierung sieht dazu öffentlich geförderte Forschung vor, die der Bund im Bereich der Wirkung elektromagnetischer Felder von 5G mit Schwerpunkt auf Frequenzen oberhalb 20 GHz unterstützen wird. Außerdem sollen proaktiv die Auswirkungen der neuen Technologie sowie der neu aufgebauten Netze hinsichtlich ihrer elektromagnetischen Felder untersucht werden. Dabei wird ein Schwerpunkt darin bestehen, wie sich die Exposition der Bevölkerung – insbesondere auch unter Einbeziehung von Kleinzellen und unter Berücksichtigung der Beamforming-Technologie – entwickeln wird. Überdies wird zu untersuchen sein, wie sich – ggfs. auch durch innovative Methoden der Netzplanung – eine Emissionsminderung der gesamten Mobilfunktechnologie, also unter Einbeziehung der Emissionen von ortsfesten Anlagen und von Endgeräten, erreichen lässt.“7 6 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2018). „Sicher surfen mit 5G“, http://www.bfs.de/SharedDocs/Pressemitteilungen /BfS/DE/2018/010.html, vom 30.8.2018 Deutschlandfunk (2018). „Ist 5G gefährlich?“, https://www.deutschlandfunk.de/elektrosmog-ist-5g-gefaehrlich .697.de.html?dram%3Aarticle_id=443899 vom 18.3.2018 7 Deutscher Bundestag (2018.). Unterrichtung „Achter Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen“, BT-Drs 19/6270 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 7 Die Literaturdatenbank „EMF-Portal“ sammelt Studien über die Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu). Der Bestand umfasst derzeit etwa 28.097 Publikationen und 6.329 Zusammenfassungen einzelner wissenschaftlicher Studien zu den Wirkungen elektromagnetischer Felder .8 Die Expertengruppe „BERENIS“ des BAFU wertet neu publizierte wissenschaftliche Arbeiten zu den gesundheitlichen Auswirkungen nichtionisierender Strahlung auf den Menschen aus. Insbesondere nach Evaluierung der NTP - (Tier) - Studie aus den USA und der Ramazzini - (Tier) - Studie aus Italien9 ziehen die Experten zusammenfassend folgenden Schluss: „Die NTP- und die Ramazzini-Studie sind die bis anhin umfassendsten Tierstudien, die hinsichtlich Krebs und Exposition mit Signalen von Mobiltelefonen und Basisstationen durchgeführt wurden. Die wissenschaftliche Qualität und der Standard der Labortechniken sind insbesondere in der NTP-Studie hoch. Im Vergleich zu früher durchgeführten Studien mit Labortieren, die Karzinogenität oder Co-Karzinogenität evaluierten, sind diese Studien insofern neuartig, dass die Tiere in diesen beiden Studien für die Exposition nicht in enge Röhren gesteckt wurden, sondern freilaufend in ihren Käfigen exponiert waren . Dies reduzierte den durch die Beengtheit verursachten Stress, und ermöglichte längere Expositionen. Die Resultate dieser zwei Tierexperimente sind von großer wissenschaftlicher Relevanz und gesundheitspolitischer Bedeutung, weil gemäß der Einstufung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) positive Ergebnisse aus Tierversuchen mit lebenslanger Exposition bei der Einstufung des Krebsrisikos eines Wirkstoffes bzw. einer Umweltnoxe ein sehr großes Gewicht haben, nebst Daten aus epidemiologischen und mechanistischen Studien. Letztere führten aufgrund der beobachteten Hinweise für einen Zusammenhang zwischen Mobilfunknutzung und Gliomen sowie Akustikusneurinomen im Jahr 2011 zu einer IARC-Einstufung von Mobilfunkstrahlung als „möglicherweise krebserregend “ (Kategorie 2B). […]. Beide neuen Tierstudien zeigten trotz methodischer Unterschiede relativ konsistente Ergebnisse bei Schwannomen und Gliomen, und zudem einen dosisabhängigen Trend in Bezug auf eine Zunahme der Karzinogenität dieser Tumoren. Die NTP-Studie verwendete hohe Gesamtkörperdosen (SAR - Spezifische Absorptionsraten) im Vergleich zu den von der ICNIRP empfohlenen Grenzwerten für Ganzkörperexposition. Für die Bevölkerung beträgt dieser 0.08 W/kg, wobei die Schweiz zusätzlich niedrigere Vorsorgegrenzwerte eingeführt hat. Es stellt sich also die Frage, wie übertragbar die Ergebnisse der NTP-Studie auf die tatsächliche Exposition in der Öffentlichkeit sind, wenn bei der Handynutzung nur Teile des Körpers so stark exponiert sind wie in der NTP-Studie das ganze Tier. Dazu lässt sich sagen, dass es erstens in der Toxikologie üblich ist, höhere Dosen zu untersuchen, um 8 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (femu) der Uniklinik RWTH Aachen (2019). Literaturdatenbank „EMF - Portal“, https://www.emf-portal.org/de 9 Bundesamt für Umwelt (BAFU), Beratende Expertengruppe NIS (BERENIS) (2018). Newsletter vom 15.11.2018, https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/elektrosmog/fachinfo-daten/Newsletter%20BE- RENIS%20Nr.%2015%20-%20September%202018.pdf.download.pdf/Newsletter%20BE- RENIS%20Nr.%2015%20-%20DEUTSCH.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 8 mögliche Gefahren eines Wirkstoffs zu bewerten. Zweitens wurde in der NTP-Studie ein Anstieg der Karzinogenität für GSM- und CDMA-Expositionsbedingungen gefunden. Da die Befunde für beide Expositionsarten ähnlich sind, deuten sie darauf hin, dass die Modulation der Signale weniger relevant ist. Drittens kann die Verwendung von Mobiltelefonen lokal SAR-Werte von bis zu 2 W/kg verursachen, gemittelt über einen Würfel mit 21 mm Seitenlänge in unmittelbarer Nähe des Telefons (z.B. am Ohr, den Wangen, der Hand, Positionen der Hosentaschen usw.). Daher sind die Ergebnisse der NTP-Studie vor allem für die Expositionssituation relevant, bei der ein Mobiltelefon körpernah verwendet wird. Die Ramazzini-Studie hingegen stellte Karzinogenität bei Werten im Bereich der Immissionsgrenzwerte fest, wobei der Effekt bei niedrigeren Dosen statistisch nicht signifikant war. Allerdings wurde ein dosisabhängiger Trend für bösartige Herz-Schwannome gefunden , was sich mit den Ergebnissen der NTP-Studie deckt. Dies könnte darauf hindeuten, dass der nicht signifikante Anstieg der Fallzahlen bei niedrigeren Expositionswerten einen wahren Effekt darstellt, der aufgrund des gegebenen Stichprobenumfangs keine statistische Signifikanz erreicht hat. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die BERENIS aufgrund der Ergebnisse und deren Bewertung das Vorsorgeprinzip zur Regulierung von HF-EMF unterstützt. Eine vollständige Risikobewertung unter Berücksichtigung aller verfügbaren Studien (Tierstudien und epidemiologische Studien) ist außerdem notwendig, um abzuschätzen, ob die derzeitig gültigen Grenzwerte geändert werden sollten.“10 Das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) bemerkt zum Kenntnisstand der gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung, dass bei der Einwirkung von Strahlung höherer Frequenzbereiche auf den Menschen aus wissenschaftlicher Sicht noch Unklarheiten bleiben und weiterer Forschungsbedarf besteht.11 Ein internes Interview der „diagnose:funk“, einer Umwelt- und Verbraucherorganisation, die sich für den Schutz vor elektromagnetischen Feldern und Strahlung einsetzt, diskutiert neben den Aspekten einer „smarten“ Gesellschaft u.a. die NTP- und die Ramazini-Studie, weist auf bisherige Warnungen zu den gesundheitlichen Risiken des Mobilfunks hin, kann aber bisher auch keine wissenschaftlich belegbaren Studien zum Mobilfunkstandard 5G benennen.12 10 Bundesamt für Umwelt (BAFU), Beratende Expertengruppe NIS (BERENIS) (2018). Newsletter zur „Evaluierung der NTP-Studie und der Ramazzini-Studie“, https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/elektrosmog /newsletter.html und https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/elektrosmog/fachinfo-daten /Newsletter%20BERENIS%20-%20Sonderausgabe%20November%202018.pdf.download.pdf/Newsletter %20BERENIS%20-%20Sonderausgabe%20November%202018%20-%20DEUTSCH.pdf vom 13.11.2018 11 Bundesamt für Umwelt (BAFU) (2019). „Mobilfunk und Strahlung: Aufbau der 5G-Netze in der Schweiz“, https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/elektrosmog/fachinfo-daten/information-an-die-kantonemobilfunk -und-strahlung-aufbau-der-5g-netze-in-der-schweiz.pdf.download.pdf/Infoblatt_Kantone_Mobilfunk _5G_von_BAFU_BAKOM.pdf vom 17.4.2019 12 diagnose:funk „Gesundheitsgefahr durch 5G? - Ein kritischer Blick auf Mobilfunknutzung sowie deren Netze und Frequenzen“, https://www.5g-anbieter.info/interviews/18/diagnose-funk.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 9 3. Gesundheitliche Auswirkungen Die Schweizer Expertengruppe fasst den Kenntnisstand zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung auf den Menschen wie folgt zusammen: „Der einzige für den Menschen schädliche Effekt von hochfrequenter Strahlung, der wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen ist, ist die Erwärmung des Körpergewebes infolge der Absorption der Strahlung. Dieser Effekt liegt den Immissionsgrenzwerten der NISV13 zugrunde . Sind diese eingehalten, dann ist der Mensch vor thermischen Wirkungen geschützt. Neusten Untersuchungen zufolge ist der Sicherheitsfaktor jedoch in gewissen Situationen kleiner als bisher angenommen. Aus der Forschung liegen unterschiedlich gut abgesicherte Beobachtungen vor, wonach es noch andere biologische Effekte gibt, die nicht auf eine Erwärmung zurückgeführt werden können. Nach wissenschaftlichen Kriterien ausreichend nachgewiesen ist eine Beeinflussung der Hirnströme. Begrenzte Evidenz besteht für eine Beeinflussung der Durchblutung des Gehirns , für eine Beeinträchtigung der Spermienqualität, für eine Destabilisierung der Erbinformation sowie für Auswirkungen auf die Expression von Genen, den programmierten Zelltod und oxidativen Zellstress. Ob damit Gesundheitsfolgen verbunden sind, ist nicht bekannt, ebenso wenig ob es bezüglich der Intensität und Dauer der Strahlung Schwellenwerte gibt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat hochfrequente Strahlung als möglicherweise krebserregend klassiert, gestützt auf Befunde bei der Nutzung von Mobiltelefonen. Für die wesentlich schwächere Belastung durch ortsfeste Sendeanlagen fehlen aussagekräftige Langzeituntersuchungen . Die WHO stellt diesbezüglich jedoch fest, dass epidemiologische Studien zu Sendeanlagen (Radar, Radio, TV, Mobilfunk-Basisstationen) nicht auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch deren Strahlung hinweisen.“14 Funkwellen können mit steigender Frequenz immer weniger in das Gewebe eindringen und die Absorption beschränkt sich daher auf den oberflächennahen Bereich. Es kommt zu einer Heizwirkung . Während man bei niedrigeren Mobilfunkfrequenzen thermische Effekte durch geltende emf:data (2019). , https://www.emfdata.org/de Jörn Gutbier ist Vorsitzender von diagnose:funk, Sprecher der AG-EMF im AK Immissionsschutzes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Fraktionsvorsitzender der Gemeinderatsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Herrenberg 13 Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) 14 Bundesamt für Umwelt (BAFU) (2019). „Mobilfunk und Strahlung: Aufbau der 5G-Netze in der Schweiz“, https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/elektrosmog/fachinfo-daten/information-an-die-kantonemobilfunk -und-strahlung-aufbau-der-5g-netze-in-der-schweiz.pdf.download.pdf/Infoblatt_Kantone_Mobilfunk _5G_von_BAFU_BAKOM.pdf vom 17.4.2019 Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) (2015). „Zukunftstaugliche Mobilfunknetze“, https://www.bakom.admin .ch/bakom/de/home/das-bakom/organisation/rechtliche-grundlagen/bundesratsgeschaefte/zukunftstaugliche -mobilfunknetze.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 10 Grenzwerte nach ICNIRP berücksichtigt werden, ist die Heizwirkung von Funkwellen ab 10 Gigahertz aufwärts derzeit nicht berücksichtigt. Zukünftig müssen im Rahmen des weiteren Mobilfunkausbaus und der Nutzung oberer Frequenzbereiche um 24 Gigahertz zunehmend die Grenzwerte überprüft und auch im Hinblick auf stärkere Leistungsspitzen hin untersucht werden.15 Das Bundesamt für Strahlenschutz spricht im Hinblick auf den Mobilfunkstandard 5G von einer Reihe offener wissenschaftlicher Fragen und rät zur Vorsorge. In welchem Maße die Bevölkerung der Strahlung ausgesetzt werden wird, ist nach Aussage des BfS derzeit noch nicht abschätzbar. Insbesondere die steigende Zahl der Datenübertragungsmengen und damit verbunden die der Sendeanlagen und die Kleinzellen (Smart Cells), die zwar eine geringere Leistung haben, aber näher an Orten sind, an denen sich Menschen aufhalten, können zu einer Zunahme beitragen. Durch den Parallelbetrieb der Mobilfunkstandards nehmen die Sendeanlagen vorerst auch nicht ab. Allein durch die erwartete steigende Datenübertragung im Mobilfunk würden zukünftig auch mehr Sendeanlagen benötigt werden. Das BfS stellt fest: „Unabhängig von 5G bestehen weiterhin wissenschaftliche Unsicherheiten hinsichtlich möglicher Langzeitwirkungen intensiver Handynutzung insgesamt. Für eine abschließende Beurteilung ist die Technologie allerdings noch zu jung, da sich beispielsweise Krebserkrankungen über Zeiträume von 20 - 30 Jahren entwickeln. Auch bei Wirkungen auf Kinder sind noch nicht alle Fragen abschließend beantwortet.“ Das BfS empfiehlt der Bevölkerung: „Verbraucher sollten bei der Auswahl eines Mobilfunkgeräts auf den SAR-Wert achten. […] Zwar haben sich die SAR-Werte der erhältlichen Handymodelle im Lauf der Zeit verringert, dennoch gilt weiterhin: Auf ausreichenden Abstand des Smartphones zum Körper achten und beim Telefonieren Freisprecheinrichtungen und Headsets nutzen.“16 Dies betrifft die Endgeräte, zu den neuen Sendeanlagen wird in diesem Zusammenhang keine Empfehlung gegeben. Das BfS hat ebenfalls zu der NTP-Studie Stellung genommen und geht davon aus: „ dass bei Einhaltung der Grenzwerte keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch elektromagnetische Felder mit den vom Mobilfunk verwendeten Frequenzen zu erwarten sind.“17 4. Fazit Auch nach zahlreichen Untersuchungen zu gesundheitlicher Risiken des Mobilfunks sind die Unsicherheiten hinsichtlich möglicher Gefahren für den Menschen nicht ausgeräumt. Trotz der umfangreichen Untersuchungen konnte bisher kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Mobilfunk und den gesundheitlichen Auswirkungen bestätigt werden. Die zuständigen öffentlichen Stellen sehen weiterhin Forschungsbedarf. *** 15 c´t Magazin für Computertechnik (2019). „5G kommt, bevor alle Risiken ausgeräumt sind“, https://www.heise.de/ct/artikel/5G-kommt-bevor-alle-Risiken-ausgeraeumt-sind-4349805.html, vom 5.4.2019 16 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2019). „5G“, http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/basiswissen /5g/5g_node.html, vom 18.2.2019 17 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2019). „Langzeitstudie an Mäusen und Ratten zu Ganzkörperexposition mit Mobilfunkfeldern (NTP-Studie) - Fachliche Stellungnahme des BfS zu den Ergebnissen der NTP-Studie“, http://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/stellungnahmen/emf/ntp-studie/dossier-ntp-studie .html?cms_docId=12006154&cms_notFirst=true, vom 7.2.2019 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 11 5. Quellenverzeichnis 5G-Anbieter.info „Beamforming und 3D-MIMO“, https://www.5g-anbieter.info/technik/beamforming .html Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) (2015). „Zukunftstaugliche Mobilfunknetze“, https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/das-bakom/organisation/rechtliche-grundlagen /bundesratsgeschaefte/zukunftstaugliche-mobilfunknetze.html Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2016). „Strahlenschutz bei mobilen Endgeräten“, https://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/schutz/recht/grenzwerte.html Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2018). „Sicher surfen mit 5G“, http://www.bfs.de/Shared- Docs/Pressemitteilungen/BfS/DE/2018/010.html, vom 30.8.2018 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2019). „5G“, http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk /basiswissen/5g/5g_node.html, vom 18.2.2019 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2019). „Langzeitstudie an Mäusen und Ratten zu Ganzkörperexposition mit Mobilfunkfeldern (NTP-Studie) - Fachliche Stellungnahme des BfS zu den Ergebnissen der NTP-Studie“, http://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/stellungnahmen /emf/ntp-studie/dossier-ntp-studie.html?cms_docId=12006154&cms_notFirst=true, vom 7.2.2019 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) „Wirkungen hochfrequenter Felder“, http://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/wirkung_node.html Bundesamt für Umwelt (BAFU) (2019). „Mobilfunk und Strahlung: Aufbau der 5G-Netze in der Schweiz“, https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/elektrosmog/fachinfo-daten/information -an-die-kantone-mobilfunk-und-strahlung-aufbau-der-5g-netze-in-derschweiz .pdf.download.pdf/Infoblatt_Kantone_Mobilfunk_5G_von_BAFU_BAKOM.pdf vom 17.4.2019 Bundesamt für Umwelt (BAFU), Beratende Expertengruppe NIS (BERENIS) (2018). Newsletter vom 15.11.2018, https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/elektrosmog/fachinfo-daten /Newsletter%20BERENIS%20Nr.%2015%20-%20September%202018.pdf.download .pdf/Newsletter%20BERENIS%20Nr.%2015%20-%20DEUTSCH.pdf Bundesamt für Umwelt (BAFU), Beratende Expertengruppe NIS (BERENIS) (2018). Newsletter zur „Evaluierung der NTP-Studie und der Ramazzini-Studie“, https://www.bafu.admin .ch/bafu/de/home/themen/elektrosmog/newsletter.html und https://www.bafu.admin .ch/dam/bafu/de/dokumente/elektrosmog/fachinfo-daten/Newsletter%20BERENIS%20- %20Sonderausgabe%20November%202018.pdf.download.pdf/Newsletter%20BERENIS%20- %20Sonderausgabe%20November%202018%20-%20DEUTSCH.pdf vom 13.11.2018 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (UBA) (2013). „Hintergrundpapier : Grenzwerte im Bereich Mobilfunk“, https://www.bmu.de/fileadmin/Daten _BMU/Download_PDF/Strahlenschutz/hintergrund_grenzwerte_mobilfunk_bf.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 049/19 Seite 12 c´t Magazin für Computertechnik (2019). „5G kommt, bevor alle Risiken ausgeräumt sind“, https://www.heise.de/ct/artikel/5G-kommt-bevor-alle-Risiken-ausgeraeumt-sind-4349805.html, vom 5.4.2019 c´t Magazin für Computertechnik (2019). „Unklare Symptome“, Heft 08/2019, Seite 66-67 Deutscher Bundestag (2018.). Unterrichtung „Achter Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen“, BT-Drs 19/6270 Deutschlandfunk (2018). „Ist 5G gefährlich?“, https://www.deutschlandfunk.de/elektrosmog-ist- 5g-gefaehrlich.697.de.html?dram%3Aarticle_id=443899 vom 18.3.2018 diagnose:funk „Gesundheitsgefahr durch 5G? - Ein kritischer Blick auf Mobilfunknutzung sowie deren Netze und Frequenzen“, https://www.5g-anbieter.info/interviews/18/diagnose-funk.html emf:data (2019). , https://www.emfdata.org/de Informationszentrum-Mobilfunk.de „Fragen und Antworten zu 5G“, http://www.informationszentrum -mobilfunk.de/artikel/fragen-und-antworten-zu-5g Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (femu) der Uniklinik RWTH Aachen (2019). Literaturdatenbank „EMF - Portal“, https://www.emf-portal.org/de ***