© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 048/20 Die Versenkung von Gesteinsbrocken im Meer Zum Umfang des Einbringungsverbotes nach § 4 Hohe-See- Einbringungsgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Beseitigungspflichten nach dem Umweltschadensgesetz und Gefahrenabwehrrecht 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 048/20 Seite 4 1. Einleitung Ende Juli 2020 versenkte die Umweltschutzorganisation Greenpeace nach eigenen Angaben im Meeresschutzgebiet Adlergrund vor Rügen rund 60 Granitblöcke.1 Anfang August 2020 wurde eine vergleichbare Aktion im Fehmarnbelt durchgeführt.2 Ziel der Aktionen sei der Schutz der Meeresschutzgebiete vor der Zerstörung durch die Grundschleppnetzfischerei. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat wegen eines Verstoßes gegen das Hohe-See-Einbringungsgesetz eine Untersagungsverfügung gegenüber Greenpeace erlassen.3 Das rund 234 km² große Schutzgebiet Adlergrund gehört zu den Natura 2000-Gebieten in der Ostsee und besteht aus einer großen Sandplatte mit zentral gelegenen, blocksteinreichen Erhebungen aus Geschiebemergel. Es ist geprägt durch die Lebensraumtypen „Sandbänke“ (ca. 87 km²) und „Riffe“ (ca. 110 km²). Die Wassertiefen liegen zwischen 7 m und 35 m.4 Das Meeresschutzgebiet liegt in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und gehört daher nicht zum deutschen Staatsgebiet. Zuständig für den Vollzug der in der AWZ anwendbaren Gesetze ist der Bund. Die Fischerei ist in den Natura 2000-Gebieten der deutschen AWZ außerhalb bestimmter Schonzeiten derzeit nicht verboten. Ein solches Verbot ist nach Medienberichten Gegenstand von politischen Überlegungen.5 Zu beachten ist dabei, dass Deutschland die Fischereimethoden in der deutschen AWZ nach der Rechtsprechung des EuGH nicht einseitig regulieren darf. Vielmehr müssen die naturschutzrechtlichen Aspekte im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik berücksichtigt werden.6 Im Folgenden werden zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt, die sich aus dem Hohe-See-Einbringungsgesetz und der dazu ergangenen Rechtsprechung ergeben. Abschließend wird kurz auf weitere verwaltungsrechtliche Aspekte wie die Regelungen über Beseitigungspflichten und die Möglichkeit von Bußgeldern eingegangen. Eine Prüfung des konkreten Einzelfalls kann unter anderem wegen fehlender tatsächlicher Erkenntnisse nicht erfolgen. 1 https://www.greenpeace.de/themen/meere/steinerner-meeresschutz 2 https://www.greenpeace.de/themen/meere/schutz-fuer-fehmarnbelt 3 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Pressemitteilung vom 28. Juli 2020, https://www.bsh.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Text_html/html_2020/Pressemitteilung-2020-07- 28.html 4 Bundesamt für Naturschutz, Das Schutzgebiet Adlergrund, https://www.bfn.de/themen/meeresnaturschutz/nationale-meeresschutzgebiete/ostsee-awz/adlergrund.html 5 „Greenpeace, die Fischer und die schweren Steine“, Die Welt vom 31.7.2020, S. 11. 6 EuGH, Rs. C-683/16, Urteil vom 13.6.2018. Ein Beispiel für eine solche Regelung im Rahmen der Fischereipolitik ist die Verordnung (EU) 2017/117 der Kommission vom 5.9.2016 zur Festlegung von Bestandserhaltungsmaßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee und zur Aufhebung der VO (EU) Nr. 2015/1778, die Fangtätigkeiten mit grundberührendem Fanggerät in Natura-2000-Gebieten in dänischen Gewässern untersagt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 048/20 Seite 5 2. Rechtsrahmen des Hohe-See-Einbringungsgesetzes 2.1. Einbringungsverbot nach dem Hohe-See-Einbringungsgesetz Das Hohe-See-Einbringungsgesetz (HoheSeeEinbrG) sieht unter anderem ein Verbot des Einbringens von Abfällen und sonstigen Stoffen und Gegenständen in die Hohe See vor (§ 4 Satz 1 Hohe- SeeEinbrG). Steine zählen zu den „sonstigen Stoffen“ im Sinne dieser Vorschrift und zwar unabhängig davon, ob der Schutz der Meeresumwelt im konkreten Fall negativ berührt wird.7 Der Tatbestand des Einbringens setzt neben der Aufgabe der Sachherrschaft voraus, dass subjektiv bezweckt wird, sich der Sache zu entledigen. Stehen andere Zwecksetzungen im Vordergrund , wie etwa eine Verbesserung der Meeresökologie, bedarf es einer zusätzlichen Prüfung im Lichte des Gesetzeszweckes. Diese kann ergeben, dass der Gesetzeszweck dem Versenken von Steinen ausnahmsweise nicht entgegensteht.8 Ziel des Hohe-See-Einbringungsgesetzes ist die Erhaltung der Meeresumwelt sowie deren Schutz vor Verschmutzung (§ 1 HoheSeeEinbrG). Der Maßstab für die Prüfung, ob eine Einleitung eines Stoffes ausnahmsweise zulässig ist, ergibt sich nach der Rechtsprechung allein aus dem Schutz vor Verschmutzung, wobei ein vorbeugender Ansatz zu verfolgen ist.9 Hintergrund hierfür ist, dass im Kontext des Einbringens von Stoffen der Schutz vor Verschmutzung die Erhaltung der Meeresumwelt mitumfasst. Der Rechtsbegriff der Verschmutzung wird in § 3 Absatz 4 HoheSeeEinbrG legaldefiniert. Er umfasst insbesondere Verunreinigungen, die die Meeresumwelt beeinträchtigen, die menschliche Gesundheit gefährden oder die rechtmäßige Nutzung des Meeres wie die Fischerei behindern. 2.2. Versenken von Steinen vor dem Sylter Außenriff im Jahr 2008 Ob diese Voraussetzungen mit Blick auf die Versenkung von Granitblöcken vor Rügen vorliegen, bedürfte einer Einzelfallprüfung und kann unter anderem wegen fehlender tatsächlicher Erkenntnisse nicht beantwortet werden. Nach einer hinsichtlich der Vorgehensweise vergleichbaren Aktion vor Sylt im Jahr 2008 untersagte die örtlich zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion Greenpeace das Versenken von Steinen im Gebiet des Sylter Außenriffs. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und Zwangsmittel angedroht. Hiergegen beschritt Greenpeace den Verwaltungsgerichtsweg. 7 BVerwG, Urteil vom 28.7.2020, 7 C 7/10, verfügbar unter https://www.bverwg.de/140711U7C7.10.0, Rn. 14 f., 17. 8 BVerwG (Anm. 7), Rn. 21 f. 9 BVerwG (Anm. 7), Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 048/20 Seite 6 Im Nachgang zum Versenken von Steinen vor Sylt im Jahr 2008 konnten durch das Bundesamt für Naturschutz keine nachteiligen Auswirkungen auf die Meeresumwelt, insbesondere die Lebensraumtypen „Sandbänke“ und „Riffe“, festgestellt werden.10 In welchem Ausmaß die Erfahrungen aus diesem Einzelfall auf die ökologischen Auswirkungen des Versenkens von Steinen vor Rügen übertragen werden können, hängt auch davon ab, ob und inwieweit sich die Biotopbedingungen an den unterschiedlichen Versenkungsorten unterscheiden. Dies kann im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden. Eine von den vor Sylt versenkten Steinen ausgehende Gefahr auch für tiefergehende Schiffe lag nach den Feststellungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vor. Die Frage, ob die Fischerei durch die versenkten Steine behindert worden ist, war hingegen ausdrücklich offen gelassen worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Streitsache daher an das Verwaltungsgericht zurücküberwiesen, damit die Tatsachenfeststellungen zu Art und Umfang des Gefährdungspotentials und deren Bewertung nachgeholt werden.11 Hieraus lässt sich schließen, dass nicht jede abstrakte und punktuelle Behinderung der Fischerei für die Annahme einer Verschmutzung ausreicht , sondern unter den Bedingungen vor Ort eine konkrete Beeinträchtigung von einigem Gewicht erforderlich wäre. Mögliche Gesichtspunkte könnten hierbei unter anderem sein, für welchen Zeitraum eine Behinderung vorliegt, wie groß die wirtschaftliche Bedeutung des betroffenen Seegebietes für die Fischerei ist und ob bereits natürlich vorkommende Gesteine die Fischerei erschweren. Die Streitsache ist vor dem Verwaltungsgericht Schleswig unter dem Aktenzeichen 6 A 285/11 weitergeführt worden. Mit Beschluss vom 25. März 2012 wurde das Verfahren eingestellt, weil der Kläger die Klage zurückgenommen hatte.12 Über die Hintergründe der Klagerücknahme liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Weitere verwaltungsrechtliche Aspekte 3.1. Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr in der AWZ Die Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sind im Rahmen des Völkerrechts seewärts des Küstenmeeres unter anderem zuständig für die Abwehr von Gefahren sowie die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (§ 1 Nr. 3 Buchstabe b SeeAufgG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht es hierfür aus, dass die Gefährdung oder Störung von einem Schiff aus erfolgt.13 Die Befugnisse zur Gefahrenabwehr regelt § 3 Absatz 1 Satz 2 SeeAufgG. 10 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, Bundestagsdrucksache 16/13351, Fragen 1 und 12; BVerwG (Anm. 7), Rn.26. 11 BVerwG (Anm. 7), Rn. 25, 27 f., Zu möglichen Gefahrenpotentialen aus Sicht der Bundesregierung vgl. die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, Bundestagsdrucksache 16/10708, Frage 11. 12 Auskunft der Pressestelle des VG Schleswig vom 12. August 2020. 13 BVerwG (Anm. 7), Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 048/20 Seite 7 3.2. Ahndung von Ordnungswidrigkeiten Verstöße gegen § 4 Satz 1 HoheSeeEinbrG können nach § 10 HoheSeeEinbrG als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Zuständig ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie. Bei der Bemessung der konkreten Bußgeldhöhe ist unter anderem die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit zu berücksichtigen (vgl. § 17 OWiG), so dass die Höchstgrenze nur bei besonders schweren Verstößen ausgeschöpft werden darf. 3.3. Beseitigungspflichten nach dem Umweltschadensgesetz und Gefahrenabwehrrecht Nach dem Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz - USchadG) hat der für einen Umweltschaden Verantwortliche die erforderlichen Schadensbegrenzungsmaßnahmen vorzunehmen und die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen (§ 6 USchadG). Der Begriff des Umweltschadens ist in § 2 Nr. 1 USchadG definiert und umfasst unter anderem eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 des Bundesnaturschutzgesetzes. Nach allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechtes kann einem Störer aufgeben werden, eine eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen (vgl. § 3 Absatz 1 SeeAufgG). Voraussetzung ist allerdings, dass eine Beseitigung tatsächlich möglich ist. Dies könnte beispielsweise daran scheitern, dass eine Ortung der einzelnen Steine nicht möglich ist.14 *** 14 Vgl. zur Unmöglichkeit der Ortung im Fall des Sylter Außenriffs die Antwort auf Frage 11 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP, Bundestagsdrucksache 16/13351, S. 5.