© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 044/20 Zur Bedeutung von Art. 20a GG für den Ausbau der Windenergie Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Der Ausbau der Windenergie in Deutschland erfolgt einerseits nicht zuletzt aus Gründen des Umweltschutzes , insbesondere des Klimaschutzes.1 Andererseits bringt der Ausbau von Windenergieanlagen ökologische Herausforderungen mit sich, etwa durch Umwelteingriffe vor Ort im Zuge des Anlagenbaus. Dieser Sachstand erörtert die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Umweltschutzprinzips (Art. 20a GG) in diesem Spannungsverhältnis. 2. Regelungsstruktur von Art. 20a GG Art. 20a GG verpflichtet zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere. Mit natürlichen Lebensgrundlagen ist die gesamte natürliche Umwelt des Menschen gemeint. Geschützt werden aber nicht einzelne Pflanzen oder Biotope, sondern Gattungen und ökologische Funktionen .2 Art. 20a GG enthält hochabstrakte Prinzipien, die graduell abstufbar sind. Sie können also mehr oder weniger erreicht werden.3 Die Konkretisierung dieser abstrakten Prinzipien, die Bestimmung des Schutzniveaus und der Ausgleich der verschiedenen Belange ist nach allgemeiner Auffassung primäre Aufgabe des Gesetzgebers.4 Dieser besitzt dabei einen weiten Gestaltungsspielraum .5 Dies gilt insbesondere mit Blick auf den notwendigen Ausgleich sowohl der verschiedenen Aspekte des Art. 20a GG untereinander als auch des Umwelt- und Tierschutzes mit anderen Verfassungsgütern. Der Gesetzgeber ist dieser Aufgabe sowohl verfahrensrechtlich als auch materiell-rechtlich durch den Erlass differenzierter Umweltschutzregelungen, beispielsweise im Bundesimmissionsschutzgesetz , im Bundesnaturschutzgesetz und im Baugesetzbuch, nachgekommen.6 Stehen Beeinträchtigungen eines konkreten lokalen Umweltgutes in Rede, ist die Steuerungswirkung von Art. 20a GG regelmäßig geringer als in Situationen, in denen eine Lebensgrundlage in Gänze gefährdet wird.7 So hat beispielsweise das VG Gießen in einer Entscheidung aus dem Jahr 1 Zur Bedeutung des Windenergieausbaus vgl. exemplarisch das Umweltgutachten 2020 des Sachverständigenrates für Umweltfragen, Bundestagsdrucksache 19/20590, S. 59 f. 2 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 15. Auflage 2018, Art. 20a Rn. 3. 3 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art. 20a GG Rn. 26 f. 4 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20a GG Rn. 27, 46, 67 mwN; Murswiek, in Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 20a Rn. 60; Scholz, in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand 90. EL 2020, Art. 20a Rn 46 ff.; v. Epiney in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 57. 5 BVerfGE 118, 79 (110) - Treibhausgasemissionsberechtigungen; 127, 293 (328) - Legehennenhaltung. 6 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20a GG Rn. 69; Huster/Rux, in BeckOK GG, Stand 43. Edition Mai 2020, Art. 20a Rn. 29. 7 Murswiek, in Sachs, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/20 Seite 5 2019 unter anderem Art. 20a GG herangezogen, um die besondere Schutzverantwortung des Landes Hessen für den Rotmilan zu begründen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass fünf Prozent des Weltbestandes des artenschutzrechtlich streng geschützten Rotmilans in Hessen leben .8 3. Art. 20a GG und der Ausbau der Windenergie Im Rahmen der Genehmigung von Windenergieanlagen müssen aufgrund der geltenden umweltrechtlichen Regelungen die arten- und naturschutzrechtlichen Belange im Einzelfall berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien, zu denen auch die Windkraft zählt, dem Klimaschutz dient. Dieser ist ebenfalls Teil des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne von Artikel 20a GG.9 Zugleich dient er in raumübergreifender Perspektive dem Artenschutz, da die Lebensräume bedrohter Arten auch von Klimaveränderungen in erheblichen Umfang beeinträchtigt oder zerstört werden können. Der weitere Ausbau der Windenergie bleibt in diesem gesetzlichen Rahmen prinzipiell möglich. Ein pauschales Verbot des weiteren Ausbaus von Windenergieanlagen ließe sich hingegen mit dem Verweis auf Artikel 20a GG nicht begründen. Es wäre zudem jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht mit den Grundrechten der Anlagenbetreiber von Windkraftanlagen in Einklang zu bringen. *** 8 VG Gießen, Urteil v. 3.9.2019, 3 K 250/16.GI, Rn. 80 – juris. 9 BVerfGE 118, 79 (111), siehe zuletzt auch VG Berlin, Urteil v. 31.10.2019, 10 K 412.18, S. 22.