© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 044/19 Chromtrioxid – Zulassungsverfahren gemäß REACH-Verordnung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/19 Seite 2 Chromtrioxid – Zulassungsverfahren gemäß REACH-Verordnung Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 044/19 Abschluss der Arbeit: 25.04.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zulassungserteilung gemäß Art. 60 ff. der REACH-Verordnung 4 3. Zulassungsverfahren betreffend die Verwendung von Chromtrioxid 6 4. Zusammenfassung 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/19 Seite 4 1. Einleitung Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Verordnung )1 ist der Eckpfeiler der EU-Rechtsvorschriften zur Regulierung von chemischen Stoffen. Die Verordnung gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten sowie in Ländern, die dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören.2 Chromtrioxid (CrO3, nomenklaturgerechte Bezeichnung Chrom(VI)-oxid) ist ein Oxid des Chroms. Es wurde aufgrund seiner Einstufung als krebserzeugend und erbgutverändernd im Jahr 2013 in den Anhang XIV der REACH-Verordnung „Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe“ aufgenommen.3 Die Aufnahme eines Stoffes in den Anhang XIV der REACH-Verordnung hat zur Folge, dass die Verwendung dieses Stoffes ab einem bestimmten Ablauftermin verboten ist. Hersteller , Importeure und nachgeschaltete Anwender können jedoch bis zu einem bestimmten Antragsschluss einen Antrag auf Zulassung einer spezifischen Verwendung dieses Stoffes stellen.4 Unternehmen, die Chromtrioxid über den 21.09.2017 (Ablauftermin) hinaus verwenden wollen, mussten bis zum 21.03.2016 (Antragsschluss) einen Zulassungsantrag stellen. 2. Zulassungserteilung gemäß Art. 60 ff. der REACH-Verordnung Zulassungsanträge können von Herstellern, Importeuren und nachgeschalteten Anwendern des Stoffes gestellt werden. Gemeinsame Anträge sind möglich und aus Gründen der Kostenersparnis üblich. Die Anträge sind bei der Europäischen Chemikalienagentur (European Chemicals Agency – ECHA) in Helsinki zu stellen. Zwei innerhalb der ECHA eingerichtete Ausschüsse, der Ausschuss für Risikobeurteilung (Committee for Risk Assessment – RAC) sowie der Ausschuss für sozioökonomische Analyse (Committee for Socio-Economic Analysis – SEAC), geben jeweils eine Stellungnahme zu dem Zulassungsantrag ab. 1 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH). ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1. http://publications.europa.eu/resource/cellar/ab8123f5-83ef-4659-90f6-4e12f33b30da.0003.02/DOC_1. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 2 Bourguignon, Didier (2016). Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments. EU-Politik und Rechtsvorschriften zu chemischen Stoffen – Ein Überblick, unter besonderer Berücksichtigung der EU-Chemikalienverordnung REACH. Seite 12. https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/cc09f1a4-c8dd- 11e6-a6db-01aa75ed71a1/language-de. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 3 Verordnung (EU) Nr. 348/2013 der Kommission vom 17.04.2013 zur Änderung von Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH). ABl. L 108 vom 18.04.2013, S. 1-5. https://eur-lex.europa.eu/Lex UriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2013:108:0001:0005:DE:PDF. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 4 Bourguignon, Didier (2016). Ebenda: S. 21 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/19 Seite 5 Entscheidungen über Zulassungsanträge trifft die Europäische Kommission. Sie erstellt auf der Grundlage der Stellungnahmen des RAC und des SEAC zunächst den Entwurf einer Zulassungsentscheidung . Bei der Zulassungsentscheidung auf der Grundlage der REACH-Verordnung handelt es sich um einen Durchführungsrechtsakt der Kommission gemäß Art. 291 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).5 Gemäß Art. 291 Abs. 3 AEUV sind durch Verordnungen allgemeine Regeln und Grundsätze festzulegen, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren.6 Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Kontrollbefugnis über Ausschüsse wahr. Es handelt sich um Ausschüsse, die sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzen und unter Vorsitz der Kommission zusammentreten.7 Bei Zulassungsentscheidungen auf der Grundlage der REACH- Verordnung findet das sog. Beratungsverfahren Anwendung.8 Im Beratungsverfahren beschließt der Ausschuss mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder. Die Kommission entscheidet über den zu erlassenden Entwurf des Durchführungsrechtsakts, wobei sie soweit wie möglich das Ergebnis der Beratungen im Ausschuss und die abgegebene Stellungnahme berücksichtigt. Im Ausschuss nach der Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Regelungsausschuss) gehören zur deutschen Delegation Vertreterinnen und Vertreter - der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), - des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), - des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), - des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie - des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).9 5 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47), zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndBeschl. 2012/419/EU vom 11.07.2012 (ABl. Nr. L 204 S. 131). 6 So geschehen durch die Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren. ABl. Nr. L 55 S. 13. https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R0182&from=DE. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 7 Grabitz, Eberhard; Hilf, Meinhard; Nettesheim, Martin (2018). Das Recht der Europäischen Union. Art. 291 AEUV Rn. 48. München: Verlag C.H. Beck. 8 Art. 64 Abs. 8 S. 2 REACH-VO verweist auf Art. 133 Abs. 2 REACH VO, welcher auf Art. 3 des Beschlusses 1999/468/EG Bezug nimmt. Aufgrund der Übergangsbestimmungen in Art. 12 Abs. 1 a) der VO (EU) Nr. 182/2011 findet Art. 4 (Beratungsverfahren) der VO (EU) 182/2011 Anwendung. 9 Kurzniederschrift zur Sitzung des REACH-Regelungsausschusses vom 07.03.2019. Abrufbar unter: http://ec.europa .eu/transparency/regcomitology/index.cfm?do=search.documentdetail&Dos_ID=17325&ds_id=61387&version =1&page=1. Letzter Zugriff: 25.04.2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/19 Seite 6 Das BMU hat innerhalb der Bundesregierung die Federführung zur REACH-Verordnung.10 Die Rolle des Europäischen Parlaments ist im Rahmen der Entscheidung über Zulassungen auf der Grundlage der REACH-Verordnung auf Informations- und Hinweisrechte beschränkt. Insbesondere kann das Europäische Parlament eine nicht bindende Entschließung verabschieden, wenn es befindet, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten hat.11 Die Kommission nimmt sodann eine Überprüfung des Durchführungsrechtsakts vor und informiert Parlament und Rat über das Ergebnis.12 Zusammenfassungen der Entscheidungen der Kommission über Zulassungen auf der Grundlage der REACH-Verordnung werden mit der Zulassungsnummer und der Begründung der Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. 3. Zulassungsverfahren betreffend die Verwendung von Chromtrioxid Mit Stand vom 24.04.2019 sind der Europäischen Kommission 75 Anträge auf Zulassung von Chromtrioxid-Verwendungen zur Entscheidung zugegangen.13 Für 39 dieser Anträge wurde zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Sachstandes eine Zulassungsentscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Der Antrag der LANXESS Deutschland GmbH auf Zulassung von sechs Verwendungen von Chromtrioxid ist zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Sachstandes nach wie vor anhängig. LANXESS und sechs weitere Unternehmen haben ein über 150 Mitglieder zählendes Konsortium gegründet (Chromium Trioxide Authorization Consortium – CTAC), um einen gemeinsamen Zulassungsantrag zu übermitteln.14 Die Stellungnahmen des RAC und des SEAC liegen seit September 2016 vor.15 10 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2015). REACH. https://www.bmu.de/themen/gesundheit-chemikalien/nanotechnologie/reach/. Letzter Zugriff: 25.04.2019. Schriftliche Frage zum Geschäftsbereich des BMU „Alternativen zur Verwendung von Chromtrioxid“ (2019). Drucksache 19/8180. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/081/1908180.pdf. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 11 Bourguignon, Didier (2016). Ebenda: S. 24. 12 Grabitz, Eberhard; Hilf, Meinhard; Nettesheim, Martin (2018). Ebenda: Rn. 54. 13 Europäische Kommission (2019). Authorisation Decisions List. Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom /documents/34714?locale=de. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 14 European Chemicals Agency (2019). Analyse der Alternativen – Bericht des CTAC. https://www.echa.europa .eu/documents/10162/18584504/afa_chromiun_trioxide-0032-06-aa_en.pdf/89194cca-2211-4e36-b60c- 3c66a0115c5e. S. 23. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 15 European Chemicals Agency (2019). Verabschiedete Gutachten und bisherige Konsultationen zu Zulassungsanträgen . Compiled RAC and SEAC opinions. https://www.echa.europa.eu/documents/10162/a43a86ab-fcea-4e2b- 87d1-78a26cde8f80. Letzter Zugriff: 25.04.2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/19 Seite 7 Der Entwurf einer Zulassungsentscheidung der Kommission beinhaltet eine Zulassung mit einem Überprüfungszeitraum bis September 2024 verbunden mit der Verpflichtung zu weitreichenden Risikomanagementmaßnahmen.16 Am 15.02.2019 stimmte der REACH-Regelungsausschuss diesem Entwurf mit einem Abstimmungsergebnis von 24 Mitgliedstaaten (befürwortend) gegen 4 Mitgliedstaaten (ablehnend) zu.17 Gegen diesen Entwurf einer Zulassungsentscheidung richtet sich die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27.03.2019.18 Das Europäische Parlament fordert die Kommission darin auf, ihren Entwurf eines Durchführungsbeschlusses zurückzuziehen und einen neuen Entwurf vorzulegen. Es moniert Lücken in den von den Antragstellern übermittelten Informationen, sowie Verstöße gegen die REACH-Verordnung. Die Entschließung des Europäischen Parlaments wurde dem Deutschen Bundestag am 10.04.2019 zugeleitet. In seiner Sitzung vom 11./12.04.2019 befasste sich der REACH-Regelungsausschuss erneut mit dem Entwurf des Durchführungsbeschlusses der Kommission hinsichtlich der Zulassung des CTAC-Antrages. Die Tagesordnung19 sah eine Diskussion und eine Analyse im Lichte der aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache T-837/16 (Königreich Schweden gegen Europäische Kommission)20 vor. Eine Kurzniederschrift zur Sitzung des REACH-Regelungsausschusses vom 11./12.04.2019 war zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Sachstandes noch nicht verfügbar. 16 Europäische Kommission (2019). Register zum Ausschussverfahren. D060095/03 (Entwurf einer Durchführungsmaßnahme ). Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transparency/regcomitology/index.cfm?do=search.documentdetail &Dos_ID=17240&ds_id=60095&version=3&page=1. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 17 Europäische Kommission (2019). Register zum Ausschussverfahren. V060898/01 (Abstimmungsformular). Abrufbar unter: Ebenda. 18 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27.03.2019 zu dem Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission zur Genehmigung bestimmter Verwendungen von Chromtrioxid gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (Lanxess Deutschland GmbH und andere). 19 Europäische Kommission (2019). Register zum Ausschussverfahren. A061449/02 (Tagesordnung). Abrufbar unter : http://ec.europa.eu/transparency/regcomitology/index.cfm?do=search.documentdetail &Dos_ID=17517&ds_id=61449&version=2&page=1&CLX=de. Letzter Zugriff: 25.04.2019. 20 Das Königreich Schweden beantragte in seiner Klage, den Durchführungsbeschluss C (2016) 5644 der Kommission vom 07.09.2016 über die Zulassung bestimmter Verwendungen von Bleisulfochromatgelb und Bleichromatmolybdatsulfatrot aufgrund von Verstößen gegen die REACH-Verordnung für nichtig zu erklären. Der Europäische Gerichtshof gab der Klage in seiner Entscheidung vom 07.03.2019 statt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 044/19 Seite 8 4. Zusammenfassung Die Einflussnahme der Mitgliedstaaten erfolgt bei Zulassungsentscheidungen der Europäischen Kommission auf der Grundlage der REACH-Verordnung im Wesentlichen über den REACH-Regelungsausschuss . Wie sich die Europäische Kommission in Ansehung der nicht bindenden Entschließung des Europäischen Parlaments zum CTAC-Antrag verhalten wird, ist zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar . Dies betrifft auch die Frage zur Möglichkeit der Nachreichung fehlender Daten durch die betroffenen Unternehmen. Die Wirtschaftsministerkonferenz sprach sich dafür aus, Informationsdefizite in Sammelanträgen im Austausch mit den Unternehmen zu beseitigen und praxistaugliche Zulassungsauflagen zu formulieren.21 *** 21 Wirtschaftsministerkonferenz (2018). Beschluss-Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz aufgrund der Amtschefskonferenz am 13.11.2018. https://www.wirtschaftsministerkonferenz.de/WMK/DE/termine/Sitzungen /18-11-13-ACK/18-11-13-beschluesse.pdf?__blob=publicationFile&v=2. S. 23. Letzter Zugriff: 25.04.2019.