WD 8 - 3000 - 042/20 (29.07.2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Schwefelhexafluorid (SF6) wird unter anderem in gasisolierten elektrischen Schaltanlagen (GIS) als Schutzgas eingesetzt. Weitere Anwendungen von SF6 wurden in der Europäischen Union bisher verboten. Da bei der letzten Überarbeitung der F-Gas-Verordnung im Jahr 2014 für elektrische Schaltanlagen keine kostengünstigen und umweltverträglichen Alternativen zur Verfügung standen , wurden diese ausgenommen. Die EU-Kommission muss gemäß der Verordnung des Europäischen Parlaments (Nr. 517/2014) zum 1. Juli 2020 bewerten, ob es für Mittelspannungsanlagen‚ kostenwirksame, technisch realisierbare, energieeffiziente und zuverlässige Alternativen gibt, um ein eventuelles Verbot aussprechen zu können.1 Das ursprünglich für März geplante ‚Consultation Forum‘ zur Überprüfung der Regelungen nach Artikel 21(4) der Verordnung (EU) 517/2014 musste aufgrund der Corona-Krise ausfallen.2 Die vorliegende Arbeit liefert Beispiele für alternative Lösungen zum Austausch von SF6 im Mittel - bzw. Hochspannungsbereich und mögliche Änderungen des Raum- und Materialbedarfs beim Einsatz der bisher bekannten Alternativen. Lösungsalternativen In der Mittelspannung gibt es, neben der gasisolierten Technologie, luftisolierte und feststoffisolierte Technologien. Aufgrund des Isolationsmediums Umgebungsluft sind bei der Nutzung der 1 Europäische Union (EU) (2014): Verordnung (EU) Nr. 517/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über fluorierte Treibhausgase und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 2 Umweltbundesamt (UBA) (2016). „EU-Verordnung über fluorierte Treibhausgase“, https://www.umweltbundesamt .de/themen/klima-energie/fluorierte-treibhausgase-fckw/rechtliche-regelungen/eu-verordnung-ueber-fluorierte -treibhausgase#aktuelles Europäische Kommission (2020). „F-gas Consultation Forum“, https://ec.europa.eu/clima/events/articles /0106_en, Stand 28. Juli 2020 Umweltbundesamt (UBA) (2019). „Schaltanlagen“, https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie /fluorierte-treibhausgase-fckw/anwendungsbereiche-emissionsminderung/schaltanlagen Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Einzelfragen zu Schwefelhexafluorid Kurzinformation Einzelfragen zu Schwefelhexafluorid Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 luftisolierten Technologie die Anlagen, physikalisch bedingt, im Vergleich zu gasisolierten Anlagen , umso größer, je höher die Betriebsspannung ist. Dies hat einen höheren Materialeinsatz z. B. von Kupfer und Isolatoren wie Epoxidharzen zur Folge. Auch ist der Platzbedarf in Gebäuden und von Grundstücksflächen größer. Bei Anlagen in feststoffisolierter Technik ist der Materialeinsatz an Feststoffen, wie beispielsweise Epoxidharzen, höher. Die Anlagengröße ist ähnlich einer Anlage mit gasisolierter Technologie. Beim Ersatz von SF6 als Schalt- und Isolationsmedium in gasisolierten Anlagen gibt es derzeit zwei Hauptlösungswege: Zum einen gibt es den SF6-Ersatz durch Gasgemische, die im Wesentlichen aus einer Mischung von Trägergasen aus Komponenten der atmosphärischen Luft mit einer fluorhaltigen Gaskomponente bestehen und zum anderen den SF6-Ersatz durch Gasgemische, die aus Komponenten der atmosphärischen Luft bestehen. Beide Ansätze zeigen bei vergleichbaren Randbedingungen eine zu SF6 geringere Isolationsfähigkeit. Dieser Nachteil kann in Abhängigkeit der gewählten Technologie nur durch besondere Maßnahmen, wie erhöhter Materialeinsatz, größerer Raumeinsatz und Druckänderung, kompensiert werden.3 Mittelspannungsanlagen Eine Beispielvariante ist der Einsatz von trockener Luft statt SF6. Das in der Anlage eingesetzte Gasgemisch, auch als technische Luft bezeichnet, besteht aus den Komponenten O2 und N2. Der Platzbedarf ist ähnlich mit dem beim Einsatz von typischen SF6-Schaltanlagen gleicher Leistungsklasse . Der höhere Materialbedarf an Stahl und Kupfer dieser Anlage geht darauf zurück, dass SF6 bessere dielektrische und thermische Eigenschaften als Luft hat und dies durch ein anderes Design kompensiert werden muss.4 Ein weiteres Beispiel für luft- und feststoffisolierte Schaltanlagenkonzepte für Mittelspannungsanlagen bietet die Firma „Eaton“.5 Eine technische Broschüre des Herstellers zeigt ein Beispiel 3 T&D Europe, The European Association of the Electricity Transmission and Distribution Equipment and Services Industry (2020). „Technical report on alternative to SF6 gas in medium voltage & high voltage electrical equipment“, https://www.tdeurope.eu/component/attachments/attachments.html?id=1435 4 Nuventura (2020). „Product“, https://www.nuventura.com/product Nuventura Produktbroschüre „next-generation GIS“, https://f6c72009-64f9-4905-9be6-e52b8ccf89d3.filesusr .com/ugd/304fdc_86e302cf8ee2461ca201436c52f01a89.pdf Nuventura Technischer Katalog „next-generation GIS“, https://f6c72009-64f9-4905-9be6-e52b8ccf89d3.filesusr .com/ugd/304fdc_63aad446662c41ac94bd8ad5e5ad08bf.pdf 5 Eaton Broschüre (2009). „Green Switching A sustainable alternative for SF6 gas-filled switchgear“, http://www.eaton.de/EN/ecm/idcplg?IdcService=GET_FILE&allowInterrupt=1&RevisionSelection- Method=LatestReleased&noSaveAs=0&Rendition=Primary&dDocName=PCT_501042 Eaton (2018). „SF6 free Switch Gear“, http://www.eaton.de/EatonDE/UnserUnternehmen/Nachhaltigkeit /SF6/index.htm Kurzinformation Einzelfragen zu Schwefelhexafluorid Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 für die räumliche Ausdehnung einer gasisolierten Mittelspannungs-Schaltanlage (s.a. nachfolgende Abbildung).6 Der Flächenbedarf bzw. „footprint“ ist bei vielen Varianten, im Vergleich zur SF6-Variante, gleich bzw. ähnlich. (s.a. Tabellen in Kapitel 7.2, Seite 26 bis 36)7. In der Angabe „footprint“ ist nicht die Anlagenhöhe berücksichtigt. Der „Technical Report“ zeigt bei den Mittelspannungsanwendungen bei gleichem oder ähnlichem Fußabdruck gleiches, ähnliches oder geringfügig höheres 6 Eaton (2019). „Power Xpert XGIS - Dimensions“, http://www.eaton.eu/DE/Europe/Electrical/ProductsServices /PowerDistribution/MediumVoltageSwitchgear/PrimarySwitchgear/PowerXpertXGIS/index.htm#tabs-3 7 T&D Europe, The European Association of the Electricity Transmission and Distribution Equipment and Services Industry (2020). „Technical report on alternative to SF6 gas in medium voltage & high voltage electrical equipment“, https://www.tdeurope.eu/component/attachments/attachments.html?id=1435 Kurzinformation Einzelfragen zu Schwefelhexafluorid Fachbereich WD 8 (Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung) Wissenschaftliche Dienste Seite 4 Gewicht der Anlagen. Darüber hinaus gibt es Anlagen mit gleichem Fußabdruck, bei denen mit deutlichen Änderungen bzgl. Materialeinsatz und Gewicht zu rechnen ist. Hochspannungsanlagen Der „Technical Report“ zeigt auch, dass bei den Varianten der Hochspannungsanlagen der ökologische Fußabdruck bzw. Flächenbedarf zum Teil gleich, aber auch in vielen Fällen größer ist (s.a. Kapitel 7.2.3, Seite 37 ff.)8. Für den Fußabdruck von gasisolierten Hochspannungsanlagen gilt generell , dass mit einem höheren Fußabdruck ein höherer Materialeinsatz verbunden ist. Im Falle eines Austauschs des Gasgemisches mit ökologisch verträglicheren Alternativgasen wäre, nach Aussage der Experten, mit erheblich erhöhtem Platzbedarf zu rechnen. Genaue Angaben konnten derzeit noch nicht gemacht werden (s.a. Kapitel 6.2, Seite 23 f.)9. *** 8 ebenda 9 ebenda