© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Verfassungsmäßigkeit der CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 2 Verfassungsmäßigkeit der CO2-Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Abschluss der Arbeit: 12. Mai 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. CO2-Bepreisung durch Ausgabe von Emissionszertifikaten nach dem BEHG (Fachbereich WD 4) 4 2.1. Wesentlicher Inhalt des BEHG 4 2.2. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als öffentlich-rechtliche Abgabe 5 2.2.1. Subjektive Abgabenpflicht 5 2.2.2. Objektive Abgabenpflicht 6 2.2.3. Ausnahmen von der Abgabenpflicht 6 2.2.4. Bemessungsgrundlage und Abgabensatz 6 2.2.5. Abgabenerhebung 6 3. Gesetzgebungskompetenz zur CO2-Bepreisung nach dem BEHG (Fachbereich WD 4) 6 4. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als Steuer? (Fachbereich WD 4) 7 4.1. Der Steuerbegriff 7 4.2. Zweifel am Vorliegen einer Gegenleistung für die Ausgabe der Emissionszertifikate 8 4.3. Anforderungen an das Vorliegen einer Gegenleistung 9 4.4. Ergebnis: Keine Steuer 10 5. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als nichtsteuerliche Abgabe (Fachbereich WD 4) 11 5.1. Anforderungen an nichtsteuerliche Abgaben 11 5.2. Keine Sonderabgabe im engeren Sinne 11 5.3. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als Vorteilsabschöpfungsabgabe 12 5.4. Rechtmäßigkeit einer Vorteilsabschöpfungsabgabe nach der Rechtsprechung des BVerfG 12 6. Beurteilung der CO2-Bepreisung nach dem BEHG als Vorteilsabschöpfungsabgabe (Fachbereich WD 8) 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wird, ob das Brennstoffemissionshandelsgesetz1 (BEHG), das seit dem 1. Januar 2021 für das Inverkehrbringen von Brennstoffen einen „CO2-Preis“ in Höhe von 25 Euro pro Tonne freigesetztem Kohlendioxid (CO2) vorsieht, der nach einem Festpreismodell bis zum Jahr 2025 jährlich auf bis zu 55 Euro ansteigt, verfassungskonform ist, insbesondere im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Dazu werden im Folgenden die wesentlichen Inhalte des BEHG kurz dargestellt (dazu nachfolgend 2.). Dann wird die für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes wesentliche Frage untersucht , ob es sich bei der CO2-Bepreisung um eine Steuer oder eine nichtsteuerliche Abgabe handelt (dazu nachfolgend 3. bis 5.). Schließlich wird geprüft, ob das nationale Emissionshandelssystem nach dem BEHG die besonderen Anforderungen an eine Vorteilsabschöpfungsabgabe nach der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt (dazu nachfolgend 6.). 2. CO2-Bepreisung durch Ausgabe von Emissionszertifikaten nach dem BEHG (Fachbereich WD 4) 2.1. Wesentlicher Inhalt des BEHG Aufgrund von Vorgaben der EU-Klimaschutzverordnung2 und des Bundesklimaschutzgesetzes3 sollen klimaschädliche CO2-Emissionen in Deutschland weiter reduziert werden. Diesem Ziel dient auch der nationale Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen auf der Grundlage des BEHG. Damit soll die Emission von Treibhausgasen mengenmäßig begrenzt und in ein kostenpflichtiges Gut verwandelt werden (Cap-and-Trade-System).4 Ziel ist die Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen in den Wirtschaftsbereichen außerhalb des europäischen Emissionshandelssystems 5 (EU-ETS)6 um 38 Prozent bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 2005.7 Das neben dem EU-ETS bestehende nationale Emissionshandelssystem umfasst insbesondere die Wärmeerzeugung des Gebäudesektors und der Energie- und Industrieanlagen außerhalb des EU-ETS und den Verkehrsbereich (ohne Luftverkehr).8 Es gilt gemäß § 2 Abs. 1 BEHG in Verbindung mit Anlage 1 1 Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen vom 12.12.2019, BGBl. I 2019, S. 2728, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 3.11.2020, BGBl. I 2020, S. 2291. 2 VO (EU) 2018/842. 3 Gesetz zur Einführung eines Bundesklimaschutzgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 12.12.2019, BGBl I 2019, S. 2513. 4 BT-Drucks. 19/14764, S. 1 f., 20 f. 5 Dazu RL 2003/87/EG und Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (TEHG), BGBl. I 2004, S. 1578. 6 European Emissions Trading System. 7 BT-Drs. 19/14746, S. 1. 8 BT-Drs. 19/14746, S. 2, 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 5 für die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Heiz- und Kraftstoffe, insbesondere Heizöl, Flüssiggas , Erdgas, Kohle, Diesel und Benzin.9 Durch Befreiung von der Abgabepflicht für Lieferungen an EU-ETS-Anlagen sollen Doppelerfassungen von Brennstoffemissionen bei Anlagen im Anwendungsbereich des EU-ETS soweit möglich vermieden werden.10 Teilnehmer am nationalen Emissionshandelssystem sind die Inverkehrbringer oder Lieferanten der Brennstoffe, also nicht die direkten Emittenten als Verursacher der Emissionen.11 Diese müssen nach § 8 BEHG jährlich bis zum 30. September eine den Brennstoffemissionen im vorangegangenen Kalenderjahr entsprechende Anzahl kostenpflichtiger Emissionszertifikate an das Bundesumweltamt als zuständige Behörde (§ 13 Abs. 1 BEHG) abgeben. Dabei berechtigt ein Emissionszertifikat zur Emissionen einer Tonne Treibhausgase in Tonnen Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum (§ 3 Nr. 2 BEHG). Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1, 2 BEHG werden die Zertifikate in den Jahren 2021 bis 2025 zu einem Festpreis verkauft. Für die Dauer dieses Verkaufs beträgt der Festpreis pro Emissionszertifikat 25 Euro im Jahr 2021, 30 Euro im Jahr 2022, 35 Euro im Jahr 2023, 45 Euro im Jahr 2024 und 55 Euro im Jahr 2025. Für 2026 wird ein Preiskorridor für die Zertifikate mit einem Mindestpreis von 55 Euro und einem Höchstpreis von 65 Euro pro Emissionszertifikat festgelegt (§ 10 Abs. 2 Satz 4 BEHG). Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BEHG werden die Zertifikate ab 2026 versteigert. Erst ab 2027 ist eine freie Preisbildung am Markt möglich.12 Ein freier Handel der Zertifikate ist in der Einführungsphase nicht möglich.13 Eine echte Obergrenze für den Erwerb von Zertifikaten und eine Deckelung für das Inverkehrbringen der Brennstoffe besteht in der Einführungsphase nicht.14 2.2. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als öffentlich-rechtliche Abgabe Die nach dem BEHG bestehende Pflicht der Verantwortlichen, vom Staat ausgegebene Emissionszertifikate zu erwerben, stellt eine auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften beruhende Geldleistungspflicht gegenüber dem Staat dar. Die Erlöse aus der Veräußerung der Zertifikate stehen dem Bund zu (§ 10 Abs. 4 Satz 1 BEHG). Für die Ausgestaltung dieser Abgabe gilt Folgendes. 2.2.1. Subjektive Abgabenpflicht Abgabenpflichtig sind die sog. Verantwortlichen. Das sind die natürlichen oder juristischen Personen oder Personengesellschaften, die zugleich Steuerschuldner der Energiesteuer gemäß den in 9 BT-Drs. 19/14746, S. 20. 10 BT-Drs. 19/14746, S. 20. 11 BT-Drs. 19/14746, S. 21. 12 Siehe Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 343; Wernsmann/Bering, NVwZ 2020, 497, 498. 13 BT-Drs. 19/14746, S. 22. 14 Siehe dazu Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 344. Zur Begründung siehe BT-Drs. 19/14746, S. 21 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 6 § 2 Abs. 2 BEHG genannten Tatbeständen der Entstehung der Energiesteuer sind (§ 3 Nr. 3 BEHG). 2.2.2. Objektive Abgabenpflicht Das BEHG gilt für die Emission von Treibhausgasen aus Brennstoffen, die von den Verantwortlichen in den Verkehr gebracht werden (§ 2 Abs. 1 BEHG). Abgabenauslösende Handlung ist also das Inverkehrbringen bestimmter Brennstoffe durch die Verantwortlichen.15 Auf die spätere Verbrennung der Stoffe durch die Endverbraucher kommt es nicht an.16 Die relevanten Brennstoffe sind in Anlage 1 des BEHG genannt. Dadurch stimmt der Anwendungsbereich des BEHG weitgehend mit dem Anwendungsbereich des Energiesteuergesetzes überein.17 Mit dem Entstehen der Energiesteuer gemäß den in § 2 Abs. 2 BEHG genannten Tatbeständen des Energiesteuergesetzes wird das Inverkehrbringen durch die Verantwortlichen fingiert. 2.2.3. Ausnahmen von der Abgabenpflicht Die Abgabe soll nicht für Emissionen gelten, die dem EU-ETS unterliegen. Eine Doppelbelastung ist nach § 7 Abs. 5 BEHG zu vermeiden. 2.2.4. Bemessungsgrundlage und Abgabensatz Bemessungsgrundlage ist die Brennstoffemission, also die Menge Kohlendioxid in Tonnen, die bei der Verbrennung der Brennstoffe freigesetzt wird und dem Verantwortlichen infolge des Inverkehrbringens zugerechnet wird (§ 3 Nr. 1 BEHG). Der Abgabensatz beträgt in 2021 25 Euro pro Emissionszertifikat (dazu näher 2.1.). 2.2.5. Abgabenerhebung Die Verantwortlichen haben bis zum 31. Juli einen Bericht über ihre Brennstoffemissionen im vorangegangenen Jahr zu erstellen. Bis zum 30. September müssen sie die diesen Brennstoffemissionen entsprechenden Emissionszertifikate abgeben (§ 8 BEHG). Die Emissionszertifikate müssen die Verantwortlichen vorher zu den o.g. Sätzen kaufen. Sie können bis zu 10 % der in einem Jahr erworbenen Emissionszertifikate bis zum 30. September des Folgejahres noch zu dem für das Vorjahr festgelegten Festpreis erwerben (§ 10 Abs. 2 Satz 3 BEHG). 3. Gesetzgebungskompetenz zur CO2-Bepreisung nach dem BEHG (Fachbereich WD 4) Um die Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen sowie die materiell-rechtlichen Anforderungen an eine Abgabe zu bestimmen, sind Abgaben zunächst zu klassifizieren.18 Liegt 15 Siehe auch Wernsmann/Bering, NVwZ 2020, 497, 498. 16 BT-Drs. 19/14746, S. 21. 17 Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 348; Wernsmann/Bering, NVwZ 2020, 497, 498. 18 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 208. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 7 eine Steuer im verfassungsrechtlichen Sinne vor, bestimmt sich die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 GG, die Ertragskompetenz nach Art. 106 GG und die Verwaltungskompetenz nach Art. 108 GG.19 Für eine nichtsteuerliche Abgabe richtet sich die Gesetzgebungskompetenz nach den Art. 70 ff. GG. Die Beurteilung einer Abgabe richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch den Gesetzgeber, sondern nach ihrem materiellen Gehalt.20 4. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als Steuer? (Fachbereich WD 4) 4.1. Der Steuerbegriff Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung („voraussetzungslos “) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden.21 Nach § 3 Abs. 1 AO sind Steuern einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Diese einfach-rechtliche Definition in § 3 Abs. 1 AO stimmt mit dem verfassungsrechtlichen Steuerbegriff überein.22 Steuern dienen damit der Verwirklichung des Gemeinlastprinzips , wonach Staatsleistungen durch allgemein auferlegte Geldleistungspflichten finanziert werden, ohne dass eine bestimmte Staatsleistung einem bestimmten Nutznießer zugeordnet werden müsste.23 Die CO2-Bepreisung nach dem BEHG erfüllt die Merkmale des Steuerbegriffs, problematisch ist allein der Gegenleistungsbezug. Soweit mit einer Abgabe auch umweltpolitische Zwecke verfolgt werden, ändert dies nichts am Charakter einer Abgabe als Steuer, solange sie nicht auf ein „Nullaufkommen “ abzielt oder erdrosselnde Wirkung hat und damit auf ein faktisches Verbot hinausläuft .24 Dies ist bei der CO2-Bepreisung nach dem BEHG nicht der Fall. Auch der begrenzte Kreis von Steuerpflichtigen – ca. 4.000 Unternehmen25 – steht einer Einordnung als Steuer nicht entgegen .26 19 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 212. 20 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 103. 21 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 100. 22 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 214. 23 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, 261. EL. März 2021, AO § 3 Rn. 153. 24 Vgl. Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 220 f. 25 BT-Drs. 19/14746, S. 26. 26 Wernsmann/Bering, NVwZ 2020, 497, 498 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 8 4.2. Zweifel am Vorliegen einer Gegenleistung für die Ausgabe der Emissionszertifikate Problematisch und umstritten ist der Gegenleistungsbezug der CO2-Bepreisung. Dafür kommt es darauf an, ob die Geldzahlung die Gegenleistung für eine besondere, dem Abgabepflichtigen individuell zurechenbare Leistung des Staates darstellt.27 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass den Zahlungen nach dem BEHG eine Gegenleistung gegenübersteht. Das Gesetz spricht von einer Veräußerung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BEHG), von einem Verkauf bzw. von einer Versteigerung der Emissionszertifikate (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BEHG). Dem liegt offenbar die Vorstellung von Leistung und gleichwertiger Gegenleistung zugrunde. Das BEHG soll wie das EU-ETS in seinem Anwendungsbereich (Verkehr und Wärme) ein Emissionshandelssystem etablieren. Nach der Gesetzesbegründung wird durch das BEHG ein öffentlich-rechtliches Bewirtschaftungssystem eingeführt, in dem die Emission einen besonderen Vorteil darstellt, der durch den Erwerb der kostenpflichtigen Zertifikate abgeschöpft wird.28 Der Gesetzgeber nimmt daher an, dass es sich bei den Erlösen für die Zertifikate nicht um Steuern handelt, sondern um nichtsteuerliche Abgaben, gestützt auf die Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes zur Luftreinhaltung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG.29 Im Schrifttum wird das Vorliegen einer Gegenleistung unterschiedlich geprüft und beurteilt. Eine Auffassung sieht – der Vorstellung des Gesetzgebers folgend – die Überlassung der Emissionszertifikate als Gegenleistung für die Zahlungen der Verantwortlichen an und verneint das Vorliegen einer Steuer.30 Denn die Zertifikate berechtigten zur Emission von Treibhausgasen. Die „konkrete staatliche Leistung“ liege also in der Ermöglichung des Inverkehrbringens von Brennstoffen, bei deren Verbrennung CO2-Emissionen freigesetzt werden.31 Nach einer anderen Auffassung bestehen Zweifel, ob die Überlassung der Emissionszertifikate als gleichwertige Gegenleistung zur Zahlung angesehen werden kann.32 Fraglich ist, ob es sich nicht lediglich um eine Gegenleistungsfiktion handelt, indem das Gesetz ein erlaubtes unternehmerisches Verhalten, nämlich das Inverkehrbringen von Brennstoffen, von einer zuvor nicht existenten Bedingung abhängig macht, nämlich nach Abschluss des Kalenderjahres eine bestimmte Menge an Zertifikaten abzugeben, die zuvor beim Staat gekauft werden müssen. Das nach dem BEHG vorgesehene Verfahren soll daher mit einer bloßen Steueranmeldung und das Emissionszertifikat mit einem bloßen Zahlungsbeleg vergleichbar sein.33 27 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, 261. EL. März 2021, AO § 3 Rn. 150. 28 BT-Drs. 19/14746, S. 21. 29 BT-Drs. 19/14746, S. 37. 30 Hennicke, NuR 2021, 83, 85; Wernsmann/Bering, NVwZ 2020, 497, 500. 31 Wernsmann, Verfassungswidrigkeit der CO2‐Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), insbesondere im Zeitraum von 2021 bis 2025, Rechtsgutachten im Auftrag der FDP‐Bundestagsfraktion, Seite 18 (https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2021-02/Verfassungswidrigkeit%20der%20CO2%E2%80%90Bepreisung .pdf). 32 Siehe Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 347. 33 Siehe Steinbach/Valta, JZ 2019, 1139, 1142 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 9 Diese Zweifel am Vorliegen einer Gegenleistung beziehen sich auf die Einführungsphase des nationalen Emissionszertifikatehandels, während der die Zertifikate zu einem Festpreis und ohne feste Obergrenze erworben werden, also gerade nicht innerhalb eines Handelssystems, das eine freie Preisbildung bei einem mengenmäßig begrenzten, also knappen Angebot an Emissionsberechtigungen vorsieht. Nur unter einer solchen Knappheitsbedingung erwerbe der Käufer des Zertifikats eine echte Gegenleistung.34 Dies sind zugleich die Kriterien, nach denen das BVerfG prüft, ob eine Vorteilsabschöpfungsabgabe innerhalb eines marktwirtschaftlichen Bewirtschaftungssystems der Abschöpfung eines Sondervorteils dient, ob die Vorteilsabschöpfungsabgabe also gerechtfertigt werden kann. Nach diesen Kriterien bestehen Zweifel, ob in der Einführungsphase des nationalen Emissionszertifikatehandels nach dem BEHG den Käufern der Zertifikate tatsächlich ein Sondervorteil zukommt und die CO2-Bepreisung als Vorteilsabschöpfungsabgabe gerechtfertigt werden kann (dazu ausführlich nachfolgend 5.4. und 6.). 4.3. Anforderungen an das Vorliegen einer Gegenleistung Für die Qualifikation der CO2-Bepreisung nach dem BEHG als Steuer stellt sich die Frage, ob an den Begriff der Gegenleistung die gleichen Anforderungen zu stellen sind, die für das Vorliegen eines Sondervorteils gelten, wie er nach der Rechtsprechung des BVerfG für die Rechtmäßigkeit einer Vorteilsabschöpfungsabgabe innerhalb eines nach marktwirtschaftlichen Kriterien funktionierenden öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftungssystems einer knappen Ressource erforderlich ist (dazu nachfolgend 5.4.). Im Schrifttum wird dies offenbar unterschiedlich beurteilt. Klinski/Keimeyer prüfen das Vorliegen einer Gegenleistung für Zwecke des Steuerbegriffs offenbar nach denselben Kriterien. Sie äußern daher Zweifel am Vorliegen einer Gegenleistung in der Einführungsphase des nationalen Emissionszertifikatehandels nach dem BEHG und neigen zur Annahme einer Steuer.35 Mit der gleichen Begründung der fehlenden mengenmäßigen Begrenzung der Emissionsrechte während der Einführungsphase kommen Steinbach/Valta zur Annahme , dass mangels Gegenleistung eine Steuer vorliege.36 Demgegenüber legt Wernsmann an das Vorliegen einer Gegenleistung für Zwecke des Steuerbegriffs bzw. eines Sondervorteils für Zwecke der Rechtmäßigkeitsprüfung einer Vorteilsabschöpfungsabgabe unterschiedliche Kriterien an. Er begründet ausführlich, dass die CO2-Bepreisung aufgrund des fehlenden Sondervorteils in der Einführungsphase als Vorteilsabschöpfungsabgabe verfassungswidrig sei, bejaht aber das Vorliegen einer Gegenleistung bei der vorrangigen Prüfung des Steuerbegriffs.37 Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen zum Wasserpfennig und zum EU-ETS keine hohen Anforderungen an das Vorliegen einer Gegenleistung gestellt und daher jeweils eine Steuer verneint. 34 Vgl. Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 347. 35 Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 347 gehen daher für den Zeitraum bis 2026 von einer „ihrem Wesen nach steuerliche(n) Belastung“ aus, weil die Zahlung nach dem BEHG „objektiv den Charakter einer Abgabe steuerlicher Art“ trage. 36 Steinbach/Valta, JZ 2019, 1139, 1142 f. 37 Wernsmann, Verfassungswidrigkeit der CO2‐Bepreisung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), insbesondere im Zeitraum von 2021 bis 2025, Rechtsgutachten im Auftrag der FDP‐Bundestagsfraktion, Seite 18 und 31 ff. (https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2021-02/Verfassungswidrigkeit %20der%20CO2%E2%80%90Bepreisung.pdf). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 10 Es hat bei seiner Prüfung des Steuerbegriffs nicht die gleichen Kriterien angelegt wie an das Vorliegen eines Sondervorteils im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung der Vorteilsabschöpfungsabgabe . In seiner Entscheidung zum Wasserpfennig führt das BVerfG aus, Gegenleistung sei die Möglichkeit der erlaubnispflichtigen Wasserentnahme, der Sondervorteil bestehe in der Nutzung einer knappen, der Bewirtschaftung unterliegenden Ressource.38 Wasserentnahmeentgelte ließen sich hinreichend scharf von Steuern unterscheiden, weil sie für eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung in Gestalt der Möglichkeit der Wasserentnahme erhoben würden.39 In seiner Entscheidung zum EU-ETS erläutert das BVerfG, die Zahlung sei Gegenleistung für die erworbenen Emissionsberechtigungen; der Sondervorteil liege in der Nutzung der Luft zum Zwecke der Ableitung von CO2-Emissionen als knapper natürlicher Ressource in einem System der Bewirtschaftung nach Marktgrundsätzen mit einer mengenmäßigen Begrenzung des genutzten Gutes.40 Folglich stellt das BVerfG im Zusammenhang mit Abgaben für die Nutzung natürlicher Ressourcen keine hohen Anforderungen an die Gegenleistung, selbst wenn der Staat keinen eigenen tatsächlichen Aufwand zur Erbringung der Gegenleistung tätigt, sondern lediglich gesetzlich regelt, dass ein bestimmtes Verhalten (zum Beispiel die Entnahme von Wasser) nur nach einer staatlichen Erlaubnis oder nur unter Abgabe eines entgeltlich zu erwerbenden Zertifikats zulässig ist (zum Beispiel die Verschmutzung von Luft durch Emissionen). In seiner Entscheidung zum EU- ETS hat das BVerfG zwar ausführlich begründet, unter welchen Voraussetzungen ein Sondervorteil vorliegt, der für die Rechtmäßigkeit einer Vorteilsabschöpfungsabgabe erforderlich ist, das Vorliegen einer Gegenleistung im Rahmen seiner vorherigen Prüfung des Steuerbegriffs aber mit einem Satz bejaht. Angesichts dieser Rechtsprechung wird im Schrifttum kritisiert, das BVerfG habe den Begriff der Gegenleistung „gesprengt“, ihm die Konturen genommen und dadurch die Abgrenzung von Steuern und nichtsteuerlichen Abgaben erschwert.41 Denn es habe die Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit allgemeinverfügbarer Umweltgüter wie Luft, Wasser und Boden als Gegenleistung anerkannt , obwohl dem dadurch abgeschöpften Vorteil kein Aufwand des Staates gegenüberstehe.42 Eine Sondernutzung von Naturressourcen ohne konkreten Gegenleistungsbezug lasse sich aber beliebig konstruieren.43 4.4. Ergebnis: Keine Steuer Nach den Maßstäben, die das BVerfG an die Gegenleistung als Kriterium zur Abgrenzung von Steuern und nichtsteuerlichen Abgaben im Bereich der Abgaben für die Nutzung natürlicher Ressourcen anlegt, dürfte es sich bei den Emissionszertifikaten nach dem BEHG ebenfalls um eine 38 BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 471 unter C. I. 3. b) aa) (1) und (2). 39 BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 471. 40 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 26 und 32 ff. 41 Drüen, in: Tipke/Kruse, 163. EL November 2020, AO § 3 Rn. 18 (Beitrag zur Erosion des Steuerstaates). 42 Drüen, in: Tipke/Kruse, 163. EL November 2020, AO § 3 Rn. 18; kritisch auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rn. 2.22. 43 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rn. 2.22. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 11 Gegenleistung für die Zahlungen der Verantwortlichen handeln, und zwar selbst in der Einführungsphase des nationalen Emissionszertifikatehandels, so dass die CO2-Bepreisung nach dem BEHG keine Steuer darstellt. 5. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als nichtsteuerliche Abgabe (Fachbereich WD 4) 5.1. Anforderungen an nichtsteuerliche Abgaben Auch wenn die Finanzverfassung die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertragsund Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen - neben den Zöllen und Finanzmonopolen - nur für das Finanzierungsmittel der Steuer regelt, ist die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben verschiedener Art dadurch nicht ausgeschlossen; das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabetypen.44 Die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern ist aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Denn aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung ergeben sich Grenzen für Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz auferlegt.45 Nichtsteuerliche Abgaben bedürfen einer besonderen sachlichen Rechtfertigung und müssen sich ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden ; weiter müssen sie der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen und müssen den Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans beachten, wonach das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen ist.46 5.2. Keine Sonderabgabe im engeren Sinne Bei der CO2-Bepreisung nach dem BEHG handelt es sich nicht um eine Sonderabgabe im engeren Sinne. Die Sonderabgabe unterscheidet sich von einer Steuer dadurch, dass sie die Abgabenschuldner über die allgemeine Steuerpflicht hinaus mit Abgaben belastet, ihre Kompetenzgrundlage in einer Sachgesetzgebungszuständigkeit sucht und das Abgabeaufkommen einem Sonderfonds zur Finanzierung besonderer Aufgaben vorbehalten ist.47 Wie Steuern werden Sonderabgaben ohne Gegenleistung, also voraussetzungslos erhoben.48 Aufgrund des Gegenleistungsbezugs der Zahlungen nach dem BEHG (dazu 4.) liegt keine Sonderabgabe im engeren Sinne vor,49 so 44 BVerfG, Urteil vom 19.3.2003, 2 BvL 9/98 u.a., NVwZ 2003, 715, 716; BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 470. 45 BVerfG, Urteil vom 19.3.2003, 2 BvL 9/98 u.a., NVwZ 2003, 715, 716. 46 BVerfG, Urteil vom 19.3.2003, 2 BvL 9/98 u.a., NVwZ 2003, 715, 716; BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 471. 47 BVerfG, Beschluss v. 13.4.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, 2249, Rn. 102. 48 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, 261. EL. März 2021, AO § 3 Rn. 162, 228. 49 Siehe auch Hennicke, NuR 2021, 83, 86 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 12 dass die besonderen Rechtmäßigkeitsanforderungen an Sonderabgaben im engeren Sinne nicht einschlägig sind. 5.3. CO2-Bepreisung nach dem BEHG als Vorteilsabschöpfungsabgabe Das BVerfG geht davon aus, dass es neben Steuern, Gebühren und Beiträgen sowie Sonderabgaben im engeren Sinne noch weitere zulässige Abgaben gibt (sonstige Abgaben oder Abgaben sui generis).50 Dazu gehört auch die Vorteilsabschöpfungsabgabe. Ein legitimer Zweck für die Erhebung einer Abgabe ist nach der Rechtsprechung des BVerfG der Ausgleich von Vorteilen, die dem Einzelnen auf Grund einer ihm zurechenbaren öffentlichen Leistung zufließen; denn wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, empfängt einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, die durch die Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen.51 Ein solcher Sondervorteil liegt darin, dass der Abgabepflichtige eine knappe natürliche Ressource wie Wasser als Gut der Allgemeinheit nutzen kann.52 Dies beruht auf dem Ausgleichsgedanken, der es rechtfertigt , diesen Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen.53 Dabei ist in begrifflicher Hinsicht unklar geblieben, ob Vorteilsabschöpfungsabgaben als Unterfall einer Gebühr oder als nichtsteuerliche Abgabe eigener Art angesehen werden. Beiden ist gemein, dass sie eine Gegenleistung für staatliche Leistungen darstellen. Eine Gebühr soll allerdings nicht vorliegen, wenn ihr kein staatlicher Aufwand gegenübersteht.54 Da der Zweck der CO2-Bepreisung nach dem BEHG nicht darin besteht, die Verwaltungskosten für die Organisation der Ausgabe von Emissionszertifikaten o.ä. zu decken, sondern die Emission von Treibhausgasen in ein „kostenpflichtiges Gut“ für die Unternehmen zu verwandeln und für den Staat nicht mit Kosten verbunden ist, spricht viel dafür, die Vorteilsabschöpfungsabgabe aufgrund ihrer Besonderheiten nicht als eine gewöhnliche Gebühr, sondern als eine Abgabe eigener Art anzusehen.55 5.4. Rechtmäßigkeit einer Vorteilsabschöpfungsabgabe nach der Rechtsprechung des BVerfG Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden be- 50 Siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 471 („weitere Abgaben“); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, 261. EL. März 2021, AO § 3 Rn. 343. Die Rechtfertigungsanforderungen an diese sonstigen Abgaben sind aber unklar geblieben, Wernsmann, a.a.O. Rn. 346. 51 BVerfG, Urteil vom 19.3.2003, 2 BvL 9/98 u.a., NVwZ 2003, 715, 717. 52 BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 471. 53 BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 471. 54 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, 261. EL. März 2021, AO § 3 Rn. 157. 55 Wernsmann/Bering, NVwZ 2020, 497, 502. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 13 sonderen sachlichen Rechtfertigung; als sachliche Gründe, die die Bemessung einer nichtsteuerlichen Abgabe rechtfertigen können, sind neben dem Zweck der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt.56 Zum Zwecke des Vorteilsausgleichs kann die Erzielung von Veräußerungserlösen aus einem Handelssystem mit Emissionszertifikaten aus ihrem Charakter als Vorteilsabschöpfungsabgabe im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung sachlich legitimiert sein.57 Dass setzt voraus , dass dem Käufer der Emissionszertifikate (Emissionsberechtigungen) ein Sondervorteil gegenüber allen anderen zukommt, die nicht über (genügend) Emissionsberechtigungen verfügen und damit die Luft nicht im gleichen Umfang zum Zweck der Ableitung von CO2-Emissionen nutzen dürfen.58 Den Sondervorteil, der mit dem Emissionszertifikat verbunden ist, erhält jeder, der eine solche Berechtigung vom Staat käuflich erwirbt.59 Die Abgabe muss sich auf ein knappes Gut beziehen. Die Reinheit der Luft ist – wie Wasser – eine knappe natürliche Ressource; das knappe Gut ist nicht die Luft selbst, sondern ihr Verschmutzungsgrad, da die Luft nur in begrenztem Maße Kohlendioxid aufnehmen kann, ohne dass dies schädliche Auswirkungen auf das Klima hat.60 Die Nutzung der knappen Ressource muss einer öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftung unterliegen . Diese Bewirtschaftung kann aus einer hoheitlichen Verleihung begrenzter Nutzungsrechte bestehen61 oder nach Marktgrundsätzen erfolgen.62 Wenn sich der Gesetzgeber für eine Bewirtschaftung nach Marktgrundsätzen entscheidet, muss das als knapp definierte Gut mengenmäßig begrenzt werden, weil sich nur dann ein Marktpreis bilden kann, der die Marktteilnehmer zu kosteneffizientem Verhalten veranlasst. Dazu muss die Zahl der Berechtigungen so gesteuert werden , dass sie hinter dem Bedarf zurückbleibt, weil das Emissionshandelssystem anderenfalls funktionslos wäre.63 Von einer Bewirtschaftung kann man erst sprechen, wenn der Staat die Gesamtmenge der zulässigen Emissionen mengenmäßig begrenzt, weil erst dadurch der Marktmechanismus in Gang gesetzt wird.64 56 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 30 unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung; BVerfG 19.3.2003, 2 BvL 9/98 u.a., NVwZ 2003, 716. 57 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 31. 58 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 32. 59 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 32. 60 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 33. 61 Dazu BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469, 471. 62 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 34. 63 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 35. 64 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 36. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 14 6. Beurteilung der CO2-Bepreisung nach dem BEHG als Vorteilsabschöpfungsabgabe (Fachbereich WD 8) In Teilen des juristischen Schrifttums werden Zweifel geäußert, ob das BEHG mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG als Vorteilsabschöpfungsabgabe eingeordnet werden könne. Zur Begründung wird insbesondere auf die fehlende Begrenzung der Emissionsrechte verwiesen .65 Im Lichte der oben genannten Maßstäbe lassen sich jedoch gute Gründe dafür anführen, dass es sich auch bei der Festpreisregelung nach § 10 Abs. 2 BEHG um eine Abgabe zur Vorteilsabschöpfung handeln dürfte. Abschließend geklärt werden dürfte die Frage erst durch eine Entscheidung des BVerfG. Die Nutzung einer knappen Ressource dürfte mit Blick auf das BEHG vorliegen. Knapp ist wie beim EU-Emissionshandel66 die natürliche Ressource Verschmutzung der Luft mit CO2. Dies ist unabhängig von der Ausgestaltung des rechtlichen Regulierungsregimes, sondern eine aufgrund der klimatischen Bedingungen vorgegebene Knappheit. Sobald eine bestimmte Tätigkeit nur zulässig ist, wenn zuvor ein Emissionsrecht erworben worden ist, stellt das Recht, diese knappe Ressource zu nutzen, einen Sondervorteil dar. Unerheblich ist dabei, dass die Begrenzung nur für bestimmte Gruppen von CO2-Emittenten erfolgt und für andere erlaubnisfrei bleibt.67 Die Nutzung der knappen Ressource Luft durch CO2-Emissionen unterliegt auch einer öffentlichrechtlichen Bewirtschaftung. Ausdrücklich führt das BVerfG in der Entscheidung zum EU-Emissionshandel aus, dass zur Annahme einer Bewirtschaftungsordnung eine hoheitliche Verleihung begrenzter Nutzungsrechte nicht zwingend vorausgesetzt sei. Dies sei (nur) dann erforderlich, wenn eine Bewirtschaftung nach Marktgrundsätzen gewählt werde.68 Ganz in diesem Sinne hat das BVerfG auch in der Wasserpfennig -Entscheidung das Vorliegen einer zulässigen Vorteilsabschöpfungsabgabe angenommen , obwohl es bei den dort geprüften Instrumenten ebenfalls keine Obergrenze für die Gesamtmenge des zur Nutzung bereitgestellten Grundwassers gab.69 Von Teilen des juristischen Schrifttums wird eingewandt, dass in der Konstellation, die der Wasserpfennig -Entscheidung zugrunde lag, den Unternehmen zuvor die Grundwassernutzung im 65 Müller/Kahl, Stellungnahme zur Anhörung des Umweltausschusses am 6.11.2019, S. 2 ff; Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 346 ff., die allerdings eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung für möglich halten; lediglich auf das verfassungsrechtliche Risiko verweisen Zenke/Telschow, CO2-Bepreisung durch nationalen Emissionshandel , EnWZ 2020, 157, 162. 66 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 32 f. 67 Zum EU-ETS BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 32. 68 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018, 1 BvR 2864/13, NVwZ 2018, 972 Rn. 35. (Hervorhebung durch Verfasser). 69 BVerfGE 93, 319, 346 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 037/21, WD 8 - 3000 - 039/21 Seite 15 Rahmen eines Erlaubnisverfahrens behördlich gestattet wurde und auf die Erteilung der Erlaubnis kein Rechtsanspruch bestand.70 Hiergegen lässt sich allerdings anführen, dass diese besondere Gestaltung des Verwaltungsverfahrens nicht Voraussetzung für die Annahme eines Sondervorteils ist, sondern es in Abgrenzung zu einer Steuer allein auf das Vorliegen einer Gegenleistung ankommt.71 Auch wenn Gestattung und Abgabenerhebung in einem Akt erfolgen, lässt sich eine Gegenleistung annehmen. Ausreichend für die Annahme einer Bewirtschaftungsordnung dürfte sein, dass eine staatliche Beeinflussung des Ausmaßes der Ressourcennutzung erfolgt. Teilweise wird im juristischen Schrifttum die Lenkungswirkung in Frage gestellt, da die Verpflichteten nach dem BEHG in der Einführungsphase beliebig viele Zertifikate erwerben und die Kosten an ihre Kunden weitergeben könnten.72 Dem kann allerdings entgegengehalten werden, dass eine Verteuerung von Brennstoffen deren Absatz tendenziell verringern wird und damit die Nachfrage nach CO2- ärmeren oder CO2-neutralen Alternativen stärken wird. Für die Annahme eines Bewirtschaftungssystems spricht auch, dass Deutschland verpflichtet ist, die Vorgaben aus der EU-Klimaschutzverordnung einzuhalten. Das BEHG dient dieser Einhaltung . Daran ändert auch die mögliche Notwendigkeit, die Flexibilisierungsmechanismen auf EU- Ebene zu nutzen, nichts. Der Gesetzgeber prognostiziert implizit, dass die steigenden Nutzungsfestpreise des § 10 Abs. 2 BEHG eine lenkende Wirkung entfalten, die ausreicht, um die Vorgaben der EU-Klimaschutzverordnung zu erreichen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das BEHG durchaus als Bewirtschaftungsordnung deuten, das in einer Übergangsphase Unternehmen und Verbraucher durch eine Preisregelung vor möglichen Verwerfungen einer ungehinderten Preisbildung schützt. Für eine übermäßige Vorteilsabschöpfung ist nichts ersichtlich. Die Effektivität und Zielgenauigkeit eines solchen Bewirtschaftungssystems mag sich aufgrund der fehlenden Begrenzung der Emissionsrechte in der Einführungsphase aus umweltpolitischer oder -ökonomischer Sicht bestreiten lassen.73 Dies dürfte aber in verfassungsrechtlicher Perspektive nichts daran ändern, dass es sich um ein Bewirtschaftungssystem handelt, das die Erlaubnis zur Nutzung der knappen Ressource Luft durch CO2-Emissionen an den Erwerb eines Nutzungsrechts koppelt. *** 70 Klinski/Keimeyer, ZUR 2020, 342, 347. 71 BVerfG 93, 319, 346. 72 Müller/Kahl, Stellungnahme, S. 14 f. 73 Zenke/Telschow, EnWZ 2020, 157, 162 f.