© 2017 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 038/17 Türkischer Konsulatsunterricht Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 2 Türkischer Konsulatsunterricht Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 038/17 Abschluss der Arbeit: 10.11.2017 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Baden-Württemberg 5 3. Bayern und Bremen 7 4. Berlin 8 5. Hamburg 9 6. Hessen 11 7. Niedersachsen 12 8. Nordrhein-Westfalen 12 9. Saarland 13 10. Schleswig-Holstein 13 11. Kultusministerkonferenz 14 12. Verfassungsmäßigkeit des Konsulatsunterrichts 15 13. Studiengänge Türkisch als Lehramt 16 13.1. Hochschule Universität Duisburg-Essen 16 13.2. Hochschule Universität Hamburg 16 14. Literatur- und Quellenverzeichnis 18 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 4 1. Einleitung Der Konsulatsunterricht geht zurück auf einen Beschluss der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 1964 und auf die Richtlinie 77/486/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern (Vergl.: Richtlinie des Rates 1977). Auf dieser Grundlage richteten mehrere Bundesländer den sogenannten Konsulatsunterricht für verschiedene Sprachen wie z. B. Türkisch, Portugiesisch, Spanisch oder Griechisch ein. Schüler mit Migrationshintergrund sollten so darauf vorbereitet werden, in die Heimat ihrer Eltern zurückzukehren . Etwa die Hälfte der Bundesländer bietet herkunftssprachlichen Unterricht an öffentlichen Schulen mit hierzulande ausgebildeten Lehrern an. Manche Länder, wie Bayern und Baden-Württemberg, überlassen den Unterricht ganz den Konsulaten, die die Curricula ausgestalten und verantworten sowie Lehrer im Herkunftsland rekrutieren. Mehrere Länder fahren zweigleisig . Der Konsulatsunterricht findet meistens nachmittags außerhalb des Schulbetriebes statt, aber in den Räumlichkeiten der Schulen. Vor diesem Hintergrund, dass die Bundesländer den sogenannten Konsulatsunterricht einrichteten und diesem kein internationales bilaterales Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den jeweiligen Staaten, sondern vielmehr bilaterale Vereinbarungen zwischen den Kultusministerien der Länder und den Schulaufsichtsbehörden auf der einen sowie den konsularischen Vertretungen auf der anderen Seite zugrunde liegen, existieren keine verbindlichen bundes- oder landesrechtlichen Regelungen oder Vorgaben zur Ausgestaltung des Konsulatsunterrichts . Die Kultusministerkonferenz (KMK) stellte bereits in ihrem Bericht Zuwanderung aus dem Jahr 2002 fest: „Im Zuge der verstärkten Deutschförderung und insgesamt beschränkter Ressourcen wird zunehmend in den Ländern eine Übernahme des Mutter- oder Herkunftssprachenunterrichts durch die Konsulate oder zumindest eine Mischfinanzierung angestrebt. Gleichwohl ist eine Zertifizierung und Qualitätsentwicklung dieses Unterrichts, der einen wichtigen Beitrag zum generellen Ziel der Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Bildung leisten kann, wünschenswert. Staatliche Lehr- oder Rahmenpläne für diesen Unterricht können eher Qualitätsstandards vermitteln , an die allerdings der Konsulatsunterricht nicht gebunden werden kann“ (KMK 2006: 12). Wie gering der Einfluss auf die Ausgestaltung des Konsulatsunterrichts auch auf kommunaler Ebene ist, dokumentiert ein Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 2007. „Der Gemeinderat der Stadt Rastatt hat(te) am 27.11.2006 beschlossen, unter Abkehr von der bisherigen langjährigen Praxis in den städtischen Schulen zukünftig keine Räume mehr zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen. Zur Begründung hat(te) er sich darauf berufen, dass dieser Unterricht letztlich ein Hindernis für die Integration der jungen Menschen in die deutsche Gesellschaft darstelle; vielmehr müssten die Deutschkenntnisse der Ausländerkinder verbessert werden . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 5 Der VGH Baden-Württemberg hat dies beanstandet und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einer Beschwerde türkischer Kinder gegen eine anderslautende Entscheidung des VG Karlsruhe stattgegeben. Nach Ansicht des Gerichts ist es den Gemeinden verwehrt, sich bei ihrer Entscheidung über die Vergabe von Schulräumen für außerschulische Zwecke über die schul- und integrationspolitischen Vorgaben der Kultusverwaltung hinwegzusetzen, die sich für den Konsulatsunterricht ausgesprochen haben. Es sei auch nicht ersichtlich, dass etwa organisatorische Schwierigkeiten der weiteren Abhaltung des Konsulatsunterrichts in den städtischen Schulen entgegenstünden. Folglich könnten die Antragsteller wegen der dann gegebenen Ermessensreduzierung einen Anspruch auf Nutzung der Schulräume geltend machen“ (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 2007). Nach dem gescheiterten Putsch ging die türkische Regierung massiv gegen ihre Kritiker vor. Sie hat in Behörden, Schulen und Hochschulen Tausende unerwünschte Mitarbeiter entlassen und steht im Verdacht, auch im Ausland vermeintliche oder echte politische Gegner auszuspionieren. Dies führte dazu, dass auch der türkische Konsulatsunterricht mittlerweile in die Kritik geraten ist. Gewerkschafter, Elternvertreter und Politiker verschiedenster Parteien haben den Unterricht in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert, weil sie eine ideologische und/oder religiöse Einflussnahme aus Ankara befürchten. So musste die türkische Botschaft in Berlin ihre Lehrpläne für den Konsulatsunterricht vor kurzem überarbeiten, da den Erst- bis Viertklässlern auch religiöse und nationalistisch anmutende Themen wie „Gedenken an Atatürk“, „Respekt gegenüber Flagge und Nationalhymne“ und die „Wichtigkeit der Reinheit im Islam“ vermittelt werden sollten. Die Schüler sollten die Bedeutung der religiösen und nationalen Feiertage erklären, einen Gebetstext erstellen und Beispiele für Naturereignisse sammeln, „die die Existenz Gottes zeigen“ (Vergl.: Spiegel-online 2017). Die nachfolgenden Ausführungen beschreiben die derzeitige bildungspolitische Diskussion unterschiedlichster Interessenvertreter und Politiker in den verschiedenen Bundesländern. Die Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 2. Baden-Württemberg In einer Stellungnahme auf den SPD-Antrag zur „Gestaltung des Konsulatsunterrichts in Baden- Württemberg“ erklärte das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im baden-württembergischen Landtag am 24. März. 2017, dass die Organisation, Durchführung und Kostenträgerschaft des muttersprachlichen Zusatzunterrichts in Baden-Württemberg in der alleinigen Verantwortung der Herkunftsstaaten liegt. „Grundsätzlich gilt, dass die einzelnen Herkunftsländer in eigener Verantwortung qualifizierte Lehrkräfte mit entsprechenden Befähigungen für den muttersprachlichen Unterricht einsetzen. Das Land gewährt einen Zuschuss für die in Zusammenhang mit der Organisation des muttersprachlichen Unterrichts entstehenden Personal- und Sachkosten und entrichtet die Versicherungsbeiträge für eine Schülerzusatzversicherung (Unfallversicherung). Insgesamt wurden dem Kultusministerium im Schuljahr 2016/2017 von vierzehn Herkunftsstaaten 3.106 Kurse gemeldet, an denen 41.925 Schülerinnen und Schüler teilnehmen (494 Lehrkräfte). Mit den im Staatshaushaltsplan zur Verfügung stehenden Mitteln konnten 847 Kurse mit insgesamt ca. 1,1 Mio. Euro bezuschusst werden: Türkei (508 Kurse), Italien (141 Kurse), Griechenland (43 Kurse), Kroatien Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 6 (30 Kurse), Portugal (27 Kurse), Bosnien-Herzegowina (24 Kurse), Spanien (18 Kurse), Kosovo (15 Kurse), Serbien (15 Kurse), Polen (8 Kurse), Ungarn (6 Kurse), Makedonien (5 Kurse), Tunesien (5 Kurse) und Slowenien (2 Kurse). Die Rahmenbedingungen für den muttersprachlichen Zusatzunterricht sind in Ziffer 4 der Verwaltungsvorschrift „Grundsätze zum Unterricht für Kinder und Jugendliche mit Sprachförderbedarf “ vom 1. August 2008 festgelegt. Darin sind u. a. die Voraussetzungen für die Bezuschussung des Landes geregelt. Außerdem werden die Schulträger gebeten, den diplomatischen und konsularischen Vertretungen Schulräume für den muttersprachlichen Zusatzunterricht kostenlos zu überlassen und die Schulbehörden und Schulen aufgefordert, eine enge Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Lehrern der Herkunftsländer anzustreben. Zudem wird geregelt, dass die diplomatischen und konsularischen Vertretungen für den muttersprachlichen Zusatzunterricht Noten vergeben können, die entweder unter ´Bemerkungen` im Zeugnis eingetragen oder diesem als Beiblatt beigelegt werden können. Die statistischen Daten für den muttersprachlichen Zusatzunterricht werden landesweit erhoben. Insoweit können keine detaillierten Angaben zu einzelnen Regionen erfolgen. Die Curricula werden von den Herkunftsländern ausgestaltet und verantwortet. Informationen und ggf. Gespräche erfolgen einzelfallbezogen im Austausch mit der jeweiligen Schulaufsichtsbehörde . Dabei kann es sowohl um die Inhalte des Unterrichts gehen als auch um konkrete Problemanzeigen . Aufgrund der bundesweiten Debatte fand aktuell eine Abfrage bei den Schulaufsichtsbehörden zu den öffentlich diskutierten Kritikpunkten im muttersprachlichen Zusatzunterricht statt. Die Abfrage ergab eine hohe Sensibilität der Schulverwaltung und der Schulleitungen im Umgang mit dem Thema. Wo die Problemanzeigen nicht hinreichend konkret waren, wurden die Schulaufsichtsbehörden gebeten, Einzelfällen konkreter nachzugehen“ (Landtag von Baden-Württemberg 2017: 3) Auf die Frage welche landeskundlichen oder kulturellen Inhalte neben dem Sprachunterricht im türkischen und gegebenenfalls auch in anderem Konsulatsunterricht vermittelt werden und welche Vorkehrungen sie trifft bzw. treffen wird, um eine mögliche Indoktrination durch den Konsulatsunterricht zu vermeiden, antwortet das Ministerium: „Nach Maßgabe der einschlägigen Richtlinie des Rates der europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 1977 (77/486/EWG) ist es wichtig, „dass die Aufnahmemitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit den Herkunftsmitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um die Unterweisung der genannten Kinder in ihrer Muttersprache und in der heimatlichen Landeskunde zu fördern …“. Der muttersprachliche Zusatzunterricht soll der Bewahrung und Pflege der heimatlichen Sprache und Kultur dienen. Inhalte der Landeskunde können neben Geschichte, Kultur und Geografie auch Elemente der Religionskunde sein. Das Kultusministerium arbeitet mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen auf Grundlage der schulgesetzlichen Regelungen Baden-Württembergs und den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden rechtsstaatlichen Grundsätzen zusammen. Die Schulverwaltung steht in regelmäßigem Kontakt mit den Schulleitungen und den diplomatischen Vertretungen. Darüber Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 7 hinaus bietet das Kultusministerium in Zusammenarbeit mit den türkischen Generalkonsulaten Karlsruhe und Stuttgart jährlich eine Einführungsveranstaltung zum Schulsystem Baden-Württembergs für neue Lehrkräfte aus der Türkei an. Im Herbst 2016 nahmen fünfzig neue Lehrkräfte an dieser Veranstaltung teil. Angesichts der aktuell immer wieder thematisierten Problemlagen hat das Kultusministerium die Schulaufsicht zudem gebeten, sehr aufmerksam und kritisch hinzusehen und dem Ministerium über Missstände zu berichten“ (Ebenda: 4). Auf die weiteren Anfragen (8-10) - „wie mögliche Alternativen zu dem momentan angebotenen Konsulatsunterricht und vor allem dem darin inbegriffenen muttersprachlichen Unterricht aussehen könnten; - wie viel diese alternativen Organisationsformen des Konsulatsunterrichts jeweils kosten würden und ab wann diese umsetzbar wären; - und ob dem Kultusministerium bekannt ist, wie der muttersprachliche Unterricht in Nordrhein -Westfalen organisiert ist und inwiefern sie dieses Modell oder Teile davon auch für Baden -Württemberg für geeignet und umsetzbar hält“ erklärt das Ministerium zusammenfassend: „In Deutschland haben sich im Wesentlichen zwei Modelle zur Umsetzung der verbindlichen Richtlinie 77/486/EWG herausgebildet: Zum einen die Durchführung in der Verantwortung des Landes, wie z. B. in Nordrhein-Westfalen und zum anderen die Durchführung im sog. Konsulatsmodell . Einige Bundesländer bieten sowohl Unterrichtskurse in eigener Verantwortung als auch Kurse in Verantwortung der Konsulate an. Die Abschätzung der erforderlichen Ressourcen und der zeitlichen Gestaltung der Umsetzung ist abhängig von der Ausgestaltung der alternativen Angebotsform. Bei einer Überführung in die Verantwortung des Landes wäre allein für den Deputatsbedarf von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag auszugehen. Hinzu kämen weitere Kosten, z. B. für die Schulaufsicht, die Ausbildung der Lehrkräfte, die Lehrkräftegewinnung und -qualifikation, Entwicklung der Bildungspläne und der Lehrmaterialien etc. Ggf. wären auch anfallende Kosten für die Kommunen zu betrachten. Die Gesamtkosten wurden in der Vergangenheit mit einem zusätzlichen Ressourcenbedarf von jährlich schätzungsweise 60 Millionen Euro beziffert. Die genannten alternativen Modelle und die daraus resultierenden Kostenfaktoren werden in die Prüfung der weiteren Maßnahmen einbezogen“ (Ebenda: 5f.). 3. Bayern und Bremen Das bayerische Kultusministerium erklärt, dass der betreffende Unterricht in der Verantwortung der konsularischen Vertretungen liege. Deshalb habe man „keine weiterführenden Informationen “. In Bremen besuchen rund 600 Kinder und Jugendliche einen solchen Unterricht. (Vergl.: Spiegel-online 2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 8 4. Berlin „Der Tagesspiegel“ berichtete am 30. Oktober 2017, dass auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck keine konkreten Angaben darüber gemacht werden konnten, wie viele Schüler an welchen Schulen und in welchen Sprachen aktuell unterrichtet werden. Konkretere Zahlen sollen erst Ende November 2017 vorliegen. Unvollständig blieben auch die Angaben zur Zahl der involvierten Schulen, da aus Spandau, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln keine Rückmeldungen auf eine entsprechende Umfrage erfolgten. Von den Bezirken, die antworteten, liegen Mitte und Reinickendorf mit 18 Schulen an der Spitze, gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf (zehn Schulen), Friedrichshain-Kreuzberg (neun Schulen) sowie Treptow-Köpenick (zwei Schulen). In Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg findet kein Konsulatsunterricht statt. Meist handelt es sich um Türkisch-Angebote. Vereinzelte Räume werden vom kroatischen Konsulat genutzt. Polnischen Konsulatsunterricht gibt es an einem Gymnasium in Friedrichshain- Kreuzberg, während sich die übrigen Angebote überwiegend auf Grundschulen konzentrieren. Eine detaillierte Auflistung aller betroffenen Schulen gibt es bislang nur für Mitte. Demnach unterrichten die Konsulatslehrer in den meisten Schulen einmal wöchentlich bis zu 6,5 Stunden. Vereinzelt wird auch an Sekundarschulen der türkische Konsulatsunterricht angeboten. Für die Schulen mit mehrstündiger Präsenz des Konsulats hatte der Bezirk bei einem Stundensatz von 9,50 Euro Kosten von jährlich über 2000 Euro errechnet, in anderen Schulen summieren sich die Kosten nur auf rund 1000 Euro. Insgesamt belaufen sich die Mietforderungen in Mitte auf über 27.000 Euro. 2015 hatte der Bezirk 2015 beschlossen, zur Senkung des Bezirksdefizits von der Botschaft Miete zu fordern. Allerdings verzichtete der Bezirk Mitte zunächst darauf, die Mietforderungen durchzusetzen . Als die Mietforderungen im Sommer 2017 dann eingeführt wurden, kam der Unterricht in Mitte zum Erliegen, weil der türkische Staat nicht auf die Mietforderungen einging. Im Schulausschuss wurde kritisiert, dass das türkische Curriculum ´eindeutig religiöse und eindeutig nationalistische` Inhalte habe. Um von dieser Art Unterricht unabhängig zu werden, will die Bildungsverwaltung zusammen mit den Bezirken ab Februar 2018 dem Konsulatsunterricht eigene Angebote entgegensetzen. Die SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic hält es für richtig, wenn die Bezirke den Konsulatsunterricht so lange mietfrei die Räume nutzen lassen, bis die geplanten Alternativangebote organisiert sind. Zudem dürfte die türkische Seite das Curriculum inzwischen entschärft haben. Dies hatte sie jedenfalls angekündigt, nachdem die Bildungsverwaltung die Inhalte kritisiert hatte. Die genauen Teilnehmerzahlen für Berlin sind nicht bekannt. Schätzungen liegen zwischen 2300 (Bildungsverwaltung) und 4000 Teilnehmern auf türkischer Seite (Vergl.: Tagesspiegel 2017a). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 9 5. Hamburg Auf die Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 24. August 2017 zum Thema „Türkischer Konsulatsunterricht in Hamburg“ antwortete der Senat: „Im Schuljahr 2016/2017 fand in Hamburg an 58 staatlichen Schulen ein türkischer Konsulatsunterricht für 851 Schüler statt. Sie wurden in ihrer Muttersprache und in Heimatkunde unterrichtet . Der Unterricht wird durch Lehrer des türkischen Staats erteilt und von der Stadt Hamburg kofinanziert. Die Lehrer unterstehen nicht der Schulleitung und ihr Unterricht wird nicht von der staatlichen Schulaufsicht erfasst. Im April 2017 teilte der Senat dazu mit, dass „den Vertretern der zuständigen Behörde ein Hospitationsrecht“ zusteht. (…) Die FDP-Fraktion beantragte daher, dieses Hospitationsrecht unverzüglich wahrzunehmen und den Konsulatsunterricht durch regulären Türkischunterricht zu ersetzen, sollte nicht gewährleistet werden können, dass er unter staatlicher Kontrolle stattfindet. Im Schuljahr 2016/2017 haben Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Behörde im Zeitraum zwischen dem 25. April und dem 20. Juni 2017 ein- bis zweistündige Hospitationen in insgesamt zehn Klassen des türkischen Konsulatsunterrichts an sieben Grundschulen und drei Stadtteilschulen durchgeführt, um zu überprüfen, ob der in der Öffentlichkeit erhobene Verdacht , der Konsulatsunterricht werde als ein Instrument politischer Beeinflussung durch die gegenwärtige türkische Regierung missbraucht, zutrifft. Im Zuge der Hospitationen wurden Gespräche mit den Konsulatslehrkräften und mit einigen Schulleitungen geführt. Die Unterrichtsinhalte bezogen sich im April stark auf die Feier des von Atatürk institutionalisierten ´Internationalen Kinderfests` am 23. April und die Person Atatürks als Staatsgründer der Türkei, im Übrigen war der Unterricht auf Sprach- und Sachthemen ohne politischen Bezug ausgerichtet . Insoweit hat sich der Verdacht einer unzulässigen politischen Beeinflussung durch den Konsulatsunterricht nicht erhärtet“ (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2017: 1f.). „In einem Fall hat sich eine Schulleitung einer Grundschule – unabhängig von den Hospitationen – mit einer Beschwerde über einen inhaltlich und pädagogisch unangemessenen Unterricht der türkischen Konsulatslehrkraft (Zeigen eines Kriegsfilms über die Schlacht um die Dardanellen im 1. Weltkrieg, der die Grundschulkinder verstört hat) an die zuständigen Behörde gewandt. In einem schnell anberaumten Gespräch zwischen einem Vertreter der zuständigen Behörde, der Schulleitung, der Konsulatslehrkraft und Verantwortlichen des türkischen Generalkonsulats konnte ein Einvernehmen über die Unangemessenheit des Unterrichts und den sofortigen Austausch der Konsulatslehrkraft hergestellt werden. Das Generalkonsulat hat daraufhin in einem Schreiben an alle Konsulatslehrkräfte das Verwenden dieses Films und ähnlicher Filme mit Gewaltszenen im Konsulatsunterricht untersagt. Im Hinblick auf die Berücksichtigung der drei Kompetenzbereiche, die für den Sprachunterricht durch die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz vorgesehen sind, konnte bei den Unterrichtshospitationen eine Förderung interkultureller und methodischer Kompetenzen nicht und eine Förderung funktional kommunikativer Kompetenzen nur in Ansätzen beobachtet werden. Dennoch schien die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler gern an dem Unterricht teilzunehmen . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 10 Insgesamt zeigten sich als Nachteile eines außerhalb der staatlichen Bildungspläne und Schulaufsicht organisierten Unterrichtsangebots die mangelnde Einbindung in den Regelbetrieb der Schulen und die fehlende Anerkennung der Schülerleistungen im Hinblick auf ihre Schullaufbahn. Deshalb plant die zuständige Behörde, die vorhandenen eigenen Türkischangebote im Rahmen des Schulunterrichts auf Basis der Hamburger Bildungspläne in der Sekundarstufe als Wahlpflichtfach beziehungsweise im Wahlpflichtbereich und in der Grundschule im Rahmen des zusätzlichen herkunftssprachlichen Unterrichts auszubauen“ (Ebenda: 2). „Grundsätzlich ist der Konsulatsunterricht kein schulisches Angebot der für Bildung zuständigen Behörde, sondern vergleichbar mit einem privaten Freizeitangebot. Insofern hat die Behörde auf den Konsulatsunterricht keineswegs den gleichen Einfluss wie auf den schulischen Unterricht. So lange deshalb keine Rechtsverstöße des türkischen Konsulatsunterrichts vorliegen, kann die zuständige Behörde keine Änderung für den türkischen Konsulatsunterricht erwirken. Sie wird auch in Zukunft das ihr durch den Zuwendungsvertrag mit dem türkischen Generalkonsulat zustehende Hospitationsrecht im Konsulatsunterricht wahrnehmen und auf das Generalkonsulat einwirken, um Mängel abzustellen. Die Ausbildungskapazitäten für Türkischlehrerinnen und -lehrer Universität Hamburg (UHH) sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Es gibt an der UHH seit dem Wintersemester 2014/2015 keine Neuzulassungen im Bachelor Türkisch/Lehramt. Im Master Türkisch/Lehramt werden weiterhin Studienanfängerplätze angeboten, um den Bachelorabsolventen an der UHH ein Masterstudium zu ermöglichen. Studienanfängerplätze (nicht tatsächliche Studienanfänger) im Unterrichtsfach Türkisch Lehramt an der UHH (Ebenda: 3f.) „Die Anzahl der Türkischlehrkräfte im Vorbereitungsdienst an Hamburger Schulen seit 2010 ist der folgenden Übersicht zu entnehmen. Die Zahl der maximalen Ausbildungsplätze für die einzelnen Fächer orientiert sich an den schulischen Bedarfen und der Ausbildungskapazität am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Daher kann die Anzahl der zur WiSe WiSe WiSe WiSe WiSe WiSe WiSe 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 Lehramt der Primarund Sekundarstufe I Bachelor 11 11 15 15 0 0 0 Lehramt der Primarund Sekundarstufe I Lehramt an Gymnasien Bachelor 6 6 5 0 0 0 0 Lehramt an Gymnasien Master 2 0 7 0 5 3 1 Lehramt an Beruflichen Schulen Bachelor 2 2 3 0 0 0 0 Lehramt an Beruflichen Schulen Master 1 0 0 0 4 1 1 Lehramt an Sonderschulen Bachelor 1 1 1 0 0 0 0 Lehramt an Sonderschulen Master 1 0 0 0 4 1 1 5 Studienanfängerplätze gemäß der jeweiligen Kapazitätsberichte Schulform Abschluss Master 1 0 11 16 15 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 11 Verfügung stehenden Plätze zu jedem Einstellungstermin variieren. Vor jedem Einstellungstermin wird im „Amtlichen Anzeiger“ die jeweilige Platzzahl veröffentlicht. Die Zulassungsstelle in der BSB entscheidet zu jedem Einstellungstermin, wie viele Referendare ausgebildet werden sollen “. (Ebenda: 4) 6. Hessen Die Hessenschau veröffentlichte am 11. Dezember 2016 einen Pressebericht über die Situation des türkischen Konsulatsunterrichts in Hessen. „Derzeit unterrichten 44 Lehrer im Auftrag der Türkei rund 3.000 Kinder und Jugendliche in Hessen, wie das Kultusministerium hessenschau.de mitteilt. Der Unterricht gehört nicht zum staatlichen Schulprogramm und spielt für die Versetzung keine Rolle, er findet aber nachmittags in den Räumen der Schule statt und sein Besuch wird im Zeugnis vermerkt“ (Hessenschau.de 2016). Der Deutsche Beamtenbund (dbb) sieht darin einen bedenklichen Zustand, da die Schulaufsicht des Landes keine Kontrolle darüber habe, was im Unterricht vermittelt wird. Deshalb fordert der dbb die vollständige Übernahme des Unterrichts durch Lehrer mit Staatsexamen im Landesdienst . Bereits jetzt ständen den 44 Konsulatslehrern 55 Lehrer gegenüber, die im Auftrag des Landes 5.500 Kinder in türkischer Sprache unterrichten. Da man endlich erkannt habe, dass diese Kinder in Deutschland bleiben werden, solle das Land seine Kräfte mehr auf bessere Deutsch-Angebote fokussieren (Vergl.: Ebenda). „Größere Debatten gab es um die Arbeitsteilung seither nicht. Auch für Albanisch, Serbisch, Griechisch und sieben weitere Sprachen neben Türkisch organisieren die Konsulate den Unterricht. Erst seit dem Vorgehen Erdogans in der Türkei wird auch anderswo über das Konstrukt debattiert , etwa in Berlin, wo der Türkische Bund befürchtet, dass die Türkei demnächst linientreue Lehrer schickt. Anzahl Fachzulassungen Türkisch 2010 7 2011 10 2012 7 2013 4 2014 8 2015 6 2016 8 2017 6 Einstellungsjahr Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 12 Das Kultusministerium in Hessen betont, es habe mit den Konsulaten Maßnahmen vereinbart, die mit staatlicher Aufsicht vergleichbar seien: So bekämen die Lehrer eine Einführung in Grundund Schulgesetz. Das Ministerium dürfe den Unterricht besuchen und in letzter Konsequenz den Unterricht eines bestimmten Lehrers untersagen“ (Ebenda). 7. Niedersachsen Zur Situation des Türkischen Konsulatsunterrichts erklärte die Kultusministerin Frauke Heiligenstadt am 6. April 2017 im niedersächsischen Landtag, „dass der sogenannte Konsulatsunterricht für Schülerinnen und Schüler mit türkischen Wurzeln in Niedersachsen - anders als in anderen Bundesländern - so gut wie keine Rolle spielt. Aktuell erteilt in Niedersachsen nur eine türkische Konsulatslehrkraft sogenannten Konsulatsunterricht. Vielmehr wird in Niedersachsen - schwerpunktmäßig in den Schuljahrgängen 1 bis 4 - herkunftssprachlicher Unterricht in staatlicher Verantwortung erteilt. Das ist etwas völlig anderes als Konsulatsunterricht . Herkunftssprachlicher Unterricht in staatlicher Verantwortung wird in Niedersachsen in deutlich größerem Umfang erteilt als in anderen Bundesländern. Der herkunftssprachliche Unterricht und der Konsulatsunterricht sind vollständig voneinander zu unterscheiden“ (Niedersächsischer Landtag 2017: 12684f.). „Dieser Unterricht wird auf der Grundlage des Runderlasses „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ vom 1. Juli 2014 angeboten . Anders als beim sogenannten Konsulatsunterricht handelt es sich bei diesem um staatlichen Unterricht in Verantwortung des Landes Niedersachsen, der auch von staatlichen Lehrkräften erteilt wird. Grundlage für den Unterricht ist ein landeseigenes Kerncurriculum, das eine Einflussnahme des türkischen Staates auf den Unterricht ausschließt“ (Ebenda: 12685). „Anders als vor zehn Jahren gibt es in Niedersachsen fast keinen sogenannten Konsulatsunterricht mehr, also Unterricht im Auftrag von Herkunftsländern, der nicht der Aufsicht (des; d.V.) Ministeriums und damit der Aufsicht des Landes untersteht. Am deutlichsten wird das u. a. im Bereich des Türkischunterrichts. Wir haben z. B. 51 herkunftssprachliche Lehrkräfte für Türkisch im Landesdienst an Grundschulen, die im Schuljahr 2015/2016 immerhin 4 379 Schülerinnen und Schüler unterrichtet haben“ (Ebenda: 12710f.). 8. Nordrhein-Westfalen Die Rheinische Post berichtete am 13. Oktober 2017, dass Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) im Rahmen eines Gesprächs die türkischen Generalkonsulate bei nächster Gelegenheit um Auskunft bitten wolle, in welchem Umfang und in welcher Form türkischer Konsulatsunterricht in Nordrhein-Westfalen angeboten wird. Das Ministerium ist der Ansicht, dass der Bedarf an türkischem Sprachunterricht mit dem schulischen Angebot abgedeckt werden kann, da das Fach Türkisch in NRW regulär an rund 700 Schulen von Lehrkräften im deutschen Staatsdienst unterrichte werde, an dem rund 35.000 Schüler teilnähmen. Vor dem Hintergrund dieses breiten Angebots ist davon auszugehen, dass der Bedarf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 13 und türkischer Konsulatsunterricht in Nordrhein-Westfalen keine Rolle spielt, teilte das Ministerium mit (Vergl.: Rheinische Post 2017). 9. Saarland Die Saarbrücker Zeitung meldete am 12. Oktober 2017, dass das Saarland den von Konsulaten angebotenen Sprachunterricht künftig durch ein eigenes Angebot ersetzen will. „Wir wollen den Umstand beheben, dass derzeit von Seiten des Saarlandes keine Dienst-, Fachoder Rechtsaufsicht über den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht besteht“, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums. ... Methoden und Inhalte der Sprachvermittlung könnten nicht in das freie Ermessen des jeweiligen Herkunftsstaates gestellt werden, sondern müssten im geschützten Raum der Schule unter staatlicher Aufsicht und Steuerung stehen. Das Bildungsministerium plant deswegen eine Neufassung der Verordnung, die dem muttersprachlichen Ergänzungsunterricht zugrunde liegt. Herkunftssprachlichen Unterricht gibt es im Saarland bereits seit den 1960er Jahren. Im vergangenen Schuljahr nahmen im Saarland 602 Schüler an 53 Schulen am türkischen Konsulatsunterricht teil. Der Unterricht wurde von 17 Lehrkräften erteilt. An 31 Schulen wurde Konsulatsunterricht in Italienisch angeboten, an dem zuletzt 623 Schüler teilnehmen, die von neun Lehrern unterrichtet werden. Der saarländische Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) hatte sich zuletzt unzufrieden über den türkischen Konsulatsunterricht geäußert, der vom türkischen Staat bezahlt wird: „Wir wissen nicht so genau, was dort wirklich passiert“ (saarbrücker-zeitung.de: 2017). 10. Schleswig-Holstein Im März scheiterte die FDP mit ihrer Aufforderung an die Schleswig-Holsteinische Landesregierung , die Zusammenarbeit mit der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V.“ (Ditib) für den herkunftssprachlichen Unterricht an Schleswig-Holsteins Schulen aufzukündigen, an der Mehrheit der Koalitionsfraktionen. Die Liberalen hatten diesen Bereich unter die Schulaufsicht des Landes stellen wollen. Ditib wird unter anderem vorgeworfen, in Spitzel- und Spionageaktivitäten gegen türkische Regierungskritiker verwickelt zu sein. „Die Bildungsministern Britta Ernst (SPD) erklärte ein Generalverdacht mit Blick auf die türkischstämmigen Bürger im Land sei nicht hilfreich. Sie wies zudem darauf hin, dass es in Schleswig -Holstein derzeit keine Hinweise auf eine Indoktrinierung von Schülern gebe. Redner der Koalitionsfraktionen zeigten sich wie die Piraten mit der Stoßrichtung des FDP-Antrages zwar einverstanden, mahnten aber mehr Zeit für solch eine wegweisende Entscheidung an. Die Nord-Ampel brachte schließlich einen eigenen Antrag durchs Parlament, der auf die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern bei diesem Thema setzt. Ein Vorstoß der CDU, der unter anderem die Entwicklung eines Lehrplans für den herkunftssprachlichen Unterricht, fand keine Mehrheit. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 14 Laut der Bildungsministerin wird muttersprachlicher Ergänzungsunterricht oder Konsulatsunterricht in Schleswig-Holstein im laufenden Schuljahr in den Sprachen Kroatisch, Türkisch, Tunesisch , Portugiesisch und Spanisch angeboten. Insgesamt unterrichteten 31 Lehrkräfte 1.160 Schüler . Mit 25 Lehrkräften komme der größte Teil vom türkischen Konsulat. Beim muttersprachlichen Türkisch-Unterricht in Schleswig-Holstein entscheide das türkische Generalkonsulat in Hamburg über die Qualifizierung und Auswahl der Lehrkräfte sowie über die Lehrinhalte und Unterrichtsmaterialien. Das Bildungsministerium habe weder eine Fach- noch Dienstaufsicht. Die Schulträger stellten Räumlichkeiten zur Verfügung. Daraus erwachse für die Schulleitung das Hausrecht, sodass sie sich jederzeit einen Eindruck vom Unterrichtsgeschehen machen könnten. Die Liberalen fordern die Landesregierung auf, „jede Kooperation und Zusammenarbeit mit der ´Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (Ditib)’ bei der Erteilung von herkunftssprachlichen Unterricht zu untersagen“ und den Bereich grundsätzlich unter die Schulaufsicht des Landes zu stellen. Einem Bericht des “Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages“ zufolge unterrichten in Schleswig -Holstein derzeit 25 Konsulatslehrer aus der Türkei an Schulen, vorwiegend in Kiel, Lübeck und Neumünster sowie im Hamburger Randgebiet. Der meist in der Herkunftssprache erteilte Unterricht unterliege einer EU-Richtlinie entsprechend keiner staatlichen Aufsicht, sondern werde in alleiniger Verantwortung der diplomatischen Vertretungen erteilt“ (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2017). 11. Kultusministerkonferenz Die Kultusministerkonferenz hat die Frage des Konsulatsunterrichts diskutiert, sieht aber derzeit keinen Anlass, tätig zu werden und Einfluss auf die Curricula türkischen Konsulatsunterrichts zu nehmen. „Der Tagesspiegel“ berichtete am 13. Oktober 2017, dass sich die Kultusministerkonferenz bei ihrer Oktobertagung am Donnerstag (12. Oktober 2017; d.V.) nicht gegen den Konsulatsunterricht positioniert habe. Sie vermied in ihrem knappen Statement sogar den Bezug zum türkischen Lehrplan, der doch der Anlass für die bundesweite Auseinandersetzung ist. Vielmehr ist im Statement nur allgemein vom Thema Konsulatsunterricht die Rede, das diskutiert worden sei. „Der Erfahrungsaustausch zeigte, dass die Umsetzung des muttersprachlichen Unterrichts für Kinder mit Migrationshintergrund in den Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt wird“, hieß es weiter. Die Länder würden dieses Thema aber „weiterhin sehr kritisch begleiten“ und es erneut auf die Tagesordnung setzen, „sollte sich weiterer Handlungsbedarf, etwa in der Zusammenarbeit mit den Konsulaten, abzeichnen“. Dann werde man auch, „über gemeinsame Schritte mit der Bundesregierung beraten" (Tagesspiegel 2017b). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 15 12. Verfassungsmäßigkeit des Konsulatsunterrichts Eine rechtliche Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Konsulatsunterrichts hat derzeit noch nicht umfassend stattgefunden. Die Frage nach der Einflussnahme auf die Inhalte des Konsulatsunterrichts durch deutsche Bildungsträger wurde in den vergangenen Jahren eher in Hinblick auf den islamischen Konsulatsunterricht verfassungsrechtlich diskutiert. Die nachfolgenden verfassungsrechtlichen Argumentationslinien des religiösen Konsulatsunterrichts aus dem Jahr 2003 könnten aber auch die Rechtsauffassungen über den derzeitigen Konsulatsunterricht im Allgemeinen mitbestimmen. Die Autorin Simone Spriewald weist in ihrer Dissertation aus dem Jahre 2003 bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Konsulatsunterrichts darauf hin, dass auch schon in der Vergangenheit die religiöse Unterrichtung muslimischer Schüler in Verantwortung der Konsulate Bedenken ausgelöst hat, die vor allem aus integrationspolitischer Perspektive vorgebracht wurden. Die Kritik betreffe die teilweise nationalistischen Inhalte des Konsulatsunterrichts sowie die mangelhaften Kenntnisse deutscher Schulverwaltungen über die Lehrinhalte, Lehrmaterialien und Lehrkräfte, „so dass nicht zu kontrollieren ist, inwieweit der Unterricht möglicherweise anderweitigen schulischen Integrationsbemühungen entgegenläuft“ (Vergl.: Spriewald, Simone 2003: 271). „Aus dieser Warte ist die religiöse Unterweisung in alleiniger Verantwortung der Konsulate sicher fragwürdig. Eine andere Frage ist jedoch, ob auch aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken gegen diese Form der religiösen Unterrichtung muslimischer Kinder bestehen. Solche sind bisher nur im Hinblick auf die Befugnisse der staatlichen Schulaufsicht geäußert worden. Insbesondere Reuter hat vorgetragen, daß der Staat über diesen in seinen Räumen stattfindenden Unterricht keinerlei Aufsichtsfunktionen wahrnehme, sei nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren (Reuter, Lutz R. 2001: 111, 114). Viel mehr widerspreche diese Einschränkung der staatlichen Schulaufsicht dem Art. 7 I GG sowohl in seinem traditionellen als auch in einem restriktiven Verständnis. So umfasse die Schulaufsicht neben einer gewissen Form fachlicher Kontrolle zumindest die Rechtsaufsicht, die gegenüber dem Konsulatsunterricht an den staatlichen Schulen gerade nicht wahrgenommen wird. Dafür, daß zumindest eine Rechtsaufsicht auch gegenüber dem Konsulatsunterricht wahrgenommen werden müsse, spreche die Analogie mit den vorhandenen Partikularregelungen zum Privatschulwesen. Privatschulen unterliegen … bestimmten Genehmigungsvoraussetzungen, deren Einhaltung Gegenstand der Rechtsaufsicht des Staates ist. Es widerspreche daher dem Sinn des Art. 7 I GG, Konsulatsunterricht an staatlichen Schulen einer geringeren Aufsicht zu unterwerfen als deutsche Privatschulen. Der Verzicht auf Aufsicht über den von den Konsulaten an staatlichen Schulen durchgeführten muttersprachlichen Unterricht sei daher rechtswidrig. Ein reiner Konsulatsunterricht, der außerhalb der Schulen durchgeführt werde, unterliege demgegenüber nach Art. 7 IV GG und dem Privatschulrecht der Länder nur der Anzeigepflicht. Gemäß dieser Argumentation begründet Reuter die Aufsichtspflicht des Staates allein aus der Tatsache, daß der Konsulatsunterricht in staatlichen Schulgebäuden stattfindet. Ob allein diese örtliche Verbindung ausreicht, um eine Rechtspflicht des Staates zur Wahrnehmung aufsichtsrechtlicher Kompetenzen i.S. d. Art. 7 I GG zu begründen. ist jedoch fragwürdig. Zwar steht nach Art. 7 I GG das „gesamte Schulwesen“ unter der Aufsicht des Staates, jedoch erscheint allein der Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 16 örtliche Bezug zum staatlichen Schulwesen als ein allzu formalistisches Kriterium, um daraus eine staatliche Aufsichtspflicht zu konstruieren. Vor allem aber ist dem entgegen zu setzten, dass die staatliche Schulaufsicht nur dann zum Einsatz kommt, wenn auch eine Schulpflicht besteht (Reuter, Lutz R. 2001: 111, 114). (…) Letztere besteht jedoch bei dem für die Schüler rein freiwilligen von den Konsulaten organisierten Unterricht gerade nicht. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine freiwillige Zusatzveranstaltung. (…) Insbesondere könnte die Teilnahme am Konsulatsunterricht im Falle des Fernbleibens in keiner Weise durchgesetzt werden. Fehlt aber damit eine Rechtspflicht zur Teilnahme an der Zusatzveranstaltung sowie das im Pflichtfachbereich vorhandene Durchsetzungsinstrumentarium, so erstreckt sich die Schulaufsicht zulässigerweise nicht auf diese Zusatzveranstaltung. Die bisherige Praxis der Länder mit reinem Konsulatsunterricht erweist sich damit entgegen Reuter nicht als rechtswidrig“ (Ebenda: 271-273). 13. Studiengänge Türkisch als Lehramt In Deutschland existieren zwei Hochschulstandorte, die das Fach Türkisch als Lehramt anbieten. Diese sind die Universitäten Duisburg-Essen und Hamburg, an denen folgende Abschlüsse erworben werden können (Hochschulkompass 2017). 13.1. Hochschule Universität Duisburg-Essen Studienort Essen Abschluss Bachelor mit Lehramtsoption Gymnasien und Gesamtschulen Studientyp grundständig Studienform Vollzeitstudium Abschluss Bachelor mit Lehramtsoption Haupt-, Real- und Gesamtschulen Studientyp grundständig Studienform Vollzeitstudium Abschluss Master of Education f. d. Lehramt an Gym u. Ges Studientyp weiterführend Studienform Vollzeitstudium Abschluss Master of Education f. d. Lehramt an H R G Studientyp weiterführend Studienform Vollzeitstudium 13.2. Hochschule Universität Hamburg Studienort Hamburg Abschluss Lehramt an beruflichen Schulen (Master) Studientyp weiterführend Studienform Teilzeitstudium, Vollzeitstudium Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 17 Abschluss Lehramt an Gymnasien (Master) Studientyp weiterführend Studienform Teilzeitstudium, Vollzeitstudium Abschluss Lehramt für Sonderpädagogik (Master) Studientyp weiterführend Studienform Teilzeitstudium, Vollzeitstudium Abschluss Lehramt Primarstufe und Sekundarstufe I (Master) Studientyp weiterführend Studienform Teilzeitstudium, Vollzeitstudium Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 18 14. Literatur- und Quellenverzeichnis Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (2017). Drucksache 21/10175, 01.09.17. Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 24.08.17 und Antwort des Senats Betr.: Türkischer Konsulatsunterricht in Hamburg – Was tut der Senat? https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/59007/t%C3%BCrkischer -konsulatsunterricht-in-hamburg-%E2%80%93-was-tut-der-senat-.pdf Hessenschau.de (2016). Muttersprachlicher Unterricht. 44 Lehrer arbeiten in Hessen im Auftrag der Türkei, 11.12.2016. http://www.hessenschau.de/gesellschaft/44-lehrer-arbeiten-in-hessen -im-auftrag-der-tuerkei,konsulatslehrer-in-hessen-100.html Hochschulkompass (2017). Suchkriterien: Studientyp: beides Lehramt: alle Fachsuche: türkisch Fächergruppe(n): Lehramt. https://www.hochschulkompass.de/studium/studiengangsuche /erweiterte-studiengangsuche.html KMK (2006). Bericht „Zuwanderung". Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 24.05.2002 i.d.F. vom 16.11.2006. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse /2006/2006_11_16-Bericht-Zuwanderung.pdf Landtag von Baden-Württemberg (2017). 16. Wahlperiode. Drucksache 16 / 1840, 24. 03. 2017. Antrag der Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei u. a. SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus , Jugend und Sport. Gestaltung des Konsulatsunterrichts in Baden-Württemberg. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen /1000/16_1840_D.pdf Niedersächsischer Landtag (2017). Stenografischer Bericht. 126. Sitzung, Hannover, den 6. April 2017. Tagesordnungs-punkt 15: Dringliche Anfragen a) DITIB, Diyanet und die Entwicklung in der Türkei - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/7702. www.landtag-niedersachsen .de/parlamentsdokumente/steno/17_wp/endber126.pdf Reuter, Lutz R. (2001). Schulrecht für Schüler nichtdeutscher Erstsprache, ZAR 2001, S. 111, 114; zit. nach: Spriewald, Simone 2003: 272. Rheinische Post (2017). NRW will von Türkei Auskunft über Konsulatsunterricht. 13.10.2017. http://www.presseportal.de/pm/30621/3759513 Richtlinie des Rates (1977). Vom 25 . Juli 1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern (77/486/EWG). http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31977L0486&from=DE saarbruecker-zeitung.de (2017). Muttersprachlicher Unterricht wird reformiert. Saarland will Konsulatsunterricht durch eigenes Angebot ersetzen, 12.10.2017. https://www.saarbrueckerzeitung .de/saarland/saarland/saarland-will-konsulatsunterricht-durch-eigenes-angebot-ersetzen _aid-5699597 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 038/17 Seite 19 Schleswig-Holsteinischer Landtag (2017). Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 18/5337. Herkunftssprachli-chen Unterricht unter die Schulaufsicht des Landes stellen. 24.03.2017. http://www.landtag.ltsh.de/plenumonline/archiv/wp18/51/debatten/40.html Spiegel-online (2017). Klovert, Heike: Konsulatsunterricht. Wenn die Türkei Lehrer nach Deutschland schickt. 10.10.2017. http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/tuerkeiund -der-konsulatsunterricht-darum-geht-es-in-der-debatte-a-1171453.html Spriewald, Simone (2003). Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung von islamischen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an deutschen Schulen. FUB Dissertation. Berlin 2003. http://www.jurawelt.com/sunrise/media/mediafiles/13809/tenea_juraweltbd33.pdf Tagesspiegel (2017a). Vieth-Entus, Susanne: Konsulatsunterricht in Berlin. Türkei lehrt auch an Oberschulen. 31.10.2017. http://www.tagesspiegel.de/berlin/konsulatsunterricht-in-berlintuerkei -lehrt-auch-an-oberschulen/20525104.html Tagesspiegel (2017b). Vieth-Entus, Susanne: Die Kultusminister und der Konsulatsunterricht. Keine Angst vor Indoktrination aus Ankara. 13.10.2017. http://www.tagesspiegel.de/berlin /die-kultusminister-und-der-konsulatsunterricht-keine-angst-vor-indoktrination-aus-ankara /20448938.html Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (2007). Muttersprachlicher Zusatzunterricht obligatorisch . Erscheinungsdatum: 19.10.2007. Entscheidungsdatum: 12.10.2007. Aktenzeichen: 1 S 2132/07. https://www.juris.de/jportal/recherche3doc/jnachr-JUNA071002838.pdf?json= %7B%22format%22%3A%22pdf%22%2C%22docPart%22%3A%22P%22%2C% 22docId%22%3A%22jnachr-JUNA071002838%22%2C%22portalId%22%3A%22jurisw %22%7D