© 2017 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 035/17 Stickoxidgrenzwerte der Außenluft und am Arbeitsplatz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/17 Seite 2 Stickoxidgrenzwerte der Außenluft und am Arbeitsplatz Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 035/17 Abschluss der Arbeit: 5. September 2017 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Arbeitsplatzgrenzwerte 4 3. Außenluftgrenzwerte 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/17 Seite 4 1. Einleitung Stickoxide, d.h. sowohl Stockstoffmonoxid (NO) als auch Stickstoffdioxid (NO2) entstehen beispielsweise in Industrieanlagen (z.B. bei der Dynamit- und Nitrozelluloseherstellung), in Kraftwerken , im Verkehr und werden von Gebäudeheizungen emittiert. Aufgrund der Tatsache, dass NO nach einer Emission verhältnismäßig schnell zu NO2 oxidiert wird, liegen Stickoxide in der Umgebungsluft zumeist als NO2 vor. Dies hat zur Folge, dass sich die gesundheitliche Bewertung immer auf die gegebenen NO2-Konzentrationen bezieht. 2. Arbeitsplatzgrenzwerte Prof. Dr. Helmut Greim von der Technischen Universität München hat sich im vergangenen Jahr zur Frage der gesundheitlichen Auswirkungen infolge erhöhter Stickoxid(NOx)-Realemissionen und sonstigen Realemissionen von Fahrzeugen geäußert1: „NO2 ist ein Reizgas, das insbesondere in den Atemwegen zu entzündlichen Reaktionen führt. Aus Langzeit-Tierversuchen und kurzen, mehrere Stunden dauernde Exposition von Probanden ergibt sich eine unwirksame Konzentration im Bereich von 1,5 ppm d.h. etwa 3000 μg/m3. Basierend auf diesen Studien haben SCOEL, das Scientific Committee for Occupational Exposure Limits der Europäischen Kommission, die DFG-Arbeitsstoffkommission (MAK-Kommission) und der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) beim BMAS für Arbeitsplätze einen Grenzwert für NO2 von 0,5 ppm (950 μg/m3) festgelegt. Dieser Wert gilt für gesunde Arbeiter bei Expositionen von 8 Std. pro Tag, 40 Std. pro Woche für die gesamte Lebensarbeitszeit und soll die Gesundheit nicht beeinträchtigen.“ Arbeitsplatzgrenzwerte gelten allerdings lediglich für Arbeitende an Industriearbeitsplätzen und im Handwerk, „bei denen aufgrund der Verwendung oder Erzeugung bestimmter Arbeitsstoffe eine erhöhte Stickstoffdioxid-Belastung zu erwarten ist. […] Der Arbeitsplatzgrenzwert hat unter anderem einen anderen Zeit- und Personenbezug als der Grenzwert für die Außenluft: Der Wert gilt für gesunde Arbeitende an acht Stunden täglich und für maximal 40 Stunden in der Woche. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die berufsbedingt Schadstoffen ausgesetzt sind, erhalten zusätzlich eine arbeitsmedizinische Betreuung und befinden sich somit unter einer strengeren Beobachtung als die Allgemeinbevölkerung.“2 Für Büroarbeitsplätze und Privaträume finden die oben genannten höheren MAK-Werte keine Anwendung. „Hier gelten die Richtwerte des Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR), vormals Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygienekommission (IRK) und der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG)). Die Innenraumlufthygienekommission leitete in den 1990er Jahren einen sog. „Richtwert II“ für Stickstoffdioxid in der Innenraumluft von 60 µg/m³ (Wochenmittelwert) ab. Der Richtwert II (RW II) ist ein wirkungsbezogener Wert, bei 1 Helmut Greim: Fragen zum Beweisbeschluss SV-2, Technische Universität München 26.08.2016, im Internet abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/438866/fee11379350c2e582dc1e82d37713a19/sv_2_greimdata .pdf [zuletzt abgerufen am 4. September 2017]. 2 Informationen des Umweltbundesamtes vom 15. August 2017, im Internet abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt .de/themen/unterschied-zwischen-aussenluft [zuletzt abgerufen am 4. September 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/17 Seite 5 dessen Erreichen beziehungsweise Überschreiten unverzüglich zu handeln ist. Diese höhere Konzentration kann, besonders für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen, eine gesundheitliche Gefährdung sein. Aufgrund des EU-Grenzwertes für die Außenluft von 40 µg/m³ im Jahresmittel und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse strebt der Ausschuss für Innenraumrichtwerte AIR die Aktualisierung der Bewertung für Stickstoffdioxid im Innenraum an.“3 3. Außenluftgrenzwerte Dem Arbeitsplatzgrenzwert steht der Außenluftgrenzwert, der derzeit im jährlichen Mittel bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt, gegenüber: In der EU-Richtlinie 2008/50/EG – in deutsches Recht mit der 39. BImSchV umgesetzt – ist für den Schutz der menschlichen Gesundheit ein Jahresgrenzwert von 40 µg/m³ im Jahresmittel festgelegt, der seit 2010 einzuhalten ist.4 Dieser wesentlich niedrigere Grenzwert gilt für alle Menschen und ständig (d.h. rund um die Uhr). Hierbei ist zu beachten, dass insbesondere empfindliche Personen wie Kinder, Schwangere, alte Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma tendenziell sensibler auf Umwelteinflüsse reagieren. Die Schadstoff-Grenzwerte basieren auf langfristigen Studien, in denen gesundheitliche Auswirkungen auf die jeweils untersuchten Bevölkerungsgruppen beobachtet werden. Dies deckt sich mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, WHO (1-Stunden Grenzwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter und ein jährlicher Durchschnitt von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter). Im Bericht einer WHO Working Group wird 2003 der Frage nach Gesundheitsaspekten von Luftverschmutzung unter besonderer Beachtung von Ozon und Stickstoffdioxid nachgegangen. Hier beantworten die Experten die Frage, ob es wissenschaftliche Hinweise darauf gebe, die die geltenden WHO-Richtlinien für NO2 stützten wie folgt: „The current WHO guideline values for NO2 are a 1-hour level of 200 µg/m3 and an annual average of 40 µg/m3. Since the previous review, only a small number of additional human exposure studies have been carried out. These do not support the need to change the 1-hour guideline value. With regard to the annual average, there have been some new epidemiological studies reporting associations of longer-term exposure with lung function and respiratory symptoms. The former group that proposed the annual guideline value of 40 µg/m3 acknowledged that `although there is no particular set of studies that clearly support the selection of a specific numerical value for an annual average guideline the database nevertheless indicates a need to protect the public from chronic nitrogen dioxide exposures´. Because of a lack of evidence, the former group selected a value from a prior WHO review. The new evidence does not provide sufficient information to justify a change in the guideline value. Given the role of NO2 as a precursor of other pollutants and as a marker of traffic related pollution, there should be public health benefits from 3 Informationen des Umweltbundesamtes vom 15. August 2017, im Internet abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt .de/themen/unterschied-zwischen-aussenluft [zuletzt abgerufen am 4. September 2017]. 4 Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/luftbelastung/stickstoffdioxid-belastung#textpart-1 [zuletzt abgerufen am 4. September 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/17 Seite 6 meeting the current guidelines. Thus the present working group did not find sufficient evidence to reconsider the current 1-hour and annual WHO guidelines for NO2.“5 *** 5 WHO, Report on a WHO Working Group: Health Aspects of Air Pollution with Particulate Matter, Ozone and Nitrogen Dioxide, 13.-15. Januar 2003, im Internet abrufbar unter: http://www.euro.who.int/__data/assets /pdf_file/0005/112199/E79097.pdf [zuletzt abgerufen am 4. September 2017].