© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 035/16 Zur Situation von Erasmus+ in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten Finnland, Österreich, Spanien, Schweden, Großbritannien, Kroatien und Polen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 2 Zur Situation von Erasmus+ in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten Finnland, Österreich, Spanien, Schweden, Großbritannien, Kroatien und Polen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 035/16 Abschluss der Arbeit: 9.5.2016 Fachbereich: WD 8: Fachbereich Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Situationsbericht zu Erasmus+ für ausgewählte EU- Staaten 4 1.1. Finnland 4 1.2. Österreich 6 1.3. Polen 8 1.4. Schweden 8 1.5. Kroatien 9 1.6. Großbritannien 11 1.7. Spanien 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 4 1. Situationsbericht zu Erasmus+ für ausgewählte EU-Staaten 1.1. Finnland1 Die Einführung von Erasmus+ stellt sich für Finnland mittlerweile als stabilisiert dar und die Programmdurchführung wird insgesamt als relativ reibungslos beschrieben. Als größter Nachteil der derzeitigen Situation von Erasmus+ gilt für Finnland der bisherige EU- Budgetstillstand – gerade im Hinblick darauf, dass das neue Programm hohe Erwartungen erzeugt hat, doch die zur Verfügung stehenden Mittel dieser hohen Nachfrage nicht gerecht werden konnten. Außerdem hatten sich die Schwierigkeiten der von der EU geschaffenen neuen IT-Tools als anfangs größeres Hindernis dargestellt, weil damit nicht nur mehr Arbeit für die Nationale Agentur, sondern insbesondere für die Antragsteller verbunden war und ein nicht unerheblicher Reputationsverlust für das gesamte Erasmus+-Programm befürchtet wurde. Mittlerweile geht man aber davon aus, dass die EU-Kommission die richtigen Schritte eingeleitet hat, um die IT-Probleme wirksam zu beheben. Festzustellen ist in Finnland deutlich, dass die geänderten Förderregeln im Bereich der Mobilität bei der Hochschulbildung - verglichen mit dem Vorgängerprogramm - zu einem deutlichen Flexibilitätsverlust beim Fördermanagement der Nationalen Agentur und bei den Hochschulinstitutionen selbst führten. Im ersten Jahr von Erasmus+ sackte die Inanspruchnahme der EU-Mittel von 93% in 2014/15 deutlich gegenüber 2013/14 mit 99,5 Prozent ab, obwohl die Mobilitätsquoten in beiden Jahren gleich hoch waren. Für den Bereich der Berufsbildung wird vor allem das Fehlen der globalen Kooperation mit Drittländern als große Enttäuschung gesehen. Denn gerade das war hypothetisch mit der Einführung von Erasmus+ auch vorgesehen und wird von Finnland als dringend nötig erachtet (auch, weil es für den Hochschul- und Jugendbereich schon umgesetzt wird). Obwohl die Qualität der Projekte und die Anzahl ihrer Förderungen im Bereich der Erwachsenenbildung steigt, bleibt das Problem, dass auf Grund des begrenzten Budgets nur wenige Projekte insgesamt gefördert werden können – was impliziert, dass immer auch wichtige Themen nicht ausreichend in der Förderung berücksichtigt werden können. Im Jugendbereich wird vor allem die Einführung des Entfernungsrechners geschätzt, um die Reisekostenförderung zu berechnen. Allerdings gibt es auch ernsthafte Bedenken bezüglich einer Ungleichbehandlung von Bewerbern beim Jugendaustausch mit hohen Distanzen, da es bei der Reiseförderung der EU zum Teil einen Abfall von 30% gegenüber vorherigen Programmen gibt. Insgesamt können weniger Jugendprojekte gefördert werden als vorher; die Bewilligungsrate sank von 73 Prozent auf 62 Prozent. In Bezug auf die Leitaktion 2 (KA 2) wird von einer deutlichen Unterfinanzierung im Hochschulbereich ausgegangen. 2014 konnten nur zwei von 30 beantragten Strategischen Partnerschaften 1 CIMO (Centre for International Mobility) ist die nationale Agentur Finnlands, die mit der Umsetzung von Erasmus + beauftragt wurde. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 5 bewilligt werden (7,4 Prozent Erfolgsrate). Viele qualitativ sehr hochwertige Anträge mussten abgelehnt werden – gleiches gilt für 2015. Diese geringe Bewilligungsrate, verglichen mit der hohen Nachfrage, bringt den ganzen Programmteil in die Gefahr, vor allem auch in der Wahrnehmung der Antragsteller bedeutungslos zu werden. In der Berufs- und Erwachsenenbildung stellt sich der Bereich der Leitaktion 2 etwa so dar wie in den Vorgängerprogrammen, mit einer Bewilligungsrate um die 30 Prozent und ca. zehn geförderten Projekten im ersten und vier im zweiten Bereich. Dennoch ist vor allem die Nachfrage 2015 und 2016 deutlich gestiegen. Das würde dafür sprechen, dass von den Antragstellern immer noch realistische Chancen auf die Bewilligung gesehen würden. Das Risiko bestünde vor allem darin, dass die Bewilligungsraten für das kommende Jahr bei der steigenden Nachfrage deutlich sinken würden, wenn das EU-Budget nicht wie geplant steigen würde. Für den Schulbereich bietet die Leitaktion 2 das größte Budget. Damit werden 19 Projekte mit 74 Partnern gefördert, die Bewilligungsquote liegt bei ca. 25%. 2016 sind die Antragszahlen rapide gesunken, was wahrscheinlich mit der geringen Erfolgsaussicht bei dem für die Schulen doch hohem Aufwand zusammenhängt. Mit großem Bedauern wird in Finnland festgestellt, dass es kaum realistische Chancen für Schulen gibt, sich auf langfristig angelegte Schülermobilität zu konzentrieren/sie zu initiieren – wie es eigentlich mit Erasmus+ möglich sein sollte. Diese Möglichkeit wurde für Antragsteller als zu schwierig konzipiert, so dass dies als klares Fehldesign im Programm ausgemacht werden kann, weil es Schulen entmutigt. Finnland wäre sehr daran interessiert, Projekte der Strategischen Partnerschaften zu nutzen, um den Bereich der Jugendarbeit weiterzuentwickeln. Doch die mögliche Vergabe von Förderungen in diesem Bereich gestaltet sich bescheiden, da auf Grund des Budgets nur ein größeres Projekt pro Jahr gefördert werden kann. Auch werden die Möglichkeiten für Förderungen für europäische Jugendinitiativen innerhalb des von der EU gesetzten Rahmens als enttäuschend gesehen, da potenzielle Bewerber aus dem Bereich sich zum einen nicht in großen geförderten Projekten wiederfänden, noch mit dem 300 Seiten starken Programm-Führer zurechtkämen. In Bezug auf die Auszahlung der Förderung der Erasmus+-geförderten Studierenden kann festgestellt werden, dass diese ihre Förderung bereits vor ihrer Abfahrt erhalten. Allerdings musste wegen des begrenzten Mobilitätsbudgets die Anzahl des geförderten Hochschulpersonals bei der Mobilität auf 70% der ursprünglich geschätzten Förderquote abgesenkt werden. Um die Mobilitätsförderung für das Personal aber zumindest stabil (gegenüber den alten Förderquoten) zu halten , mussten die Hochschulinstitutionen schließlich auch eigene Mittel einsetzen. Das Ziel, die Inklusion voranzubringen, wird in Finnland im Jugendbereich mit sehr hoher Priorität verfolgt und man erhofft sich weitere Steigerungen in den kommenden Jahren. Deshalb spricht sich die finnische Nationalagentur auch für die Einführung von Einzelbudgets („unit cost funding“) zur Ermöglichung von Mentoring/Betreuung in Projekten aus, um so die Inklusionsziele weiter voranzubringen und auch die administrativen Belastungen für bewilligte Jugendprojekte zu reduzieren. 2015 waren in allen Projekten der Leitaktion 1 fast die Hälfte der über 1.800 Teilnehmenden benachteiligte junge Menschen mit besonderem Förderbedarf; 50 von ihnen waren junge Menschen mit Behinderungen. Das entspricht in etwa den Beteiligungsquoten in den Vorgängerprogrammen. Im Bereich der Berufsbildung von Erasmus+ ist die Beteiligung von benachteiligten jungen Menschen oder solchen mit Behinderungen ziemlich konstant bei insgesamt Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 6 ca. 8 Prozent. Die Quote liegt damit leicht über der nationalen Beteiligungsquote für den gesamten Berufsbildungsbereich. Für den Hochschulbereich bei Erasmus+ variiert die Beteiligungsquote von Jahr zu Jahr, so dass keine Tendenz benannt werden kann. Die Zahlungen der EU-Kommission an Finnland kommen, wenn auch spät, immer noch rechtzeitig an, um die Zahlungen an die Antragsteller fristgemäß sicherzustellen. 1.2. Österreich2 Österreich betrachtet das Programm als gut gestartet. Es wird als erfreulich gesehen, dass, wie bereits unter den Vorgängerprogramm LLP und Jugend in Aktion, 100 Prozent der EU-Mittel sowohl in 2014 (22,58 Millionen Euro + 3,5 Millionen Euro für den Jugendbereich) als auch in 2015 (24,34 Millionen Euro + 3,6 Millionen für den Jugendbereich) ausgeschöpft werden konnten. Die zuständigen Bundesministerien stellen darüber hinaus weitere Mittel für nationale Kofinanzierungen und Ausfallhaftungen zur Verfügung, damit zusätzlich Projekte gefördert werden konnten . In den ersten beiden Jahren von Erasmus+ (2014 und 2015) konnten durch Erasmus+ im Bildungs - und Jugendbereich über 1.000 Projekte und mehr als 32.000 Personen jeden Alters gefördert werden. Sowohl im Hochschulbereich als auch im Berufsbildungsbereich konnten die Mobilitätszahlen nochmals deutlich gesteigert werden. 2014/15 wurden rund 6.600 Studierende gefördert ; ein Plus gegenüber dem Vorgängerprogramm für 2013/2014 von 13 Prozent. Die gänzlich neue Möglichkeit der geförderten globalen Mobilität hat 2015 zu 800 zusätzlichen Förderungen von Hochschulangehörigen geführt. Eine weitere Steigerung der Studierendenmobilität ist auch für 2015/2016 absehbar. Doch Österreich sieht auch Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Einführung von Erasmus+ stehen. Zu Beginn sind dabei vor allem technische Anlaufschwierigkeiten bei den IT-Tools der Europäischen Kommission aufgefallen. Zwar konnten die Probleme mittlerweile zumeist (auch mit Hilfe der angebotenen österreichischen Hilfe) beseitigt werden, doch stehen bestimmte Funktionalitäten einzelner Tools erst demnächst (also innerhalb des dritten Programmjahres) zur Verfügung. Die Umstellungsphase bei der Institutionalisierung der Mobilität für Lehrkräfte im Bereich der Schul- und Erwachsenenbildung habe eine gewisse Zeit in Anspruch genommen. Grundsätzlich wird der systemische Ansatz von Österreich und den einzelnen Institutionen aber als positiv gewertet . Als besonders erwähnenswert betrachtet es Österreich, dass durch die geänderte Programmstruktur unter Erasmus+ in der Leitaktion 2 bei den Strategischen Partnerschaften ein Paradigmenwechsel bei den Projektvorhaben hin zu strukturell größeren Projekten stattgefunden hat. Die spezifischen Aktionen für kleinere Vorhaben wurde gestrichen, die Projektstruktur wurde vereinheitlicht , eine Möglichkeit für „Einsteiger“, unerfahrene und/oder kleine Institutionen sowie 2 In Österreich ist für den Bildungsbereich als Nationalagentur die OeAD GmbH zuständig, für den Jugendbereich ist es die Nationalagentur Erasmus+: Jugend in Aktion beim Interkulturellen Zentrum. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 7 reine Kooperationsvorhaben ist fast nicht mehr vorhanden (was insbesondere für den Schulund Erwachsenenbildungsbereich relevant ist). Das trifft insbesondere auch den Jugendbereich hart, da in diesem von Seiten der Antragsteller auch immer wieder der Wunsch nach einer vereinfachten Programmabwicklung geäußert wird, da die IT-Tools und Formulare als Zugangshürden zum Programm wahrgenommen werden. Trotz steigender Budgets führen die höheren Fördervolumina der genehmigten Projekte zu geringeren Genehmigungsquoten von im Durchschnitt ca. 24 Prozent. Gerade im Jugendbereich mussten überdurchschnittlich viele Anträge trotz guter Qualität abgelehnt werden. 2015 wurden sogar nur 12,5 % der beantragten Projekte gefördert. Auch im Hochschulbereich konnten durch die aktuelle Förderlogik nur wenige große Strategische Partnerschaften gefördert werden. Von den 24 Anträgen aus dem Jahr 2015 konnten letztlich nur drei gefördert werden. Aus Mitteln der Europäischen Kommission wäre sogar nur die Förderung von zwei Anträgen möglich gewesen, die Zusage von nationalen Überbuchungsmitteln ermöglichte die Unterstützung eines dritten Projekts. Insbesondere der Wegfall von kleineren Projekten wird von den Hochschulen sehr bedauert, da diese als Basis für größere Kooperationen und Netzwerke genutzt wurden. Kleinere Strategische Partnerschaften, die in Zukunft in allen anderen Bildungsbereichen möglich sein werden, wären daher auch im Hochschulbereich äußerst wünschenswert. Insgesamt wird angemahnt, dass bei einer Beibehaltung der Erasmus+-Struktur die bekannten und erwarteten strukturellen Effekte der Vergangenheit ggf. nur sehr wenig zum Tragen kommen könnten, nämlich die Förderung von mehr kleinen Projekten, die einen größeren Impact auf die Bildungslandschaft haben als wenige große Projekte und die häufig einen Schneeballeffekt bewirken . Für die Leitaktion 1 wird angemerkt, dass die Kosten für die Organisation der Mobilität grundsätzlich sehr hoch angesetzt sind. Auch dies trug mit dazu bei, dass das durchschnittliche Projektfördervolumen in Österreich unter Erasmus+ 2014 um rund 10.000 Euro pro Projekt höher gelegen ist als unter LLP. Zudem sieht Österreich ein Problem darin, dass bei zu erwartender steigender Mobilität im Hochschulbereich die Budgetmittel nicht gleichzeitig ausreichend gestiegen sind und steigen werden. Außerdem wird kritisiert, dass die Einführung der internationalen Mobilität im Hochschulbereich durch die komplexen Verfahren einen Mehraufwand für die Nationalagentur bedeutet, für den keine entsprechende Abgeltung im Management des Programms vorgesehen ist. Die Beteiligung von benachteiligten Jugendlichen am Erasmus+-Programm wird für den Jugendsektor als positiv gesehen. Nach Erhebungen des internationalen Forschungsnetzwerkes RAY (Research-based Analysis and Monitoring of Erasmus+: Youth in Action) geben rund 40 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie benachteiligt sind, was ihren Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt , Mobilität oder soziale Integration angeht. Für den Bereich der Leitaktion 1 werden von den Projektträgern selbst rund 25 Prozent ihrer Teilnehmer als benachteiligt eingestuft. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 8 1.3. Polen3 In Polen wird die Einführung von Erasmus+ als ziemlich reibungslos beschrieben. Das Interesse an den Programmteilen von Erasmus+ ist nach wie vor kontinuierlich hoch. In den ersten zwei Jahren nach der Startphase wurden mehr als 8.000 Anträge gestellt und 2.600 Projekte finanziert. Allerdings kann wohl festgehalten werden, dass gerade das Voranbringen der neuen Leitaktion 2, die Strategischen Partnerschaften, sich als große Herausforderung darstellt. So werden für 2014 für die Leitaktion 1 („leraning mobility of individuals“) durchaus befriedigende Bewilligungsquoten erreicht. Für den Schulbereich bei 135 unterstützten Projekten und über 1.600 Teilnehmern: 48 Prozent; im Hochschulbereich bei über 23.000 Teilnehmern und fast 260 unterstützen Projekten: 98%; bei der Jugendmobilität mit über 10.00 Teilnehmer und über 400 geförderten Projekten: 46% Prozent; oder im Bereich der Berufsbildung mit ebenfalls über 10.000 Teilnehmern und über 250 geförderten Projekten: 64 Prozent. In der Leitaktion 2 hingegen bewegen sich die Bewilligungsquoten im Schnitt nur um die 20 Prozent (zwischen 14-28 Prozent). So konnten für den Jugendbereich von 153 beantragten Projekten nur 22 gefördert werden oder im Schulbereich bei 260 beantragten nur 46. 1.4. Schweden4 In Schweden läuft derzeit die Vorbereitung der Erstellung einer Halbzeitbilanz zum bisherigen nationalen Programmverlauf von Erasmus+, die im Jahr 2017 fertiggestellt werden soll. Erst dann werden sehr klare Ergebnisse vorliegen. Grundsätzlich lässt sich für Schweden aber festhalten, dass sich die Einführungsphase von Erasmus + positiv gestaltet. Gerade die Verwaltung des Programms ist effizienter und weit geringer aufwändig als in vorangehenden einzelnen und unzusammenhängenden Vorgängerprogrammen. Auch Synergieeffekte mit nationalen Bildungsprogrammen können durch die Zuständigkeit einer nationalen Agentur für ein übergeordnetes EU-Programm in der Kombination mit den weiteren nationalen Programmen gut erzielt werden. Bisherige Berichte der beteiligten Organisationen und Projektbeteiligten scheinen auf überwiegende Zufriedenheit hinzudeuten. Dennoch werden auch in Schweden einige Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Übergang zu Erasmus+ angeführt. Zu Beginn des Programms haben sich vor allen die IT-Probleme auf EU-Ebene als sehr zeitraubend erwiesen, doch scheinen diese jetzt weitgehend behoben. Auch die Zahlungen der EU waren in den ersten zwei Programmjahren relativ spät eingegangen – was mit dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung mit der EU erklärt werden kann. Ab 2016 3 In Polen ist als nationale Agentur die Fundacja Rozwoju Systemu Edukacji für die Umsetzung von Erasmus+ zuständig. 4 „The Swedish Council for Higher Education (SCHE)“ ist als nationale Agentur in Schweden mit der Umsetzung von Erasmus+ im Bildungsbereich betraut, für den Jugendbereich ist es die „Swedish Agency for Youth and Civil Society (MUCF)“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 9 werden die Zahlungen nun erstmals früher eingehen, was als sehr positiv von der Nationalagentur SCHE gewertet wird. Als schwierig hat sich bisher in Schweden erwiesen, neue Organisationen oder Gruppierungen wie Unternehmen der Privatwirtschaft oder Arbeitgeberorganisationen in das Programm einzubeziehen . Ebenso wie es schwierig scheint, das Interesse für die Teilnahme an der Leitaktion 1 im Bereich Mobilität zu erhöhen. Bei den Strategischen Partnerschaften ist auch bisher schon absehbar, dass es gerade im Schulund Erwachsenenbildungsbereich im Verhältnis zum großen Interesse zu geringe zur Verfügung stehende Programmmittel gibt. Dennoch wird nicht automatisch von einer grundsätzlichen Unterfinanzierung der Leitaktion 2 ausgegangen, weil es so viele qualifizierte (aber nicht finanzierbare ) Anträge gab. Eine mögliche Unterfinanzierung der Leitaktion 2 wird eher daraus abgeleitet, dass auch bei bewilligten Projekten die Projektkosten nicht ausreichend gedeckt würden. So ist Schweden als Land geografisch langgestreckt und großflächig mit aber nur wenigen internationalen Flughäfen, was zu zusätzlichen inländischen Reisekosten führt, die vom Programm nicht abgedeckt werden. Doch die meisten der Organisationen können mit der derzeitigen Kostendeckung leben, eben weil das Erasmus+-Programm Gelder zur Verfügung stellt, die die Projektfinanzierung für viele Projekte überhaupt erst möglich machen. In der Erwachsenenbildung ist aber festzustellen, dass die wenigen Fördermittel eindeutig als zu begrenzt zu bewerten sind im Vergleich zu den eben sehr ambitionierten Zielen in dem Bereich. Die Finanzierung der Mobilitätsförderung im Hochschulbereich läuft ohne Schwierigkeiten. Neben dem Erasmus-Stipendium erhalten die Studierenden in Schweden zusätzlich noch Hilfen der schwedischen „Student Aid Agency“, wobei die Hilfen als Darlehens-/Zuschuss-Modell konzipiert sind. 1.5. Kroatien5 In Kroatien wird die Überführung der EU-Vorgängerprogramme in Erasmus+ von den Geförderten als grundsätzlich sehr positiv beschrieben – gerade was die Transparenz des neuen Programms und die Auswirkungen auf die eigenen Entwicklungspotenziale der Organisationen anbelangt . Allerdings wird das zur Verfügung stehende Programm-Budget der ersten drei Jahre von Kroatien als größte Herausforderung gesehen. Gerade die Strategischen Partnerschaften werden als deutlich unterfinanziert wahrgenommen, was zu hohen Ablehnungsquoten in allen Bildungssektoren geführt habe. Vor allem im Schul- und Berufsbildungsbereich mussten so viele qualitativ hochwertige Anträge abgelehnt werden. Das ist für Kroatien besonders bedauerlich, da Erasmus+ für das Land die Hauptmöglichkeit darstellt, für eine internationale Lehrerfortbildung und eine internationale Vernetzung der Schulen zu sorgen. Der sich darstellende hohe Wettbewerb sowohl in der Leitaktion 1 und 2 und die auf Grund des geringen Budgets damit einhergehenden hohen 5 In Kroatien ist als nationale Agentur die „Agency for Mobility and EU Programmes (AMPEU)“ mit Erasmus+- Umsetzung befasst. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 10 Ablehnungsquoten haben zu Entmutigungen und schließlich einem deutlich feststellbaren geringeren Antragsaufkommen in 2015 und noch weitergehend in 2016 geführt. Daher setzt die kroatische Nationalagentur einige Anstrengungen daran, die einheitlichen Budgets, wo immer möglich, zu kürzen, um sowohl in der Leitaktion 1 als auch 2 eine höhere Anzahl an Projekten fördern zu können. Trotzdem sind die Umstände so, dass gerade kleine Institutionen mit wenig europäischer Projekt-Erfahrung mit den großen Organisationen kaum konkurrieren können. Gerade im Jugendbereich finden sich überdimensionierte Anträge vor allem `altbekannter` Träger, die dann kaum eine Förderung noch weiterer Projekte (von kleineren Organisationen oder Newcomern ) erlauben. Als positiv wird in Kroatien hervorgehoben, dass die Einführung von Erasmus+ im Vergleich zu den Vorgängerprogrammen das administrative Vorgehen und insbesondere hier das Finanzmanagement vereinfacht hat. Da die Mehrheit der Förderungen durch Pauschalbeträge erfolgt, können sich die nationalen Agenturen nun besser auf die Qualitätsprüfung der Aktivitäten fokussieren . Das Berichtswesen und die Kommunikation mit den Projektträgern konnten von den neu geschaffenen IT-Tools profitieren (wenn man vom ersten Programmjahr mit den technischen Schwierigkeiten absieht). Bei der Höhe der Förderung der Erasmus-Studierenden stellen sich insgesamt weniger Probleme dar. Kroatien kann mit die höchsten Förderungen im europäischen Ländervergleich zahlen. Dabei gibt es in Kroatien keine nationale Förderung. Die durchschnittliche Monatsrate für Studierende beträgt 410 Euro, für Trainees 510 Euro. Allerdings verringert sich durch die hohen gezahlten Raten auch die Gesamtanzahl der möglichen zu Fördernden (die Hochschulinstitutionen beantragen auch jedes Jahr mehr zu fördernde Monate als durch die EU-Zuweisungen zur Verfügung stehen). Gleichzeitig wirkt sich auch der Aufschlag von 200 Euro zusätzlicher Förderung für benachteiligte Personen auf das zu verteilende Gesamtbudget reduzierend aus. 2014 und 2015 machte diese Personengruppe allein 20 Prozent aller Geförderten aus. Im Vergleich von Erasmus+ und den Vorgängerprogrammen ist die Beteiligung von unterprivilegierten Gruppen (geringerer sozio-ökonomischer Status oder erhöhter Förderbedarf) gestiegen. Das gilt vor allem für den Bereich der Studierenden, nachdem die Förderung für diese Personengruppe mit der Einführung von 200 Euro Zusatzförderung ab 2014 mittlerweile bei – wie schon vorangehend erwähnt - 20 Prozent liegt. Doch der Anteil derjenigen Programmteilnehmenden mit Behinderung bleibt mit unter einem Prozent weiterhin gering – gerade auch im Vergleich zu ihrem Anteil in der Bevölkerung von knapp fünf Prozent. Insgesamt fällt der Jugendbereich mit besonders guten Werten auf: so werden dort 42 Prozent der Teilnehmenden in Leitaktion 1 und knapp 16 Prozent in Leitaktion 2 zur Gruppe derjenigen mit besonderem Förderbedarf gezählt. Da die Zahlungen der EU-Kommission oft nicht kompatibel mit dem Start von Projektförderungen sind, kommen einige bewilligte Projekte nicht umhin, mit eigenen Mitteln einzuspringen, bevor dann auch die Förderzahlungen der Nationalagentur erfolgen können. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 11 1.6. Großbritannien6 Für Großbritannien können keine Aussagen zu einer generellen Unterfinanzierung einer Leitaktion , zur Beteiligung von Benachteiligten (Jugendlichen) oder einer bevorstehenden Evaluierung des bisherigen Programmverlaufs getroffen werden. Insgesamt geht man davon aus, dass innerhalb des gesamten Förderzeitraums von Erasmus+ bis zum Jahr 2014 mehr als 240.000 Menschen aus Großbritannien von der Förderung profitieren werden. In den beiden Förderjahren 2014 und 2015 wurden über 1.000 Organisationen mit mehr als 110 Millionen Euro gefördert. Allerdings hat Großbritannien erhebliche Probleme bei der Auszahlung der Förderungen an seine Erasmus-Studierenden im ersten Programmjahr von Erasmus+ 2014 erlebt. Dabei soll es sich jedoch vor allem um spezifische nationale Probleme bei der administrativen Umstellung und verspätete Zahlungen an die Universitäten binnen einer bestimmten Frist nach Unterzeichnung ihrer Fördervereinbarungen mit dem British Council gehandelt haben. Der British Council hat in diesem Zusammenhang auch mehre Male öffentlich sein Bedauern darüber ausgedrückt und um Verständnis geworben. Daneben wurde durchaus auch ein Druck auf das Mobilitätsbudget 2014 bei den zu fördernden Studierenden ausgemacht. So stieg die Nachfrage nach Förderung um 9% - mehr als in den vorangehenden Jahren -, während das Budget nur um ein Prozent anwuchs. Daher wird in Großbritannien stets auch darauf verwiesen, dass es sich bei der Erasmus+-Förderung an Studierende immer nur um einen zusätzlichen Beitrag zu den Mobiliätskosten handelt und Studierende weitere Darlehen der Darlehnsgesellschaft in Anspruch nehmen können. 1.7. Spanien7 Spanien sieht sich selbst als Beispiel für den Erfolg des nun 30-jährigen (Teilvorgänger-)Erasmus- Programms. Es war das erste Land, das ausländische Studierende im Rahmen dieses Programms empfangen und eigene Studiereden in andere Länder entsandt hat. Daher begrüßt Spanien nun die Erweiterung der internationalen hin zu einer global möglichen Mobilität im Hochschulbereich im Rahmen des neues Erasmus+-Programms. 2016 werden dafür beispielsweise knapp 17 Millionen Euro zur Verfügung stehen (wobei die Nachfrage nach Mobilität außerhalb der europäischen Union sogar als weit höher eingeschätzt wird). In Spanien wurden im ersten Jahr von Erasmus+ in der Leitaktion 1 und 2 insgesamt über 1.800 Projekte gefördert, davon 175 Strategische Partnerschaften: 91 im Schulbereich, 33 in der Berufs-, 6 In Großbritannien wird Erasmus+ von zwei nationalen Agenturen umgesetzt, dem British Council, der für die Hochschulen und Schulen zuständig ist, und Evorys UK, die sich für den Berufs- und Erwachsenbildungsteil verantwortlich zeichnen. 7 In Spanien setzt “The Spanish Service for the Internalisation of the Education (SEPIE)” als nationale Agentur Erasmus+ für den Bildungsbereich um; für den Jugendbereich ist das „Instituto de la Juventud“ zuständig. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 035/16 Seite 12 21 in der Erwachsenenbildung, 13 im Hochschul- und 17 im Jugendbereich (laut statistischer Erhebung der EU-Kommission). Die nationale Statistik weist in ihrer Erhebung folgende Bewilligungsquoten für 2014 im Rahmen der strategischen Partnerschaften aus: 48 Antragsbewilligungen bei 96 Anträgen und 21 Finanzierungen im allgemeinen Schulbereich, 93 Bewilligungen bei 190 Anträgen und 31 Finanzierungen im Berufsbildungsbereich, 40 Bewilligungen bei 105 Anträgen und 13 Finanzierungen im Hochschulbereich, 43 Bewilligungen bei 96 Anträgen und 21 Finanzierungen bei Erwachsenenbildung. Damit liegen die Finanzierungsquoten unter oder um die 20% in der Leitaktion 2. Auch für 2015 zeigt sich dabei kein wesentlich anderes Bild, auch wenn es leichte Budgetaufwüchse gab. (Vgl. dazu Ministerio de Education, Cultura y Deporte (2016). Resultados, logros e impacto del Porgrama Erasmus+ y del Programa de Aprendizaje Permanente en Espagna. Documentation del 9 de marzo de 2016. Madrid.) Für 2016 ist eine 3,2-prozentige Budgetsteigerung erfolgt, so dass das derzeitige Budget bei knapp 130 Millionen Euro liegt. Mit großer Priorität soll nun auch verstärkt die Einbeziehung von benachteiligten Jugendlichen und Menschen erfolgen. In Spanien sind im Zusammenhang mit dem Erasmus+-Programm von Seiten der beteiligten Institutionen vor allem Probleme bezüglich einer zu geringen Bereitschaft von Unternehmen benannt worden, Studierenden, Traninees und Berufsschulauszubildenden Praktika zu ermöglichen . Daher hat die zuständige spanische Nationalagentur eine Plattform eingerichtet, auf der Unternehmen ihre Angebote und Suchende ihr Gesuch einstellen können. Ende der Bearbeitung