© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 034/21 Zu Rechtsgrundlagen für den Transport und die Lagerung schwachund mittelradioaktiver Abfälle Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 034/21 Seite 2 Zu Rechtsgrundlagen für den Transport und die Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 034/21 Abschluss der Arbeit: 14. April 2021 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 034/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Genehmigung für den Betrieb eines Zwischenlagers 4 3. Genehmigung der Beförderung sonstiger radioaktiver Abfälle 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 034/21 Seite 4 1. Einleitung Nach Medienberichten plant der Betreiber des ehemaligen Kernkraftwerkes Würgassen schwachund mittelradioaktive Abfälle, die beim Rückbau des Kernkraftwerks angefallen sind, zur Zwischenlagerung möglicherweise an den Standort des ehemaligen Kernkraftwerks Grafenrheinfeld zu bringen. Diese Abfälle lagern derzeit im sogenannten UNS1-Zwischenlager, das ein Gebäudeteil des ehemaligen Kernkraftwerkes Würgsassen ist und im Zuge des Kraftwerkabrisses geräumt werden soll. Die ursprünglich geplante Zwischenlagerung am Standort Ahaus sei wegen anhängiger Klagen gegen die Genehmigung des dortigen Zwischenlagers nicht möglich.2 Soweit ersichtlich wäre derzeit eine Zwischenlagerung von Abfällen aus dem ehemaligen Kernkraftwerk Würgassen auch am Standort des Kernkraftwerkes Grohnde nicht möglich, da an diesem Standort keine entsprechenden Genehmigungen bestehen. Nach Auskunft des niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz vom 24. März 2021 ist das Genehmigungsverfahren für die Zwischenlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Abfall am Kernkraftwerk Grohnde noch nicht abgeschlossen. Mit einem Abschluss sei nicht vor Ende 2022 zu rechnen. Aus dem beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geführten Verzeichnis radioaktiver Abfälle lässt sich schließen, dass es sich um rund 3000 Fässer mit einem Platzbedarf von rund 989 m3 handelt.3 Vor diesem Hintergrund wird im Folgender der rechtliche Rahmen für den Betrieb von Zwischenlagern für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sowie für den Transport solcher Abfälle skizziert. Eine rechtliche Prüfung von Einzelfällen, etwa konkreter Genehmigungen, wird von den Wissenschaftlichen Diensten jedoch prinzipiell nicht vorgenommen. 2. Genehmigung für den Betrieb eines Zwischenlagers Der Betrieb eines Zwischenlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle bedarf einer Genehmigung nach § 12 Absatz 1 Nr. 3 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG). Diese Vorschrift ersetzte § 7 der Strahlenschutzverordnung 2001, auf die bis zum Jahr 2018 entsprechende Genehmigungen für den Umgang mit radioaktiven Stoffen gestützt worden waren. Der Betreiber des ehemaligen Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld (KKG) hat im März 2018 eine Genehmigung nach § 7 StrlSchV 2001 erhalten. Diese Genehmigung umfasst „unter anderem‚ die Handhabung und Lagerung von aus dem Betrieb (...) sowie aus der Stilllegung und dem Abbau 1 UNS: Unabhängiges Nachkühlsystem. 2 Bayerischer Rundfunk vom 7.3.2021, https://www.br.de/nachrichten/bayern/csu-gegen-transport-von-atommuell -nach-grafenrheinfeld,SQxgr5y und vom 2.3.2021, https://www.br.de/nachrichten/bayern/kritik-an-atommuell -aus-nrw-fuer-grafenrheinfeld,SQUL4Pg. 3 Verzeichnis radioaktiver Abfälle, Bestand zum 31.12.2017, S. 65, verfügbar unter: https://www.bmu.de/fileadmin /Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare_Sicherheit/verzeichnis_radioaktiver_abfaelle_bf.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 034/21 Seite 5 aus anderen Kernkraftwerken der Antragstellerin als dem KKG stammenden konditionierten radioaktiven Abfällen und Reststoffen in geschlossenen Behältern‘ in der Bereitstellungshalle (BeHa) am Standort des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld.“4 Im Rahmen einer Nebenbestimmung zu der Genehmigung ist festgelegt worden, dass dieses Zwischenlager bis zu einem Umfang von 20 % der Lagerkapazität (entspricht 1200 m3) für Abfälle aus dem Rückbau anderer Kraftwerke genutzt werden darf. Die Genehmigung zur Lagerung solcher Abfälle ist auf zehn Jahre ab der Einlagerung des ersten Behälters beschränkt. Soweit ersichtlich ist diese Genehmigung bestandskräftig. 3. Genehmigung der Beförderung sonstiger radioaktiver Abfälle Der Transport sonstiger radioaktiver Abfälle auf öffentlichen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Verkehrswegen bedarf der Genehmigung nach §§ 27, 29 StrlSchG. Die Ausnahmen von der Genehmigungspflicht in § 28 StrlSchG betreffen soweit ersichtlich nicht radioaktive Abfälle, die beim Rückbau eines Kernkraftwerkes anfallen. Voraussetzung für die Genehmigung eines solchen Transportes sind zunächst Anforderungen an die Zuverlässigkeit und die Fachkenntnisse der am Transport Beteiligten (§ 29 Absatz 1 Nummern 1-4 StrlSchG) und die Vorsorge für eventuelle Schadensersatzverpflichtungen. Weiterhin ist ausreichende Vorsorge gegen Schäden (Nr. 5), zum Schutz gegen Störmaßnahmen Dritter (Nr. 7) zu treffen und ausreichend Personal und Hilfsmittel zur Eindämmung und Beseitigung von Gefahren (Nr. 8) vorzuhalten. Schließlich darf die Wahl der Art, der Zeit und des Weges der Beförderung dem Schutz der Bevölkerung vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung nicht entgegenstehen (§ 29 Absatz 1 Nr. 9 StrlSchG). Ungeschriebene bzw. faktische Voraussetzung einer Beförderungsgenehmigung dürfte sein, dass am Zielort eine genehmigte Lagermöglichkeit für die Abfälle vorhanden ist. Die Formulierung „Wahl des Weges“ deutet zunächst darauf hin, dass die Wahl des Zieles nicht unmittelbar Gegenstand der Prüfung nach § 29 Absatz 1 Nr. 9 StrlSchG ist. Dafür ließe sich auch ein Vergleich mit der Regelung des § 4 Absatz 1 AtG, der die Beförderung von Kernbrennstoffen betrifft, anführen. Diese Vorschrift enthält in Nr. 6 eine vergleichbare Regelung zur Wahl der Art, der Zeit und des Weges der Beförderung. Dies wird ergänzt durch die Regelung in § 4 Absatz 1 Nr. 7 AtG, der den Vorrang einer standortnahen Zwischenlagerung und damit eine ausdrückliche Regelung zu den Beförderungszielen festlegt. Im Umkehrschluss könnte das Fehlen einer solchen Regelung dafür sprechen, dass die Wahl des Weges und die Wahl des Zieles unterschiedliche Aspekte sind. Jedoch betrifft § 4 Absatz 1 Nr. 7 AtG streng genommen nicht die Auswahl zwischen zwei Transportzielen, sondern erklärt nicht standortnahe Standorte bereits von vorneherein als nicht zulässige Transportziele, so dass sie nicht in die eigentliche Auswahl einbezogen werden. Daher liegt ein Umkehrschluss wohl nicht nahe. 4 Bayrischer Landtag, Drucksache 18/14190, S. 65. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 034/21 Seite 6 Bei geplanten Tätigkeiten, die unter das Strahlenschutzgesetz fallen, sind im Rahmen der (teleologischen ) Auslegung schließlich auch die Strahlenschutzgrundsätze, hier insbesondere das Vermeidungsgebot nach § 8 StrlSchG, zu beachten. Dies wird ermöglicht, wenn § 29 Absatz 1 Nr.9 StrlSchG so ausgelegt wird, dass auch die Auswahl zwischen prinzipiell möglichen Zielen unter das Merkmal „Wahl des Weges“ fällt. § 8 Absatz 1 StrlSchG legt unter anderem fest, dass bei der Ausübung einer Tätigkeit jede unnötige Exposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden ist. Zu diesen Tätigkeiten gehört auch die Beförderung von radioaktiven Stoffen (§ 4 Absatz 1 Nr. 2 StrlSchG). Aus diesem Vermeidungsgrundsatz folgt, dass bei einer Tätigkeit das Risiko einer Exposition oder Kontamination soweit wie möglich reduziert werden muss. Daraus lässt sich grundsätzlich schließen, dass unter mehreren prinzipiell möglichen und gleichgeeigneten Zwischenlagern dasjenige auszuwählen ist, zu dem der Transport das geringste Expositionsrisiko aufweist. Dies erfordert stets eine Prüfung im Einzelfall, die nicht pauschal vorgenommen werden kann und nicht Gegenstand dieses Sachstandes ist. Zur Bemessung dieses Risikos dürfte allerdings nicht allein auf die Länge des Transportweges abzustellen sein. So kann ein längerer Transportweg zum Beispiel sicherer sein, wenn im Vergleich zu einer kürzeren Strecke weniger Umladevorgänge zwischen Verkehrsmitteln notwendig sind, ein sichereres Transportmittel zur Verfügung steht oder weniger möglicherweise gefahrträchtige Punkte passiert werden müssen. ***