© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 033/21 Einzelfragen zur Übertragung des von Windenergieanlagen erzeugten Stroms Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 2 Einzelfragen zur Übertragung des von Windenergieanlagen erzeugten Stroms Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 033/21 Abschluss der Arbeit: 31. März 2021 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Stromübertragung 5 3. Netzkopplung 7 3.1. Direkte und indirekte Netzkopplung 7 3.2. Netzkopplung - Anlagenleistung und Netzkurzschlussleistung 8 3.2.1. Netzanbindung in der deutschen Nordsee 9 3.2.2. Netzanbindung in der deutschen Ostsee 9 4. Betriebliche Aspekte von Windenergieanlagen 10 4.1. Störfälle bei Windenergieanlagen 10 4.2. Stromübertragung mit Erdverkabelung 11 4.3. Stromübertragung mit Seekabeln 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit behandelt einzelne technische Aspekte zur Übertragung des von Windenergieanlagen erzeugten Stroms. Offshore-Windenergie ist die Erzeugung von Strom aus Windenergieanlagen auf See und Onshore-Windenergieanlagen erzeugen an Land Strom. Seit der ersten Inbetriebnahme in den 90er Jahren gibt es in Deutschland 29.4561 Onshore-Windenergieanlagen und 1.5012 Offshore- Windenergieanlagen mit Netzanschluss. Für die Anbindung an das Stromnetz gibt es technische Regelungen. Windenergieanlagen, die ihren Strom ins Netz3 einspeisen, müssen zur Sicherung der Netzstabilität die technischen Anschlussbedingungen des Netzbetreibers erfüllen. Für die Inbetriebnahme ist daher ein Nachweis der Netzkonformität notwendig. Der Betreiber muss u. a. nachweisen, dass die geltenden Richtlinien z. B. in Bezug auf Einhaltung der Netzspannung, Flicker4, Oberschwingungen5 und Netzstützung bei kurzzeitigen Spannungseinbrüchen im Verbundnetz eingehalten werden. Sowohl Verbrauchsanlagen bzw. -geräte als auch Erzeugungsanlagen können neutral oder netzstützend wirken. Ebenso können sie Netzrückwirkungen verursachen, die negative Auswirkungen auf das Netz selbst oder andere Nutzer, etwa am Nachbaranschluss, haben. Netzrückwirkun- 1 Statista (2020). „Anzahl der Onshore-Windenergieanlagen in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2019“, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/20116/umfrage/anzahl-der-windkraftanlagen-in-deutschland-seit- 1993/ 2 Statista (2021). „Anzahl der Offshore-Windenergieanlagen in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2020“, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/270856/umfrage/installierte-windenergieleistung-auf-see-indeutschland / 3 Windenergieanlagen können ihren Strom in Mittelspannungs- und Hochspannungsnetze, Kleinanlagen sogar in Niederspannungsnetze einspeisen. 4 Als Flicker wird Flackern oder Flimmern bezeichnet, das durch Lastschwankungen beispielsweise bei Widerstandsschweißmaschinen oder Lichtbogenöfen verursacht wird, die zum Beispiel beim Glühlampenlicht direkt wahrgenommen werden können. VDE FNN (2019). „Netzrückwirkungen“, https://www.vde.com/de/fnn/arbeitsgebiete /versorgungsqualitaet/spannungsqualitaet/netzruckwirkungen 5 Oberschwingungen sind Schwingungen mit anderer Frequenz als 50 Hz. Gleichrichter wie in Fernsehgeräten, Energiesparlampen, EDV-Geräten und Geräten der Unterhaltungselektronik, Frequenzumrichter für Drehstrommotoren , wie Pumpen, Papiermaschinen und Bandsägen oder Klimageräte oder Wechselrichter wie in Windkraftanlagen vorkommen, erzeugen Oberschwingungen. VDE FNN (2019). „Netzrückwirkungen“, https://www.vde.com/de/fnn/arbeitsgebiete/versorgungsqualitaet/spannungsqualitaet/netzruckwirkungen Ausführliche technische und mathematische Erläuterungen zur Analyse und Auswirkungen von Oberschwingungen finden sich in einem Artikel des Deutschen Kupferinstituts: Elektropraktiker, Berlin 67 (2013), Seite 679, https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahU- KEwibiYCp9qLvAhXMAWMBHRPRBiQQFjADegQIAxAD&url=https%3A%2F%2Fwww.elektropraktiker .de%2Ffileadmin%2FUploads%2FPDFs%2FFirmen-Beitraege%2Fep-2013-09-679- 683.pdf&usg=AOvVaw3V3XcvdsaqBrXSq_mXkMLd Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 5 gen haben Einfluss auf die Spannungsqualität. Zu den Netzrückwirkungen gehören neben Flickern , auch Unsymmetrien6 und Oberschwingungen. Netzrückwirkungen von Erzeugungsanlagen und Verbrauchsgeräten können nur indirekt durch Netzanschlussregeln und Normen beeinflusst werden.7 Der folgende Text behandelt technische Einzelaspekte der Stromübertragung, Netzkopplung und Erdverkabelung sowie von Störfällen. 2. Stromübertragung Die Netzanbindung kleinerer Onshore-Windparks erfolgt in einem ersten Schritt in der Regel durch Verbindung der Einzelanlagen mittels Niederspannungsleitungen miteinander. Der gesamte Windpark wird dann mithilfe einer Mittelspannungsschaltanlage sowie der Mittelspannungsanschlussleitung bis zum Netzanbindungspunkt angeschlossen. Für größere Windparks, die sich aus Multi-Megawatt-Anlagen zusammensetzen, die jeweils mit einem eigenen Transformator 8 ausgestattet sind, wird die interne Parkverkabelung auf der Mittelspannungsebene ausgelegt . „Diese werden anhand von Strängen an ein Umspannwerk9 geführt. Von dort werden sie über eine Stichleitung10 an den Netzanbindungspunkt angeschlossen und speisen dadurch in das Hochspannungsnetz ein.“11 Als Technologieform für die Übertragung kommen Hochspannungs-Gleichstrom und Hochspannungs -Drehstrom-Übertragung zum Einsatz. Näher an der Küste gelegene Offshore-Windparks 6 Unsymmetrien entstehen durch einphasigen Anschluss leistungsstarker Verbraucher oder Erzeuger, wie z.B. Durchlauferhitzer, oder PV-Anlagen, die unter anderem zur Überhitzung von Motoren führen können. VDE FNN (2019). „Netzrückwirkungen“, https://www.vde.com/de/fnn/arbeitsgebiete/versorgungsqualitaet/spannungsqualitaet /netzruckwirkungen 7 VDE FNN (2019). „Netzrückwirkungen“, https://www.vde.com/de/fnn/arbeitsgebiete/versorgungsqualitaet /spannungsqualitaet/netzruckwirkungen unter Verweis auf: Hau, E. (1988). „Windkraftanlagen“, Kapitel 9, Springer Verlag, 6. Auflage von 2016 8 Ein Transformator speist elektrische Energie aus einem Stromnetz höherer Spannung in ein Stromnetz niedriger Spannung und umgekehrt. Mittels eines Transformators kann die Spannung beim Stromtransport der elektrischen Energie erhöht oder reduziert werden. Damit kann eine geringe Stromleistung in der Fernleitung übertragen und beim Endabnehmer eine hohe Leistung zur Verfügung gestellt werden. 9 Die Begriffe Umspannwerk, Umspannstation werden meist Onshore, der Begriff Umspannplattform meist Offshore verwendet. Die Offshore-Windenergieanlagen werden gebündelt an Umspannplattformen angeschlossen. Umspannplattformen transformieren den Strom zur Übertragung auf ein höheres Spannungsniveau. 10 Stichleitung: Wenn nur eine Leitung als Abzweig von einer anderen Leitung existiert. 11 Kaltschmitt, M. et al. (2013). „Erneuerbare Energien“, Springer Verlag, 5. Auflage, Kapitel 7.2.2.4, im Bibliotheksbestand , aktualisierte Ausgabe von 2020, Kapitel 6 unter Verweis auf: Hau, E. (1988). „Windkraftanlagen“, Kapitel 9, Springer Verlag, 6. Auflage von 2016 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 6 werden über direkte Drehstrom12-Verbindung an das Netz angebunden. Bei größeren Entfernungen erfolgt die Übertragung aufgrund der hohen Übertragungsverluste über Gleichstrom.13 Die Realisierung der Netzanbindung von Offshore-Windparks ist aufgrund der zu überwindenden Entfernungen über die Seeseite im Vergleich zu Onshore-Windparks aufwändiger. „Dieser Aufwand wird bestimmt von der zu überbrückenden Entfernung zur Küste und der installierten Leistung des jeweils anzuschließenden Windparks bzw. des Windparkclusters. Beispielsweise beträgt in Deutschland die durchschnittliche Entfernung der Offshore-Windparks zur Küste derzeit rund 45 km; sie wird sich in Zukunft noch weiter erhöhen. Derart große Entfernungen bedingen eine komplexe Netzinfrastruktur bestehend aus der Verkabelung des Windparks, der Offshore-Umspannstation im Windpark, der Seekabelverbindung zum Land oder an eine weitere Offshore- Umspannstation sowie die Verknüpfung mit dem Verbundnetz auf der entsprechenden Spannungsebene .“14 Der Stromtransport über Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) gewinnt mit der wachsenden Nutzung von Windenergieanlagen zunehmend an Bedeutung. „Bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) wird der von den Windkraftanlagen kommende Wechselstrom in einer Wechselstrom-Umspannstation zusammengeführt und hier auf ein höheres Spannungsniveau transformiert, um dann in Gleichstrom umgewandelt zu werden. Dieser Gleichstrom wird dann mit Kabeln an Land transportiert. Dort erfolgt die Wechselrichtung in netzkompatiblen Wechselstrom.15 Der Vorteil dieser zweifachen verlustbehafteten Umformung der elektrischen Energie besteht darin, dass bei der Gleichstromübertragung hohe Leistungen über weite Entfernungen ohne die bei der Drehstromübertragung benötigten Anlagen zur Kompensation von Blindleistung16 übertragen werden können. Auch sind die Verluste der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung geringer im Vergleich zur Hochspannungs-Wechselstrom-Übertragung. Allerdings werden im 12 Drehstrom = Dreiphasenwechselstrom 13 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (2021). „Netzanbindung“, https://www.erneuerbareenergien .de/EE/Navigation/DE/Technologien/Windenergie-auf-See/Technik/Netzanbindung/netzanbindung .html und https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Navigation/DE/Forschung/Windenergie-auf- See/Netze/netze.html 14 Kaltschmitt, M. et al. (2013). „Erneuerbare Energien“, Springer Verlag, 5. Auflage, Kapitel 7.2.2.4, im Bibliotheksbestand , aktualisierte Ausgabe von 2020, Kapitel 6 unter Verweis auf: Hau, E. (1988). „Windkraftanlagen“, Kapitel 9, Springer Verlag, 6. Auflage von 2016 Grafische Darstellung siehe unter Offshore-Stiftung (2021). „Wie kommt der Strom an Land“, http://www.offshore -stiftung.de/sites/offshorelink.de/files/pictures/Offshore_Stiftung-13_Netzanbindung_2Version.pdf 15 Aufgrund der teilweise relativ weiten Küstenentfernungen wird in Deutschland auch eine Stromübertragung an Land über Gleichstrom realisiert. 16 Blindströme treten bei Wechselstrom und Drehstrom auf, aber nicht bei Gleichstrom. Die elektrische Energie pendelt dabei zwischen Erzeuger und Verbraucher. Blindströme belasten die Leitungen ohne Nutzeffekt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 7 Vergleich zur Wechselstromübertragung zusätzliche technische Einrichtungen zum Gleichund Wechselrichten der elektrischen Energie benötigt. Bei der Hochspannungs-Wechselstrom-Übertragung wird der von den Windkraftanlagen kommende Wechselstrom mithilfe eines Transformators auf ein höheres Spannungsniveau gehoben und an Land übertragen. An Land wird eine Transformation auf das Spannungsniveau an dem jeweiligen Netzeinspeisepunkt in das Netz der öffentlichen Versorgung realisiert . Im Vergleich zur Hochspannungs-Gleichstrom Übertragung ist dieses Konzept technisch weniger aufwändig. Dafür ist eine solche Realisierung jedoch nicht für längere Seekabelstrecken technisch und wirtschaftlich sinnvoll, da die für Drehstrom-Kabel typische hohe kapazitive Blindleistung kompensiert werden muss. Die Gestaltung der Offshore-Umspannstationen und der Integration in das nationale Stromversorgungsnetz orientiert sich an den Vorgaben der diversen Ausbaupläne. Diese bestimmen auch größtenteils die Rahmenbedingungen, ob ein Offshore-Windpark eine eigene Umspannstation hat, in welcher Übertragungsform die elektrische Energie weitergeleitet wird und ob die Kabelanbindung zu Land durch den Netzbetreiber oder im Rahmen des Offshore -Windparks realisiert wird.“17 3. Netzkopplung 3.1. Direkte und indirekte Netzkopplung Bei Windenergieanlagen wandelt ein Generator die mechanische Energie des Triebstrangs (d. h. die Drehbewegung des Rotors) in elektrische Energie um. In Windenergieanlagen laufen speziell entwickelte Generatoren. Für die Anbindung der Windkraftanlage an das Netz der öffentlichen Versorgung oder ein beliebiges Inselnetz unterscheiden die Experten zwischen direkter und indirekter Netzkopplung. „Bei der direkten Netzkopplung wirkt sich [aufgrund der konstanten Drehzahl] jede Änderung der Windgeschwindigkeit als veränderlicher Strom auf der Netzseite aus und führt dort zu entsprechenden Spannungsschwankungen. Deshalb sind direkt an das Netz gekoppelte Windkraftanlagen heute nicht mehr zulässig. Bei der indirekten Netzkopplung kann der Generator mit variabler Drehzahl bzw. Frequenz betrieben werden. Der durch eine veränderliche Drehzahl dann aber zwangsläufig entstehende Wechselstrom mit variabler Frequenz muss anschließend jedoch mit Hilfe eines Umrichters umgewandelt werden, damit die erzeugte elektrische Energie unter Einhaltung der jeweiligen Netzspezifikationen ins 17 Kaltschmitt, M. et al. (2013). „Erneuerbare Energien“, Springer Verlag, 5. Auflage, Kapitel 7.2.2.4 Siehe auch: Netzentwicklungsplan Strom (2021). https://www.netzentwicklungsplan.de/de Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 8 entsprechende Verteilungsnetz eingespeist werden kann. Umrichter oder AC-DC-AC Konverter 18 (AC Wechselstrom (alternate current), DC Gleichstrom (direct current)) bestehen im Wesentlichen aus drei Hauptkomponenten: Einem gesteuerten Gleichrichter, der die frequenzvariable Spannung gleichrichtet und somit aus Wechselspannung eine Gleichspannung erzeugt. Einem Gleichspannungszwischenkreis, der zur Entkopplung von Systemen mit unterschiedlichen Frequenzen dient. Hierbei dient ein Kondensator einerseits zur Glättung der Spannung und gleichzeitig andererseits als Pufferspeicher. Einem Wechselrichter, der den Gleichstrom in dreiphasigen Wechselstrom umwandelt und somit auf die Spannung und Frequenz des örtlichen Versorgungsnetzes wechselrichtet , in das die Windkraftanlage einspeist. Heute kommen überwiegend Umrichter mit einem Spannungszwischenkreis zum Einsatz, welche vielfach regelbar sind und die vom Generator erzeugte Frequenz von der Netzfrequenz vollständig entkoppeln.“19 3.2. Netzkopplung - Anlagenleistung und Netzkurzschlussleistung Windenergieanlagen können entweder als Einzelanlagen oder in Form von Windparks in das Netz der öffentlichen Versorgung eingebunden werden. „Dazu ist am jeweiligen Netzverknüpfungspunkt die zu erwartende Netzbeeinflussung durch die Windkraftanlage bzw. den Windpark zu bestimmen. Hierbei sind sowohl die kurzzeitigen Leistungsschwankungen, die sich in Form von Flickern […] äußern, als auch länger andauernde Spannungsveränderungen und mögliche harmonische Oberschwingungen zu berücksichtigen. Ein Maß dafür ist das Verhältnis von Anlagenleistung zu Netzkurzschlussleistung 20 am Verknüpfungspunkt. Die Kurzschlussleistung an einem derartigen Netzknoten stellt sowohl ein Maß für die dort gültige Netzimpedanz21 als auch für den dort zu erwartenden Kurzschlussstrom bei einem dreipoligen Fehler22 dar. Werden be- 18 Auf Konverterplattformen wird der Strom aus den angeschlossenen Windparks als Gleichstrom über ein Seekabel zum nächsten Netzknotenpunkt an Land geleitet. Konverter wandeln Wechselstrom in Gleichstrom und umgekehrt . 19 Kaltschmitt, M. et al. (2013). „Erneuerbare Energien“, Springer Verlag, 5. Auflage, Kapitel 7, Seite 492-495 20 (Netz)kurzschlussleistung ist eine Bemessungsgröße, die als Scheinleistung ausgedrückt wird. Sie setzt sich aus Blindleistung und Wirkleistung zusammen. Blindströme treten bei Wechselstrom und Drehstrom auf, aber nicht bei Gleichstrom. Die elektrische Energie pendelt dabei zwischen Erzeuger und Verbraucher. Blindströme belasten die Leitungen ohne Nutzeffekt. 21 Impedanz (Scheinwiderstand) ist das Verhältnis der elektrischen Spannung eines Verbrauchers (wie eines Leuchtmittels oder einer Leitung) und der Stromstärke (des vorab aufgenommenen Stroms). 22 Entspricht dem Zusammenschluss dreier Phasen. Der dreipolige Fehler erzeugt die höchsten Fehlerströme. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 9 stimmte Werte überschritten, ist ein Anschluss erst an einem Punkt mit höherer Netzkurzschlussleistung (z.B. an der Sammelschiene eines Umspannwerks) möglich, damit andere an das Netz angeschlossene Verbraucher nicht negativ beeinflusst werden. Damit hängt die Auslegung der Netzanbindungs-Komponenten von der anzuschließenden Leistung der Windkraftanlage/des Windparks ab.23 In den folgenden beiden Kapiteln wird wiedergegeben, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die Netzanbindung für den deutschen Offshore-Bereich in Nord- und Ostsee zusammenfasst. 3.2.1. Netzanbindung in der deutschen Nordsee „In der Nordsee werden Netzanbindungssysteme mit Gleichstrom und Wechselstrom betrieben. Die Windenergieanlagen produzieren Wechselstrom, der auf den windparkeigenen Offshore- Plattformen (Umspannplattformen) gesammelt und auf eine Spannungsebene von 155 kV24 hoch transformiert wird. Anschließend wird der Strom von der Umspannplattform über ein AC-Netzanbindungssystem an die Konverterplattform des Übertragungsnetzbetreibers weitergeleitet. Auf der Konverterplattform wird der Strom mehrerer Windparks gesammelt und von Wechsel- auf Gleichstrom umgerichtet, um dann zum Netzverknüpfungspunkt an Land transportiert zu werden . Die Übertragung erfolgt mittels Gleichstrom auf einer Spannungsebene von 320 kV, weil dies bei den großen Entfernungen zum Netzverknüpfungspunkt wegen der vergleichsweise geringen Verluste als besonders effektiv gilt.“25 3.2.2. Netzanbindung in der deutschen Ostsee „In der Ostsee gibt es bislang keine zwischengeschalteten Konverterplattformen und folglich auch keine DC-Übertragungssysteme. Der Stromtransport an Land erfolgt dort flächendeckend mittels AC-Anbindungen, allerdings mit einer höheren Spannung, nämlich in 220 kV. Hintergrund dieser Besonderheit sind die geringere Anzahl der Windparks und die geringere Entfernung zu den Netzverknüpfungspunkten an Land. Da jedoch in Zukunft auch in der Ostsee ein deutlich höheres Energiepotenzial ausgeschöpft werden soll, ist geplant, demnächst auch dort ein DC-Netzanbindungssystem zu errichten.“26 23 Kaltschmitt, M. et al. (2013). „Erneuerbare Energien“, Springer Verlag, 5. Auflage, Kapitel 7.2.2.4 24 Mittelspannung wird mit 10, 20 oder 30 kV betrieben. Hochspannung ist die Spannungsebene oberhalb 1 kV. Höchstspannung sind Spannungsebenen zwischen 220 kV und 380 kV. 25 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) (2021). „Netzanbindungssysteme“, https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Offshore/Offshore-Vorhaben/Netzanbindungssysteme/netzanbindungssysteme _node.html 26 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) (2021). „Netzanbindungssysteme“, https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Offshore/Offshore-Vorhaben/Netzanbindungssysteme/netzanbindungssysteme _node.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 10 4. Betriebliche Aspekte von Windenergieanlagen 4.1. Störfälle bei Windenergieanlagen Mögliche Arten von Störfällen, die den betrieblichen Ablauf von Windenergieanlagen beeinträchtigen und Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten, fassen Experten wie folgt zusammen: „Im Störfall sind aus gegenwärtiger Sicht keine negativen anlagenspezifischen Umwelteffekte zu erwarten; maximal kann es zu begrenzten lokalen Effekten kommen. Um selbst diese möglichst zu minimieren, sind beispielsweise bei Windkraftanlagen mit ölgeschmiertem Getriebe entsprechende Ölauffangeinrichtungen vorhanden. Unabhängig davon kann es durch Brände an der Anlage z. B. an den elektrischen Anlagenteilen (u. a. Kabel) zu begrenzten Stofffreisetzungen an die Umwelt kommen, die allerdings nicht spezifisch für Windkraftanlagen sind. Sie entsprechen auch denen bei ähnlichen Störfällen in anderen Kraftwerken; außerdem sind derartige störungsbedingte Stofffreisetzungen durch Einhaltung der einschlägigen Vorschriften weitgehend vermeidbar . Auch kann ein mechanisches Versagen (z.B. Rotorbruch) zu Schäden an der Vegetation (z. B. an der Grasnarbe) führen. Unter Einhaltung der Sicherheitsabstände zu bewohnten Gebieten sind die Verletzungsrisiken für den Menschen bei einem mechanischen Versagen jedoch als sehr gering zu bewerten.“27 Insbesondere für den Brandfall haben Versicherer 2008 ihre Schadenerfahrungen analysiert und in einen Leitfaden mit Empfehlungen zum Brandschutz zusammengefasst. Die Versicherer geben in ihrem Leitfaden einen Überblick über typische Ursachen der Brandentstehung und -ausbreitung .28 Genaue Fallzahlen über Schadenstatistiken liegen auch von Windenergieverbänden nicht vor.29 Darüber hinaus untersucht die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) mögliche Schadensquellen von Windenergieanlagen, erarbeitet technische Lösungen und bewertet vorhandene Reparaturkonzepte .30 27 Kaltschmitt, M. et al. (2013). „Erneuerbare Energien“, Springer Verlag, 5. Auflage, Kapitel 7.4 28 VdS Verlag (2008). „Windenergieanlagen – Leitfaden für den Brandschutz“, https://shop.vds.de/de/download /df2cbc28e740b70d2f64be4233f7cec5/, insbesondere Kapitel 3.2.4, „Brandschaden infolge schwingender Schaltkreise“, Seite 7 Siehe auch: Agatz, M. (2019) „Windenergie-Handbuch“, 16. Auflage, http://windenergie-handbuch.de/wp-content /uploads/2020/03/Windenergie-Handbuch-2019.pdf, „Bauordnungsrecht - Brandschutz“, Seite 180 29 BS Brandschutz im Bauwesen (2020). „Vorbeugender Brandschutz von Windenergieanlagen“, https://www.bsbrandschutz.de/artikel/vorbeugender-brandschutz-windenergieanlage_3520079.html Wirtschaftswoche (2019). „Es mangelt an Unfall-Statistiken über Windräder“, https://www.wiwo.de/technologie /green/sicherheitsrisiko-fuer-menschen-und-umwelt-es-mangelt-an-unfall-statistiken-ueber-windraeder /24036034.html 30 BAM (2021). „Wie Windenergieanlagen in rauer See standsicher bleiben“, https://www.bam.de/Content /DE/Standardartikel/Themen/Energie/artikel-LeBeWind.html und https://www.150.bam.de/150/Navigation /DE/Themen/Erneuerbare-Energien/windkraft-xxl.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 11 4.2. Stromübertragung mit Erdverkabelung Mit dem Ausbau der Windenergie kommt auch die Erdverkabelung für Hochspannungsnetze zunehmend in den Fokus des Interesses. Zur Stromübertragung mittels Erdkabeln und den damit verbundenen technischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen beschreibt die Bundesnetzagentur auf der Internetseite „Netzausbau“ den aktuellen Sachstand: „Erdkabel für die Stromübertragung sind weit verbreitet – allerdings fast ausschließlich in den regionalen Verteilernetzen der Nieder- und Mittelspannung. Im Bereich der Hochspannung nimmt die Erdverkabelung zu, zum Beispiel in Dänemark. Vergleichsweise neu ist die Verwendung von Erdkabeln dagegen im Bereich der Höchstspannung. Der Einsatz von Erdkabeln in überregionalen Übertragungsnetzen, die große Strommengen über weite Distanzen transportieren, bringt neue technische Herausforderungen mit sich. So besteht beispielsweise ein Problem bei der Wärmeableitung. Da das Kabel von Erde umgeben ist, wird die Wärme, die durch die elektrischen Verluste entsteht, nur teilweise abgeführt. Das begrenzt den möglichen Stromfluss und damit die über das Kabel übertragbare Leistung. Bestimmte Kühlmechanismen können diesem Effekt entgegenwirken. Ein weiteres Problem: Die übertragene elektrische Leistung teilt sich auf in Wirkleistung und Blindleistung. Nur die Wirkleistung kann in andere Leistungen umgewandelt werden – zum Beispiel, um einen Elektromotor anzutreiben. Je länger allerdings ein Wechselstrom -Erdkabel ist, desto größer ist der Anteil der nicht nutzbaren Blindleistung. Ohne zusätzliche Kompensationsmaßnahmen kann ab einer gewissen Länge schließlich gar keine Wirkleistung mehr übertragen werden. Das Kabel ist dann gewissermaßen mit Blindleistung verstopft. Ein Vorteil von Erdkabeln ist, dass sie sich meist viel harmonischer in die Landschaft einfügen als Freileitungen. Die Kabel selbst liegen schließlich unsichtbar unter der Erde. Allerdings hinterlässt ihre Verlegung dennoch sichtbare Spuren, zum Beispiel Schneisen durch Waldgebiete. Die unterirdische Trasse führt auch zu einem großen Aufwand bei notwendigen Reparaturen, denn dabei müssen erst Bagger die Kabel freilegen. Dies wirkt sich auf die Reparaturdauer und damit auch auf die Versorgungssicherheit aus. Weiterhin fehlen ausreichende Untersuchungen über eine mögliche Erwärmung des Bodens31 und deren Folgen für die Umwelt. 31 Siehe auch eine Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste, die sich mit zu erwartenden pflanzenbaulichen und betriebswirtschaftlichen Folgeschäden durch die Wärmeentwicklung der Erdkabel bei der SuedLinktrasse befasst . Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste (2016). „Auswirkungen der Erdverkabelung auf den Pflanzenbau “, WD 5-125-16, https://www.bundestag.de/resource /blob/496350/8349c98b16c1dd4fb7b2310ee487a9f0/wd-5-125-16-pdf-data.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 12 Nicht zuletzt ist die Wahl der richtigen Alternative auch eine Frage des Preises. In der Regel ist eine Erdverkabelung je nach Berechnungsmethode zwei- bis zehnfach teurer als ein Freileitungsbau, was am Ende die Verbraucher belastet.“32 4.3. Stromübertragung mit Seekabeln Für die Anbindung der Offshore Windenergieanlagen werden Seekabel im Meer verlegt. „Um potenzielle Probleme mit dem Ankerwurf von Schiffen und der Schleppnetzfischerei zu vermeiden, müssen die Kabel im Meeresuntergrund vergraben werden. Damit werden die während des Stromtransports zwingend entstehenden Kabelverluste in Form von Wärme an das umgebende Meeresbodensediment übertragen. […] Diese in den Meeresboden eingebrachte und sich dort ausbreitende Wärme kann unerwünschte Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben. Dies gilt beispielsweise für potenziell veränderte Nährstoffprofile und Fortpflanzungszyklen der Fauna in den oberen Bodenschichten sowie das mögliche Überleben fremder wärmeliebender Arten in Kabelnähe . Ob derartige Umwelteffekte tatsächlich in einer merklichen Größenordnung auftreten und welche Konsequenzen dies dann auf die natürliche Flora und Fauna in der Nähe der Kabel hat, ist bis heute nicht detailliert erforscht.“33 In Deutschland ist die Wärmefreisetzung von Seekabeln in das umgebende Sediment gesetzlich begrenzt. „Als Vorsorgewert für eine maximale Temperaturerhöhung gilt heute ein Wert von 2 K34 in einer Meeresbodentiefe von 20 cm in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. 30 cm in der 12 Seemeilen-Zone einschließlich dem Wattenmeer. Eine derartige Temperaturerhöhung wird von einer Vielzahl von Einflussgrößen und von Randbedingungen beeinflusst und kann 32 Bundesnetzagentur (2021). „Erdkabel“, https://www.netzausbau.de/Wissen/Technik/de.html und Broschüre „Erdkabel“, https://www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/Infomaterial/BroschuereErdkabel .pdf?__blob=publicationFile Eine Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste befasst sich speziell mit der Erdverkabelung von Höchstspannungsvorhaben . Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste (2018). „Erdverkabelung von Höchstspannungsvorhaben “, WD 5-014-18, https://www.bundestag.de/resource /blob/548338/29ff28326d1368cbb110f33485ecfe83/wd-5-014-18-pdf-data.pdf Netzentwicklungsplan Strom (2021). „Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung“, https://www.netzentwicklungsplan .de/de/wissen/hochspannungs-gleich-strom-uebertragung 33 Bückling, L.M. et al. (2018). „Verlustwärme von Offshore-Gleichstrom-Seekabelsystemen – Entstehung und Übertragung“, Zeitschrift für Energiewirtschaft Volume 42, Seite 299–314 (2018) https://link.springer.com/article /10.1007/s12398-018-0238-y 34 „Das sog. 2 K-Kriterium stellt einen Vorsorgewert dar, der nach Einschätzung des BfN auf Basis des derzeitigen Wissenstandes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherstellt, dass erhebliche negative Auswirkungen der Kabelerwärmung auf die Natur bzw. die benthische Lebensgemeinschaft vermieden werden.“ BSH (2020). „Entwurf des Umweltberichts zum Entwurf des Flächenentwicklungsplan 2020 für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone der Nordsee“, https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Offshore/Meeresfachplanung/Fortschreibung /_Anlagen/Downloads/Entwurf_Umweltbericht_Nordsee.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Seite 162 Benthal: Bodenzone eines Gewässers Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 033/21 Seite 13 nicht bzw. nur sehr aufwändig messtechnisch erfasst werden.“35 Wissenschaftler haben im Rahmen von Untersuchungen Bestimmungs- bzw. Beeinflussungskriterien auf die potenzielle Temperaturerhöhung simuliert und analysiert. Die Autoren kommen zu dem Schluss, „dass die Wärmeentstehung primär durch die durchschnittliche vom Kabel übertragene elektrische Leistung bzw. die ggf. vorhandene thermische Vorbelastung, die Verlegetiefe sowie den Wärmewiderstand des Sediments bestimmt wird. Insgesamt ist aber im Normalbetrieb von Offshore-Windparks bei den heute eingesetzten Seekabelsystemen die Einhaltung des 2 K-Kriteriums sicher möglich; dies gilt näherungsweise auch für außergewöhnliche Wind- bzw. Last-Situationen.“36 *** 35 Bückling, L.M. et al. (2018). „Verlustwärme von Offshore-Gleichstrom-Seekabelsystemen – Entstehung und Übertragung“, Zeitschrift für Energiewirtschaft Volume 42, Seite 299–314 (2018) https://link.springer.com/article /10.1007/s12398-018-0238-y 36 Bückling, L.M. et al. (2018). „Verlustwärme von Offshore-Gleichstrom-Seekabelsystemen – Entstehung und Übertragung“, Zeitschrift für Energiewirtschaft Volume 42, Seite 299–314 (2018) https://link.springer.com/article /10.1007/s12398-018-0238-y