© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 032/16 Zur Situation der Erasmus+-Förderprogramme in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 032/16 Seite 2 Zur Situation der Erasmus+-Förderprogramme in Deutschland Einschätzungen der zuständigen Nationalen Agenturen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 032/16 Abschluss der Arbeit: 6.4.2016 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung , Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 032/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Die Einführung des Programms Erasmus+ 4 2. Situationsbeschreibung aus deutscher Sicht 5 2.1. Der Hochschulbereich und Erasmus+ 5 2.2. Der Jugendbereich und Erasmus+ 5 2.3. Der Schulbereich und Erasmus+ 6 2.4. Die Berufs- und Erwachsenenbildung und Erasmus+ 6 2.5. Allgemeine Problemlage 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 032/16 Seite 4 1. Die Einführung des Programms Erasmus+ Erasmus+ ist das Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union. Erasmus+ kombiniert ab 2014 die sieben EU-Vorgänger-Programme für Bildung, Ausbildung und Jugend und führt zum ersten Mal auch ein Sportprogramm ein. So wurden die bisherigen Programme wie z.B. Comenius, Erasmus, Leonardo da Vinci, Grundtvig oder Jugend in Aktion zusammengeführt und auch die fünf internationalen Kooperationsprogramme (wie z.B. Erasmus Mundus oder Alfa) in das Gesamtprogramm integriert. Auf Grund der großen Bekanntheit des Erasmus-Programms (als weltweit bekanntestes Mobilitätsprogramm) entschied man sich für eine Beibehaltung und Erweiterung des Namens bei der Benennung des neuen EU-Bildungsprogramms . Von 2014-2020 ist Erasmus+ mit einem Gesamtbudget von 14,7 Milliarden Euro ausgestattet , wobei der Mittelabfluss nicht linear erfolgt, sondern ab 2017 eine deutliche Ausgabensteigerung vorgesehen ist. Aufgeteilt werden die Mittel zu 10% auf den Bereich Jugend, jeweils zwischen 1,8-3,4% für Sport, Jean-Monnet-Aktivitäten oder Verwaltungsaufgaben und insgesamt 77,5% für Aktivitäten der allgemeinen und beruflichen Bildung. Davon sind jeweils mindestens 43% für die Hochschulbildung, 22% für berufliche Bildung, 15% für die Schulbildung und 5% für die Erwachsenenbildung vorgesehen; 15% sind frei verteilbar. Unter den drei einheitlichen Leitaktionen1 für das Gesamtprogramm Erasmus+ bieten die Bildungsbereiche 2 jeweils unterschiedliche Aktivitäten an. Die Leitaktion 1 (KA 1) bezieht sich auf die Förderung von Mobilität für Einzelpersonen (Studierende, Auszubildende, im Jugendaustausch und der Freiwilligentätigkeit), für Personal und den gesamten Jugendbereich. Die Leitaktion 2 (KA 2) bezieht sich auf die Förderung von Kooperation (über strategische Partnerschaften für Organisationen, Einrichtungen, Initiativen und Capacity Buliding im Good-Practice-Austausch ). Die Leitaktion 3 (KA 3) umfasst die Unterstützung für Politikreformen (über die Bildung innovativer Reformagenden, strukturierte Dialogprojekte oder Wissensaufbau über Studien und Wissenstransfer). In Deutschland hat man sich darauf verständigt, dass nicht eine, sondern vier Nationale Agenturen im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) das EU-Programm Erasmus+ umsetzen. Es sind: für den Hochschulbereich die „Nationale Agentur im Deutschen Akademischen Austauschdienst “ (NA im DAAD), für den Schulbereich die „Nationale Agentur im Pädagogischen Austauschdienst im Sekretariat der Kultusministerkonferenz“ (NA im PAD), für die Berufs- und Erwachsenenbildung die „Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung“ (NA beim BIBB) und für den Jugendbereich die „Nationale Agentur Jugend für Europa“ (NA JFE). 1 Ergänzt werden diese noch durch die Bereiche Sport- und Jean-Monnet-Aktivitäten. 2 Es handelt sich dabei um die Hochschul-, Schul-, Berufs- und Erwachsenenbildung, den Jugend- und Sportbereich Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 032/16 Seite 5 2. Situationsbeschreibung aus deutscher Sicht 2.1. Der Hochschulbereich und Erasmus+: Für den Bereich der Hochschulzusammenarbeit könne insgesamt für die Leitaktion 1 (Mobilität) bei den Förderzahlen ein positives Bild gezeichnet werden. Im Hochschuljahr 2014/2015 wurden ca. 38.000 Studierende und ca. 4.000 Hochschulangehörige über Erasmus+ gefördert - mit insgesamt 42.000 bewilligten Förderungen ist das ein Plus von 5% gegenüber dem Vorjahr 2014. Doch als problematisch werden von der zuständigen Nationalen Agentur im DAAD die dazugehörigen Budgetverläufe gesehen. Zwar betrug das Budget 2013 vor der Umstellung auf Erasmus+ noch 59 Mio. Euro und stieg 2014 auf 70,5 Mio. Euro an, doch im Programmjahr 2015 fiel es auf 70,2 Mio. Euro ab3. Für die Leitaktion 2 ist das Programmvolumen bei den Strategischen Partnerschaften und Projekten auf einem insgesamt niedrigen Niveau von 4,25 Mio. Euro für 2014 und 4,2 Mio. Euro für 2015. Somit `fehlten ` 2015 in beiden Förderlinien (KA 1 und 2) ca. 300.000 Euro. Auf Grund des schrumpfenden bzw. stagnierenden Budgets gibt es zwei Probleme: Das stagnierende Budget in der Leitaktion 2 hat dazu geführt, dass 2014 nur 13 von 57 und 2015 12 von 61 beantragten Projekten bewilligt werden konnten, was einer Bewilligungsquote von nur 21% entspricht –obwohl die Anträge formal und qualitativ förderfähig gewesen wären. Das führt zu nicht erwarteten Frustrationen und voraussichtlich weniger Anträgen auch für den Zeitraum der geplanten Budgetanstiege ab 2017. Ein sehr schneller Aufwuchs der Mittel für die strategischen Partnerschaften ist daher wünschenswert. Und zum anderen führt das schrumpfende Budget in der Leitaktion 1 bei der wachsenden Anzahl der Geförderten dazu – da hier alle Antragsteller eine Bewilligung erhalten, solange sie die formalen Kriterien erfüllen - , dass die einzelnen Monatsraten für die Geförderten sehr gering werden. So betragen die Monatsraten in Deutschland für Studierende 228 bzw. 334 Euro für Praktikanten; dabei liegen die tatsächlich ausgezahlten Monatsraten nochmals deutlich niedriger, da die auszahlenden Hochschulen ihr Budget eher an der Mindestanforderung4 ausrichten, um möglichst viele fördern zu können. Deutschland liegt damit deutlich unterhalb des monatlichen Förderniveaus vieler anderer europäischer Länder. Zu fragen wäre daher, ob der europäische Länderschlüssel (ähnliche Probleme dürften eventuell Frankreich oder Spanien haben) für die Budgetzuweisung in diesem Bereich angepasst werden müsste. 2.2. Der Jugendbereich und Erasmus+: Im Sektor Jugend ist man zufrieden mit den Förderzahlen für die Leitaktion 1, worunter auch der Europäische Freiwilligendienst fällt. Das Budget ist im Vergleich zum Vorgängerprogramm unter 3 Die Budgets beziehen sich auf KA 1 „Mobilität mit Programmländern“ ohne „Mobilität mit Partnerländern“. 4 Die Mindestbeträge gelten jeweils für Ländergruppen: 1. 150-400 Euro Förderung für zu Fördernde, die z.B. nach Polen gehen, 2. 200-450 Euro für z.B. Aufenthalte in Belgien, 3. 250-500 Euro für z.B. Aufenthalte in England . Praktisch bewegen sich die deutschen Hochschulen auf Grund der hohen Antragszahlen häufig am unteren Rand der Mindestförderung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 032/16 Seite 6 Erasmus+ in ungefähr gleich hoch geblieben, nur die Antragszahlen sind nochmals deutlich angestiegen , so dass man daher nur auf eine Bewilligungsquote von 74% in 2014 und 63% in 2015 kommt. Große Probleme bereitet hingegen die Leitaktion 2, da in diesem Rahmen auf Grund des geringen Budgets in 2015 nur 18 von über 100 beantragten Projekten gefördert werden konnten. Da das Antragsverfahren außerordentlich aufwändig ist, löst diese unter 20% liegende Förderquote große Unzufriedenheit aus. Im Bereich der Jugendsozialarbeit sei zwar keine Rückentwicklung bei den Antragszahlen zu verzeichnen, jedoch seien für eine Stärkung jener ggf. zielgerichtetere Instrumente zu entwickeln, da die Freiwilligendienste ein eher schwieriges Instrument für die Jugendsozialarbeit seien. Positiv sei grundsätzlich anzumerken, dass in allen Leitaktionen – zumindest nach Auskunft der Träger selbst – der Anteil von teilnehmenden/geförderten benachteiligten Jugendlichen (32%) oder Jugendlichen mit Behinderungen (4,1%) angestiegen sei – so wie es auch vorgegebenes Ziel von Erasmus+ ist. Insgesamt bewegten sich 30% der Projekte im Inklusionsbereich. 2.3. Der Schulbereich und Erasmus+: Mit der Umstellung auf Erasmus+ sieht sich der Schulbereich nach eigenen Angaben besonderen Herausforderungen gegenüber. So ist die Mobilität im Programm über die Leitaktion 1 zwar finanziell stark ausgestattet worden und (Lehrer-)Schulfortbildungen werden zu 84% in 2015 (gegenüber einer Bewilligungsquote von 68% im Programm Lebenslanges Lernen von 2007-2013) bei fast doppelt zur Verfügung stehendem Budget gefördert. Doch dürfen beispielsweise geförderte Klassenfahrten im Schulbereich nur über die weniger gut budgetierte Leitaktion 2 abgerechnet werden. Letzteres soll schon europaweit als Problem angesprochen worden sein. Als noch gravierender wird jedoch gesehen, dass trotz des absoluten Budgetaufwuchses auch für die Leitaktion 2 (für Schulpartnerschaften und Strategische Partnerschaften) in den letzten beiden Jahren gegenüber 2007-2013 eine insgesamt nur viel geringere Förderquote von nunmehr 35% (2014: 19%) erreicht wurde (gegenüber 2007-2013 mit 55%). Tatsächlich stehe weniger Geld für die Förderung zur Verfügung, weil die Einzelprojekte insgesamt teuer geworden seien, da nun (im Gegensatz zum Vorgängerprogramm) alle Projekt-Partnerschulen auch aus dem nationalen Budget gefördert werden müssen. Versucht würde nun, die für die NA im PAD vorgegebenen Einheitsbudgets je nach sich bietender Möglichkeit zu kürzen, um auch wieder mehr kleinere Projekte fördern zu können. Die insgesamt doch hohen Ablehnungsquoten würden sonst zu nachlassenden Antragsaktivitäten führen, um den in den kommenden Jahren von Erasmus+ vorgesehenen Budgetaufwüchsen gerecht werden zu können. 2.4. Die Berufs- und Erwachsenenbildung und Erasmus+: Im Bereich der Mobilität (KA 1) in der beruflichen Bildung wird die Aufstellung Deutschlands als gut beschrieben, da hohe Förderquoten erreicht werden. Bei den Auslandspraktika konnten ca. 20.000 Förderungen erfolgen und damit mehr als 90% der Anträge positiv beschieden werden . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 032/16 Seite 7 Für die Leitaktion 2 (KA 2), also die Förderung von Partnerschaften, sind die Bewilligungsquoten hingegen gering; allerdings sei die Situation damit auf einem ähnlich niedrigem Niveau wie bei den Förderungen auch vor der Umstellung auf Erasmus+. Hingewiesen wird darauf, dass der Bereich der Erwachsenenbildung traditionell (trotz der auch gerade aktuell zunehmenden Bedeutung von politischer und staatbürgerlicher Bildung) unter einer starken Unterfinanzierung leide, was auch das Programm Erasmus+ mit seiner starken Ergebnisorientierung nicht aufhebe, sondern fortführe. 2.5. Allgemeine Problemlage Daneben werden von allen Nationalen Agenturen Probleme bei der Tranchenauszahlung genannt , da die Zahlungen der EU-Kommission nicht kompatibel mit den nationalen Auszahlungsmodalitäten sind und die Agenturen daher zum Teil erhebliche finanzielle Vorleistungen für die Zahlung der Förderungen erbringen müssen. Ebenso werden technische Probleme mit dem EU-IT-Tools und die ausstehende Verknüpfung unterschiedlicher Online-Systeme bei der Antragsstellung bemängelt. Ende der Bearbeitung