© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 027/21 Zur rechtlichen Möglichkeit der Einrichtung von sogenannten Nullemissionszonen im Straßenverkehr Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Dieser sieht unter anderem vor, dass der Senat „die Einrichtung einer ‚Zero Emission Zone‘ an[strebt], die vom Schadstoffausstoß fossil betriebener Fahrzeuge so weit wie möglich freigehalten wird.“ Dazu sollen rechtliche Grundlagen geprüft und mögliche Auswirkungen und Effekte ermittelt werden. Ausdrücklich wird festgehalten, dass es gelte, die „bundes- und landesrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.“1 Es handelt sich bei dem Stadtentwicklungsplan insoweit nicht um rechtliche verbindliche Regelungen , sondern um ein Instrument politisch-konzeptioneller Planung. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden eine kurze Übersicht über den derzeitigen Rechtsrahmen für den Erlass von Fahrverboten gegeben. Weiterentwicklungen dieses Rechtsrahmens sind in den kommenden Jahren denkbar und können unter anderem durch konzeptionelle Überlegungen angestoßen werden.2 Dies gilt insbesondere angesichts von Diskussionen über die Einrichtung von sogenannten Nullemissionszonen in Innenstädten, die seit einigen Jahren in mehreren europäischen Staaten geführt werden.3 2. Rechtsrahmen für den Erlass von Umweltzonen 2.1. Fahrverbote für bestimmte Motorenarten (§§ 40, 47 BImSchG) Auf der Grundlage der §§ 40, 47 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) sind Luftreinhaltepläne aufzustellen, wenn die Immissionsgrenzwerte für bestimmte Stoffe überschritten werden . Zu den Maßnahmen eines solchen Luftreinhalteplanes können auch Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugtypen gehören. Für den Erlass von Fahrverboten (in der Regel für ältere Dieselfahrzeuge ) sind in der Praxis insbesondere Überschreitungen der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) bzw. Feinstaub von Bedeutung.4 Nach derzeitiger Rechtslage können Fahrverbote nicht unmittelbar mit der Senkung von CO2- Emissionen begründet werden, da CO2 keinen Luftschadstoff im Sinne der Immissionsgrenzwerte nach § 48a Absatz 1, 1a BImSchG darstellt. Denkbar sind jedoch mittelbare Auswirkungen auf 1 Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr Berlin 2030, S. 18, verfügbar unter: https://www.berlin .de/sen/uvk/verkehr/verkehrspolitik/stadtentwicklungsplan-mobilitaet-und-verkehr/. 2 Die Länder können über das Instrument der Bundesratsinitiative eine Diskussion über die Änderung von Bundesrecht anstoßen. 3 Siehe dazu die Dokumentation „Ausgestaltung und rechtliche Grundlagen von (geplanten) zonalen Fahrverboten für Verbrennungsmotoren“, WD 7 - 3000 - 027/19 vom 1.3.2019. 4 Reese, Beck-OK Umweltrecht, 57. Edition 2017, § 40 BimSchG Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 027/21 Seite 5 die CO2-Emissionen, wenn aufgrund von Schadstoffgrenzwerten der Anteil von Fahrzeuge mit höheren CO2-Emissionswerten an der Verkehrsleistung sinkt. Die §§ 40, 47 BImSchG stellen mit Blick auf die erfassten Luftschadstoffe eine abschließende Regelung dar. Eine Erweiterung der Immissionsgrenzwerte auf Stoffe, die nicht unter diese Regelung fallen, durch Landesrecht ist daher nicht möglich. Zu beachten ist allerdings, dass aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts Fahrverbote auch zur Einhaltung von unionsrechtlich begründeten Grenzwerten erforderlich sein können.5 Dabei unterliegen zonale Fahrverbote höheren Anforderungen als streckenbezogene Einschränkungen.6 2.2. Zur künftigen Zulässigkeit von „Nullemissionszonen“ Ob und unter welchen Umständen Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotor in bestimmten Innenstadtzonen im Jahr 2030 oder später begründet werden könnten, kann sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht derzeit nicht beurteilt werden. Zum einen erscheint eine Änderung der Rechtslage nicht ausgeschlossen, die über das derzeit mögliche Maß hinaus Fahrverbote zulässt. Dies könnte durch veränderte Regelungen auf europäischer wie innerstaatlicher Ebene ermöglicht werden, die entweder unmittelbar an den CO2-Ausstoss anknüpfen oder die Grenzwerte für Luftschadstoffe so verschärfen, dass weitergehende Maßnahmen erforderlich sind. Insgesamt dürften die politischen Diskussionen über die Zukunft der Mobilität im Allgemeinen und der Zukunft von Autos mit (fossil angetriebenen) Verbrennungsmotoren im Speziellen erst am Anfang stehen.7 Zum anderen ist die tatsächliche Entwicklung sowohl mit Blick auf die Luftqualität und den Beitrag des Verkehrssektors zu den CO2-Emissionen als auch auf die technischen Entwicklungen nicht hinreichend absehbar, um aus heutiger Sicht belastbare Gesichtspunkte für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung aufzuzeigen. Tendenziell dürfte allerdings die weitere Erneuerung der Fahrzeugflotte den Anteil der verkehrsbedingten Luftschadstoffe eher verringern.8 Mit Blick auf die 5 Siehe dazu grundlegend BVerwG, Urteile vom 27.2.2018, 7 C 26.16 und 7 C 30.17, verfügbar unter: https://www.bverwg.de/270218U7C26.16.0 und https://www.bverwg.de/270218U7C30.17.0. 6 BVerwG, Urteil vom 27.2,2018, / C 26.16, aaO, Rn. 38. 7 Vgl. stellvertretend Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.3.2021, S. 17, „Scheuer für Verbrenner-Ende 2035“; zu Überlegungen im europäischen Kontext vgl. das von neun EU-Mitgliedstaaten vorgelegte „Non-paper - Transition to zero-emission light-duty vehicles“, https://www.permanentrepresentations.nl/permanent-representations /pr-eu-brussels/documents/publications/2021/03/10/non-paper-transition-to-zero-emission-light-duty-vehicles . 8 Vgl. hierzu die Projektionen des vom BMU erstellten Nationalen Luftreinhalteprogramms, 2019, S. 97 ff. verfügbar unter; https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Luft/luftreinhalteprogramm_bericht _bf.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 027/21 Seite 6 CO2-Emissionen des Verkehrssektors wäre zu klären, ob die Effekte eines steigenden CO2-Preises die denkbaren Einspareffekte einer lokalen Fahrverbotszone nicht erheblich übersteigen. Bei der Einrichtung von Fahrverbotszonen unter dem Gesichtspunkt der Luftqualität dürfte zudem zu berücksichtigen sein, dass das Verwaltungsgericht Berlin im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden hat, dass zonale Fahrverbote im Vergleich zu Fahrverboten auf einzelnen besonders belasteten Strecken erhöhten Begründungspflichten und Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit unterliegen. Bereits mit Blick auf die Situation im Jahr 2018 hat die Kammer angedeutet, dass ein zonales Fahrverbot im Gegensatz zu einzelnen Streckenverboten für unverhältnismäßig gehalten worden wäre.9 *** 9 VG Berlin, Urteil vom 2018,10 K 207.16, Rn. 98 f., verfügbar unter: https://gesetze.berlin .de/bsbe/document/JURE180017931.