© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 025/16 Islamunterricht und Islamische Theologie/ Präventionsprojekte gegen Islamismus Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Exkurs: Begabtenförderungswerk Avicenna 13 4. Präventions-Projekte gegen militanten Islamismus 13 5. Auflistung der Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention 15 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 4 1. Islamunterricht In Deutschland leben viele muslimische Schüler, die an einem islamischen Religionsunterricht interessiert wären. Aber da der Ausbau des Faches Islamunterricht an ihren Schulen nur langsam erfolgt, erhalten nach Ansicht von Experten rund 60 Prozent der jungen Leute Islamunterricht weder in der Schule noch in der Moschee1. Dieser Unterricht sei aber notwendig, um ´Religiösen Analphabetismus` und ein potentielles Abgleiten von Jugendlichen in den Extremismus vorzubeugen . In einigen Bundesländer wurde Islamische Religion als Schulfach eingeführt. Andere führen Modellprojekte durch. In einigen Bundesländer gibt es auch gar kein Angebot. Dies ist der Stand (2015) in den Bundesländern:2 „Nordrhein-Westfalen führte 2012 islamischen Religionsunterricht zunächst an Grundschulen, später auch an weiterführenden Schulen ein. Derzeit unterrichten 64 Lehrer rund 6500 Schüler an 92 Schulen. In NRW leben rund 320.000 muslimische Schüler. Neben Religionsunterricht gibt es auch das Fach Islamkunde - und in Münster einen Lehrstuhl Islamische Theologie. Niedersachsen baute den Islam-Religionsunterricht 2013 nach fast zehnjährigem Modellversuch zum Regelfach aus. Derzeit erhalten an 55 Schulen fast 2400 Kinder der Jahrgänge 1 bis 5 den Unterricht. Insgesamt sind landesweit etwa 49.000 Schüler Muslime. Aus Sicht der rot-grünen Regierung bildet das Fach ´einen wertvollen Beitrag zur religiösen Identitätsbildung`. Berlin hat schon länger islamischen Religionsunterricht. Er wird von der Islamischen Föderation angeboten, die dafür Geld vom Land bekommt. Aktuell besuchen 4849 Schüler den Unterricht. Der Trend ist allerdings rückläufig: Im letzten Schuljahr waren es noch 5211 gewesen. Baden-Württemberg hat seit 2006 ein Modellprojekt zum Islamunterricht, das laut grün-roter Landesregierung bis 2018 laufen soll. Bislang nehmen mehr als 2000 Kinder an 31 Schulen teil. Insgesamt leben in Baden-Württemberg gut 600.000 Muslime. Damit aus dem Modellversuch Regelunterricht werden kann, sind laut Regierung bestimmte Voraussetzungen nötig. So müsse es einen Ansprechpartner in Form einer anerkannten Religionsgemeinschaft geben. 1 Die religiöse Unterweisung in Moscheen ist häufig durch negative Schlagzeilen gekennzeichnet (Stichwort Hassprediger). Die Zusammenarbeit staatlicher Institutionen mit türkischen Organisationen wird nicht nur durch die verschiedenen Ausrichtungen des moslemischen Glaubens – Shiiten, Sunniten und Wahabiten – erschwert , sondern auch durch die Tatsache, dass - im Gegensatz zu anderen Religionsgemeinschaften – kein rechtlich verbindlicher Ansprechpartner existiert. Die derzeit praktizierte Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen, wie z.B. der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (TITIB) und dem Landesverband der Muslime in Niedersachsen e.V. (Schura Niedersachsen) wird skeptisch betrachtet, da der TITIB als besonders türkei-freundlich gilt und damit eine Einflussnahme des türkischen Staates auf den Islamunterricht in Deutschland möglich sein könnte. In Berlin wird ´Islamischer Bekenntnisunterricht` angeboten und außerhalb der Schulen durch die Islamische Föderation Berlin (IFB) erteilt, einem zum Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland gehörenden regionalen Verband. Die IFB wird von Beobachtern kritisch beurteilt, da ihr enge Verbindungen zur Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) unterstellt werden. Teile der IGMG vertreten extremistische Positionen und werden daher vom Verfassungsschutz beobachtet. 2 Vergl.: Herpell, Werner (2015). Islam an Schulen: Kaum Religionsunterricht für Muslime. http://www.spiegel .de/schulspiegel/islamunterricht-in-den-bundeslaendern-ein-ueberblick-a-1015021.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 5 Bayern will die Angebote für Muslime an seinen Schulen ausweiten. Rund 94.000 Schüler sind Muslime. Im vergangenen Schuljahr besuchten 11.500 Schüler an 261 Schulen den Islamunterricht - darunter nur zwei Gymnasien. In den nächsten fünf Jahren sollen hundert weitere Schulen hinzukommen. Landesweit gibt es 65 Islam-Lehrerstellen im CSU-regierten Bayern, an der Uni Erlangen-Nürnberg studieren rund 40 Lehramtsanwärter das Fach. Hessen führte 2013 an 27 Schulen Islamunterricht für Erstklässler ein. Derzeit steht das Fach für 1180 Erst- und Zweitklässler an 38 Grundschulen in dem schwarz-grün regierten Land auf dem Stundenplan. Im nächsten Schuljahr kommen laut Ministerium weitere hinzu. Eine erste Islamlehrer -Generation wird in Gießen für die Grundschulen und in Frankfurt an weiterführenden Schulen ausgebildet. In Rheinland-Pfalz leben etwa 30.000 Schüler muslimischen Glaubens. An fünf Grundschulen gibt es islamischen, an drei weiteren einen alevitischen Religionsunterricht, daneben an sieben Schulen in der Mittelstufe Islamunterricht im Rahmen eines Modellprojekts. Das Saarland will im nächsten Schuljahr per Modellversuch islamischen Religionsunterricht ab Klassenstufe 1 in deutscher Sprache anbieten. Im kleinsten Flächenland leben rund 8600 schulpflichtige Muslime. Schleswig-Holstein erteilt islamkundlichen Unterricht, also keinen islamischen Religionsunterricht . An den öffentlichen Schulen wurden zuletzt 14.124 junge Muslime unterrichtet. Bremen hat ebenfalls keinen eigenständigen Islamunterricht. Zum neuen Schuljahr wurde das übergreifende Fach Religion als Ersatz für den bisherigen biblischen Geschichtsunterricht eingeführt . Hamburg geht mit "Religionsunterricht für alle" einen eigenen Weg: Schüler unterschiedlicher Glaubensvorstellungen werden gemeinsam im Klassenverband in Religion unterrichtet. 2012 erkannte die Hansestadt in Verträgen mit drei muslimischen Verbänden und der alevitischen Gemeinde diese als Religionsgemeinschaft an. Mit ihnen entwickelt man seitdem das Konzept des Religionsunterrichts für alle weiter. Brandenburg berücksichtigt den Islam nur im Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde. Mecklenburg-Vorpommern hat keinen islamischen Unterricht, die Einführung eines solchen Angebotes ist derzeit auch nicht geplant. Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen bieten ebenfalls keinen Islamunterricht in Schulen an, weil es zu wenig Schüler muslimischen Glaubens gibt“ (Ebenda). 2. Islamische Theologie Die in Deutschland lebenden Muslime sind - nach evangelischen und katholischen Christen – die drittgrößte religiöse Gruppe. Daher war es sowohl wissenschaftlich als auch politisch gewünscht, die Islamische Theologie an Hochschulen in Deutschland zu etablieren. Das BMBF hatte dazu den Vorschlag des Wissenschaftsrats ´Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen` vom Januar 2010 aufgegriffen, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 6 weil das Wissenschaftssystem auf die wachsende Pluralität der religiösen Strömungen in Deutschland reagieren musste.3 „Das Angebot des Studiengangs für Islamische Theologie an deutschen Hochschulen schließt eine wissenschaftliche Lücke. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert seit 2011 für zunächst fünf Jahre mit rund 20 Millionen Euro die Zentren für Islamische Theologie in Tübingen, Frankfurt (mit Gießen), Münster, Osnabrück und Erlangen-Nürnberg. Nach der positiven externen Evaluation aller Zentren im Dezember 2015 wird das BMBF die Förderung um weitere fünf Jahre verlängern. Kern dieser Unterstützung sind Forschungsprofessuren und die Einrichtung von wissenschaftlichen Nachwuchsgruppen. An jedem Standort gibt es eine islamisch -theologische sowie eine interdisziplinär arbeitende Gruppe. Die interdisziplinären Gruppen kooperieren etwa mit den christlichen Theologien, der Islamwissenschaft, der Religionswissenschaft , der Pädagogik oder anderen benachbarten Fächern. Mit den Zentren hat der muslimische Glaube eine Heimat in der wissenschaftlich-theologischen Diskussion gefunden. Das ist nicht zuletzt auch ein wichtiger Beitrag für den Dialog der Religionen . Die Zentren bilden inzwischen international anerkannte Orte islamisch-theologischer Forschung und fördern den wissenschaftlichen Nachwuchs in Islamischer Theologie – für die Schulen und die Hochschulen. Das Ziel ist es, islamische Religionslehrerinnen und -lehrer für den bekenntnisorientierten Schulunterricht auszubilden und ein wissenschaftlich fundiertes Studium von Religionsgelehrten im staatlichen Hochschulsystem zu ermöglichen. Die Standorte bilden die Vielfalt muslimischen Glaubens und Lebens ab. Die Professorinnen und Professoren haben ganz unterschiedliche regionale, ethnische und wissenschaftliche Hintergründe . Die Zentren arbeiten unter anderem bei gemeinsamen Tagungen und Publikationen zusammen und haben im Sommer 2015 gemeinsam die Deutsche Gesellschaft für Islamisch-Theologische Studien (DEGITS) gegründet. Die Studierendenzahlen haben sich sehr positiv entwickelt. Im Wintersemester "WS 2015/16" sind mehr als 1800 Studierende in die Bachelor- und Master- Studiengänge eingeschrieben. Die meisten von ihnen streben ins schulische Lehramt, in die Sozial - und Gemeindearbeit sowie in die Wissenschaft. Die Verantwortung für den Betrieb der noch jungen Forschungszentren liegt bei den Ländern und den Hochschulen. Die Unterstützung durch den Bund ist an hohe Voraussetzungen geknüpft. Dazu zählen ein dauerhaftes finanzielles Engagement der Universität und des Landes, ein breites Fächerspektrum an der jeweiligen Universität, die Mitwirkung von Muslimen und standortübergreifende Kooperationen“ (Ebenda). 3 Vergl.: BMBF (2016). Islamische Theologie. https://www.bmbf.de/de/islamische-theologie-367.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 7 3. Fünf Zentren für islamische Theologie 3.1. Zentrum für islamische Theologie Münster „Das Centrum für religionsbezogene Studien (CRS) ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Das CRS entwickelt, betreibt und koordiniert religionswissenschaftliche und weitere religionsbezogene Forschung und Lehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, insbesondere durch Vertiefung und Ausarbeitung von interreligiösen sowie interkulturellen Fragestellungen und Forschungsperspektiven. Es bietet den Rahmen für interdisziplinäre religionsbezogene Studien vornehmlich in den Bereichen Islam, orthodoxes Christentum, Judentum sowie für religionswissenschaftliche Studien. Es entwickelt und betreut die Studiengänge zum Erwerb der Staatsprüfungen zur Erteilung von Islamunterricht und orthodoxer Religionslehre an öffentlichen Schulen sowie die Studiengänge Islamische Theologie (BA, 2FBA, MA)4. Ferner koordiniert es die Durchführung des Studiengangs "Allgemeine Religionswissenschaft". Innerhalb des CRS werden alle die Bereiche der Islamischen Theologie betreffenden Aufgaben vom Zentrum für Islamische Theologie Münster (ZIT) als teilselbständiger Untergliederung wahrgenommen.“5 Leider ist der Homepage von ZIT keine Eigenbeschreibung zu entnehmen. Personal des Zentrums für islamische Theologie6 Professuren 2 Sekretariat 3 Lektorinnen 2 Studentische Hilfskräfte 31 Post-Docs 6 Wissenschaftliche Mitarbeiter 9 Wissenschaftliche Hilfskräfte 11 Lehrbeauftragte 9 3.2. Das IZIR der Universität Erlangen-Nürnberg Das Interdisziplinäre Zentrum für Islamische Religionslehre (IZIR) ist an der Friedrich-Alexander -Universität Erlangen Nürnberg (FAU) angesiedelt. Im Vordergrund steht die Ausbildung von Lehrkräften für den Islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und um Themen der Theologie, der Religionspädagogik und der Fachdidaktik des Islams. „Das IZIR wurde im Jahr 2002 als Plattform für die islamische Religionslehrerausbildung gegründet . Zu seinen Aufgaben gehört es, rechtliche Rahmenbedingungen und fachliche Standards für 4 Universität Münster (2015). http://www.uni-muenster.de/ZIT/ 5 Universität Münster (2015). Organisation. http://www.uni-muenster.de/CRS/Organisation/index.html 6 Zentrum für islamische Theologie Münster (2015). http://www.uni-muenster.de/ZIT/Personen/index.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 8 den islamischen Religionsunterricht zu formulieren und in Schulversuche umzusetzen. Das IZIR wird getragen von der Professur für Islamische Religionslehre sowie den christlichen Theologien und Religionspädagogiken, den Religionswissenschaften, den Islamwissenschaften, den Rechtswissenschaften , den Politikwissenschaften, den Wirtschaftswissenschaften und weiteren Einrichtungen der Lehrerbildung und der Regionalforschung. Ein weiterer Kooperationspartner ist das Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (E- ZIRE)“.7 „Mit dem Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (…) ist ein weiteres Kompetenzzentrum entstanden, das sich im Rahmen eines internationalen Netzwerks auf Rechtsfragen hinsichtlich des Islams und der Muslime spezialisiert hat. Es wurde zum 1. Januar 2009 aus Mitteln des Innovationsfonds des Bayerischen Wissenschaftsministeriums als eine zentrale Einrichtung der FAU errichtet. Das EZIRE widmet sich im Schwerpunkt Fragen der Position von Muslimen im Rahmen säkularer europäischer Rechtsordnungen einerseits und der Entwicklung eines muslimischen Selbstverständnisses in diesem Rahmen andererseits. Besonders diese Fragen im Zuge der Institutionalisierung des Islams wirken sich auf die Prozesse der Einrichtung und auf die Formulierung der Inhalte des islamischen Religionsunterrichts aus – mit erheblicher Rückwirkung auf die Ausbildung entsprechender Lehrerinnen und Lehrer sowie von Imamen und anderem religiösem Personal. Prof. Rohe arbeitet in diesem Zusammenhang als einziges externes Mitglied aus der Wissenschaft in der neuen Projektgruppe der zweiten Deutschen Islamkonferenz zur Fortbildung muslimischen religiösen Personals mit. Mit dem EZIRE strebt die FAU eine Verstärkung ihrer vielfältigen Islam- und Nahostforschung an. Neben der Erstellung von wissenschaftlichen Publikationen sollen zentral und allgemein zugänglich wichtige Materialien (Bücher, „Graue Literatur“, Gesetzestexte, Parlamentsprotokolle und Gerichtsentscheide) gesammelt und aufbereitet werden. Es ist angestrebt, EU-Dokumentationszentrum zu werden und dazu auch EU-Mittel einzuwerben. Grundlage ist eine der umfangreichsten Sammlungen zum islamischen Recht und zu Islam in Deutschland und Europa, die es in Europa gibt“.8 3.3. Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam Frankfurt/ Gießen „Das wissenschaftliche Profil des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam ist einer selbstreflexiven, überkonfessionellen Islamischen Theologie verpflichtet. Im Bewusstsein der methodisch -theoretischen Pluralität der Wissenschaften wie auch der lebensweltlichen Vielfalt komplexer Gesellschaften versteht diese sich als eine bekenntnisorientierte Wissenschaft, die sich an den Diskursen über allgemeine, akademisch wie gesamtgesellschaftlich relevante Fragen mit eigenen Perspektiven und unter Offenlegung der eigenen Voraussetzungen beteiligt. Dieses Leitbild wurde im Zuge des Aufbaus des Instituts in vielen Diskussionen unter seinen Mitgliedern entwickelt. 7 IZIR (2015). Das IZIR der Universität Erlangen-Nürnberg. http://www.izir.de/ 8 IZIR (2015). EZIRE. http://www.izir.de/index.php?option=com_content&view=article&id=47&Itemid=44 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 9 Aufbau des Instituts Das Institut geht auf die Stiftungsgastprofessur für Islamische Religion am Fachbereich Evangelische Theologie zurück, die 2002 von der türkischen Religionsbehörde Diyanet gestiftet und 2005 um eine und 2009 um eine weitere Stiftungsprofessur erweitert worden ist. Am 17. Juni 2009 wurden diese Stiftungsprofessuren am Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften angesiedelt und dem neu gegründeten Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam zugeordnet. Bereits im Jahre 2002 wurde als oberstes Ziel die Förderung des intertheologisch-akademischen Diskurses und des wissenschaftlichen Nachwuchses definiert. Die Zielsetzung, das wechselseitige Verständnis der Weltreligionen zu fördern, erfordert in Lehre und Forschung eine wissenschaftliche Orientierung, die sich zunächst auf die wissenschaftliche Erschließung des Islams im Rahmen eines pluralistischen Wissenschaftsdiskurses konzentriert, um anschließend, anders als in der Orientalistik oder Islamwissenschaft, Reflexionsprozesse über die Rückbezüge der wissenschaftlichen Erkenntnis auf Konstituierungsprozesse der muslimischen Subjektivität anstoßen zu können. Vor dem Hintergrund dieser vorrangig diskursiv-theologischen Ausrichtung versteht sich das Institut als eine Einrichtung, die der pluralistischen Wissenschaftstradition innerhalb des Islams aus einer reflektierenden und überkonfessionellen Perspektive heraus verpflichtet ist. Am 29. Januar 2010 hat der Wissenschaftsrat Empfehlungen für den Auf- und Ausbau der Islamischen Studien beziehungsweise der Islamischen Theologie innerhalb des staatlichen Hochschulsystems herausgegeben, die im Kern die oben skizzierten Zielsetzungen des Instituts bestätigt haben . Die Empfehlungen konzentrieren sich unter anderem auf die Frage, wie der religiösen Pluralisierung in Deutschland auf einem anerkannten wissenschaftlichen Niveau in universitärer Forschung und Lehre Rechnung getragen werden kann, wobei auch der hiesige Islam und seine Theologie Berücksichtigung finden sollen. Entsprechend der Empfehlung des Wissenschaftsrats hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2010 die Förderung von Zentren für islamisch-theologische Studien an mehreren Standorten beschlossen. Kern dieser Unterstützung sind Forschungsprofessuren und die Einrichtung wissenschaftlicher Nachwuchsgruppen . Die Zentren sollen laut den Vorgaben des BMBF international anerkannte Orte islamischtheologischer Forschung werden und den wissenschaftlichen Nachwuchs in Islamischer Theologie für die Schulen und Hochschulen fördern. Das Ziel ist es, islamische ReligionslehrerInnen für den bekenntnisorientierten Schulunterricht auszubilden und ein wissenschaftlich fundiertes theologisches Studium im staatlichen Hochschulsystem zu ermöglichen. Nun sind an vier Standorten (Frankfurt/Gießen, Münster/Osnabrück, Erlangen-Nürnberg und Tübingen) Zentren für Islamisch -theologische Studien entstanden, die das Fach unterschiedlich benennen, den Fächerkanon unterschiedlich gliedern und ihre wissenschaftlichen Profile verschieden akzentuieren. In diesem Rahmen wurde 2012 das Zentrum für Islamische Studien Frankfurt/Gießen durch Unterstützung des BMBF sowie des Landes Hessen in Kooperation der Goethe-Universität Frankfurt mit der Justus-Liebig-Universität Gießen gegründet. Es vereint die drei Professuren des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam an der Goethe-Universität (Professuren für Koranexegese , Ideengeschichte des Islam sowie Kultur und Gesellschaft des Islam in Geschichte und Gegenwart) mit der Professur für Erziehungswissenschaft mit den Schwerpunkten Islamische Religionspädagogik und Fachdidaktik des Islamischen Religionsunterrichts in Frankfurt sowie der Professur für Islamische Theologie und ihre Didaktik in Gießen, und es koordiniert deren Lehr- und Forschungsaktivitäten. Darüber hinaus bietet das Zentrum einen Rahmen für die Zusammenarbeit mit benachbarten Disziplinen wie den Christlichen Theologien, der Judaistik, der Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 10 Religionswissenschaft und weiteren Kultur- und Sozialwissenschaften sowie den Islamischen Theologietraditionen in der islamischen Welt“.9 Personal10 Institutsbüro 2 Professoren 4 Wissenschaftliche Mitarbeiter 20 Doktoranden 9 Lehrbeauftragte 6 Hilfskräfte 28 3.4. Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen (ZITh) „Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates im Jahr 2010 beschloss der Bund die Gründung von Zentren für Islamische Theologie. Das Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen wurde daraufhin durch Einrichtungsbeschlüsse von Senat bzw. Universitätsrat 2011 als zentrale Einrichtung der Universität geschaffen. Das ZITh ist deutschlandweit die erste Einrichtung seiner Art und hat im Wintersemester 2011/2012 seinen Vorlesungsbetrieb mit 36 Bachelor-Studierenden aufgenommen. Die offizielle Eröffnung des Zentrums erfolgte Anfang 2012 durch die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Im Wintersemester 2013/2014 führte die Universität den Lehramtsstudiengang „Islamische Religionslehre “ ein. Seitdem bildet das ZITh als einzige Einrichtung in Baden-Württemberg Lehrerinnen und Lehrer für den islamischen Religionsunterricht an Gymnasien aus. Das primäre Entwicklungsziel des Zentrums ist darauf ausgerichtet, seine Stellung als national verankerte und international etablierte Institution im Bereich der islamischen Theologie weiter auszubauen. Das ZITh verschreibt sich der Aufgabe, eine fundierte Ausbildung von fachkompetenten Islamexpertinnen und –experten anzubieten, die Vereine, Gemeinden, Medien und staatliche Einrichtungen unterstützen können. Mittlerweile studieren 170 Studierende in den Studiengängen „Islamische Theologie“ (Bachelor), „Islamische Religionslehre“ (Staatsexamen/B. Ed.) und „Islamische Theologie im europäischen Kontext“ (Master). Die Einführung des neuen Masterstudiengangs „Praktische Islamische Theologie für Seelsorge und Soziale Arbeit“ ist für das Wintersemester 2016/2017 geplant. Die Studierenden werden derzeit von vier Professorinnen und Professoren, 16 qualifizierten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie zusätzlichen Lehrbeauftragten betreut. Profil 9 Universität Frankfurt (2015). Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam. Das Institut im Profil. http://www.uni-frankfurt.de/42914384/wissenschaftliches_profil 10 Universität Frankfurt (2015). Personen am Institut. http://www.uni-frankfurt.de/42914504/personen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 11 Das Zentrum für Islamische Theologie der Universität Tübingen (ZITh) verschreibt sich einem integrativen Ansatz im Sinne einer voll ausgebauten Theologie. Nach seinem Leitbild arbeitet das Zentrum fachbezogen, interdisziplinär und im gesellschaftlichen Kontext. Das Zentrum bietet eine fundierte Ausbildung für künftige Islamexpertinnen und Islamexperten an, die Vereine, Gemeinden , Medien und staatliche Einrichtungen unterstützen, aber auch als Theologen tätig werden können. Kennzeichnend für das akademische Profil des ZITh ist die internationale Zusammensetzung des Lehr- und Forschungspersonals. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem arabischen, türkischen und südosteuropäischen Raum arbeiten mit Forscherinnen und Forschern ohne Migrationshintergrund aus Frankreich, Italien, Ungarn oder Großbritannien zusammen. Die Vielfalt der nationalen und kulturellen Hintergründe wirkt sich auf die disziplinäre, methodologische und thematische Pluralität des Zentrums aus. Die historische Forschung wird in ihrer Vielfalt (Philologie, historische Anthropologie, Ideengeschichte, Rechts- und Religionsgeschichte, Exegese , prophetische Tradition) von systematischen Ansätzen (Fundamentaltheologie, Religionsphilosophie , Glaubenslehre und Rechtstheorie) und einer praktischen Theologie (insbesondere in den Bereichen Pädagogik, Sozial- und Jugendarbeit sowie Seelsorge) konstruktiv ergänzt. Das ZITh möchte sich als Ort der Forschung und Lehre weiter profilieren und sich im nationalen, europäischen und internationalen Wissenschaftspanorama etablieren. Es will die Akademisierung der islamischen Theologie vorantreiben. Damit soll neben qualitativ hochwertiger disziplinärer Forschung und Lehre gerade auch der theologische Diskurs an den Hochschulen und in der Gesellschaft gestärkt und ein Beitrag zu einem reflektierten interreligiösen und interkulturellen Dialog geleistet werden. Nur so kann mehr Verständnis und Respekt zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen und Kulturen in Deutschland und Europa wachsen.“11 Personal12 Sekretariat 2 Professoren 4 Lehrbeauftrage 3 Wissenschaftliche Mitarbeiter 18 Doktoranden 3 3.5. Das islamtheologische Institut Osnabrück „Am 30. Oktober 2012 wurde im Beisein zahlreicher Politiker, Wissenschaftler sowie Ehrengäste aus dem In- und Ausland das Institut für Islamische Theologie (IIT) an der Universität Osnabrück eröffnet. Das IIT ist eines der vier islamischen Zentren, die von der Bundesregierung gefördert werden. Mit sieben Professuren und über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es das größte islamtheologische Institut Deutschlands. 11 Universität Tübingen (2015). Wir über uns. https://www.uni-tuebingen.de/fakultaeten/zentrum-fuer-islamischetheologie /zentrum/wir-ueber-uns.html 12 Universität Tübingen (2015). Wissenschaftliches Personal. https://www.uni-tuebingen.de/fakultaeten/zentrumfuer -islamische-theologie/personen/wissenschaftliches-personal.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 12 Bereits 2002 begann an der Universität Osnabrück mit Unterstützung der muslimischen Verbände und des Landes Niedersachsen die Ausbildung von muslimischen Religionslehrerinnen und -lehrern. Ab dem WS 2007/08 ging daraus der Erweiterungsstudiengang »Islamische Religionspädagogik « hervor, und 2010 startete das bundesweit erste Weiterbildungsprogramm für Imame und Seelsorgerinnen. Seit dem WS 2012/13 haben Studierende die Möglichkeit, zwei Bachelor -Studiengänge, den fachbezogenen Studiengang »Islamische Theologie« und den lehramtsbezogenen Studiengang »Islamische Religion«, zu belegen. Weitere Studiengänge werden folgen. Mit dem Osnabrücker IIT wird eine wissenschaftliche Einrichtung geschaffen, die mit Kooperationspartnern von nationalen und internationalen Hochschulen, muslimischen Verbänden und renommierten Theologien vernetzt ist und die Islamische Theologie im europäischen und globalen Kontext sowohl in Forschung als auch Lehre kompetent vertritt. Partnerschaften existieren mit Institutionen in islamischen Ländern, so u.a. auch mit der berühmten Al-Azhar-Universität in Kairo sowie mit mehreren theologischen und religionspädagogischen Fakultäten in der Türkei und Bosnien-Herzegowina. Weitere Kooperationen befinden sich im Aufbau. Im Rahmen des ERASMUS-Abkommens gibt es die Möglichkeit des Dozenten- und Studierendenaustausches. Das IIT will insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern, muslimische Theologinnen und Theologen bzw. Seelsorgerinnen und Seelsorger ausbilden sowie eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung von Religionsgelehrten im staatlichen Hochschulsystem gewährleisten. Am IIT forschen mehrere Stipendiaten, Kollegiaten und darüber hinaus acht Postdoktoranden in einer islamtheologisch und in einer interdisziplinär verorteten Nachwuchsgruppe. Diese werden von der Stiftung Mercator, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Maturidi Studienförderung für Islamisches Denken (DITIB) gefördert. Das IIT vertritt einen theologischen Weg der Mitte: eine bekenntnisgebundene wissenschaftlichsystematische Auseinandersetzung mit den Quellen des Glaubens beziehungsweise der Glaubenspraxis auf der Grundlage der kumulierten Denkleistungen der islamischen Ideengeschichte, wobei 1. die unterschiedlichen Strömungen des Islams in Deutschland mit ihrer Lebenswirklichkeit angemessen vertreten und in einen Austausch gebracht werden sollen; 2. den unterschiedlichen islamischen Rechtsschulen Raum gegeben wird; 3. der innerislamische Pluralismus auf der Basis historisch gewachsener theologischer Ansätze konstruktiv aufgegriffen wird. Auf der Basis dieser ausbalancierten Grundorientierung sollen am IIT die islamisch-theologischen Denktraditionen als Ausgangspunkt für dynamische Denkprozesse fungieren. Bei seiner Arbeit folgt das IIT daher dem Leitprinzip: Innovation in Tradition. Es geht dabei um die Anknüpfung an die Tradition in ihrer Form der argumentativen Auseinandersetzung und des gelehrten Diskurses. Auf der Basis der islamischen Primärquellen soll den historischen und kulturellen Kontexten Rechnung getragen werden. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 13 Die Analyse der Kontexte und Bedingungen ist nicht nur für einen kritischen Blick auf die Tradition von Bedeutung, sondern auch für eine Reflexion der Bedingtheit zeitgenössischer Positionen in pluralen, demokratisch verfassten Gesellschaften.“13 Personal14 Professuren 6 Verwaltung/ Koordination 5 Post-Docs 10 Wissenschaftliche Mitarbeiter 14 Wissenschaftliche Hilfskräfte 2 Lehrbeauftragte 3 3.6. Exkurs: Begabtenförderungswerk Avicenna „Das Avicenna-Studienwerk ist das jüngste der staatlich anerkannten und geförderten Begabtenförderungswerke in Deutschland. Leistungsstarke und gesellschaftlich besonders engagierte muslimische Studierende und Doktoranden aller Fachrichtungen werden durch Stipendien materiell und ideell gefördert. Damit schaffen wir optimale Rahmenbedingungen für Studium, Persönlichkeitsentwicklung , wissenschaftliche Qualifikation und berufliche Karriere. Das Ziel ist, auf diese Weise an der Heranbildung verantwortungsbewusster und qualifizierter muslimischer Persönlichkeiten mitzuwirken und diese angemessen auf Führungspositionen in Wissenschaft, Zivilgesellschaft , Wirtschaft, Politik und Kultur vorzubereiten. Das Avicenna-Studienwerk wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Stiftung Mercator sowie private Spenden gefördert. Seinen Sitz hat es in Osnabrück und ist eng an das IIT angebunden.“15 4. Präventions-Projekte gegen militanten Islamismus Sicherheitsbehörden schätzen, dass sich derzeit mehr als 400 Menschen aus Deutschland in Syrien und im Irak aufhalten und Kämpfer der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) sind. Aber nicht alle stammen aus Einwandererfamilien; zehn Prozent sind nach Angaben des Verfassungsschutzes Konvertiten:16 „Entsprechend groß ist die Verunsicherung in Deutschland. Die Berichte über junge Männer aus Deutschland, Österreich oder Großbritannien, die sich freiwillig für bestialische Kriegshandlungen melden, werfen viele Fragen auf: Wie konnten sich diese junge Menschen inmitten der Ge- 13 Islamtheologisches Institut in Osnabrück (2015). Über uns. http://www.islamische-theologie.uni-osnabrueck .de/institut/ueber_uns.html 14 Islamtheologisches Institut in Osnabrück (2015). Mitarbeiter am IIT. http://www.islamische-theologie.uni-osnabrueck .de/personen/uebersicht.html?no_cache=1 15 Islamtheologisches Institut in Osnabrück (2015). Über uns. http://www.islamische-theologie.uni-osnabrueck .de/institut/ueber_uns.html 16 Vergl.: Ghelli, Fabio (2014). Wie beugt man militantem Islamismus vor? http://mediendienst-integration.de/artikel /projekte-gegen-radikalisierung-militanter-islamismus.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 14 sellschaft so stark radikalisieren? Wieso sind einige Jugendliche anfällig für extremistisch-islamistische Ideologien? Wie kann man dem vorbeugen, aber auch denen helfen, die sich davon lösen wollen? In Deutschland ist das Feld der sogenannten Islamismus-Prävention noch sehr jung. Zwischen 2010 und 2013 hat das Bundesfamilienministerium 40 Modellprojekte gegen Extremismus gefördert , davon 22 gegen ´islamistischen Extremismus`. Im Juli 2014 hat das Ministerium den Abschlussbericht der ´Initiative Demokratie stärken` veröffentlicht. Die Projekte, die im Bereich ´Islamistischer Extremismus` gefördert wurden, verfolgten demnach sehr unterschiedliche Ansätze: Etwa ein Drittel konzentrierte sich vor allem auf Forschung und Wissensvermittlung im Bereich des radikalen Islamismus. Dazu zählten zum Beispiel Untersuchungen über die Internetpräsenzmilitanter islamistischer Organisationen sowie Veranstaltungen und Workshops für Jugendliche, um sie zu ´Botschaftern der Demokratisierung und Aufklärung` zu machen. Andere Projekte, wie die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) oder ufuq.de, gehen an Schulen und geben Workshops für Schüler, Lehrer und andere. (…) Die Pädagogen betonen, wie wichtig der Zeitpunkt ist, denn gerade die Pubertät ist für Jugendliche – mit oder ohne konkreten Gefährdungsmoment – geprägt von Fragen zur eigenen Identität: Bin ich Deutscher oder Muslim? (Wie) kann ich beides verbinden? Warum soll ich mich immer wieder von radikalen Muslimen distanzieren? Was habe ich damit zu tun? "Diese Fragen werden ja auch immer wieder von außen an die Jugendlichen herangetragen. Die radikalen Islamisten haben darauf eine vermeintliche Antwort: Sie bieten ein einfaches Weltbild mit klaren Regeln, das in schwarz und weiß, gut und böse aufgeteilt ist. Zudem suggerieren sie ein Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit". Und dafür sind nicht nur muslimische Jugendliche anfällig. Die Mitarbeiter solcher Projekte sind bemüht, junge Menschen bei diesen Suchprozessen zu unterstützen , ihnen zu helfen, eine eigene Haltungen zu entwickeln. Konsens ist, dass das nur gelingen kann, wenn man sie in ihren sozialen, kulturellen und biografischen Bezügen abholt. (…) Inzwischen hat das Familienministerium bekannt gegeben, dass es mit dem Programm Demokratie leben! ab Januar 2015 insgesamt 30,5 Millionen Euro für Projekte gegen ´Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit` bereitstellen will. Für Modellprojekte sind insgesamt sechs Millionen Euro vorgesehen. Nur eine Teilsumme davon soll jedoch für "Radikalisierungsprävention " verwendet werden. Zudem sollen aus diesem Topf nicht nur ´radikale und demokratiebzw . rechtsstaatlichkeitsfeindliche Formen des Islam` sondern auch die Bereiche Rechtsextremismus , Ethnozentrismus, Ultranationalismus und Linksextremismus abgedeckt werden. Die Richtlinien sollen in Kürze veröffentlicht werden. Insgesamt werden weniger Projekte gefördert, dafür werden diese aber besser und länger ausgestattet, nämlich bis zu fünf anstatt wie bisher drei Jahre. Viele Projekte gegen Radikalisierung entstehen inzwischen auch auf kommunaler oder regionaler Ebene. Dazu gehört zum Beispiel das Projekt 180 Grad Wende, das von der Stadt Köln und vom Bundesinnenministerium mitfinanziert wurde. Ebenfalls in Nordrhein-Westfalen ist kürzlich das Präventionsprogramm ´Wegweiser` entstanden: eine Initiative gegen gewaltbereiten Salafismus des Verfassungsschutzes NRW. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 15 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat 2012 die ´Beratungsstelle Radikalisierung ` eingerichtet, eine Hotline und erste Hilfe für Menschen, die bei Angehörigen oder in ihrem Umfeld extremistische Tendenzen erkennen. Seitdem die Hotline freigeschaltet wurde, ist die Zahl der Kontakte rasant gestiegen: Im ersten Jahr gab es etwa 300 Beratungsfälle, 2013 bereits doppelt so viele. (…) Diskutiert wird noch, wie mehr Moscheegemeinden einbezogen werden können. Auch das Familienministerium weiß um diese Schwierigkeit. So heißt es im Abschlussbericht17: ´Ein Teil der muslimischen Communities [formuliert] hinsichtlich [staatlich geförderter] Präventionsaktivitäten gegen 'islamistischen Extremismus' eine grundlegende Skepsis. Es bestand und besteht vor allem die Angst, dass Menschen mit muslimischem Glauben durch das Auflegen eines o ̈ffentlichkeitswirksamen , auf islamistischen Extremismus konzentrierten Präventionsprogramms (zusa ̈tzlich) stigmatisiert würden`. Projekte gegen Radikalisierung haben nur dann Erfolg, wenn es ihnen gelingt, Menschen aus den Communities zu mobilisieren. (..) [Dazu] müssten auch diejenigen Verbände und Moscheevereine eingebunden werden, die selbst vom Verfassungsschutz beobachtet werden, sofern der Verdacht sich bislang nicht erhärtet habe“ (Ebenda). 5. Auflistung der Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention18 Islamistische Orientierungen und Handlungen INSIDE OUT - Fach- und Beratungsstelle Extremismus Stuttgarter Jugendhaus gGmbH Stuttgart, Kegelenstr. 21 WERTE-WERKSTATT Casablanca - Gemeinnützige Gesellschaft für innovative Jugendhilfe und Soziale Dienst mbH Berlin, Pistoriusstr. 108 A Diagnostisch - Therapeutisches Netzwerk Extremismus (DNE) ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur gGmbH Berlin, Ebertystraße 46 Akteure der Jugendbildung stärken - Jugendliche vor Radikalisierung schützen Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus - KIgA e. V. Berlin, Böckhstraße 35, Hinterhof/ Remise, 1.OG Die Freiheit, die ich meine Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V. 17 Siehe Anlage. 18 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2015). Auflistung der Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention . Islamistische Orientierungen und Handlungen. https://www.demokratie-leben.de/programmpartner /modellprojekte/modellprojekte-zur-radikalisierungspraevention.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 16 Berlin, Koppenstr. 93 Präventionsnetzwerk gegen religiös begründeten Extremismus Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) Berlin, Obentrautstr. 72 Interkulturelle Übergangsräume - Erweiterung von Kommunikationsmöglichkeiten in konfliktträchtigen Gruppen Institut für Kulturanalyse e. V. Berlin, Wintersteinstr. 16 BAHIRA Beratungsstelle Violence Prevention Network e. V. Berlin, Alt-Moabit 73 Vom IHR zum WIR - Zugehörigkeit, berufliche Perspektiven und demokratische Teilhabe DeutschPlus e. V. – Initiative für eine plurale Republik Berlin, Postfach 040127 "EXTREM Demokratisch" - Muslimische Jugendarbeit stärken Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) e. V. Berlin, Boyenstraße 41 Heroes® Elternarbeit (Parents-Projekt) Strohhalm e. V. Berlin, Luckauer Straße 2 „JamiL“ Jugendarbeit in muslimischen und interkulturellen Lebenswelten Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit (VAJA e. V.) Bremen, Hinter der Mauer 9 Pro Islam-Gegen Radikalisierung und Extremismus. - AL-E'TIDAL SCHURA - Islamische Religionsgemeinschaft Bremen e. V. Bremen, Waltjenstr. 158 Alternativen aufzeigen! Videos zu Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus für Internet und Unterricht Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg Hamburg, Alexanderstr. 1 AL WASAT - Die Mitte Islamisches Wissenschafts- und Bildungsinstitut e. V. Hamburg, Stader Str. 2-4 Think Social Now 2.0 - Verantwortung übernehmen im Internet Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e. V. Hamburg, Böckmannstr. 40 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 17 Extremismusprävention durch professionelle Jugendarbeit in Moscheegemeinden KUBI Verein für Bildung und Kultur e. V. Frankfurt, Burgstr. 106 Kultur als Veränderungspotential im Justizvollzug Förderverein JVA Holzstraße e. V. Wiesbaden, Heinrich-Pette-Str. 2 Die Zukunft miteinander gestalten: Hessische Muslime für Demokratie und Vielfalt! Prävention. Partizipation. Teilhabe. Goethe-Universität Frankfurt am Main Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam Frankfurt a.M., Senckenberganlage 31 Aktion kontra Radikalisierung muslimischer Jugendlicher Deutsch-Islamischer Vereinsverband Rhein-Main e. V. (DIV) Frankfurt, Riedhofweg 23 180 Grad Wende "R" Jugendbildungs- und Sozialwerk Goethe e. V. Köln, Buchforststr. 113 Extremismus - nicht mit UNS SV Genc Osman Duisburg e. V. Duisburg, Steiger Str. 30 Mentoren gegen Radikalisierung Otto Benecke Stiftung e. V. Bonn, Kennedyallee 105-107 #selam (Sprich: Hashtag Selam) IFAK e. V. - Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe - Migrationsarbeit Bochum, Engelsburger Str. 168 Frauen stärken Demokratie - gegen Islamismus! Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e. V. Kasbach-Ohlenberg, In der Stehle 26 Respekt und Teilhabe: Prävention mit der Safer Space Strategie Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. Köln, Sachsenring 20 Muslimische Jugend - Friedliche Zukunft! DITIB Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. Köln, Venloer Straße 160 Radikal nett und engagiert!!! MINA - Muslimisches Frauenbildungszentrum e. V. Duisburg, Postfach 10 09 03 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 025/16 Seite 18 Anlage Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2014). Abschlussbericht des Bundesprogramms „Initiative Demokratie Stärken“. https://www.demokratie-leben.de/fileadmin/content /PDF-DOC-XLS/Abschlussberichte/Abschlussbericht-IDS.pdf Ende der Bearbeitung