Verwendung von Kohlendioxid in der chemischen Industrie - Sachstand - © 2009 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 025/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verwendung von Kohlendioxid in der chemischen Industrie Sachstand WD 8 - 3000 - 025/09 Abschluss der Arbeit: 31.03.2009 Fachbereich WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Verwendung von Kohlendioxid 3 2.1. Chemische Prozesse als Kohlendioxidsenke 4 2.2. Potenzial der Kohlendioxidverwendung in der chemischen Industrie 5 3. Ausblick 6 4. Literatur- und Quellenverzeichnis 7 - 3 - 1. Einleitung Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, das durch menschliche Aktivitäten weltweit in der Größenordnung von mehr 20 Gigatonnen pro Jahr (Walther 2007: 1188) in die Atmosphäre abgegeben wird und erheblich zur weltweiten Erderwärmung beiträgt. Um den voranschreitenden Klimawandel aufzuhalten und seine negativen Auswirkungen einzudämmen , ist es das zentrale Ziel einer wirksamen Klimaschutzpolitik, die Treibhausgasemissionen , auch die des Kohlendioxids, zu verringern. In diesem Zusammenhang wird unter anderem die Abtrennung und unterirdische Lagerung von Kohlendioxid aus Kraftwerksabgasen als Option erörtert. Im Zuge der Diskussion um diese Carbon Capture and Storage-Technologie wird in Forscherkreisen ausgelotet, inwieweit das vermehrt anfallende Kohlendioxid verstärkt als Rohstoff in der chemischen Industrie eingesetzt werden kann. So könnte ein klimaschädlicher Abfallstoff in werthaltige, klima- und umweltfreundliche Produkte umgewandelt werden. 2. Verwendung von Kohlendioxid Schon heute dient Kohlendioxid in ausgewählten Zweigen der chemischen Industrie als Rohstoff, wenngleich insgesamt in nur geringem Umfang von rund 120 Megatonnen, verglichen mit den weltweiten Kohlendioxidemissionen in Höhe von 20 Gigatonnen (Walther 2007: 1188). Der globale Treibhausgasausstoß überschreitet damit den Bedarf der chemischen Industrie um das 167-fache. Bei den Anwendungen in der chemischen Industrie muss zwischen solchen unterschieden werden, bei denen das Kohlendioxid nach Einsatz des Produktes wieder freigesetzt (verzögerte Freisetzung) wird und solchen, bei denen das Kohlendioxid in einer chemischen Reaktion in einen anderen Stoff (chemische Umwandlung) überführt wird. Prozesse mit verzögerter Freisetzung des Kohlendioxids sind beispielsweise der Einsatz in der Lebensmittelbranche, zum Gefriertrocknen, zur Herstellung kohlensaurer Getränke sowie als Reinigungsmittel in Wäschereien und als Löschmittel bei Bränden. Da die Freisetzung des Kohlendioxids über die Prozesskette lediglich verzögert, aber nicht unterbunden wird, kann für solche Anwendungen in der Bilanz kein nennenswerter , allenfalls ein vorübergehender Klimaschutzeffekt festgestellt werden. Ökonomisch betrachtet findet nichtsdestotrotz eine Wertschöpfung statt, indem unerwünschtes Kohlendioxid in ein werthaltiges Produkt überführt wird. - 4 - Dem gegenüber wird bei der chemischen Umwandlung von Kohlendioxid bzw. Umwandlungen mit Kohlendioxid zu anderen Chemikalien das Treibhausgas aus der Atmosphäre entfernt, obschon auch dabei streng genommen die weitere Verwendung der Produktchemikalie im Einzelfall betrachtet werden muss. Wird diese am Ende ihres Lebenszyklus beispielweise verbrannt und vollständig zu Kohlendioxid umgewandelt, so würde der positive Klimaeffekt zu Nichte gemacht. Die weitere Verwendung der Produktchemikalien außer Acht lassend kann dennoch eine Verminderung der Kohlendioxidlast Anheim gestellt und damit von einem Klimaschutzeffekt ausgegangen werden . Als neuralgischer Punkt für die Verwendung von Kohlendioxid in der chemischen Industrie erweist sich allerdings die Tatsache, dass das Molekül ausgesprochen reaktionsträge , weil energiearm ist. Es kann nur in ein werthaltiges Produkt überführt werden, indem es unter beträchtlicher Energiezufuhr oder/und mit einem entsprechend energiereichen Partner zur Reaktion gebracht wird. Für chemische Umsetzungen dieser Art ist überdies zur zusätzlichen Aktivierung des Kohlendioxids meist ein Katalysator von Nöten 2007: 1188). Umso bemerkenswerter ist, dass in der Natur täglich immense Mengen Kohlendioxid in Pflanzen mithilfe von Enzymen in höherwertige organische Substanzen umgewandelt werden. Dies gelingt bei Raumtemperatur unter milden Bedingungen. Bis heute ist in der chemischen Forschung eine vergleichbare Umsetzung von Kohlendioxid unerreicht und eine der großen Herausforderungen. 2.1. Chemische Prozesse als Kohlendioxidsenke Es existieren bislang nur vergleichsweise wenige chemische Prozesse, bei denen Kohlendioxid dauerhaft gebunden wird. So wird aus einer Mischung aus Wasserstoff, Kohlenstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid – dem Synthesegas – in großem Stil die Massenchemikalie Methanol produziert. Das eingesetzte Synthesegas wird jedoch heute überwiegend aus fossilen Energieträgern bereitgestellt. Es stammt nicht aus Kraftwerksabgasen. Walther weist darauf hin, dass der Kohlendioxidverbrauch für die Synthese von Methanol erhöht werden könnte, indem Kohlendioxid direkt mit Wasserstoff (ohne Kohlenmonoxid) an einem Katalysator umgesetzt würde. In Japan wird bereits eine entsprechende Pilotanlage mit diesem Verfahren betrieben 2007: 1190). Ein bereits seit 1870 bekanntes und wichtiges Verfahren, bei dem Kohlendioxid mit Ammoniak zur Reaktion gebracht wird, dient der Herstellung von Harnstoff. Auf diese Weise werden weltweit jährlich rund 137 Millio- - 5 - nen Tonnen Harnstoff produziert, der zu Stickstoffdünger für die Landwirtschaft verarbeitet wird . Cyclische Carbonate als Spezialkunststoffe werden aus Epoxiden und Kohlendioxid dargestellt. Überdies befinden sich etliche Verfahren in der Entwicklung, die unter Verbrauch von Kohlendioxid ablaufen: Beispielsweise steht die Herstellung von Polycarbonaten aus Epoxiden und Kohlendioxid vor der industriellen Anwendung. Derzeit werden die dafür erforderlichen Katalysatoren weiter verbessert. Dies wäre ein relevanter Anwendungsbereich für Kohlendioxid, da Polycarbonate als Kunststoff schon heute in erheblichem Umfang in Elektronik- und Elektrogeräten und im Fahrzeugbau eingesetzt werden. Erforscht wird auch die Gewinnung von Ameisensäure aus Kohlendioxid, was insofern relevant wäre, da es sich um eine Massenchemikalie handelt, aus der weitere Chemikalien gewonnen werden können. Als aussichtsreich wird ferner die Telomerisation von Kohlendioxid mit 1,3-Butadien zu einem Lacton erachtet. Dieses Produkt ist besonders interessant, weil es den Zugang zu zahlreichen Folgeprodukten eröffnen könnte. Die Reaktion wurde bereits erfolgreich aus dem Labor- in den Miniplantmaßstab überführt und könnte als nächstes in den Produktionsmaßstab übertragen werden (Behr 2008). Intensiv beforscht wird daneben die Umwandlung von Glycerin zu Glycerincarbonat, das als ungiftiges Lösungsmittel für Farben und Lacke, in Kosmetika sowie als Basischemikalie für neuartige Kunststoffe verwendet werden könnte. Das Verfahren gilt deshalb als besonders viel versprechend, weil Glycerin in großem Umfang bei der Herstellung von Biodiesel aus Raps anfällt. Bis 2010 wird eine weltweite Produktion von 1,2 Millionen Tonnen Glycerin vorhergesagt. Bei der Reaktion von Glycerin mit Kohlendioxid würden damit zwei „Abfallstoffe“ in ein Wertprodukt umgewandelt. Glycerincarbonat ist bereits auf dem Markt verfügbar. Bisherige Synthesen verlaufen aber über mehrere Stufen und gehen meist von fossilen Rohstoffen aus. Dagegen geschieht die Umsetzung von Kohlendioxid mit Glycerin in Gegenwart eines Katalysators in einem Schritt und wäre damit besonders effizient. Allerdings müssen erst noch ausreichend wirksame und beständige Katalysatoren für diesen Prozess gefunden werden . 2.2. Potenzial der Kohlendioxidverwendung in der chemischen Industrie Insgesamt könnte Kohlendioxid künftig vermehrt als Ausgangsstoff für Chemikalien verwendet werden, auch weil die Verwertung über den Verkauf von Emissionshandelszertifikaten Einnahmen einbringt. Xu hat 20 chemische Prozesse identifiziert, die umweltfreundlicher ablaufen würden, wenn sie von Kohlendioxid als Rohstoff ausgehen würden (Xu 2005: 113). Laut - 6 - könnten weltweit bis zu 650 Millionen Tonnen Kohlendioxid chemisch verwertet werden 2005: 98). Dies entspricht zwar etwa drei Vierteln des energiebedingten Kohlendioxidausstoßes in Deutschland. Bezogen auf den weltweiten CO2-Ausstoß ergibt sich laut mündlicher Mitteilung von Walther aber höchstens eine Reduktion von fünf Prozent, selbst wenn alle Chemikalien aus Kohlendioxid aufgebaut würden. Insofern kann eine kohlendioxidbasierte Chemie in sehr begrenztem Umfang zur Klimaschutzpolitik beitragen und schon gar nicht andere Maßnahmen ersetzen. 3. Ausblick Wenn man heute dazu in der Lage wäre, sämtliche Chemikalien aus Kohlendioxid aufzubauen , würde dies laut Walther die globalen Kohlendioxidemissionen um geschätzte fünf Prozent vermindern. Dem Bedarf an Kohlenstoffeinheiten seitens der chemischen Industrie stehen um ein Vielfaches höhere Kohlendioxidemissionen gegenüber. Überdies muss bedacht werden, dass sämtliche Reaktionen mit Kohlendioxid als Ausgangsstoff erhebliche Mengen an Energie erfordern. Insofern würde der emissionsmindernde Effekt teils durch einen steigenden Energieverbrauch aufgewogen. Dennoch bewerkstelligen Pflanzen den Aufbau von höherwertigen organischen Verbindungen aus Kohlendioxid tagtäglich unter milden Bedingungen, ohne immensen Energieaufwand. Insofern erscheint es lohnenswert, die ablaufenden Vorgänge intensiver zu erforschen und zu verstehen. Die chemische Industrie leistet gegenwärtig insbesondere dadurch einen Beitrag zum Klimaschutz, indem sie unter anderem Produktionsprozesse energieeffizienter gestaltet, ihre Energieversorgung vermehrt auf erneuerbare Energieträger umstellt, Abwärme in Anlagen wirksamer nutzt und Stoffströme im Kreislauf führt. - 7 - 4. Literatur- und Quellenverzeichnis Katalytische Kohlendioxidchemie. Im Internet unter: http://www.aktuelle-wochenschau.de/2008/woche20/woche20.html [Stand: 30.03.2009] Kohlendioxid-arme Kraftwerke. CO2- Sequestrierung: Stand der Technik, ökonomische und ökologische Diskussion. Info- Brief der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Reg-Nr. WF VIII G - 096/2005, 19.04.2006, im Internet: http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2006/Kohlendioxid-arme_Kraftwerke.pdf [Stand: 30.03.2009]. Kohlendioxidsequestrierung (CCS): Innovationspolitik in Deutschland und der EU. Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Reg-Nr. WD 8 - 3010 - 159/08, 19.01.2009. Development and integration of new processes consuming carbon dioxide in muli-plant chemical production complexes. In: CLEAN TECHNOLOGY ENVIRONMENT POLICY, Nr. 7. Im Internet: http://www.mpri.lsu.edu/Clean%20Technologies%20Paper.pdf, S. 98 [Stand: 30.03.2009]. Chemie mit CO2. In: Nachrichten aus der Chemie, Bd. 55, Dezember 2007, S. 1188-1194.