© 2017 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 024/17 Einzelaspekte der Verwendung von Glyphosat Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 2 Einzelaspekte der Verwendung von Glyphosat Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 024/17 Abschluss der Arbeit: 1. Juni 2017 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Studien zur Gesundheitsschädlichkeit von Glyphosat 5 2.1. Bewertung der International Agency for Research on Cancer (IARC) 5 2.2. Bewertungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 10 2.3. Bewertungen der der European Chemicals Agency (ECHA) 11 3. Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität 12 4. Einsatz von Glyphosat in Deutschland 12 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 4 1. Einleitung Glyphosat und seine Auswirkungen auf Lebewesen und die Umwelt sind seit Jahren Gegenstand kontroverser Debatten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) haben auf ihrem gemeinsamen Treffen im Mai 2016 in Genf festgestellt, dass Hinweise auf die karzinogene Wirkung von Glyphosat in Ratten nicht ausreichend, aber in Mäusen in sehr hohen Dosen nicht auszuschließen seien. In für den Menschen relevanten Dosen gehe man davon aus, dass ernährungsbedingt Glyphosat wahrscheinlich kein karzinogenes Risiko darstelle. Hiermit wird das Ergebnis des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt . Die EFSA hatte im Oktober 2015 berichtet, dass -basierend auf den Evaluationen ihres „Renewal Assessment Report“ (RAR) für Glyphosat (erstellt durch das BfR) - davon ausgegangen werden könne: „glyphosate is unlikely to pose a carcinogenic hazard to humans and the evidence does not support classification with regard to ist carcinogenic potential“. Am 15. März 2017 teilte die europäische Chemikalienagentur Echa mit, dass ihrer Erkenntnis nach, die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht die Kriterien erfüllten, um Glyphosat als krebserregend zu bewerten . Gegner von Glyphosat hingegen berufen sich insbesondere auf eine Untersuchungen der International Agency for Research on Cancer (IARC), die einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Non-Hodkin-Lymphomen und Glyphosat festgestellt hat. Zudem stellen sie karzinogene Effekte bei Labor-Mäusen für seltene Nierentumore und Hämangiosarkome dar sowie gutartige Tumore in Rattenstudien. Hieraus leiten sie die Evidenz ab, dass Glyphosat eine genotoxische Wirkung habe und oxidativen Stress auslöse. Sie empfehlen eine neue Gefahrenklassifikation für Glyphosat. Die Ergebnisse sind neben der auf den eigenen Webseiten erschienenen Publikation in The Lancet, einer renommierten medizinischen Fachzeitschrift, im März 2015 zusammenfassend veröffentlicht. Eine Gegenüberstellung der oben genannten Positionen, EFSA versus IARC, sind Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit, die am 3. März 2016 im Journal of Epidemiology and Community Health erschienen ist. In einem offenen Brief vom 28. Mai 2017 wendet sich der Wissenschaftler Christopher J. Portier1 an den Präsidenten der EU- Kommission, Jean-Claude Juncker. Die Einschätzungen der Behörden der Unbedenklichkeit von Glyphosat hält Portier für falsch und fordert eine Neubewertung (Anlage 1).2 Die Rohdaten verfügbarer Krebsstudien in Tieren zeigten in einer Neuanalyse in acht Fällen eine signifikante Erhöhung im Auftreten von Tumorerkrankungen. Diese Datenanalyse, die Tumorreaktionen infolge von Glyphosatexposition nachweise, seien in die Bewertungen durch EFSA und EChA nicht einbezogen worden. Dies deute darauf hin, dass die Auswertungen 1 Prof. Christopher J. Portier ist Wissenschaftler an der Universität in Maastricht mit einem Forschungsschwerpunkt in Umwelt-Gesundheitsdatenanalyse in Hinblick auf karzinogene Wirkung (vgl: http://www.toxicogenomics -um.nl/Staff/126/Prof-C-Portier/ [zuletzt abgerufen am 30. Mai 2017]). Er ist und war in unterschiedlichen Funktionen in Beratungsgremien tätig: US National Academy of Sciences Committee, USEPA’s Science Advisory Board, USEPA’s Science Advisory Panel und als Berater der finnischen Akademie der Wissenschaften. Er ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gremien der WHO / IARC. 2 Christopher J. Portier: Open letter: Review of the Carcinogenicity of Glyphosate by EChA, EFSA and BfR vom 28. Mai 2017 [Anlage 1]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 5 wissenschaftlich fehlerhaft seien, und insbesondere alle daraus abgeleiteten Entscheidungen nicht die öffentliche Gesundheit schützen würden.3 Bei den benannten acht Studien handelt es sich um zwei Mausstudien (1997 und 2009) sowie fünf Rattenstudien (1981, 1993, 1997, 2001, 2009), in einem Datensatz werden zwei verschiedene Tumorarten nachgewiesen. Von den EU- Behörden EFSA und EChA liegen zum derzeitigen Zeitpunkt noch keine Stellungnahmen vor. Das BfR teilte bislang mit, noch keine Auskunft geben zu können, da ihnen das Schreiben bislang nicht vorliege (Süddeutsche Zeitung vom 30. Mai 2017).4 In der vorliegenden Dokumentation wird eine Auswahl von wissenschaftlichen Studien vorgestellt , die sich mit dem Nachweis der Gesundheitsschädlichkeit von Glyphosat befassen. Sodann wird auf die Frage des Glyphosat-bedingten Biodiversitätsverlusts eingegangen und abschließend die Verwendung von Glyphosat in Deutschland dargestellt. 2. Studien zur Gesundheitsschädlichkeit von Glyphosat 2.1. Bewertung der International Agency for Research on Cancer (IARC) Die International Agency for Research on Cancer (IARC) ist eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die auf Krebserkrankungen spezialisiert ist, mit Sitz in Frankreich. Unter ihren öffentlich verfügbaren Publikationen auf der eigenen Webseite ist 2013 eine Schrift zum Thema Glyphosat und eine Einschätzung zur Karzinogenität erschienen (IARC-Studie). In dieser Studie5 wird gefolgert, man solle Glyphosat als „probable human carcinogen“ einstufen (Kategorie 2A), aufgrund von ausreichender Evidenz auf Karzinogenität in Tieren sowie eingeschränkter Evidenz für karzinogene Wirkung in Menschen. Dies wird mit folgenden Beobachtungen begründet : Assoziation zwischen Non-Hodgkin Lymphom und Glyphosat im Menschen (vorwiegend amerikanische Studien) 3 Originalzitat: „The raw data for the animal cancer studies for glyphosate have been released, and a reanalysis of these data show eight instances where significant increases in tumor response following glyphosate exposure were not included in the assessment by either EFSA or EChA. This suggests that the evaluations applied to the glyphosate data are scientifically flawed, and any decisions derived from these evaluations will fail to protect public health.” 4 Süddeutsche Zeitung vom 30. Mai 2017 (Autoren: S. Liebrich und A. Rummel): Offene Fragen bei Glyphosat Haben EU-Behörden Hinweise auf Krebsrisiken übersehen? Eine Analyse legt das nahe, Seite 17. 5 Im Internet abrufbar unter: http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-09.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 6 - De Roos et al. (2005)6: In dieser Studie werden Daten aus Vorläuferstudien verwandt : Cantor et al. (1992)7, Zahm et al. (1990)8 und Hoar et al. (1986)9. - McDuffie et al. (2001)10 - Nordström et al. (1998)11 (Case-Control-Studie für Unterform von NHL) - Hardell& Eriksson et al. (1999)12 (siehe auch Hardell et al. (2002)13 und Eriksson et al. (2008)14) Effekte karzinogener Wirkung von Glyphosat-basierten Produkten (Formulation) in Labortieren für seltene Nierentumore und Hämangiosarkome in zwei Mausstudien sowie gutartige Tumore in zwei Rattenstudien15 6 De Roos AJ et al. (2005): Cancer incidence among glyphosate-exposed pesticide applicatirs in the Agricultural Health Study; Environ Health Perspect, 113(1): 49-54. 7 Cantor KP et al.(1992): Pesticides and other agricultural risk factors for non Hodgkin’s lymphoma among men in Iowa and Minnesota. Cancer Res. 52(9): 2447-55 PMID: 1568215. 8 Zahm et al. (1990): A case control study of non Hodgkin’s lymphoma and the herbicide 2,4 dichlorophenoxyacetic acid (2,4 D) in eastern Nebraska. Epidemiology, 1(5):349-56. 9 Hoar SK et al (1986): Agricultural herbicide use and risk of lymphoma and soft tissue sarcoma. JAMA, 256 (9):1141-7. 10 McDuffie HH et al. (2001): Non Hodgkin’s lymphoma and spcific pesticide exposures in men: cross Canada study of pesticides and health. Cancer Epidemiol. Biomarkers Prev, 10(11): 1155-63. 11 Nordström M et al. (1998): Occupational exposures, animal exposure and smoking as risk factors for hairy cell leukaemia evaluated in a case control study. Br. J Cancer, 77(11): 2048-22. 12 Hardell L et al. (1999): A case control study of non Hodgkin lymphoma and exposure to pesticides. Cancer, 85(6): 1353-60. 13 Hardell L et al. (2002): Exposure to pesticides as risk factor for non Hodgkin’s lymphoma and hairy hairy cell leukaemia: pooled analysis of two Swedish case control studies. Leuk Lymphoma, 43 (5): 10463-9. 14 Eriksson M et al. (2008): Pesticide exposure as risk factor for non Hodgkin lymphoma including histopathological subgroup analysis. Int J Cancer, 123(7): 1657-63. 15 Es wird darauf hingewiesen, dass die nachfolgend genannten Quellen nicht in wissenschaftlichen Peer-Review- Fachzeitschriften publiziert wurden. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 7 - Dokumente der amerikanischen Behörde EPA16: EPA (1985)17 und EPA (1991)18 - Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues in food (2006)19. Einzelne Effekte werden beschrieben, es wird aber geschlossen, dass Glyphosat wahrscheinlich kein karzinogenes Risiko für den Menschen darstelle.20 Hinweis auf oxidativen Stress, DNA Schäden in kultiviertem peripherem Blut von Menschen 16 Die United States Environmental Protection Agency (EPA) ist eine Behörde der Regierung der USA zum Umweltschutz und zum Schutz der menschlichen Gesundheit und besteht seit 1970. 17 EPA (1985): Roundup; glyphosate; pathology report on additional kidney sections. Document No. 004855. Im Internet abrufbar unter: https://archive.epa.gov/pesticides/chemicalsearch/chemical /foia/web/pdf/103601/103601-206.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 18 EPA (1991): verschiedene Dokumente: Second peer review of glyphosate. Im Internet abrufbar unter: https://archive.epa.gov/pesticides/chemicalsearch /chemical/foia/web/pdf/103601/103601-265.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. Glyphosate; 2 year combined chronic toxicity study in Spargue Dawley rats List ! pesticide for reregistration. Document 008390. Im Internet abrufbar unter: https://archive.epa.gov/pesticides/chemicalsearch/chemical /foia/web/pdf/103601/103601-263.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. Glyphosate (Roundup) - EPA Registration No. 524-308 - PP#8F3673 Glyphosate in/on Corn - Tolerance Request and "Toxicology Profile". Im Internet abrufbar unter: https://archive.epa.gov/pesticides/chemicalsearch/chemical /foia/web/pdf/103601/103601-266.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 19 S. 95 ff in: Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues Pesticide residues in food – 2004, GLYPHOSATE First draft prepared by Rudolf Pfeil and Lars Niemann Federal Institute for Risk Assessment, Berlin, Germany. Im Internet abrufbar unter: http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43624/1/9241665203_eng.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 20 Ebd. S. 158 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 8 - Zellkultur humaner Zellen: oxidativer Stress: Gehin et al. (2005)21, Elie-Caille et al. (2010)22, George & Shukla (2013)23, Chaufan et al (2014)24, Coalova et al. (2014)25 - Blutproben von Menschen, die kultiviert werden und sodann Glyphosat-exponiert werden: Mladinic et al. (2009)26, Kwiatkowska et al. (2014)27, - Anstieg von Biomarkern für oxidativen Stress in Tierexperimenten (Ratte, Maus): Astiz et al (2009)28, Bolognesi et al (1997)29, George et al. (2010)30, - Zusammenhang von Glyphosatexposition und oxidativem Stress in Meeresorganismen (Slaninova et al (2009)31, Übersichtsartikel). 21 Gehin et al. (2005): Vitamins C and E reverse effect of herbicide in duced toxicity on human epidermal cells Ha- CaT: a biochemometric approach. Int J Pharm, 288(2):219-26. 22 Elie-Vaille C et al. (2010): Morphological damages of a glyphosate treated human keratinocyte cell line revealed by a micro to nanoscale microscopic investigation. Cell Biol Toxicol, 26(4):331-9. 23 George and Shukla (2013): Emptying of intracellular calcium pool and oxidative stress imbalance are asoociated with the glyphosate induced proliferation in human skin keratinocytes HaCaT Cells. ISRN Dermatol, 2013:825180. 24 Chaufan G. et al. (2013): Glyphosate commercial formulation cauises cytotoxicity, oxidative effects, and apoptosis on human cells: differences with ist active ingredient. Int J Toxicol, 33(1):29-38. 25 Coalova I et al (2014): Influence of the spray adjuvant on the toxicity effects of a glyphosate formulation. Toxicol In Vitro, 28 (7): 1306-11. 26 Mladinic M et al (2009): Evaluation of genome damage and ist relation to oxidative stress induced by glyphosate in human lymphocytes in vitro. Environ Mol Mutagen, 50(9):800-7. 27 Kwiatkowska M et al. (2014): The effect of metabolites and impurities of glyphosate on human erythrocytes (in vitro). Pestic Biochem Physiol, 109:34-43. 28 Astiz M et al (2009): Antioxidant defense system in rats simultaneously intoxicated with agrochemicals. Environ Toxicol Pharmacol, 28(3): 465-73. 29 Bolognesi C et al. (1997): Genotoxic activity of glyphosate and ist technical formulation Roundup. J Agric Food Chem, 45(5):1957-62. 30 George J et al (2010): Studies on glyphosate induced carcinogenticity in mouse skin: a proteomic approach. J Proteomics, 73(5):951-64. 31 Slaninova a et al (2009): A review: oxidative stress in fish induced by pesticides. Neuro Endocrinol Lett, 30: Suppl 1: 2-12. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 9 Die Ergebnisse der IARC-Studie32 werden auch in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet von den Autoren der IARC-Studie wie folgt zusammengefasst33: Fall-Kontroll-Studien berufsbedingter Exposition von Glyphosat in den USA, Kanada und Schweden ergaben Hinweise auf ein erhöhtes Risiko, Non-Hodgkin-Lymphome zu entwickeln. Diese Beobachtung blieb auch bestehen, nachdem die Daten gegenüber anderen Pestiziden adjustiert worden waren. In männlichen CD-1 Mäusen34 war eine erhöhte Rate für die Bildung seltener Tumore zu beobachten. In einer weiteren Studie wurde ein positiver Zusammenhang mit der Bildung von Hämangiosarkomen in männlichen Mäusen belegt. Glyphosat zeigte in zwei Studien einen Effekt auf die Bildung von Adenomen der Inselzellen der Bauchspeicheldrüse. Eine Glyphosatform bewirkte eine erhöhte Hautkrebsrate in Mäusen. Zudem wurde Glyphosat in Blut und Urin von landwirtschaftlich arbeitenden Menschen festgestellt . Dies deute auf die Absorption von Glyphosat hin. Glyphosat und Derivate induzierten DNA- und chromosomale Schäden in menschlichen und in tierischen Zellen in In-vitro-Experimenten . In einer Studie wurde ein Anstieg von Blutmarkern für chromosomale Brüche nach der Besprühung mit Glyphosat-Derivaten festgestellt. Bakterielle mutagene Tests waren negativ. Glyphosat , Glyphosat-Formen und AMPA35 induzierten oxidativen Stress in Nagetieren und in Invitro Experimenten. Aus diesen Ergebnissen leitete die IARC-Studien-Gruppe ab, dass Glyphosat als „probably carcinogenic to humans“ einzustufen sei. In der Publikation des IARC werden folgende Evaluationen zusammengefasst: Krebs im Menschen: Es existiert eine begrenzte Evidenz („limited evidence“) für die karzinogene Wirkung von Glyphosat im Menschen. Eine positive Assoziation wurde für das Non-Hodgkin Lymphom gezeigt. Krebs in Tierexperimenten: Es existiert eine ausreichende Evidenz („sufficient evidence“) für die karzinogene Wirkung von Glyphosat in Tierexperimenten. Gesamtevaluation: Glyphosat ist wahrscheinlich karzinogen für den Menschen (Gruppe 2A) („probably carcinogenic to humans“). 32 International Agency for Research on Cancer, Volume 112: Some Organophosphate insecticides and herbicides: tetrachlorvinphos, parathion, malathion, diazinon and glyphosate. IARC Working Group. Lyon. 3-10. März 2015. IARC Monographs on the Evaluation of carcinogeneic risks to humans. Im Internet abrufbar unter: http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/ [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 33 Kathryn Z Guyton, Dana Loomis, Yann Grosse, Fatiha El Ghissassi, Lamia Benbrahim-Tallaa, Neela Guha, Chiara Scoccianti, Heidi Mattock, Kurt Straif, on behalf of the International Agency for Research on Cancer Monograph Working Group, IARC, Lyon, France: Carcinogenicity of tetrachlorvinphos, parathion, malathion, diazinon , and glyphosate; Volume 16, No. 5, p490–491, May 2015; DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S1470- 2045(15)70134-8 34 Genetisch veränderte Mäuse im Laborexperiment. 35 Aminomethylphosphonsäure, Hauptabbauprodukt von Glyphosat Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 10 2.2. Bewertungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) „Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel unterliegen einer Genehmigung durch die Europäische Kommission. Diese Genehmigung auf einen Erstantrag ist auf maximal 10 Jahre befristet. Vor dem Ablauf dieser Frist müssen die Hersteller einen Antrag auf erneute Genehmigung stellen, wenn sie den Wirkstoff weiter in Pflanzenschutzmitteln verwenden wollen. Ist der Antrag gestellt, erfolgt eine Neubewertung des Wirkstoffs. Die Kommission beauftragt im Genehmigungsverfahren einen Mitgliedsstaat als Berichterstatter (Rapporteur Member State (RMS)). Für Glyphosat wurde Deutschland als RMS benannt. Als federführende Behörde für den zu erstellenden Bewertungsbericht (Renewal Assessment Rapport (RAR)) hat die Bundesregierung das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) benannt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde im Verfahren der Neubewertung mit der Bewertung des gesundheitlichen Risikos des Wirkstoffes und einer Beispielformulierung beauftragt.“36 Zusammenfassend kommt das BfR zur Bewertung: „Auf der Basis von fünf Kanzerogenitätsstudien an Mäusen und sieben Studien zur chronischen Toxizität sowie von Kanzerogenitätsstudien an Ratten kommt das BfR nach dem „Weight of evidence“-Ansatz zum Schluss, dass kein Krebsrisiko hinsichtlich der beabsichtigten Nutzung als Herbizid besteht. Folglich erscheint auch keine Einstufung als krebserzeugend gemäß der CLP-Kriterien37 angezeigt.“38 Das sich vom IARC deutlich unterscheidende Resultat begründet das BfR insbesondere damit, dass in einigen Studien, die vom IARC als Hinweis auf kanzerogene Wirkung gewertet wurden, nach Ansicht des BfR notwendige Datennachweise, Dosisangaben oder nachvollziehbare Angaben zu den tatsächlich geprüften Substanzen fehlten.39 Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erklärt weitere Unterschiede in einem Factsheet40. So habe die IARC-Studie sowohl Glyphosat als aktive Substanz als auch Glyphosat -basierte Produkte betrachtet, während die EU sich auf die Betrachtung von Glyphosat al- 36 Im Internet abrufbar unter: http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zum_verfahren_der_neubewertung _von_glyphosat_im_rahmen_der_eu_wirkstoffpruefung-195573.html [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 37 Europäische GHS Verordnung (EG) Nr. 1272/2008, genannt CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging ), am 20. Januar 2009 in Kraft getreten. 38 Quelle: Behörden der EU-Mitgliedstaaten bescheinigen der BfR-Bewertung der IARC Monographie zu Glyphosat hohe wissenschaftliche Qualität und Aussagekraft, Mitteilung Nr. 040/2015 des BfR vom 23. Oktober 2015; im Internet abrufbar unter: http://www.bfr.bund.de/cm/343/behoerden-der-eu-mitgliedstaaten-bescheinigen-derbfr -bewertung-der-iarc-monographie-zu-glyphosat-hohe-wissenschaftliche-qualitaet-und-aussagekraft.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 39 Im Internet abrufbar unter: http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zum_verfahren_der_neubewertung _von_glyphosat_im_rahmen_der_eu_wirkstoffpruefung-195573.html [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 40 EFSA: EFSA explains risk assessment“, Factsheet 2015, ISBN 978-92-9199-758-9, im Internet abrufbar unter: https://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/corporate_publications/files/efsaexplainsglyphosate 151112en.pdf [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 11 lein beschränkt, um den Effekt von Glyphosat als aktive Substanz einschätzen zu können. Die I- ARC beurteile allgemein Mittel, einschließlich Gruppen von verwandten Chemikalien, wie auch berufliche Umweltexposition und Verhaltenspraktiken. Einige Studien legten nahe, dass bestimmte Glyphosat basierende Formulierungen genotoxisch sein könnten, während andere Studien , die ausschließlich auf den Wirkstoff schauten, dies nicht zeigten. Es sei daher wahrscheinlich , dass sich die genotoxische Wirkung einiger Glyphosat-basierter Produkte auf andere Bestandteile oder „Beistoffe“ bezögen. Die EFSA-Überprüfung berücksichtige zahlreiche Quellen, einschließlich des IARC -Berichts. IARC verweise auf eine Reihe von epidemiologischen Studien, die beim Entwurf der EU-Beurteilung nicht zugänglich waren; diese Studien seien zu einem späteren Zeitpunkt aber hinzugefügt worden. Insgesamt seien im Rahmen der EFSA-Überprüfung mehr Beweispapiere inklusive zusätzlicher Studien als in der IARC-Studie betrachtet worden. Vom 9. bis 13. Mai 2016 fand eine gemeinsame Sitzung der FAO-Sachverständigengruppe für Pestizidrückstände in Lebensmitteln und Umwelt und der „WHO-Core Assessment Group“ für Pestizidrückstände (JMPR) in Genf statt. Drei Pestizide wurden ausgewertet, unter ihnen Glyphosat . Aufgrund der vorangegangenen Bewertungen der IARC und weiterer Studien war eine Neubewertung notwendig. Es wurde auf Basis epidemiologischer und toxikologischer Daten untersucht , welche tägliche Aufnahme (ADI) und welche akuten Referenzdosen (ARfDs) vertretbar sind. In einem Bericht werden Informationen über ADIs, ARfDs und Bewertungen der Pestizide zusammengefasst. Die Empfehlungen werden den Mitgliedsregierungen zur weiteren Verwendung vorgeschlagen.41 Das kanzerogene Potential in Nagetieren in relevanten Dosen sowie die orale genotoxische Wirkung in Säugetieren sahen die Experten als nicht ausreichend gegeben. Daher sei es eher unwahrscheinlich , dass nahrungsbedingt Glyphosat kanzerogen wirke. Die Datenlage sei ausreichend für diese Beurteilung. Das durch die Experten abgeschätzte Risiko lasse den Schluss zu, dass es nicht nötig sei, eine ARfD für Glyphosat zu etablieren. Zusammenfassend wurde festgehalten , dass man nach der Auswertung der vorliegenden Studien (die sich zu einem Teil mit denen des IARC überschneiden) davon ausginge, dass eine kurzfristige Nahrungs-Exposition gegenüber Glyphosat-Rückständen wahrscheinlich kein Risiko für die Verbraucher darstelle.42 2.3. Bewertungen der der European Chemicals Agency (ECHA) Die ECHA ist für die Verwaltung des harmonisierten Klassifizierungs- und Kennzeichnungsverfahrens (CLH) für gefährliche chemische Stoffe zuständig. Ein harmonisierter Einstufungs- und Etikettierungsvorschlag wurde Ende Mai 2016 von der zuständigen Behörde (Bundesanstalt für 41 WHO/FAO: Pesticide residues in food 2016 Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues Report of the special session of the Joint Meeting of the FAO Panel of Experts on Pesticide Residues in Food and the Environment and the WHO Core Assessment Group on Pesticide Residues Geneva, Switzerland, 9–13 May 2016; Paper No. 227, im Internet abrufbar unter: http://www.fao.org/3/a-i5693e.pdf [zuletzt abgerufen am 27. Juni 2016]. 42 Ebd. 19-28. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 12 Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAUA, Deutschland) vorgelegt. Hierin wird eine Gefahreneinstufung mit spezifischer Zielorgan-Toxizität (H318: Augenschädigung, H411: Toxizität für die aquatische Umwelt) vorgeschlagen. In der am 15. März 2017 veröffentlichten Stellungnahme der ECHA kommt das Committee for Risk Assessment (RAC) zum Schluss, dass die derzeitige harmonisierte Einstufung von Glyphosat als Substanz aufrechtzuerhalten sei, dieses schwere Augenschäden verursache und für das Wasserleben mit langanhaltenden Wirkungen giftig ist. RAC kam zu dem Schluss, dass die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht die Kriterien erfüllen, um Glyphosat als Karzinogen zu klassifizieren, als mutagen oder als fortpflanzungsgefährdend. 3. Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität „Auswirkungen auf Biodiversität“ wurden beispielsweise in Reylea et al. (2005)43 untersucht. Es wurden Auswirkungen von Pestiziden, u.a. Glyphosat in Form von Roundup, auf die Biodiversität von aquatischen Systemen (Algen und 25 Tierarten) untersucht. Der Autor stellt fest, dass durch Roundup ein Rückgang des Spezienreichtums um 22% zu verzeichnen war. Auf diesen Artikel gibt es eine Antwort von fünf Wissenschaftlern44 in derselben Zeitschrift, die widersprechen und von nichtangebrachten Generalisierungen und Extrapolationen eines einzelnen Tests sprechen. Die Auswirkungen auf Nicht-Ziel-Pflanzen sind Thema in einer angeführten Publikation aus dem Jahr 2002, Matarczyk et al. (2002)45. Glyphosat wirkte sich in Experimenten tödlich auf die gefährdete Art Pimelea spicata aus. 4. Einsatz von Glyphosat in Deutschland Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 28.10.2015 (Drucksache 18/6490) wurden in den Jahren 2008 bis 2014 die nachfolgenden Mengen Glyphosat eingesetzt. Seit 2012 werden diese Mengen getrennt nach nichtberuflicher Anwendung (Privatgärten etc) sowie beruflicher Anwendung geführt: 43 Relyea RA. (2005):The impact of insecticides and herbicides on the biodiversity and productivity of aquatic communities. Ecological Applications, 15: 618–627. 44 Im Internet abrufbar unter: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1890/1051-0761(2006)016[2027:TIO- IAH]2.0.CO;2/abstract [zuletzt abgerufen am 25. Juni 2016]. 45 Matarczyk JA, Willis JA, Vranjic JA & Ash JE. 2002. Herbicides, weeds and endangered species: management of bitou bush (Chrysanthemoides monilifera ssp. rotundata) with glyphosate and impacts on the endangered shrub, Pimelea spicata. Biological Conservation 108: 133-141. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 13 Tabelle: Absatzmengen Glyphosat in Deutschland in t Wirkstoff46 Nichtberufliche Anwendung Berufliche Anwendung 2008 7608 2009 3960 2010 5007 2011 5359 2012 5941 40 2013 4991 73 2014 5330 95 Laut Informationen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) betrug die Absatzmenge für das Jahr 2015 4.720 t an berufliche Verwender und 74 t an nicht-berufliche Verwender. Die Zahlen für 2016 werden erst mit der Veröffentlichung des BVL47-Berichtes im August 2017 zur Verfügung stehen. Alle Angaben beziehen sich auf die in Deutschland (Inlandsabsatz ) abgegebene Menge an Wirkstoff (in Tonnen). Das Julius Kühn-Institut (Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen) hat in diesem Jahr eine „Handlungsempfehlung der Bund-Länder-Expertengruppe zur Anwendung von Glyphosat im Ackerbau und in der Grünlandbewirtschaftung“48 publiziert. In ihr heißt es: „Der Wirkstoff Glyphosat wird in Deutschland im Pflanzenschutz seit 1974 angewandt. Anwendung und Absatz glyphosathaltiger Herbizide haben in den vergangenen 10 Jahren in Deutschland stark zugenommen . Dies hat zu einer intensiven Diskussion über die Notwendigkeit und den Umfang des Glyphosateinsatzes in der Landwirtschaft und der damit verbundenen möglichen Risiken geführt . Rund 37% der Ackerfläche Deutschlands werden jedes Jahr mit glyphosathaltigen Herbiziden behandelt. Die größte Bedeutung haben dabei mit ca. 60% Stoppelanwendungen (≈ 22 % der 46 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/6169 – Folgen aus der Gefährdung von Bestäubern und der Umwelt durch Neonikotinoide und andere Pestizidwirkstoffe vom 28.10.2015, Drucksache 18/6490. 47 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 48 Dicke, D.; Dittrich, R.; Forster, R.; Gehring, K.; Götz, R.; Hüsgen, K.; Kehlenbeck, H.; Klingenhagen, G.; Landschreiber , M.; Nordmeyer, H.; Schwarz, J.; Tümmler, C.; Ulber, L.; Zwerger, P. (2017): Handlungsempfehlung der Bund-Länder-Expertengruppe zur Anwendung von Glyphosat im Ackerbau und in der Grünlandbewirtschaftung . (Berichte aus dem Julius Kühn-institut 187), 1-11. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 14 Ackerfläche), gefolgt von Vorsaatanwendungen (34 % ≈ 13 % der Ackerfläche) und Vorernteanwendungen (6 % ≈ 2 % der Ackerfläche). Seit 2004 werden jährlich durchschnittlich ca. 5.000 t des Wirkstoffes Glyphosat abgesetzt. Das entspricht rund 30 % der gesamten in Deutschland abgesetzten Herbizidwirkstoffmenge. Dies hat Fragen und Diskussionen zur Anwendung und zur Verminderung der Anwendung glyphosathaltiger Herbizide aufgeworfen. Zu erklären sind die gestiegenen Absatzmengen von Glyphosat mit dem breiten Anwendungs- und Wirkungsspektrum , dem Anstieg der pfluglosen Bodenbearbeitung und dem damit verbundenen höheren Bedarf für die Bekämpfung von ausdauernden Unkräutern (Wurzelunkräutern), Altunkräutern und Ausfallkulturen .“ Im Winter 2014/2015 wurde eine Erhebung unter konventionell wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben, basierend auf einer Umfrage, durchgeführt.49 Die Autoren werteten die Umfrageergebnisse mithilfe einer Cluster-Analyse aus und stellen detaillierte Anwendungsmuster von Glyphosat für Deutschland dar. Hinsichtlich der Anwendungsmengen konstatieren sie: „Im Vergleich mit einer ersten Erhebung zum Glyphosateinsatz im Winter 2010/2011 (Steinmann et al., 2012) ist der Gesamtanwendungsumfang nahezu unverändert geblieben.“50 In einer aktuellen Dissertation der Universität Göttingen wird der europäische Einsatz von Glyphosat im Detail analysiert.51 Insbesondere wird auf den Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien eingegangen und auf die Folgen eines weitreichenden Verzichts von Glyphosat. Dabei wird festgehalten, dass sich die Wissenschaftler in Hinblick auf die Auswirkungen eines Glyphosatverzichts nicht einig sind („Bei einem Vergleich der drei wichtigsten Studien wird erkennbar , dass die Einschätzung der Bedeutung von Glyphosat je nach Autorenteam stark schwankt. Während Steinmann et al. (2012) feststellen, dass einige Anwendungsgebiete in der deutschen Landwirtschaft als ‘Luxusanwendung‘ zu bezeichnen sind, […] errechnen die anderen Studien einen sehr hohen Nutzen des Glyphosateinsatzes.“52). Zum Einsatz von Glyphosat in Deutschland konstatiert Schulte: „In Deutschland verfassten Steinmann et al. (2012) sowie Schmitz und Garvert (2012) fast zeitgleich zwei Studien zum Glyphosateinsatz im Ackerbau. Steinmann et al. (2012) befragten etwa 900 deutsche Landwirte zu den Anwendungsfeldern von Glyphosat sowie den Gründen für den Glyphosateinsatz. Im Gegensatz zu der Studie von Cook et al. (2010) wurde hierbei zwischen drei Anwendungsgebieten (Stoppelbehandlung, Vorsaatbehandlung, Sikkation) unterschieden , sodass die Anwendungsschwerpunkte genauer erkennbar werden. Auf 49 Armin Wiese, Michael Schulte, Ludwig Theuvsen, Horst-Henning Steinmann: Anwendungen von Glyphosat im deutschen Ackerbau – Betriebliche Aspekte; Uses of glyphosate in German arable farming – operational aspects; DOI 10.5073/jka.2016.452.035; 27. Deutsche Arbeitsbesprechung über Fragen der Unkrautbiologie und -bekämpfung , 23.-25. Februar 2016 in Braunschweig; Julius-Kühn-Archiv, 452, 2016. 50 Ebd., Seite 261. 51 Michael Schulte: Ökonomische Fragestellungen der Pflanzenproduktion; Glyphosateinsatz – Marktanalysen – Sonderkulturanbau; ISBN-13 (Printausgabe) 9783736994195; erschienen am 21.02.2017. vgl.: https://cuvillier .de/de/shop/publications/7481-okonomische-fragestellungen-der-pflanzenproduktion [zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017]. 52 Ebd., Seite 37. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 15 Grundlage der empirischen Erhebung wurde berechnet, dass auf etwa 39 % der deutschen Ackerfläche Glyphosat angewendet wird; der Wert liegt somit deutlich unter dem für Großbritannien genannten Anteil. Auf 68,1 % dieser Fläche wird Glyphosat zur Bekämpfung von (perennierenden) Unkräutern bzw. Auflaufgetreide auf Stoppeläckern ausgebracht. Auf 20,7 % der Fläche wird Glyphosat vor der Saat bzw. im Vorauflauf der Hauptfrucht appliziert und auf lediglich 11,2 % der Fläche wird es zur Sikkation angewendet. Umgerechnet auf die Gesamtfläche von Deutschland wird die Stoppelbehandlung auf etwa 23,1 % der Fläche durchgeführt, 7,0 % der Fläche wird vor der Saat behandelt und auf lediglich 3,8 % der Fläche werden Druschfrüchte sikkiert. Weiterführende Auswertungen auf Basis der Studie von Dickediusberg et al. (2012) zeigen, dass aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Agrarstruktur Deutschlands verschiedene „Ballungsgebiete “ der Sikkation vorzufinden sind, bspw. in Ackerbauregionen Ostdeutschlands . Etwa 27,5 % des deutschlandweiten Glyphosatverbrauches entfällt auf den Winterraps, gefolgt von Wintergerste (20,1 %) und Winterweizen (15,8 %; Steinmann et al., 2012).“53 In einer Publikation aus dem Jahre 2015 werden Teile der genannten Dissertation veröffentlicht.54 Hier weist Schulte darauf hin, dass ungeachtet des momentan bestehenden ökonomischen Vorteils die Resistenzbildung in Zukunft dazu führen kann, dass diese erheblich abgemildert würden : „Eine Untersuchung aus Italien zeigt, dass im Jahr 2013 die erste Resistenz eines Ungrases (Lolium spp.) gegenüber Glyphosat im europäischen Ackerbau identifiziert wurde (Collavo und Sattin, 2013).“55 *** 53 Zitat ist im Internet als Leseprobe abrufbar unter: https://cuvillier.de/uploads/preview /public_file/10331/9783736994195_Leseprobe.pdf [zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017]. 54 Michael Schulte, Ludwig Theuvsen: Der ökonomische Nutzen von Herbiziden im Ackerbau unter besonderer Berücksichtigung des Wirkstoffs Glyphosat JOURNAL FÜR KULTURPFLANZEN, 67 (8). S. 269–279, 2015, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JFK.2015.08.01; im Internet abrufbar unter: https://www.journal-kulturpflanzen.de/artikel .dll/jfk-2015-08-schulte-and-theuvsen_NDgwOTA3NQ.PDF [zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017]. 55 Ebd., Seite 276. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 024/17 Seite 16 Anlagen Christopher J. Portier: Open letter: Review of the Carcinogenicity of Glyphosate by EChA, EFSA and BfR vom 28. Mai 2017 Anlage 1