© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 023/21 Technische Fragen zum Temperieren von Lithium-Ionen-Batterien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 023/21 Seite 2 Technische Fragen zum Temperieren von Lithium-Ionen-Batterien Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 023/21 Abschluss der Arbeit: 7. April 2021 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 023/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Energieaufwand für das Wärmen von Lithium-Ionen- Akkumulatoren 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 023/21 Seite 4 1. Einleitung Die folgende Arbeit behandelt technische Einzelfragen zum Energieaufwand für das Wärmen1 von Lithium-Ionen-Akkumulatoren2 von Elektrofahrzeugen3 in der kalten Jahreszeit. Aktuell gibt es auf dem Markt verschiedene Batteriedesigns4. Den Ladevorgang beeinflussen beispielsweise die Batteriegröße, Umgebungsbedingungen insbesondere in der kalten Jahreszeit und die Art des Ladens (Fahrbetrieb oder Schnellladen).5 Für das Laden von Lithium-Ionen-Akkumulatoren gilt im Allgemeinen: „Kein Laden unter dem Gefrierpunkt“.6 In der kalten Jahreszeit müssen die Batterien vorgewärmt werden. Nicht immer ist eine Temperierung der Akkus vor dem Laden notwendig, da sich die Batterie im normalen Fahrbetrieb bei Energieentnahme ausreichend erwärmt. Erst im Winter durch Abkühlung bei längerer Standzeit oder wenn nach nur kurzer Fahrstrecke zum Beispiel eine Schnellladung erfolgen soll, wird ein Wärmen der Batterie überhaupt notwendig. 2. Energieaufwand für das Wärmen von Lithium-Ionen-Akkumulatoren Die Parameter, die die Energiemenge beim Heizen der Batterie beeinflussen, sind zum Beispiel die Außentemperatur, das Gewicht der Batterie7 und die Qualität der thermischen Isolation der Batterie zur Außenumgebung. Die Stärke der Isolation ist von Modell zu Modell unterschiedlich. Die elektrisch aus der Fahrbatterie aufzubringende Energiemenge beim Heizen kann beispiels- 1 auch als Heizen oder Temperieren bezeichnet 2 auch als Lithium-Ionen-Batterien bezeichnet 3 insbesondere Pkw (BEV, Battery Electric Vehicle) 4 Siehe auch eine Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste „Energiespeicher der Elektromobilität“, WD 8-090-20, https://www.bundestag.de/resource/blob/819220/31128d3d32638f43627fa8a99bd3cb83/WD-8-090-20-pdfdata .pdf 5 Nach Auskunft von Produktbereichsleiter Angewandte Elektrochemie, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) (2021) 6 Batteryuniversity (2017). „BU-410: Charging at High and Low Temperatures“, https://batteryuniversity .com/learn/article/charging_at_high_and_low_temperatures Fraunhofer ISI (2020). „Batterien für Elektroautos: Faktencheck und Handlungsbedarf“, https://www.isi.fraunhofer .de/content/dam/isi/dokumente/cct/2020/Faktencheck-Batterien-fuer-E-Autos.pdf 7 Mit dem Gewicht ist die thermische spezifische Kapazität der Batterie gemeint, die hauptsächlich von der Kapazität in Wh abhängig ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 023/21 Seite 5 weise auch von der Nutzung einer Wärmepumpe abhängen. Wärmepumpen in Fahrzeugen können die Abwärme aus anderen Fahrzeugkomponenten für die Heizung der Batterie und des Fahrzeuginnenraums bereitstellen.8 Die folgenden drei Beispiele stellen Aspekte des Vorwärmens von Lithium-Ionen-Akkumulatoren dar: Die Experten des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) unterscheiden zwischen dem Wärmen des Innenraums, dem Wärmen der Batterie während der Fahrt und dem Wärmen der Batterie an der Ladesäule.9 Wärmen des Innenraums: Bei Elektrofahrzeugen steht im Gegensatz zu einem Verbrennungsmotor keine größere Menge an überflüssiger Wärme zur Verfügung, d.h. die Energie ist rein elektrisch und stammt aus der Batterie. Leistungen von bis zu ca. 5 kW können während der Fahrt für das Wärmen verwendet werden. Zum Vergleich: bei 100 km/h werden ca. 20 kW für den Antrieb verbraucht. Wärmen der Batterie während der Fahrt: Die Bremsenergie, die bei einigen Fahrzeugmodellen als elektrische Energie in der Lithium -Ionen-Batterie während der Fahrt gespeichert werden kann, wird nicht regenerativ in die Batterie überführt, sondern als Wärme beim Bremsen abgegeben, solange die Batterie während der Fahrt zu kalt ist. Wärmen der Batterie an der Ladesäule: Dies wird am Beispiel einer 100 kWh Batterie des Tesla Modells S P100D mit einem Gewicht von ca. 650 kg verdeutlicht: Das Gewicht bzw. die spezifische Wärmekapazität dieser Batterie wird im Zahlenbeispiel mit der Wärmekapazität von Aluminium gleichgesetzt (knapp 900 J/(kg K)). Um die Temperatur von 650 kg Aluminium um 10 °C zu erhöhen, benötigt man die elektrische Energie von 1.625 Wh.10 Um die Batterie bei einer Außentem- 8 Nach Auskunft von Produktbereichsleiter Angewandte Elektrochemie, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) (2021) 9 Nach Auskunft von Leiter des Competence Centers Neue Technologien, Leiter des Geschäftsfelds Industrielle Technologien des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI (2021) 10 650 x 900 x 10 = 5.850.000 J = 1.625 Wh Dies gilt für den Fall, dass keine Konvektion zustande kommt bzw. die Batterie von der Umgebung perfekt thermisch isoliert ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 023/21 Seite 6 peratur von minus 10 °C laden zu können, muss diese auf 0 °C geheizt werden. Nach dieser Beispielrechnung muss dafür die Energiemenge von 1,625 kW eine Stunde lang zur Verfügung stehen.11 Ein weiteres Zahlenbeispiel von Experten des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie (ICT), legt ein Elektrofahrzeug mit einer Fahrbatterie mit 93 kWh zu Grunde. Dieses Fahrzeug heizt elektrisch mit max. 6 kW. Die Batterietemperatur steigt um etwa 0,5 °C/min. Für ein Delta von 10 K ergibt dies einen Energieaufwand von ca. 2,2 kWh (inklusive weiterer Verbraucher, wie Pumpen etc.). Das sind ca. 2,3 % der vollgeladenen Batterie. Bei einer kleineren Batterie (z.B. 32 oder 64 kWh Kapazität) ist entsprechend eine geringere Heizleistung nötig. Für eine Schnellladung im Winter nach nur kurz gefahrener Strecke, wäre eine Heizung der Batterie, wie im Beispiel angenommen, mit 6 kW Heizleistung, notwendig.12 Mögliche Energieeinsparungen durch den Einsatz von Wärmepumpen untersucht ein weiteres Beispiel: Eine Gegenüberstellung eines Vergleichstests zwischen einem Tesla Model 3 mit und ohne Wärmepumpe und dem Test eines VW ID.3 mit und ohne Wärmepumpe, zeigt sehr unterschiedliche , nicht unmittelbar vergleichbare Ergebnisse: Beide Tesla-Fahrzeuge ließen die Tester „mit identischen Einstellungen insgesamt drei Stunden bei 3 Celsius im Freien stehen und werteten dann die Batterie-Ladezustände aus. Demnach verbrauchte das mit der Wärmepumpe ausgestattete Model 3 nur 3 Prozent seines Akkus, benötigte also 0,735 kW Heizleistung. Das ältere Model 3 ohne Wärmepumpe dagegen nutzte 10 Akku-Prozent bei 2,17 kW Heizleistung.“ Die Tester schlussfolgern, dass die Wärmepumpe im Tesla Heizleistung spart. Der Unterschied macht „beim Fahren 0,15 kWh auf 100 Kilometer oder eineinhalb Minuten Unterschied beim Laden aus.“13 Der Test zweier VW ID.3, mit und ohne Wärmepumpe, im Stand und bei der Fahrt zeigt, dass „die Wärmepumpe im Stand sparsamer blieb und 2,24 kWh weniger im Vergleich zum ID.3 ohne Wärmepumpe verbrauchte, sich aber beim Fahren ein bis zu 0,7 kWh höherer Verbrauch des ID.3 mit Wärmepumpe ergab.“14 Welchen prozentualen Anteil an der Energiemenge einer Akkuladung das Wärmen in der kalten Jahreszeit ausmacht, oder ob dies von der Größe des Akkumulators abhängig ist, hängt auch von 11 Thermische Verluste werden bei dieser Rechnung vernachlässigt. 12 Nach Auskunft von Produktbereichsleiter Angewandte Elektrochemie, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) (2021) 13 TESLAVIAG (2020). „Wärmepumpen-Tests: Sparheizung in Tesla Model 3 erfüllt Versprechen, in VW ID.3 nicht“, https://teslamag.de/news/waermepumpen-vergleich-tesla-model-3-erfuellt-versprechen-vw-id3-nicht- 32075 14 TESLAVIAG (2020). „Wärmepumpen-Tests: Sparheizung in Tesla Model 3 erfüllt Versprechen, in VW ID.3 nicht“, https://teslamag.de/news/waermepumpen-vergleich-tesla-model-3-erfuellt-versprechen-vw-id3-nicht- 32075 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 023/21 Seite 7 der Architektur des Fahrzeugs ab und ist nicht pauschal zu beantworten.15 Ein Temperieren der Batterien wird nach Aussage von Experten auch in Zukunft von Fahrzeugen im Markt notwendig sein. Es sei aber durchaus zu erwarten, dass das Thermomanagement in den Fahrzeugen immer effizienter wird, so dass der Anteil an elektrischer Energie aus den Fahrbatterien, die zur Batterie -Temperierung eingesetzt werden muss, eher nicht linear zunimmt.16 Den Einfluss der Parameter der Reichweitenreduzierung in Abhängigkeit von der Außentemperatur zeigt anschaulich ein Reichweitenrechner. Die Berechnungen setzen als Standard eine Temperatur im Auto von 20 °C voraus. Bei sinkenden Temperaturen gehen für die Heizleistung 2 kW Heizleistung für eine Temperaturdifferenz von 20 °C in die Berechnungen ein.17 Wie sich die benötigte Energiemenge mit der Forschung an Elektrobatterien in Deutschland entwickeln könnte, darüber sind derzeit keine konkreten Erkenntnisse bekannt. Elektroautos mit Reichweiten von über 500 Kilometern gibt es bereits und Reichweiten von bis zu 1000 Kilometern sind angekündigt.18 Damit steigen auch die Kapazitäten der Batterien. Batteriekapazität und Heizleistung skalieren jedoch nicht linear zueinander. Ein in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienener Gastbeitrag eines Wissenschaftlers des Helmholtz-Instituts Ulm (HIU) beschreibt die bisherigen Entwicklungen und gibt einen Ausblick über das Potential alternativer Ansätze und neuer Materialien.19 *** 15 Nach Auskunft von Leiter des Competence Centers Neue Technologien, Leiter des Geschäftsfelds Industrielle Technologien des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI (2021) 16 Nach Auskunft von Produktbereichsleiter Angewandte Elektrochemie, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) (2021) 17 efahrer.com (2021). „Reichweitenrechner“, https://efahrer.chip.de/reichweitenrechner 18 efahrer.com (2020). „Elektroautos mit der größten Reichweite 2021: Diese E-Autos fahren am weitesten“, https://efahrer.chip.de/e-wissen/elektroautos-mit-der-groessten-reichweite-2021-diese-e-autos-fahren-am-weitesten _10533 SALD (2021). Pressenachricht „Batteries for Electric Cars“, https://www.spatialald.com/SALD-batteries-for-electric -cars.html bzw. „SALD: Unser Technologieansatz ist Eigenentwicklung“, https://www.presseportal .de/pm/148814/4769388#:~:text=Eindhoven%2C%2020.,SALD)%20um%20eine%20Eigenentwicklung %20handelt 19 Fichtner, M., FAZ+ (2021) „Mittendrin in der Batterierevolution“, Nr. 50 vom 1. März 2021, Seite 18, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/mittendrin-in-der-batterie-revolution-17220712.html Prof. Dr. Fichtner ist stellvertretender Direktor am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) und Sprecher des gemeinsamen Batterieclusters POLiS des KIT und der Universität Ulm.