Deutscher Bundestag Innenraumluftbelastungen durch Dämmstoffe Schadstoffe in Dämmmaterialien und deren mikrobiologische Hygiene Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 8 – 3000 - 20/12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 – 3000 - 20/12 Seite 2 Innenraumluftbelastungen durch Dämmstoffe Schadstoffe in Dämmmaterialien und deren mikrobiologische Hygiene Aktenzeichen: WD 8 – 3000 - 20/12 Abschluss der Arbeit: 5. März 2012 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 – 3000 - 20/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Theoretische Erwägungen zu Schadstoffen und gesundheitlichen Belastungen durch Dämmmaterialien 4 2. Schadstoffmessungen und Untersuchungen zur mikrobiologischen Hygiene von Dämmmaterialien 5 3. Literatur- und Anlagenverzeichnis 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 – 3000 - 20/12 Seite 4 1. Theoretische Erwägungen zu Schadstoffen und gesundheitlichen Belastungen durch Dämmmaterialien Dämmstoffe zählen rechtlich zu den Bauprodukten. Chemisch werden anorganisch-mineralische Dämmstoffe von organischen Dämmstoffen unterschieden. Organische Dämmstoffe untergliedern sich in natürliche Materialien wie Schafwolle und künstliche Werkstoffe wie Polystyrolschäume. Die Landesbauordnungen legen fest, dass bauliche Anlagen weder Leben noch Gesundheit noch natürliche Lebensgrundlagen bedrohen dürfen. Dennoch sind Schadstoffe in Innenräumen immer wieder Gegenstand von akademischen und vor allem von baubiologischen Untersuchungen, die von Einzelpersonen in Auftrag gegeben werden. Dämmstoffe können unterschiedliche gesundheitsbedenkliche Chemikalien enthalten und freisetzen , zum Beispiel Formaldehyd, Styrol, Isocyanat, Phenol und andere aromatische Kohlenwasserstoffe . Organisch-chemische Dämmstoffe enthalten überdies meist auch Flammschutzmittel und Insektenschutzmittel, die je nach Dampfdruck allmählich und je nach Art der Bindung im Werkstoff in die Luft übergehen können. Während ihrer Lebensdauer in Gebäuden sollten sie allerdings allenfalls in geringem Umfang ausgasen, da Dämmmaterialien meist durch Putz, Folien und Verkleidungen abgeschottet sind und nicht in direktem Kontakt mit der Raumluft stehen (Lünser 2000: 217). Die häufigsten im Bauwesen verwendeten Dämmstoffe sind künstlich erzeugte Mineralfasern, die großteils als Dämmwolle in Form von Steinwolle und Glaswolle verarbeitet werden. Diese sind in einer bestimmten Größe im Tierversuch krebserregend. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit zu Asbestfasern wird auch ein krebserzeugendes Potenzial beim Menschen angenommen , obwohl hierfür bisher kein eindeutiger Nachweis erbracht ist. Eine potenzielle Gesundheitsgefahr geht von den Fasern aber erst dann aus, wenn sie in die Lunge gelangen (Länge < 250 μm, Dicke < 3 μm) und dort nicht aufgelöst werden. Diese beiden wichtigsten Einflussfaktoren, die Lungengängigkeit und die Biolöslichkeit der Fasern, werden durch den Kanzerogenitätsfaktor beschrieben. Fasern mit einem Faktor > 40 sollten nicht verwendet werden; Fasern mit einem Faktor >= 40 gelten als unbedenklich (Lünser 2000: 217). Dieses Limit besagt, dass sich nach 40 Tagen die Hälfte der Fasern in der Lunge aufgelöst haben müssen. Herstellungsbedingt enthalten allerdings alle Mineralwollen einen gewissen Anteil an Fasern im kritischen Bereich. Um die gesundheitliche Unbedenklichkeit für mineralische Dämmstoffe zu gewährleisten, muss eine Prüfung nach Gefahrstoffverordnung bzw. Chemikalien-Verbotsverordnung und nach europäischem Recht nach EG-Verordnung Nr. 1272/2008 durchgeführt werden. Die Freizeichnung wird als Zertifizierung von der Gütegemeinschaft Mineralwolle e.V. durchgeführt und durch Verleihen des RAL-Gütezeichens (RAL-GZ 388) kenntlich gemacht (Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung 2011). Entsprechende Produkte sollten nach dem Stand der Wissenschaft nicht krebserzeugend sein. Allerdings kann es beim Umbau oder der Sanierung von Gebäuden zu einer Belastung mit älteren potenziell krebserzeugenden Materialien kommen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 – 3000 - 20/12 Seite 5 2. Schadstoffmessungen und Untersuchungen zur mikrobiologischen Hygiene von Dämmmaterialien 2010 testete das Magazin Öko-Test 17 unterschiedliche Dämmstoffe aus künstlichen und nachwachsenden Rohstoffen aus dem Handel, die für geneigte Dächer eingesetzt werden. Dabei wurde auch geprüft, ob diese Produkte Schadstoffe absondern. Zwei Dämmstoffe aus Holzfasern und Glaswolle erhielten die beste Note; mehr als die Hälfte der Produkte wurde als „gut“ oder „sehr gut“ klassifiziert. Drei Polystyrole setzten allerdings flüchtige organische Chemikalien frei, darunter aromatische Kohlenwasserstoffe wie das potenziell krebserregende Styrol. Ein Produkt aus Cellulose und ein weiteres aus Holzfasern gaben Hexanal ab, das unangenehm riecht. Öko-Test wertet diese Produkte ab, weil die Substanzen trotz Verkleidung in die Raumluft dringen können, weist aber darauf hin, dass die Schadstoffbelastung bei der Verarbeitung besonders problematisch ist. Sechs Schaumkunststoffe enthielten halogenierte Chemikalien. Teilweise handelt es sich um bromierte oder phosphororganische Flammschutzmittel, die dazu dienen, die vorgeschriebenen Brandschutzanforderungen einzuhalten. Unter den Flammhemmern war auch Hexabromcyclodekan HBCD vertreten, das von der europäischen Chemikalienbehörde ECHA in Helsinki als besonders besorgniserregender Stoff in die sogenannte Kandidatenliste bevorzugt zu bewertender Stoffe aufgenommen wurde. Grund hierfür sind die persistenten bioakkumulierenden und/oder toxischen (PBT) Eigenschaften des Stoffes entsprechend Artikel 57d der Verordnung Nr. 1907/2006. Bei zwei weiteren Handelsprodukten mahnt Öko-Test Borverbindungen als Flammschutzmittel an. Die meisten Chemikalien dieser Substanzklasse stünden im Verdacht, die Fortpflanzung zu schädigen. Öko-Test untersuchte die verschiedenen Materialien auch auf ihre mikrobiologische Unbedenklichkeit . Dabei waren einige der nachwachsenden Rohstoffe stark mit Pilzen und Bakterien belastet . Da auch tote Sporen oder Mikroben allergische Reaktionen hervorrufen oder auslösen können , führte dies bereits zu einer Abwertung. Auf einem Werkstoff aus Kork ließen sich besonders leicht viele Pilze und Bakterien kultivieren. Bei einem Feuchtigkeitseinbruch oder Bauschaden ist laut Öko-Test mit einem schweren mikrobiologischen Befall zu rechnen, weshalb das Material nicht zu empfehlen sei. Mäßig belastet, überwiegend mit totem biologischen Material, waren im Vergleich dazu die Zellulosefasern. Holzfaserdämmstoffe wie auch künstliche Dämmmaterialien wiesen indes kaum mikrobielles Material auf. 1 Die Stiftung Institut für Werkstofftechnik ging der mikrobiologischen Beständigkeit von elf verschiedenen Dämmstoffen in einem dreijährigen Forschungsprojekt auf den Grund. Die ökologischen (Holzfaser, Zellulose, Kork, Flachs) und mineralischen Dämmmaterialien (Mineralwolle und Blähton) neigten bei 20 Grad Celsius besonders zur Schimmelbildung. Laut Institut wäre eine Belastung der Innenraumluft nicht auszuschließen, wenn die Dämmmaterialien nicht ausreichend abgeschirmt sind. Dem gegenüber werden die künstlichen Dämmstoffe unterhalb von 24 Grad Celsius kaum von Sporen bewachsen. Darüber werden sie allerdings bei relativ geringer Luftfeuchte von 45 Prozent besiedelt (Küver, Peterschewski, Meinke 2004). 1 Die Untersuchungsergebnisse sind gegen Gebühr unter http://emedien.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=96275;bernr=01;co= erhältlich. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 – 3000 - 20/12 Seite 6 3. Literatur- und Anlagenverzeichnis Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2001). Künstliche Mineralfaserdämmstoffe. 1/2011, S. 1-19. Im Internet: www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/.../2011/.../DL_1_2011.pdf [Stand:29.02.2012]. Anlage 1 Küver, Jan; Peterschewski, Jörg; Meinke, Ruth (2004). Untersuchungen zum Verhalten von konventionellen und ökologischen Dämmstoffen gegenüber mikrobiellem Befall unter verschiedenen klimatischen Bedingungen und Bewertung der mikrobiellen Kontamination für die Wohnhygiene und Effizienz der Energieeinsparung – BIODÄM. 1. Oktober 2004, IRB Verlag. Lünser, Heiko (2000). Auswahl und Bewertung von Dämmstoffen. Im Internet: http://129.69.59.201/bibliothek/festschr/luenser.pdf [Stand: 29.02.2012]. Anlage 2