Bedrohte Ressource Wasser - Internationale Einschätzungen von Ursachen und Folgen - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 8 – 3000 - 019/2008 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Bedrohte Ressource Wasser - Internationale Einschätzungen von Ursachen und Folgen Ausarbeitung WD 8 – 3000 - 019/2008 Abschluss der Arbeit: 25.02.2008 Fachbereich WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Einleitung „Troubled Waters“ (Newsweek1), „The Future is drying up“ (New York Times2), „Menace sur les grands fleuves“ (Le Monde3) oder „Water becomes the new oil“ (Observer 4) - diese und ähnliche Schlagzeilen finden sich in jüngster Zeit immer häufiger in den Medien. Darin drücken sich nicht etwa grundlegend neue Erkenntnisse über die Ursachen der Bedrohung der weltweiten Wasservorräte aus. Die wesentlichen Gründe sind seit längerem bekannt: die Klimaerwärmung, die Bevölkerungsexplosion, die industrielle Verschmutzung von Wasser, der Tourismus, schwerwiegende Eingriffe in Landschaften und Ökosysteme etc. Was sich dagegen in jüngerer Zeit verändert hat, ist das zunehmende Bewusstsein der Bedeutung des Problems wie seiner globalen Folgen. 2. Ressource Wasser - Sichtweisen und Stellungnahmen Seit langem ist bekannt, dass Wasser in verschiedenen Teilen der Welt eine ebenso begehrte wie kostbare Ressource ist. Das gilt für Afrika, Indien und insbesondere in China : „(…) it is in China - the world's biggest emitter of greenhouse gas - that the water problem is most pronounced, as fears grow that the country is turning into an ecological disaster area. The head of the country's national development agency said recently that a quarter of the length of China's seven main rivers was so poisoned that the water was harmful to the skin. Moreover, water-related issues are sparking popular protests after the sanctioning of dams and irrigation projects that have displaced hundreds of thousands of people who have no recourse to compensation. Beijing has passed legislation to punish companies that pollute supplies but, in China, such laws can be difficult to enforce.” 5 Ebenso werden in der Umweltpolitik schon seit längerem die Verbindungslinien zu Konflikten um Wasser gesehen, z.B. zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten , der Türkei und Syrien oder im Sudan. Immer wieder finden sich Medienberichte, die die Situation in einzelnen Regionen der Welt thematisieren, z.B. in Korea, Sri Lanka , Spanien oder Kalifornien. Zunehmend werden allerdings die übergreifenden Auswirkungen regionaler Probleme um Wasser herausgestellt: „Like the famines of the '80s, the global water crisis is far more than a straightforward issue of scarcity. Accidents of geography, forces of industry and the machinations of politics may all play a role in who gets water--just as warlords, as well as droughts, were responsible for starvation in Ethiopia. In many ways, the famines contributed tot- 1 Carmichael, Mary, Troubled Waters; Drought, pollution, mismanagement and politics have made water a precious commodity in much of the world in: Newsweek, 4. Juni 2007. 2 Gertner, Joe, The Future is drying up in: The New York Times, 21. Oktober 2007. 3 Foc, Menace sur les grands fleuves in: Le Monde, 6. April 2007. 4 Wachmann, Richard, Water becomes the new Oil als world runs dry in: The Observer, 9. Dezember 2007. 5 Ebda. - 4 - day's man-made droughts: the crops grown in the worldwide "green revolution" of the past three decades sated hunger but sapped water in the process.6 Ein aufschlussreiches Beispiel ist die Diskussion um die Wasservorräte Tibets, das zugleich als „water tower of Asia“7 eingeschätzt wird. Auch Stichworte wie „transboundary water sharing“ fallen häufiger als früher. Studien wie „Water and Global Change“ (2007) stellen eindringlich die Zusammenhänge zwischen den Weltwasservorräten und der Klimaerwärmung heraus: “Water is of vital importance: Without water no life would exist and our planet would be a huge desert. Water plays a dominant role in the climate system as well. Atmospheric water vapour is the most important greenhouse gas; over 60% of the greenhouse effect of the atmosphere is due to water vapour. Without greenhouse gases the mean surface temperature of our planet would be around -18 °C. Water is the basic condition for the high biodiversity on Earth. Plants, animals and humans are composed of 50-80% water. They are stressed, fall ill or die from water scarcity or polluted water. Therefore, our common future is endangered when water is not available in sufficient amount and quality.”8 Ebenfalls stärker in den Blick gerückt sind die weltweiten Auswirkungen des Tourismus , wie ein Artikel in „L’Express“ zeigt: „Chaque année, près de 1 milliard d'hommes migrent pour leur plaisir, parcourant en moyenne 1 900 kilomètres chacun, essaimant des souvenirs plus ou moins reluisants. Le ciel n'y échappe pas : les vacances et les loisirs sont responsables de plus de 5 % des émissions globales de gaz à effet de serre (GES), dont 1,6 % imputables à l'avion. Cette pollution n'épargne aucun recoin de la planète, des déserts à la banquise, des fosses marines aux plus hauts sommets (…) Ronald Sanabria, responsable costaricain du tourisme durable au sein de l'ONG Rainforest Alliance, pointe les conséquences directes de cette évolution : « Les ressources en eau et en énergie s'épuisent, les sites naturels sont surfréquentés, les déchets s'accumulent faute de ramassage, les eaux usées s'écoulent n'importe comment, les espèces locales disparaissent ou sont concurrencées par l'introduction anarchique d'espèces exogènes. Sans parler de la pollution visuelle sur certains sites et du mépris manifesté à l'égard des cultures locales !”9 Weitere wesentliche Faktoren stellt eine aktuelle Publikation der „European Environment Ageny“ heraus „Es gibt zwar noch Unklarheiten über die Höhe und das Ausmaß der Veränderungen der Niederschlagsmengen in den verschiedenen Gebieten, doch der aktuelle Stand des Wissens zeigt eindeutig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Sektorale und regionale Aspekte: Wasser ist eines der wichtigsten Umweltgüter, so dass Auswirkungen auf den Wasserhaushalt einen Kaskadeneffekt haben. Den Vorhersagen zufolge werden folgen- 6 Carmichael. 7 Immerzeel W.W. et al., Can Payments for ecosystem services secure the water tower of Tibet? In: Nederlands Geografische Studien 369 (97-113, 2008. 8 Gerten, Dieter et al. „Water and Global Change“, (Potsdam Institut für Klimafolgenforschungen, Projekt 1.3.2007-28.2.2011.) 9 Festraets, Marion, „La Planete malade du tourisme“ in : L’Express, 26. Juli 2007. - 5 - de Wirtschaftssektoren davon am meisten betroffen sein: Landwirtschaft (höherer Bedarf an Bewässerung), Energie (Abnahme des Wasserkraftpotentials und geringere Verfügbarkeit von Kühlwasser), Gesundheit (schlechtere Wasserqualität), Freizeit und Erholung (Einschränkungen im Tourismus) sowie Fischerei- und Schifffahrtswesen. Außerdem sind schwere Auswirkungen auf die bereits bedrohte Artenvielfalt zu befürchten . Die Haupteffekte sind Überschwemmungen in Mitteleuropa, Wasserenergie-, Gesundheits - und Ökosystemprobleme in den nördlichen Ländern und Wassermangel in den südlichen Ländern.“10 Zugleich wird auf die Notwendigkeit von europäischem bzw. internationalem „Wassermanagement “ hingewiesen: „Klimawandel ist ein wichtiger Einflussfaktor, doch das europäische Wassermanagement wird natürlich auch noch von anderen Faktoren beeinflusst. Deshalb muss eine Integration zwischen den mit dem Klimawandel einhergehenden Problemen und anderen Faktoren stattfinden. Beispielsweise können Wechselwirkungen zwischen erhöhtem Wasserbedarf in der Landwirtschaft und der Tourismusbranche und Änderungen der Landnutzung in hochwassergefährdeten Gebieten die Anfälligkeit für die Auswirkungen des Klimawandels deutlich erhöhen. Deshalb müssen Strategien in Bezug auf Anpassungsmaßnahmen in bereits existierende nationale, politische und institutionelle Rahmenwerke eingebunden werden. Die Anpassung insgesamt scheint leichter vonstatten zu gehen, wenn sie mit anderen Zielen einhergeht und wenn Lösungen mit Gewinn für mehrere Betroffene umgesetzt werden können, die auch noch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Eine Reihe von Strategien und Aktionen bieten sich hier an, darunter auch 'No regrets'- Maßnahmen, d.h. Maßnahmen, die schon aus anderen Erwägungen sinnvoll sind.“11 Zum Thema „Wasser“ finden sich immer wieder Themenhefte in internationalen Magazine wie „Time“ oder zuletzt den „Schweizer Monatsheften“12. Auffällig ist, wie häufig inzwischen auch kurze Meldungen über die Wassersituation in Zeitungsartikeln platziert werden.13 Nicht zufällig ist das Buch „Wenn die Flüsse versiegen“ des englischen Journalisten Fred Pearce ein Beststeller.14 Durch diese Publikation wurden zahlreiche Artikel in einflussreichen internationalen Zeitungen angeregt, z.B. in „Le Monde“: „(…) le plus fort risque pour les grands fleuves est tout simplement leur assèchement. Quatre présentent les signes typiques des fleuves surexploités : le Rio Grande, le Gange, l'Indus et le Nil. Ils ont parfois du mal à rejoindre la mer. Des pratiques agricoles inadaptées sont en cause. " J'ai vu, dans la région du lac Tchad, d'immenses surfaces de blé irriguées, aménagées à coups de millions d'aide au développement ", rapporte M. 10 European Environment Ageny (Hg.), Climate chance and water adaptation issues, Kopenhagen 2007. 11 Ebda. 12 Vgl. Dossier „Knappes Wasser“ in : Schweizer Monatshefte November 2007 13 So zuletzt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ im Kurzbericht über die Jahrestagung des amerikanischen Wissenschaftsverbands AAAS : „Nur noch vier Prozent der Meere unberührt.“ Vgl. auch den Hinweis: Mehr als 40 % dagegen sind wegen menschlicher Eingriffe schon stark angegriffen . Dies geht aus der ersten globalen Meereskarte hervor (…)“. FAZ, 15. Februar 2008. 14 Pearce, Fred, Wenn die Flüsse versiegen, München 2007. - 6 - Landenbergue. Le riz, céréale reine en Asie, est un gros consommateur d'eau. L'élevage du bétail, qui nécessite une production massive de fourrage, l'est encore davantage. Partout , le recours à l'eau souterraine s'accroît, bien que sa capacité de renouvellement soit beaucoup plus lente. Là encore, les fléaux se conjuguent. Quand un débit est trop faible, les pollutions domestiques, urbaines ou industrielles ne sont pas diluées ni évacuées, et l'eau contaminée alimente les villes et les champs. La salinisation gagne à l'aval des fleuves, ce qui diminue encore la quantité d'eau disponible.”15 Betont wird hier, dass es durchaus Lösungen für die bedrängenden Probleme gibt: “Les solutions techniques existent: réduction de l'impact des constructions, quotas de pêche, construction de stations d'épuration des eaux usées, etc. L'agriculture est en première ligne. Selon de nombreux experts, elle doit désormais effectuer une " révolution bleue ", après la révolution verte, qui permit une formidable augmentation des rendements grâce à la chimie et à la sélection variétale. Des techniques d'irrigation plus efficaces doivent être généralisées. Cela pourrait ne pas suffire. " Il s'agit de penser l'implantation des cultures en fonction des quantités d'eau disponibles, et non l'inverse ", résume le journaliste anglais Fred Pearce, dans son ouvrage Quand meurent les grands fleuves.”16 Nicht nur das umweltpolitische Stichwort der „revolution bleue“ erscheint beachtenswert . Durch Pearce ist z.B. auch ein Fachbegriff wie „virtuelles Wasser“ einem größeren Publikum bekannt geworden. Die Erfahrungen der Umweltpolitik früherer Jahrzehnte belegen, wie wichtig es für das Problembewusstsein sein kann, wenn ein Begriff wie „Nachhaltigkeit“ über den umweltpolitischen Diskurs hinaus geläufig wird. Beachtenswert erscheint in vielen Berichten - in Anlehnung an den Stern-Report - eine stärkere Ausrichtung auf die wirtschaftlichen Folgen von Wasserknappheit. Ein Indiz sind Formulierungen wie „water pipelines“ oder „peak water“17 - ein Begriff, der dem Terminus „peak oil“ angelehnt ist und im einen wie im anderen Fall auf die Überschreitung des Höhepunktes der weltweit vorhandenen Vorräte aufmerksam macht. Aufschlussreich auch die Hinweise auf Zusammenhänge zur Energieknappheit gerade in Ländern mit rasant steigendem Energiebedarf. Das gilt vor allem für die chinesischen Versuche, über Wasserwirtschaft Energie zu erzeugen. Der ökologisch von Anfang an umstrittene Bau des weltgrößten Staudamms erweist sich als zwiespältig, weil er massive Umweltverschmutzung und Geländeerosionen zur Folge hat. Hierzu heißt es in einem Artikel der „New York Times“: “Last year, Chinese officials celebrated the completion of the Three Gorges Dam by releasing a list of 10 world records. As in: The Three Gorges is the world's biggest dam, biggest power plant and biggest consumer of dirt, stone, concrete and steel. Ever. Even the project's official tally of 1.13 million displaced people made the list as record No. 10. Today, the Communist Party is hoping the dam does not become China's biggest 15 Foc in: Le Monde 16 Ebda. 17 Gertner. - 7 - folly. In recent weeks, Chinese officials have admitted that the dam was spawning environmental problems like water pollution and landslides that could become severe. Equally startling, officials want to begin a new relocation program that would be bigger than the first. The rising controversy makes it easy to overlook what could have been listed as world record No. 11: The Three Gorges Dam is the world's biggest man-made producer of electricity from renewable energy. Hydropower, in fact, is the centerpiece of one of China's most praised green initiatives, a plan to rapidly expand renewable energy by 2020.”18 Zusammenfassend wird im Artikel das Grundproblem umrissen: “The Three Gorges Dam, then, lies at the uncomfortable center of China's energy conundrum : The nation's roaring economy is addicted to dirty, coal-fired power plants that pollute the air and belch greenhouse gas emissions that contribute to global warming. Dams are much cleaner producers of electricity, but they have displaced millions of people in China and carved a stark environmental legacy on the landscape.”19 3. Schlussbemerkungen Selbstverständlich ist die Betrachtung der Presse- und Medienberichterstattung zum Thema „Bedrohte Ressource Wasser“ nur ein Indikator. Zur Schärfung des weltweiten Problembewusstseins tragen ebenso die vielen politischen Initiativen der letzen Dekade wesentlich bei, vor allem die Aktivitäten der UN (z.B. „World Water Decade 2005- 2015“), der Europäischen Union (z.B. die „1. Europäische Wasserkonferenz“ 2007) und der Bundesregierung (z.B. das Symposium „Wasser und Klima“/„Time to Adapt - Climate Change and the European Water Dimension“ im Februar 2007 in Berlin). In jüngster Zeit gewinnt man den Eindruck, dass der Fokus der umweltpolitischen Berichterstattung von der bereits extensiv thematisierten Klimaerwärmung auf das noch relativ neue Thema ‚Wasser’ bzw. „global water crisis“20 übergeht. Dies erscheint als eine wichtige Voraussetzung für weitere politische Initiativen zum Schutz der weltweit bedrohten Ressource Wasser. 18 Yardley, Jim, At China’s Dams, Problems Rise with Water in: The New York Times, 19. November 2007. 19 Ebda. 20 Carmichael. - 8 - 4. Literaturverzeichnis: Carmichael, Mary, Troubled Waters; Drought, pollution, mismanagement and politics have made water a precious commodity in much of the world in: Newsweek, 4. Juni 2007. Dossier „Knappes Wasser“ in : Schweizer Monatshefte November 2007 DPA, “Nur noch vier Prozent der Meere unberührt.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Februar 2008. European Environment Ageny (Hg.), Climate chance and water adaptation issues, Kopenhagen 2007. Festraets, Marion, „La Planete malade du tourisme“ in : L’Express, 26. Juli 2007. Foc, Menace sur les grands fleuves in: Le Monde, 6. April 2007. Gerten, Dieter et al. „Water and global Change“ (Potsdam Institut für Klimafolgenforschungen (Pro-jekt 1.3.2007-28.2.2011.) Gertner, Joe, The Future is drying up in: The New York Times, 21. Oktober 2007. Immerzeel W.W. et al., Can Payments for ecosystem services secure the water tower of Tibet? In: Nederlands Geografische Studien 369 (97-113, 2008. Pearce, Fred, Wenn die Flüsse versiegen, München 2007. Wachmann, Richard, Water becomes the new Oil als world runs dry in: The Observer, 9. Dezember 2007. Yardley, Jim, At China’s Dams, Problems Rise with Water in: The New York Times, 19. November 2007.