© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 – 018/19 Zur Ableitung von NO2-Grenzwerten durch die Weltgesundheitsorganisation _________________________________________________________________________________________ Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 2 Zur Ableitung von NO2-Grenzwerten durch die Weltgesundheitsorganisation Aktenzeichen: WD 8 - 3000 – 018/19 Abschluss der Arbeit: 25. Februar 2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Empfehlungen von Luftqualitätsrichtwerten durch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 4 2.1. WHO Air Quality guidelines 1987 6 2.2. WHO Air Quality guidelines 2000 7 2.3. WHO Air Quality guidelines 2005 9 2.4. Aktualisierung der Air Quality guidelines 2013 10 3. Weiterführende Literatur 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 4 1. Einleitung Stickoxide, d. h. sowohl Stickstoffmonoxid (NO) als auch Stickstoffdioxid (NO2) entstehen beispielsweise in Industrieanlagen (etwa bei der Dynamit- und Nitrozelluloseherstellung), in Kraftwerken , im Verkehr und werden von Gebäudeheizungen emittiert. Aufgrund der Tatsache, dass NO nach einer Emission verhältnismäßig schnell zu NO2 oxidiert wird, liegen Stickoxide in der Umgebungsluft zumeist als NO2 vor. Dies hat zur Folge, dass sich die gesundheitliche Bewertung von Stickoxiden immer auf die gegebenen NO2-Konzentrationen bezieht. Eine Erörterung der Problematik der Stickstoffdioxid-Belastung und der Ableitung von Grenzwerten findet sich beispielsweise auf den Seiten der Weltgesundheitsorganisation1, der Europäischen Union2 und des Umweltbundesamtes3 allgemeine einleitende Überblicksdarstellungen. In Hinblick auf die Ableitung von Richtwerten nimmt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine normative Rolle ein und bewertet die wissenschaftlichen Erkenntnisse, um Leitlinien und Empfehlungen zu entwickeln. 2. Empfehlungen von Luftqualitätsrichtwerten durch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Die WHO Publikation „Air pollution“ wurde 1958 in der Reihe der WHO Technical Report Series veröffentlicht und war die erste Publikation, die sich mit der Luftverschmutzung sowie ihren Auswirkungen auf die Gesundheit beschäftigte. Sie wurde von einer Expertengruppe für den Ausschuss für Umwelthygiene geschrieben.4 Erstmals wurde der Fall der Luftqualitätsnormierung kurz betrachtet, aber konstatiert, dass nicht genügend Daten zur Verfügung ständen, um Normen zum Schutz der Gesundheit festzulegen. Es folgte eine Reihe von Publikationen, in denen u. a. auch die Einführung von Grenzwerten diskutiert wurde. Schließlich erschien 1964 ein Bericht, „Atmospheric pollutants“, in dem die Begriffe „Kriterien“ und „Leitfäden“ definiert und eingeführt wurden.5 Die Leitfäden wurden in vier Kategorien unterteilt, je nach Konzentration und Expositionszeiten in Bezug auf die zunehmende Schwere der Auswirkungen auf die Gesundheit und/oder die Umwelt. Der Begriff "Schwellenkonzentration" wurde nicht verwendet. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass es unmöglich sein würde, international geltende Emissionsnor- 1 Internetverweis: https://www.who.int/phe/health_topics/outdoorair/outdoorair_aqg/en/ [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 2 Internetverweis: https://www.eea.europa.eu/themes/air [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 3 Internetverweis: https://www.umweltbundesamt.de/themen/stickstoffdioxid-belastung-hintergrund-zu-eu [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 4 WHO (1958). Air pollution: fifth report of the Expert Committee on Environmental Sanitation. Geneva: World Health Organization (WHO Technical Report Series, No. 157; http://apps. who.int/iris/handle/10665/40416) [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 5 WHO (1964). Atmospheric pollutants: report of a WHO expert committee. Geneva: World Health Organization (WHO Technical Report Series, No. 271; http://apps.who.int/iris/handle/10665/40578) [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 5 men festzulegen und dass das Vorschreiben solcher Normen im Ermessen der einzelnen Regierungen oder lokalen Behörden liegen müsse. Im Jahr 1972 erschien eine Publikation „Air quality criteria and guides for urban air pollutants“, in der zwar keine Leitlinien vorgeschlagen wurden, aber für SO2, Rauch, CO und photochemische Oxidationsmittel die niedrigsten Umgebungskonzentrationen angegeben wurden, die mit schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit in Verbindung gebracht werden müssen.6 Seit Mitte der 80er Jahre koordiniert die WHO über das Regionalbüro für Europa die Entwicklung einer Reihe von WHO air quality guidelines (AQGs). Seit 1987 sind drei Ausgaben von Ambient AQGs erschienen. Obwohl es sich bei den Leitlinien weder um Normen noch um rechtsverbindliche Kriterien handelt, sollten sie als Orientierungshilfe bei der Verringerung der gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung dienen. Die Leitlinien basierten auf einer Expertenbewertung der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse unter Berücksichtigung verschiedener Forschungsrichtungen (tierisch, toxikologisch, humanklinisch, epidemiologisch). Zu Beginn jedes Leitlinienentwicklungsprozesses wurden der methodische Ansatz und mehrere Kriterien für die Überprüfung von Evidenz und die Entwicklung von Leitlinien vereinbart. Ein Richtwert ist ein numerischer Wert, ausgedrückt als Konzentration in der Umgebungsluft, verbunden mit einer Mittelungszeit. Im Falle der menschlichen Gesundheit stellt der Richtwert eine Konzentration dar, unterhalb derer keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten sind, obwohl er den absoluten Ausschluss von Wirkungen bei Konzentrationen unterhalb des vorgegebenen Wertes nicht garantiert. Seit 2006 arbeitet die WHO an der Entwicklung separater Leitlinien für die Raumluftqualität und hat eine Reihe Indoor-spezifischer AQGs veröffentlicht, die gesundheitsbezogene Empfehlungen zu ausgewählten Luftschadstoffen geben. 6 WHO (1972). Air quality criteria and guides for urban air pollutants: report of a WHO expert committee. Geneva : World Health Organization (WHO Technical Report Series, No. 506; http://apps.who.int/iris/handle /10665/40989) [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 6 2.1. WHO Air Quality guidelines 1987 Die erste Ausgabe der Luftqualitätsrichtlinien für Europa erschien 1987.7 Hierin wurden “Guideline values for individual substances based on effects other than cancer or odour/annoyance” gegeben . Die sog. „WHO regional Health for All strategy“ hatte sich – wie in einer WHO-Darstellung aus dem Jahr 1985 zusammengefasst - insbesondere zum Ziel gesetzt „bis 1995 alle Menschen der Region wirksam vor erkannten Gesundheitsrisiken durch Luftverschmutzung zu schützen “.8 Auf dieser Basis wurden die WHO AQGs erarbeitet. Zur Erstellung von Empfehlungen stellten die Niederlande Mittel zur Verfügung. Es wurde ein Projekt-Koordinator ernannt und insgesamt 12 Sitzungen zwischen Anfang 1984 und November 1986 mit Experten im Bereich der Luftverschmutzung abgehalten, so dass ein 426-seitiges Gesamtwerk erstellt werden konnte. Dieser Bericht enthielt Empfehlungen für 28 organische und anorganische Luftbestandteile. Zudem wurde eine Definition für „gesundheitsschädlich“ (adverse health effect) durch die US-amerikanische Umweltschutzbehörde (US EPA) vorgeschlagen und angenommen: als gesundheitsschädlich wird angenommen "jeder Effekt, der zu einer funktionellen Beeinträchtigung und/oder pathologischen Beeinträchtigung führt, die Auswirkungen auf die Leistung eines Gesamtorganismuses hat oder aber dazu beiträgt, dass man in Hinblick auf zusätzliche Herausforderungen vermindert reagieren kann." (“any effect resulting in functional impairment and/or pathological lesions that may affect the performance of the whole organism or which contributes to a reduced ability to respond to an additional challenge”). Ziel der ersten AQGs war es, eine Basis dafür zu liefern, die öffentliche Gesundheit vor nachteiligen Auswirkungen von Luftschadstoffen zu schützen und diejenigen, für die eine Gefährdung für den Menschen bekannt oder wahrscheinlich war, zu eliminieren oder auf ein Minimum zu reduzieren („protecting public health from adverse effects of air pollutants and for eliminating, or reducing to a minimum, those contaminants of the air that are known or likely to be hazardous to human health and well-being”). Für NO2 wurden folgende Grenzwerte angegeben9: Kurzfristiger Richtwert: 1 Stunde: 400 µg/m3 7 WHO Regional Office for Europe (1987). Air quality guidelines for Europe. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe (WHO Regional Publications, European Series, No.3; https:// extranet.who.int/iris/restricted/handle /10665/107364) [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 8 Siehe hierzu: WHO Regional Office for Europe (1985). Targets for health for all. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe (http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/109779/WA_540_GA1_85TA.pdf). 9 Wortlaut der Air Quality Guidelines 1987 (Seite 310): “Nitrogen dioxide levels of 400 µg/m3 (0,21 ppm) and 150 µg/m3 (0,08 ppm) are recommended as 1-hour and 24-hour guidelines respectively. The 1-hour guideline is based on the judgement that the lowest-observed-effect level in asthmatics (560 Nitrogen dioxide levels of 400 µg/m3 (0,21 ppm) and 150 µg/m3 (0,08 ppm) are recommended as 1-hour and 24-hour guidelines respectively , 0,3 ppm) is not necessarily adverse and a guideline somewhat lower provides a further margin of protection,. The 24-hour guideline is based on the judgement that repeated exposures approaching the minimal repetitively observed effect level are to be avoided, so as to create a margin of protection against chronic effects”. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 7 Evidenzbasis: 1 h Richtwert basierte auf der Einschätzung, dass der am wenigsten beobachtete Effektpegel (LOEL) bei Asthmatikern (560 µg/m3, 0,3 ppm) nicht unbedingt negativ ist und ein etwas niedrigerer Richtwert einen zusätzlichen Schutz bietet. Kurzfristiger Richtwert: 24 Stunden: 150 µg/m3 Evidenzbasis: Der 24 h-Richtwert basierte darauf, dass wiederholte Expositionen, die sich dem minimal wiederholend beobachteten Effektniveau nähern, zu vermeiden sind, um einen Schutzbereich gegen chronische Auswirkungen zu schaffen. Langfristiger Richtwert: nicht festgelegt 2.2. WHO Air Quality guidelines 2000 Die nachfolgende Leitlinie für Europa erschien im Jahr 2000.10 Man hatte erkannt, dass sich die Datenlage für Luftschadstoffe im Gesundheitswesen schnell verändert hatte und eine Revision der Leitlinien von 1987 nötig war. Die zweite Auflage der „Air quality guidelines” wurde in enger Kooperation mit dem “International Programme on Chemical Safety”11 entwickelt. Die Finanzierung erfolgte durch die Europäische Kommission, die Niederlande und Schweden. Die Arbeiten begannen 1993 und über 100 Experten nahmen an insgesamt 10 Sitzungen teil. Es wurden detaillierte Informationen zu 35 Luftschadstoffen zusammengestellt. Eine wesentliche Änderung gegenüber der Publikation von 1987 war die Aufnahme eines Kapitels über die Anwendung der Leitlinien im Bereich Schutz der öffentlichen Gesundheit. Dies resultierte aus einem Bericht einer WHO-Arbeitsgruppe zur Festlegung von Luftqualitätsnormen aus dem Jahr 1997 (Barcelona). Man hatte gefordert, dass Luftqualitätsnormen definiert werden sollten im Hinblick auf folgende Merkmale: - wie und wo sollen Luftschadstoffe für die Ableitung von Vergleichen überwacht werden? - wie sollen die Messungen aus statistischer Sicht sinnvollerweise ausgewertet werden? - eine Angabe eines Datums, bis zu dem die Norm erfüllt sein soll; - inwieweit die Norm überschritten werden darf (z. B. der Prozentsatz der Tage pro Jahr, die erlaubt sein oder nicht berücksichtigt werden (können)). 10 WHO Regional Office for Europe (2000). Air quality guidelines for Europe, second edition. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe (WHO Regional Publications, European Series, No. 91; http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/74732/E71922.pdf) [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 11 The International Programme on Chemical Safety (IPCS) wurde 1980 gegründet und ist ein Kooperationsprojekt der drei VN-Organe: World Health Organization, International Labour Organization und United Nations Environment Programme. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 8 Andere Themen wie die Notwendigkeit der Einbeziehung der Interessengruppen in die Entwicklung von Standards, die Aufwertung des öffentlichen Bewusstseins und die Notwendigkeit der Analyse des Kosten-Nutzen-Verhältnisses wurden ebenfalls angesprochen. In den Leitlinien wurden folgende Grenzwerte für NO2 vorgeschlagen12: Kurzfristiger Richtwert: 1 Stunde: 200 µg/m3 13 Evidenzbasis: Trotz zahlreicher kontrollierter Expositionsstudien am Menschen gab es keine Hinweise auf eine klare Definition der Konzentrations-Reaktionsbeziehung für die NO2-Exposition. Bei akuten Expositionen wirken sich sehr hohe Konzentrationen (1990 μg/m3; > 1000 ppb) auf gesunde Menschen aus. Asthmatiker und Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung sind anfälliger für akute Veränderungen der Lungenfunktion, der Reaktionsfähigkeit der Atemwege und für Atemwegsbeschwerden. 12 Informationen der WHO vom 15. Februar 2019. 13 Wortlaut in „Air quality guidelines for Europe, 2000“(Seite 178 f): „Despite the large number of acute controlled exposure studies on humans, several of which used multiple concentrations, there is no evidence for a clearly defined concentration–response relationship for nitrogen dioxide exposure. For acute exposures, only very high concentrations (1990 μg/m3; > 1000 ppb) affect healthy people. Asthmatics and patients with chronic obstructive pulmonary disease are clearly more susceptible to acute changes in lung function, airway responsiveness and respiratory symptoms. Given the small changes in lung function (< 5% drop in FEV1 between air and nitrogen dioxide exposure) and changes in airway responsiveness reported in several studies, 375–565 μg/m3 (0.20– 0.30 ppm) is a clear lowest-observed- effect level. A 50% margin of safety is proposed because of the reported statistically significant increase in response to a bronchoconstrictor (increased airway responsiveness) with exposure to 190 μg/m3 and a meta-analysis suggesting changes in airway responsiveness below 365 μg/m3. (The significance of the response at 190 μg/m3 (100 ppb) has been questioned on the basis of an inappropriate statistical analysis.) On the basis of these human clinical data, a 1-hour guideline of 200 μg/m3 is proposed. At double this recommended guideline (400 μg/m3) there is evidence to suggest possible small effects in the pulmonary function of asthmatics. Should the asthmatic be exposed either simultaneously or sequentially to nitrogen dioxide and an aeroallergen, the risk of an exaggerated response to the allergen is increased. At 50% of the suggested guideline (100 μg/m3, 50 ppb) there have been no studies of acute response in 1 hour. Although there is no particular study or set of studies that clearly support selection of a specific numerical value for an annual average guideline, the database nevertheless indicates a need to protect the public from chronic nitrogen dioxide exposure. For example, indoor air studies with a strong nitrogen dioxide source, such as gas stoves, suggest that an increment of about 30 μg/m3 (2-week average) is associated with a 20% increase in lower respiratory illness in children aged 5–12 years. However, the affected children had a pattern of indoor exposure that included peak exposures higher than those typically encountered outdoors. Thus the results cannot be readily extrapolated quantitatively to the outdoor situation. Outdoor epidemiological studies have found qualitative evidence of ambient exposures being associated with increased respiratory symptoms and lung function decreases in children (most clearly suggestive at annual average concentrations of 50–75 μg/m3 or higher and consistent with findings from indoor studies), although they do not provide clear exposure–response information for nitrogen dioxide. In these epidemiological studies, nitrogen dioxide has appeared to be a good indicator of the pollutant mixture. Furthermore, animal toxicological studies show that prolonged exposures can cause decreases in lung host defences and changes in lung structure. On these grounds, it is proposed that a long-term guideline for nitrogen dioxide be established. Selecting a well supported value based on the studies reviewed has not been possible, but it has been noted that a prior review conducted for the Environmental Health Criteria document on nitrogen oxides recommended an annual value of 40 μg/m3 (5). In the absence of support for an alternative value, this figure is recognized as an air quality guideline.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 9 Angesichts der kleinen Veränderungen in der Lungenfunktion und der Veränderungen in der Reaktionsfähigkeit der Atemwege, die in mehreren Studien berichtet wurden, war 375-565 μg/m3 (0,20-0,30 ppm) ein klarer Wert für die niedrigste beobachtete Wirkung von NO2. Eine Sicherheitsmarge von 50 % wurde vorgeschlagen, weil eine statistisch signifikante Zunahme für eine Atemwegsreaktion bei einer Exposition von 190 μg/m3 berichtet wurde und eine Meta-Analyse mit klassischen Schadstoffen zeigte, dass es Veränderungen der Reaktionsfähigkeit der Atemwege auch bei unter 365 μg/m3 gibt. Basierend auf diesen klinischen Daten wurde eine 1-Stunden- Richtlinie von 200 μg/m3 vorgeschlagen. Langfristiger Richtwert: 40 µg/m3 Evidenzbasis: Die verfügbaren epidemiologischen und toxikologischen Studien deuten darauf hin, dass die Öffentlichkeit vor einer chronischen NO2-Exposition geschützt werden muss, obwohl es keine spezifischen Studien oder Studiengruppen gab, die die Auswahl eines bestimmten Zahlenwerts für eine jährliche Durchschnittsleitlinie eindeutig unterstützen. Daher wurde in Ermangelung einer Unterstützung für einen alternativen Wert ein Jahreswert von 40 μg/m3, der im Dokument Environmental Health Criteria on Stickoxide empfohlen wird, als Luftqualitätsrichtlinie für NO2 anerkannt. Das UNEP/ILO/WHO International Programme on Chemical Safety Environmental Health Criteria Monographie Nr. 188 on Nitrogen Oxides (1997) leitete den Richtwert aus einer Meta-Analyse der Indoor-Exposition gegenüber NO2 bei Säuglingen im Alter von 2 Jahren und jünger sowie der Atemwegssymptome und -erkrankungen sowie einer Meta-Analyse der Indoor-Exposition gegenüber NO2 bei Kindern im Schulalter und den Symptomen und Erkrankungen der unteren Atemwege ab. 2.3. WHO Air Quality guidelines 2005 Im Jahr 2005 erschien die dritte Auflage der Leitlinien für Europa.14 Die dritte Auflage unterschied sich wesentlich von den AQGs 1987 und 2000, da dieser Bericht sich auf nur vier klassische Luftschadstoffe konzentrierte: PM, Ozon, NO2 und SO2. Diese waren auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des WHO-Projekts “Systematic review of health aspects of air pollution in Europe” aus dem Jahr 2004 ausgewählt worden. Die WHO erkannte ausdrücklich an, dass die Tatsache, dass andere Schadstoffe - wie z. B. CO - nicht in die Aktualisierung einbezogen wurden , auf die begrenzt verfügbaren Ressourcen für das Projekt zurückzuführen ist. Insgesamt spiegelt sich in den Leitlinien der rasche Zuwachs an wissenschaftlicher Erkenntnis zum Thema Schadstoffe wider. Allerdings blieben die Richtwerte für NO2 (40 μg/m3 für den Jahresmittelwert und 200 μg/m3 für den 1-Stunden-Mittelwert) bestehen. Kurzfristiger Richtwert: 1 Stunde: 200 µg/m3 14 WHO Regional Office for Europe. Air quality guidelines: global update 2005 – particulate matter, ozone, nitrogen dioxide and sulfur dioxide. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe (https://www.who.int/phe/health_topics/outdoorair/outdoorair_aqg/en/) [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 10 Evidenzbasis: Viele neue kurzfristige experimentelle Studien der Humantoxikologie zeigten akute gesundheitliche Auswirkungen bei Werten über 500 µg/m3, und eine Meta-Analyse zeigte Wirkungen bei Werten über 200 µg/m3. Die gesammelten Hinweise rechtfertigten jedoch nicht, den Richtwert zu ändern, wie er in der im Jahr 2000 veröffentlichten WHO AQG festgelegt ist. Langfristiger Richtwert: 40 µg/m3 Evidenzbasis: Neue Erkenntnisse aus tiertoxikologischen Studien zeigten gesundheitsschädliche Auswirkungen der Langzeitbelastung mit NO2 in Konzentrationen über der Umgebungskonzentration . In Bevölkerungsstudien war NO2 mit gesundheitsschädlichen Auswirkungen korreliert, auch wenn die jährliche durchschnittliche NO2-Konzentration dem jährlichen Richtwert der WHO von 40 μg/m3 entsprach. Auch einige Indoor-Studien ließen auf Auswirkungen auf die Atemwegsbeschwerden bei Säuglingen bei Konzentrationen bei einer Konzentration von unter 40 μg/m3 schließen. Diese Ergebnisse unterstützten eine Senkung des jährlichen NO2-Richtwertes . Da NO2 jedoch stark mit anderen primären und sekundären Verbrennungsprodukten korreliert ist, war unklar, inwieweit die in epidemiologischen Studien beobachteten gesundheitlichen Auswirkungen auf NO2 selbst oder auf andere korrelierte Schadstoffe zurückzuführen sind. Daher lieferte die verfügbare wissenschaftliche Literatur keine ausreichenden Nachweise, um den WHO AQG 2000 Richtwert von 40 μg/m3 für die jährliche NO2-Konzentration zu ändern. 2.4. Aktualisierung der Air Quality guidelines 2013 Zwischen 2011 und 2013 hat die WHO Regionalbüro für Europa zwei internationale Projekte koordiniert , die durch die Europäische Union kofinanziert wurden: Review of evidence on health aspects of air pollution (REVIHAAP15) und Health risks of air pollution in Europe (HRAPIE). Während mit dem REVIHAAP Projekt ein aktueller wissenschaftlicher Stand zu Luftverschmutzung und Gesundheitsauswirkungen in Form von Antworten auf eine Reihe politikrelevanter Fragen aufgezeichnet wurde, war das HRAPIE Projekt eher technischer Natur, das eine Kosten- Nutzen-Analyse bereit stellte im Hinblick auf kurzfristige und langfristige Exposition von PM, Ozon und NO2. Die Ergebnisse dieser Projekte sollten in die europäische Luftqualitätspolitik (2013) einfließen. Allerdings lautete eine der Empfehlungen des REVIHAAP Projekts auch, dass die WHO AQGs überarbeitet werden sollten. 15 http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0004/193108/REVIHAAP-Final-technical-report-final-version .pdf?ua=1 [zuletzt abgerufen am 17. Februar 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 11 Im Falle von NO2 unterstützen neue Studien die Aktualisierung des WHO AQG, 2005 für NO2, um einen epidemiologisch basierten kurzfristigen Richtwert und einen jährlichen durchschnittlichen Richtwert auf der Grundlage der neu gesammelten Erkenntnisse abzuleiten.16 Kernaussagen hinsichtlich NO2 waren die folgenden17: Im Jahr 2015 wurden vom „WHO Regional Office for Europe“ Expertentreffen vereinbart. Die eingeleitete Aktualisierung der globalen AQGs der WHO wird bisher von der Europäischen Kommission (Generaldirektion Umwelt) und den Regierungen Deutschlands, der Schweiz und der Vereinigten Staaten von Amerika finanziert und durch Sachleistungen unterstützt. Es wird erwartet, dass die nächsten AQGs aktualisierte numerische Konzentrationsgrenzwerte liefern und, wenn 16 Informationen der WHO vom 15. Februar 2019. 17 Seite 192 in: WHO: Review of evidence on health aspects of air pollution – REVIHAAP Project – Technical Report ; im Internet abrufbar unter: http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0004/193108/REVIHAAP-Final -technical-report-final-version.pdf?ua=1 [zuletzt abgerufen am 17. Februar 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 12 möglich, einen Hinweis auf die Form der CRFs (concentration–response function ) für PM10, PM2,5, Ozon, NO2, SO2 und CO für kurz- und/oder langfristige Exposition geben.18 3. Weiterführende Literatur Die Weltgesundheitsorganisation hat 2017 eine Publikation veröffentlich mit dem Titel „Evolution of WHO air quality guidelines: past, present and future“.19 Dieses Dokument fasst die wichtigsten WHO-Publikationen auf dem Gebiet der Luftqualität und -gesundheit seit den 1950er Jahren zusammen. Hieraus resultierte eine Reihe von WHO-Luftqualitätsrichtlinien. Es wird die Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung und ihrer Interpretation, die die Politik und andere Entscheidungsträger bei der Festlegung von Strategien für das Management der Qualität der Außen- und Innenluft weltweit unterstützen, beschrieben. Außerdem werden aktuelle WHO-Aktivitäten und ihre zukünftige Ausrichtung in diesem Bereich vorgestellt. Im Dezember 2018 ist eine österreichische Studie des International Institute for Applied Systems Analysis mit dem Titel „Progress towards the achievement of the EU’s Air Quality and Emissions Objectives“ erschienen.20 In dieser Studie werden der Zustand und die prognostizierte Entwicklung der Emissionen und der Luftqualität in der Europäischen Union dargestellt und die Aussichten des Erreichens der WHO-Richtwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit untersucht . Das Institut für Umweltwissenschaften (IES) ist ein britisches Fachgremium, das sich zum Ziel setzt, u. a. durch Unterstützung von Wissenschaftlern, das öffentliche Bewusstsein für Umweltwissenschaften zu fördern. In einem Internetartikel aus dem Jahr 2013 (The evolution of air quality policies over the past 20 years) wird die britische Entwicklung der Gesetzgebung hinsichtlich der Grenzwerte parallel zur europäischen Gesetzgebung dargestellt.21 Auf die tatsächliche Höhe der Grenzwerte wird allerdings im Detail nicht eingegangen. 18 Seite 27 ff. in: Weltgesundheitsorganisation: Evolution of WHO air quality guidelines: past, present and future. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2017; ISBN 9789289052306, im Internet abrufbar unter: http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0019/331660/Evolution-air-quality.pdf?ua=1 [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 19 Weltgesundheitsorganisation: Evolution of WHO air quality guidelines: past, present and future. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2017; ISBN 9789289052306, im Internet abrufbar unter: http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0019/331660/Evolution-air-quality.pdf?ua=1 [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 20 Markus Amann (Editor): Progress towards the achievement of the EU’s Air Quality and Emissions Objectives ; korrigierte Version vom 18. Dezember 2018; im Internet abrufbar unter: http://ec.europa.eu/environment /air/pdf/clean_air_outlook_overview_report.pdf [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 21 Martin Williams: The evolution of air quality policies over the past 20 years; Online-Artikel. Im Internet abrufbar : https://www.the-ies.org/analysis/evolution-air-quality-policies [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 – 018/19 Seite 13 Für den Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments, ENVI, ist 2016 eine Studie mit dem Titel „Implementation of the Ambient Air Quality Directive“ verfasst worden.22 Diese Studie analysiert Luftverschmutzungs-Hotspots in Europa und informiert zu Vertragsverletzungsverfahren. In vier Hotspots werden die Schadstoffbelastungen näher untersucht. Bezugnehmend auf die durch die Europäische Union im Jahr 2008 eingeführte Luftqualitätsrichtlinie (2008/50/EC) wird in einem wissenschaftlichen Papier (Air Quality Legislation and Standards in the European Union: Background, Status and Public Participation) aus dem Jahr 2013 sowohl die Gesetzgebung als auch die Entwicklung der Luftqualität von 2001-2010 in Europa dargestellt.23 *** 22 Directorate General for Internal Policies of the European Parliament: Implementation of the Ambient Air Quality Directive, IP/A/ENVI/2015-15REV; im Internet abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/Reg- Data/etudes/STUD/2016/578986/IPOL_STU(2016)578986_EN.pdf [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019]. 23 Gemmer, M., and B. Xiao, 2013: Air quality legislation and standards in the European Union: Background, status and public participation. Adv. Clim. Change Res.,4(1), doi: 10.3724/SP.J.1248.2013.050. Im Internet abrufbar unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1674927813500062 [zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019].