© 2017 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 018/17 Strahlenbelastung im Luftverkehr Ein Überblick Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 2 Strahlenbelastung im Luftverkehr Ein Überblick Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 018/17 Abschluss der Arbeit: 29.05.2017 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Höhenstrahlung 4 3. Ionisierende Strahlung 4 4. Strahlenmessung 6 5. Strahlenbelastung beim Fliegen 8 5.1. Risikogruppe Flugpersonal 8 5.2. Risikogruppe Vielflieger, Schwangere, Kinder 10 6. Monitoring 10 7. Quellen 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 4 1. Einführung Die neben der natürlichen zusätzlich entstehende Strahlenbelastung beim Fliegen hängt im Wesentlichen von der Flugdauer, der Flughöhe, der Flugroute und der Sonnenaktivität ab.1 Die Gründe hierfür und die daraus abschätzbare Strahlenbelastung werden im Folgenden umrissen. 2. Höhenstrahlung2 Die Höhenstrahlung, der Fluggäste beim Fliegen ausgesetzt sind, ist kosmische Strahlung. Kosmische Strahlung sind geladene Teilchen, die aus dem All auf die Erde treffen. Sonne und auch Sterne unserer Galaxie und auch andere Galaxien produzieren kosmische Strahlung. Die Sonne unserer Galaxie produziert einen ständigen Strom geladener Teilchen. Dieser Strom wird als Sonnenwind bezeichnet. Es sind atomare Teilchen mit sehr hoher Energie, die mit den Bestandteilen der Atmosphäre kollidieren und neue atomare Teilchen mit hoher Energie erzeugen. Alle Teilchen zusammen bilden die Höhenstrahlung. Auf dem Weg zur Erde lenken das Magnetfeld der Erde, der Sonnenwind und die zunehmende Dichte der Atmosphäre die Höhenstrahlung ab. Dabei ist die Ablenkung bzw. Abschirmung nicht an allen Stellen unserer Atmosphäre zu jeder Zeit gleich. Die Sonnenaktivität ändert sich regelmäßig etwa alle elf Jahre. Je größer die Sonnenaktivität ist, desto mehr Strahlung wird abgelenkt und desto geringer ist die Höhenstrahlung. Da die Teilchen geladen sind, schirmt das Magnetfeld der Erde sie zum Teil ab. Die Abschirmung ist am Äquator am stärksten und an den Polen am schwächsten. Die Strahlenbelastung ist beispielsweise auf einem Transatlantikflug über eine polnahe Route von Frankfurt nach New York deutlich höher als bei einem gleich langen Flug von Nord nach Süd. 3. Ionisierende Strahlung3 4 Kosmische Strahlung erreicht die Erde aus unterschiedlichen Bereichen des Weltalls. Die primäre kosmische Strahlung besteht hauptsächlich aus Protonen (Wasserstoffatomkernen, ca. 86 Prozent), Heliumkernen (Alphateilchen, Alphastrahlung, ca. 12 Prozent) und in geringem Teil aus Kernen wie Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff bis hin zu Eisen und Nickel und auch Elektronen (ca.1 Prozent).5 Diese primäre Strahlung erreicht die Erde meist nicht, weil sie auf 1 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Höhenstrahlung beim Fliegen“ https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/luft-boden/flug/flug.html 2 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Höhenstrahlung beim Fliegen“ https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/luft-boden/flug/flug.html 3 Römp (2017). „Kosmische Strahlenexposition“, 2017 Georg Thieme Verlag KG, https://roempp.thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-11-01992 4 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) (2015). „Was ist Radioaktivität?“, http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Beobachtungen/Radioaktivitaet/StrahlenDosis.jsp 5 Lexikon der Physik (1998). „Kosmische Strahlung“, http://www.spektrum.de/lexikon/physik/kosmischestrahlung /8412 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 5 ihrem Weg auf die Erde mit den Teilchen der Erdatmosphäre zusammenstoßen. Die Teilchen der kosmischen Strahlung, meist Protonen, zerfallen in weitere Teilchen. Viele Teilchen davon sind instabil und zerfallen weiter. Einige haben danach noch genügend Energie und die Prozesse wiederholen sich. Physiker sprechen von einem Teilchenschauer. Die dabei entstehende sekundäre Strahlung ist durch den Zerfall der Teilchen ionisiert. Es entsteht auch Gammastrahlung6. „In einer Höhe von rund zwanzig Kilometern über der Erdoberfläche ist die höchste Strahlungsintensität, darunter nimmt diese wieder ab. Ihre Wirkung kann sich dabei von der natürlichen Radioaktivität zum Teil deutlich unterscheiden. Einerseits liegt es daran, dass die kosmische Strahlung viel energiereicher ist. Andererseits nimmt man kosmische Strahlung weder über die Nahrung noch durch die Atemluft auf.“7 Abbildung 1: Kosmische Strahlung in unterschiedlichen Höhen, Quelle: BfS 6 Gammastrahlung unterscheidet sich in ihrer Natur nicht von der Röntgenstrahlung. Gammastrahlung entsteht durch den Zerfall von Radionukliden. Röntgenstrahlung wird technisch beispielsweise mit Hilfe einer Röntgenröhre durch Abbremsen von Elektronen erzeugt. 7 Welt der Physik (2011). „Einfluss der kosmischen Strahlung auf den Menschen“, http://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/physik-medizin-und-gesundheit/kosmische-strahlung/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 6 Die Frage wurde gestellt, ob die zusätzliche Strahlenbelastung beim Fliegen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen hat. Da die Menge, Dauer, das geschädigte Objekt und die biologische Wirkung Einfluss auf die Schädigung haben können, sind für den Strahlenschutz verschiedene Dosisgrößen definiert. Die biologische Wirkung der einzelnen radioaktiven Strahlungsarten im menschlichen Körper heißt effektive Dosis, die Einheit Sievert (Sv).8 Die sogenannte Strahlenkrankheit kann bei einer kurzfristigen Belastung von 0,25 Sievert (Sv) auftreten. Das sind 250 Millisievert (mSv). Zum Vergleich: Die durchschnittliche Belastung aus der Umwelt beträgt nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) derzeit etwa 2,1 mSv pro Jahr. Eine Kurzzeitbelastung von 4 Sv gilt als tödlich.9 Die natürliche Strahlenexposition auf der Erdoberfläche beträgt pro Jahr ca. 2,5 mSv. Die terrestrische Strahlung, die natürliche Strahlung der Erde, beträgt am Boden 0,5 mSv pro Jahr und im Schwarzwald bis 5 mSv pro Jahr. Ein Beispiel für zivilisatorische Belastungen ist das Röntgen der Lunge mit maximal 0,2 mSv. Kosmische Strahlenexposition in der Bundesrepublik Deutschland beträgt auf Meereshöhe 0,3 mSv pro Jahr und in 4.000 m Höhe 2 mSv pro Jahr. Ein Flug Europa-USA belastet mit etwa 0,05 mSv. Die Teilchen, die aus dem Weltraum kommen, sind hochenergetisch. Ihre Energien liegen beispielsweise sehr viel höher als die der Teilchen, die in einem Teilchenbeschleuniger erzeugt werden können. Aufgrund der hohen Energien der Höhenstrahlung ist eine Abschirmung nicht möglich.10 Alpha-Strahlung kann zwar mittels eines Papiers abgeschirmt werden, für Gammastrahlung wird jedoch Blei benötigt. Damit verbunden ist ein sehr hohes Gewicht der Abschirmung. Da die Abschirmung nicht am Boden erfolgt, sondern während des Fliegens und das Gewicht eine Rolle spielt, ist die konstruktive Umsetzung bisher nicht gegeben. 4. Strahlenmessung Die dosimetrischen Größen, Gewebe- und Strahlungs-Gewichtungsfaktoren sind in der Strahlenschutzverordnung festgelegt.11 Dabei wird die Energiedosis mit einem dimensionslosen Qualitätsfaktor gewichtet. Für Gamma- und Beta-Strahlung wird der Faktor auf eins gesetzt, für 8 GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft (2007). „Kosmische Strahlung beim Fliegen“, FLUGS-Fachinformationsdienst 9 Briseño, Cinthia (2011). „Folgen von Radioaktivität: Was die Strahlen im Menschen anrichten“, Spiegel-Online vom 14.03.2011, abgerufen unter: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/folgen-von-radioaktivitaet-wasdie -strahlen-im-menschen-anrichten-a-750774-druck.html (15.3.2011) 10 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Höhenstrahlung beim Fliegen“ https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/luft-boden/flug/flug.html 11 Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV): „Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen“, Anlage VI (zu §§ 3, 47, 49, 55, 95, 117) „Dosimetrische Größen, Gewebe- und Strahlungs-Wichtungsfaktoren“ abgerufen unter http://www.gesetze-iminternet .de/strlschv_2001/anlage_vi.html am 16.2.2015 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 7 Alpha-Strahlung beträgt er 20 und für Neutronenstrahlung in Abhängigkeit von der Neutronenenergie 5 bis 20. Die Strahlenschutzordnung setzt die Anforderungen der EU-Richtlinie 96/29 Euratom in nationales Recht um. Danach ist das Flugpersonal überwachungspflichtig durch die Fluggesellschaften. Diese ermitteln mit Hilfe von Computerprogrammen die Dosiswerte der kosmischen Strahlungsexposition. Diese Daten werden personenbezogen zugeordnet und über das Luftfahrtbundesamt an das Strahlenschutzregister des Bundesamtes für Strahlenschutz weitergegeben.12 Die Rahmenbedingungen wurden angepasst. „Zum Schutz von Beschäftigten in der Luftfahrt wurde 2003 die Strahlenschutzverordnung geändert: Die Belastung betroffener Berufsgruppen wird heute regelmäßig vom Luftfahrtbundesamt überprüft und darf bestimmte Höchstgrenzen nicht überschreiten. Seit August 2003 ermitteln Luftfahrtgesellschaften aus den verschiedenen Bereichen wie Linie, Charter, Luftfracht und Militär mit Hilfe zugelassener Dosisberechnungsprogrammen die Flugroutendosen für ihr fliegendes Personal. Die Gesellschaften übermitteln die kumulierten, personenbezogenen Monatsdosen über das Luftfahrt- Bundesamt an das Strahlenschutzregister des Bundesamtes für Strahlenschutz. Seit 2005 berichtet das Bundesamt über die Ergebnisse. „Eine im August 2011 vorgelegte Auswertung zeigt, dass die Belastung von Cockpit- und Kabinenpersonal in den letzten Jahren gestiegen ist. Verantwortlich sind vermutlich Veränderungen in der kosmischen Höhenstrahlung, so das Bundesamt für Strahlenschutz. Sie kommen durch die wechselnde Aktivität der Sonne zustande, die in einem etwa elfjährigen Zyklus ansteigt und wieder abfällt.“13 Um die Strahlungsbelastung während eines Fluges bestimmen zu können, müssen vier Informationen bekannt sein: Die genaue Strecke des Fluges, die Höhe des Fluges, die Dauer des Fluges und die Sonnenaktivität. Das Helmholtz-Zentrum München hat beispielsweise das Dosisberechnungsprogramm (EPCARD) online gestellt. Das Programm ist vom Luftfahrt- Bundesamt (LBA) und von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen. Neben den Fluginformationen Flugdatum, Flugnummer, Start und Ziel, Flugplatz bzw. Flughafenname muss die Fluggesellschaft die angeforderte Menge an Flughöhen im Flugprofil und deren Einheit angeben. Das Programm berechnet die Dosis des Fluges. 14 12 Bundesregierung (2016). „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2014“, BT-Drs 18/9600 13 Deutsches Krebsforschungszentrum, Krebsinformationsdienst (2016). „Flugreisen: Welches Risiko gehen Vielflieger durch die Höhenstrahlung ein?“, https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/radioaktivitaet-undroentgenstrahlen .php#inhalt12 14 Helmholtz-Zentrum München (2015). „EPCARD online – Flugdosimetrie für Flugpersonal“, https://www.helmholtz-muenchen.de/epcard/online/fluginput.php?lang=de Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 8 5. Strahlenbelastung beim Fliegen15 Ein Flug von Frankfurt nach New York und zurück führt zu einer durchschnittlichen effektiven Dosis von ca. 100 mSv. Fliegt eine Person von Frankfurt nach New York und zurück, so beträgt die zusätzliche Strahlenbelastung etwa 5 Prozent der gemittelten jährlichen Strahlenbelastung, die die Person auch auf dem Boden erhalten hätte.16 Bei einen Kurzstreckenflug sind es weniger als 1 Prozent. Der Flug Frankfurt-Gran Canaria liefert beispielsweise einen Dosisbeitrag von 0,01 bis 0,018 mSv.17 Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz ist „die Strahlenbelastung auf einem Transatlantikflug über eine polnahe Route von Frankfurt nach New York mit derzeit (Stand Juni 2011) etwa 0,072 mSv effektiver Dosis deutlich höher als bei einem gleich langen Flug von Nord nach Süd: Die Belastung auf der Strecke Frankfurt - Johannesburg beträgt (Stand Juni 2011) etwa 0,028 mSv effektive Dosis. 5.1. Risikogruppe Flugpersonal „Das fliegende Flugpersonal zählt nach der Kollektivdosis und der mittleren Jahresdosis zu den am höchsten strahlenexponierten Berufsgruppen Deutschlands.“18 Die Form der Dosisverteilung und ihre zeitliche Schwankung sind auch aufgrund der zyklischen Schwankungen der Sonne nicht mit anderen Berufsgruppen vergleichbar. Im Vergleich zu anderen strahlenexponierten Berufsgruppen zählt das fliegende Personal zu den Berufsgruppen mit den höchsten Dosen (s.a. Abbildung 1 und 2). Beispielsweise war das männliche Flugpersonal im Jahr 2009 mit durchschnittlich 2,9 mSv exponiert. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen bleiben die Jahresdosen unterhalb von 8 mSv. Die effektive Jahresdosis darf bei berufsbedingt ionisierender Strahlung ausgesetzten Personen 20 mSv nicht überschreiten. 15 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Höhenstrahlung beim Fliegen“, https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/luft-boden/flug/flug.html 16 Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) (2012). „Strahlenbelastung im Flugzeug“, https://www.youtube.com/watch?v=06W--M254Gg 17 GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft (2007). „Kosmische Strahlung beim Fliegen“, FLUGS-Fachinformationsdienst 18 Bundesregierung (2016). „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2014“, BT-Drs 18/9600 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 9 Abbildung 2: Mittlere Jahresdosis der beruflich strahlenexponierten Personen in verschiedenen Berufsgruppen (n = Anzahl der strahlenexponierten Personen pro Berufsgruppe)19 Abbildung 3: Vergleich der Häufigkeitsverteilungen der Jahresdosis beruflich strahlenexponierter Personen in verschiedenen Bereichen im Jahr 201620 19 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Überwachung des fliegendes Personals“, https://www.bfs.de/DE/themen/ion/strahlenschutz/beruf/methodik/fliegendespersonal .html;jsessionid=0F193E3FA44E17F70F0B9D17F8509DA2.2_cid374 20 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Überwachung des fliegendes Personals“, https://www.bfs.de/DE/themen/ion/strahlenschutz/beruf/methodik/fliegendespersonal .html;jsessionid=8DF6C3D475F74B54F4CB682D98E27667.1_cid391 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 10 5.2. Risikogruppe Vielflieger, Schwangere, Kinder Für Gelegenheitsflieger ist die zusätzliche Strahlenbelastung durch das Fliegen sehr gering und gesundheitlich unbedenklich; das gilt auch für Schwangere und Kleinkinder.21 Die zusätzliche Strahlenbelastung für alle, die selten fliegen, ist im Verhältnis zur Jahresdosis gering. Das Bundesamt für Strahlenschutz geht davon aus, dass bei der überwiegenden Zahl aller Flüge von und nach Deutschland das Risiko einer gesundheitlichen Strahlenwirkung für den Embryo bzw. Fetus vernachlässigt werden kann. Als Vielflieger von Langstrecken können Schwangere jedoch eine effektive Dosis von 1 mSv erhalten und sollten daher die Flüge einschränken.22 Vielflieger müssen in Bezug auf die Jahresdosis von 20 mSv mehrere hundert Langstreckenflüge pro Jahr absolvieren, um den Grenzwert für Personen, die berufsbedingt ionisierender Strahlung ausgesetzt sind, zu erreichen. 6. Monitoring Der Bericht des Strahlenschutzregisters fasst die Monitoring Situation in Deutschland wie folgt zusammen: „Es gibt in einzelnen epidemiologischen Studien Hinweise darauf, dass das fliegende Personal leicht erhöhten Gesundheitsrisiken ausgesetzt ist. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Höhenstrahlung und z. B. der Häufigkeit von Krebserkrankungen ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand aber wissenschaftlich nicht gesichert. Weil aber alle beruflich strahlenexponierten Personen vor einer möglichen gesundheitlichen Gefährdung durch ionisierende Strahlung zu schützen sind, unterliegt auch das Cockpit- und Kabinenpersonal der gesetzlichen Strahlenschutzüberwachung. Dies bedeutet, dass die Strahlenexposition des fliegenden Personals zu ermitteln, zu begrenzen und unter Berücksichtigung des Einzelfalls so gering wie möglich zu halten ist. Die klassischen Prinzipien des Strahlenschutzes (Abschirmung, Abstand, Aufenthaltszeit) sind auf das Fliegen allerdings nur sehr begrenzt anwendbar. Deshalb sind die Betreiber von Flugzeugen verpflichtet, insbesondere bei der Aufstellung der Arbeitspläne und bei der Festlegung der Flugrouten und -profile die Strahlenexposition des Flugpersonals zu optimieren.“23 An der Optimierung des Strahlenschutzes wird laufend geforscht. Den Abschlussbericht über das Forschungsvorhaben „Strahlenbedingtes Tumorrisiko bei Flugpersonal - Durchführung und Analyse eines zweiten Follow-up“ fasst das Bundesamt für Strahlenschutz wie folgt zusammen: 21 Deutsches Krebsforschungszentrum, Krebsinformationsdienst (2016). „Flugreisen: Welches Risiko gehen Vielflieger durch die Höhenstrahlung ein?“, https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/radioaktivitaet-undroentgenstrahlen .php#inhalt12 22 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2016). „Strahlenschutz konkret- Informationen für Schwangere“, https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/broschueren/ion/stkoschwangerschaft .pdf?__blob=publicationFile&v=7 23 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2011). „Die berufliche Strahlenexposition des fliegenden Personals in Deutschland 2004-2009“, https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-201108016029/3/Bf_2011_BfS- SG-15-11-ExpositionFlugPersonal.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 11 „Flugpersonal gilt als beruflich strahlenexponiert und unterliegt einer Reihe besonderer beruflicher Anforderungen. Eine historische Kohortenstudie beim fliegenden Personal von Fluggesellschaften aus 9 europäischen Ländern ergab in der Auswertung bis Ende 1997 – bei insgesamt noch geringen Ereigniszahlen – eine gegenüber der Allgemeinbevölkerung erniedrigte Gesamtsterblichkeit und keine Hinweise auf eine erhöhte Krebssterblichkeit. In diesem Vorhaben wurde ein verlängertes Follow-up der deutschen Kohorte bis Ende 2004 durchgeführt. In einer neuen, gepolten Auswertung wurden Kohorten aus insgesamt 9 europäischen Ländern und den USA mit aktualisiertem Follow-up eingeschlossen. Das Follow-up der deutschen Kohorte wurde um 7 Jahre verlängert, in vielen anderen Kohorten wurde es um 10 Jahre verlängert. Die aktuelle gepolte Kohorte besteht aus über 24.600 Cockpitpersonal und über 53.000 Kabinenpersonal. Es wurden Standardisierte Mortalitätsratios (SMR) und 95%-Konfidenzintervalle mit der Sterblichkeit der nationalen Gesamtbevölkerungen als Referenz berechnet. Fehlende Todesursachen wurden nach der Methode von Rittgen und Becker berücksichtigt (Rittgen und Becker 2000a). Es wurden interne Auswertungen zum Einfluss der Beschäftigungsdauer sowie der individuellen Strahlenexposition in der deutschen Kohorte mittels Poisson-Regression durchgeführt.“24 Auch die Bestimmungsmethoden zur Strahlendosis werden bzw. wurden laufend optimiert. In einem Forschungsbericht zu Strahlenschutzberechnungen heißt es beispielsweise: „Dosisabschätzungen bei innerer und äußerer Strahlenexposition basierten bislang auf mathematischen Phantomen, die mit Hilfe relativ einfacher geometrischer Figuren den Menschen und seine Organe beschreiben. In der letzten Zeit ging man mehr und mehr dazu über, diese mathematischen Phantome durch realistischere Voxel-Modelle25 zu ersetzen und die Dosisabschätzungen auf dieser realistischeren Grundlage durchzuführen. Durch die Verwendung von Voxel-Modellen wird eine Verbesserung der Dosisabschätzung für beruflich Strahlenexponierte und Einzelpersonen der Bevölkerung sowie für Patienten erzielt. Ziel des Vorhabens war es, die Berechnung von Organdosen bei äußerer Strahlenexposition durch Umgebungsstrahlung (aus der Luft bzw. vom Boden) für Personen unterschiedlichen Alters mit Hilfe von Voxel-Modellen, Organdosiswerte in der Computertomographie für Patienten unterschiedlicher Statur und beiderlei Geschlechts mit Hilfe von Strahlentransportrechnungen in Voxel-Modellen zu berechnen, sowie ein Voxel-Modell einer schwangeren Frau zu erstellen, zur Ermittlung der Dosis für die schwangere Frau wie für das Ungeborene, bei innerer wie äußerer Strahlenexposition.“26 24 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2012). „Ressortforschungsberichte zur kerntechnischen Sicherheit und zum Strahlenschutz - Abschlussbericht über das Forschungsvorhaben „Strahlenbedingtes Tumorrisiko bei Flugpersonal - Durchführung und Analyse eines zweiten Follow-up““, https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-201209279616/3/BfS_2012_3607S04548.pdf 25 Voxelmodelle sind Modellkörper, die aus Computertomographie und Kernspintomographie digital erzeugt werden. Es sind dreidimensionale Phantomkörper, die die Anatomie des menschlichen Körpers abbilden. 26 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2012). „Ressortforschungsberichte zur kerntechnischen Sicherheit und zum Strahlenschutz - Berechnungen der internen und externen Strahlenexposition auf Grundlage von Voxel- Modellen - Vorhaben 3605S04468“, https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221- 201202067300/3/BfS_2012_3605S04468.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 12 Zum Stand Deutschlands im internationalen Kontext berichtet das Bundesamt für Strahlenschutz. „Im europäischen Vergleich stellt Deutschland beim fliegenden Personal die höchste Anzahl an strahlenschutzüberwachten Personen. Im Vergleich mit den mittleren Jahresdosiswerten jener europäischen Länder, die eine amtliche Dosisermittlung des fliegenden Personals durchführen, liegt Deutschland im Mittelfeld.“27 Die aktuelle Forschung beschäftigt sich auch mit Strahlungswolken und dem Schutz von Flugpersonal und Fluggästen. Aufgrund von Schwankungen im Erdmagnetfeld kann es zu Bündelung von energiereichen Teilchen und dadurch zu lokal erhöhter Strahlung kommen. Zukünftig sollen Strahlenmessgeräte auf Flügen die aktuellen lokalen Strahlungsdaten erfassen. Durch Umfliegen der Passagen oder Reduzierung der Flughöhe wollen Fluggesellschaften das Personal vor zusätzlicher Höhenstrahlung schützen.28 27 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2011). „Die berufliche Strahlenexposition des fliegenden Personals in Deutschland 2004-2009“, https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-201108016029/3/Bf_2011_BfS- SG-15-11-ExpositionFlugPersonal.pdf 28 Deutschlandfunk (2017). „Strahlenbelastung für Flugreisende“, http://www.deutschlandfunk.de/kosmischestrahlung -strahlenbelastung-fuer-flugreisende.676.de.html?dram:article_id=379061 vom 15.2.2017 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 13 7. Quellen Briseño, Cinthia (2011). „Folgen von Radioaktivität: Was die Strahlen im Menschen anrichten“, Spiegel-Online vom 14.03.2011, abgerufen unter: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/folgen-von-radioaktivitaet-was-die-strahlen-immenschen -anrichten-a-750774-druck.html (15.3.2011) Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) (2015). „Was ist Radioaktivität?“, http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Beobachtungen/Radioaktivitaet/StrahlenDosis.jsp Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2011). „Die berufliche Strahlenexposition des fliegenden Personals in Deutschland 2004-2009“, https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221- 201108016029/3/Bf_2011_BfS-SG-15-11-ExpositionFlugPersonal.pdf Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2012). „Ressortforschungsberichte zur kerntechnischen Sicherheit und zum Strahlenschutz - Berechnungen der internen und externen Strahlenexposition auf Grundlage von Voxel-Modellen - Vorhaben 3605S04468“, https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-201202067300/3/BfS_2012_3605S04468.pdf Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2012). „Ressortforschungsberichte zur kerntechnischen Sicherheit und zum Strahlenschutz - Abschlussbericht über das Forschungsvorhaben „Strahlenbedingtes Tumorrisiko bei Flugpersonal - Durchführung und Analyse eines zweiten Follow-up““, https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221- 201209279616/3/BfS_2012_3607S04548.pdf Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2016). „Strahlenschutz konkret- Informationen für Schwangere“, https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/broschueren/ion/stkoschwangerschaft .pdf?__blob=publicationFile&v=7 Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Höhenstrahlung beim Fliegen“ https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/luft-boden/flug/flug.html Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2017). „Überwachung des fliegendes Personals“, https://www.bfs.de/DE/themen/ion/strahlenschutz/beruf/methodik/fliegendespersonal .html;jsessionid=8DF6C3D475F74B54F4CB682D98E27667.1_cid391 Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV): „Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen“, Anlage VI (zu §§ 3, 47, 49, 55, 95, 117) „Dosimetrische Größen, Gewebe- und Strahlungs-Wichtungsfaktoren“ abgerufen unter http://www.gesetze-iminternet .de/strlschv_2001/anlage_vi.html am 16.2.2015 Bundesregierung (2016). „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2014“, BT-Drs 18/9600 Deutsches Krebsforschungszentrum, Krebsinformationsdienst (2016). „Flugreisen: Welches Risiko gehen Vielflieger durch die Höhenstrahlung ein?“, https://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/radioaktivitaet-undroentgenstrahlen .php#inhalt12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 018/17 Seite 14 Deutschlandfunk (2017). „Strahlenbelastung für Flugreisende“, http://www.deutschlandfunk.de/kosmische-strahlung-strahlenbelastung-fuerflugreisende .676.de.html?dram:article_id=379061 vom 15.2.2017 Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) (2012). „Strahlenbelastung im Flugzeug“, https://www.youtube.com/watch?v=06W--M254Gg GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft (2007). „Kosmische Strahlung beim Fliegen“, FLUGS-Fachinformationsdienst Helmholtz-Zentrum München (2015). „EPCARD online – Flugdosimetrie für Flugpersonal“, https://www.helmholtz-muenchen.de/epcard/online/fluginput.php?lang=de Lexikon der Physik (1998). „Kosmische Strahlung“, http://www.spektrum.de/lexikon/physik/kosmische-strahlung/8412 Römp (2017). „Kosmische Strahlenexposition“, Georg Thieme Verlag KG, 2017, https://roempp.thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-11-01992 Welt der Physik (2011). „Einfluss der kosmischen Strahlung auf den Menschen“, http://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/physik-medizin-und-gesundheit/kosmischestrahlung / ***