© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 017/21 Zu möglichen Auswirkungen der EU-Biodiversitätsstrategie auf die Landwirtschaft Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 2 Zu möglichen Auswirkungen der EU-Biodiversitätsstrategie auf die Landwirtschaft Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 017/21 Abschluss der Arbeit: 9. März 2021 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie 6 3. Kritik an der EU-Biodiversitätsstrategie 7 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 4 1. Einleitung Um einen Beitrag zum Schutz und Erhalt biologischer Vielfalt (Biodiversität) zu leisten, ist Deutschland auf internationaler, EU-politischer und nationaler Ebene an verschiedenen Strategien beteiligt: Internationale Ebene: Am 29. Dezember 1993 ist das „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ (teilweise auch als Biodiversitätskonvention bezeichnet, englisch: Convention on Biological Diversity, CBD) der Vereinten Nationen (VN) in Kraft getreten.1 Die CBD stellt das weltweit umfassendste Übereinkommen im Bereich Biodiversität dar und zielt darauf ab, ökologische, ökonomische und soziale Aspekte beim Umgang mit biologischer Vielfalt in Einklang zu bringen. Hierin werden Ziele für eine nachhaltige Entwicklung formuliert, u.a. das Ziel 15, den Verlust der Biodiversität zu stoppen . Die Konvention wurde am 21. März 1994 von Deutschland ratifiziert.2 Mit der deutschen nationalen Biodiversitätsstrategie, die am 7. November 2007 verabschiedet wurde (siehe unten „Nationale Ebene“) kam Deutschland dem Auftrag aus der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt einen Beitrag zum Erhalt von biologischen Arten und Lebensräumen zu leisten nach. EU-politische Ebene: Am 3. Mai 2011 nahm die Europäische Kommission eine neue Strategie zur Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt und zur Verbesserung des Zustands der europäischen Arten, Lebensräume, Ökosysteme und Ökosystemleistungen im nächsten Jahrzehnt an (EU-Biodiversitätsstrategie 2020). Nach dem Auslaufen dieser Strategie hat die Europäische Kommission im Mai 2020 eine EU-Biodiversitätsstrategie für den Zeitraum bis 2030 vorgelegt (EU-Biodiversitätsstrategie 2030). Wesentliche Elemente der Biodiversitätsstrategie 2030 der EU sind: „Gesetzlicher Schutz von mindestens 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meeresgebiete der EU, davon ein Drittel streng geschützt Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme, auch durch rechtlich verbindliche Ziele zur Wiederherstellung der Natur Umkehr des Rückgangs an Bestäubern Reduzierung des Einsatzes und des Risikos von Pestiziden um 50 Prozent Landschaftselemente mit großer biologischer Vielfalt auf mindestens 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Ökologische Landwirtschaft auf mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Wiederherstellung von mindestens 25.000 Flusskilometern in der EU als frei fließende Flüsse 1 Informationsseite der Vereinten Nationen zur CBD: https://www.cbd.int/. 2 https://www.cbd.int/countries/profile/?country=de#facts. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 5 Bekämpfung von Beifängen und Schädigungen des Meeresbodens“3 Der Rat der Europäischen Union hat am 23. Oktober 2020 die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 und die darin enthaltenen Ziele für den Schutz und die Wiederherstellung der Natur gebilligt und als politische Leitlinien für die Umsetzung der Strategie Schlussfolgerungen angenommen .4 Die Strategie ist als wesentlicher Bestandteil des „Green Deals“ der EU zu verstehen. Der europäische „Green Deal“ ist ein am 11. Dezember 2019 vorgestelltes Konzept, um in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 auf null zu reduzieren. Weitere Elemente der EU-Politik zur Erhaltung der biologischen Vielfalt sind beispielsweise die EU-Vogelschutzrichtlinie , die Habitat-Richtlinie und das Natura-2000-Netz der Schutzgebiete, auf denen die Biodiversitätsstrategie der EU 2030 aufbaut.5 Ein weiteres Element des Green Deals ist die am 20. Mai 2020 veröffentlichte „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie6 (englisch: „Farm-to-Fork-Strategie “, teilweise auch als Farm2Fork oder F2F bezeichnet). Am 20. Oktober 2020 hat der EU-Agrarrat eine Ratsschlussfolgerung dazu beschlossen.7 Zentrale Ziele sind hierin beispielsweise, die Bodenfruchtbarkeit und Produktivität im Agrarsektor zu erhalten, ein „gerechtes“ Einkommen für Landwirte und eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung zu sichern.8 Inhaltlich zeigt die Farmto -Fork-Strategie weitreichende Überschneidungen mit der EU-Biodiversitätsstrategie. Im Europäischen Parlament liegt eine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung (E-006397/2020) vom 24. November 2020 vor, in der von der Europäischen Volkspartei (EVP) die Erstellung und Vorlage einer Folgenabschätzung zur Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und zur Biodiversitätsstrategie angemahnt wird.9 Zur Frage welche Gebiete in Deutschland bereits zum derzeitigen Zeitpunkt unter Schutz stehen und welche sich im Zuge der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie der EU eignen würden, unter Schutz gestellt zu werden wurde eine Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages erstellt.10 3 https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/biologische-vielfalt -international/biologische-vielfalt-in-europa/; Fettung durch den Autor der Arbeit. 4 https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-11829-2020-INIT/en/pdf. 5 https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/biologische-vielfalt -international/biologische-vielfalt-in-europa/. 6 https://ec.europa.eu/food/farm2fork_en. 7 https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/203-agrarrat-luxemburg.html;jsessionid =E5CE4A1A103186068B8CAA98149C7953.internet2852. 8 Siehe hierzu: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52020DC0381. 9 https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2020-006397_DE.html. 10 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Einzelaspekte der EU-Biodiversitätsstrategie; WD 8 - 3000 - 068/20 vom 6. November 2020; https://www.bundestag.de/resource /blob/818632/9ab8c6da66557ba408e33a5953c2796f/WD-8-068-20-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 6 Nationale Ebene: Am 7. November 2007 wurde die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) beschlossen . Mit der NBS wird das Übereinkommen der VN über die biologische Vielfalt umgesetzt. Die Strategie enthält rund 330 Ziele und 430 Maßnahmen zu verschiedenen biodiversitätsrelevanten Themen.11 Weitere Maßnahmen Deutschlands zum Erhalt der Natur sind beispielsweise das Aktionsprogramm Insektenschutz12, der Masterplan Stadtnatur13, das Bundeskonzept Grüne Infrastruktur und das Unternehmen Biologische Vielfalt Deutschland 202014. Diese Beispiele demonstrieren, dass Deutschland sich auf verschiedenen Ebenen und in zahlreichen Programmen und Formaten an dem Ziel beteiligt, Biodiversität zu schützen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Quellen beleuchtet, die sich mit der Frage beschäftigen, wie sich die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 auf den landwirtschaftlichen Sektor auswirkt. Zudem wird erläutert , warum eine konkrete Benennung von landwirtschaftlich nutzbaren Gebieten, die infolge der Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie reduziert werden, derzeit nicht möglich ist. 2. Zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie Von Verbänden, die mehrheitlich die verschiedenen EU-Strategien begrüßen, wird angemahnt, dass es dringend geboten sei, schnellstmöglich eine rechtlich bindende Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie auf den Weg zu bringen.15 Laut Kommission ist es zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 - beispielsweise in Bezug auf die konkrete Ausweisung von Schutzgebieten - notwendig, dass Kriterien und Leitlinien für die Bestimmung und Ausweisung weiterer Gebiete, einschließlich einer Definition des strengen Schutzes, sowie für eine angemessene Bewirtschaftungsplanung vorlägen. Laut Informationen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) habe die Kommission angekündigt, diese in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Umweltagentur bis Ende 2021 zu entwickeln.16 11 https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/allgemeines-strategien /nationale-strategie/. 12 https://www.bmu.de/insektenschutz/. 13 https://www.bmu.de/stadtnatur/. 14 https://www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/allgemeines-strategien /unternehmen-biologische-vielfalt-2020/. 15 Siehe beispielsweise: Charlotte Felthöfer, Timon Satzky: EU – Biodiversitätsschutz: „Die Rhetorik stimmt nicht mit der aktuellen Praxis überein.”; Webmagazin Treffpunkt Europa. https://www.treffpunkteuropa.de/eu-biodiversitatsschutz -die-rhetorik-stimmt-nicht-mit-der-aktuellen-praxis?lang=fr. 16 Auskunft des BfN vom 6.11.2020. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 7 Dieser Sachverhalt bringe es nach Einschätzung des BfN allerdings mit sich, dass der Prozess zur Präzisierung der Schutzgebietsziele in der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 (z.B. welche Gebiete im Einzelnen zur Erfüllung dieser Ziele beitragen können) gerade erst begonnen habe. Es komme hier eben nicht nur auf die (quantitativen) Flächenumfänge, sondern vor allem auch auf die noch näher zu definierenden qualitativen Anforderungen an das von der EU-Biodiversitätsstrategie benannte Schutzgebietsziel an. Daher ließen sich derzeit keine belastbaren Einschätzungen zur Umsetzung der Schutzgebietsziele für Deutschland vornehmen.17 Das Johann Heinrich von Thünen-Instituts (im Folgenden Thünen-Institut) gibt zu bedenken, dass derzeit aufgrund mangelnder Spezifizierungen quantitative Auswirkungen auf die Flächennutzung ebenso wenig wie die räumliche Verteilung beurteilt werden können.18 Hierzu müsste beispielsweise die Anrechnung von Flächen ohne spezielle Nutzungszuweisung wie Weg- und Gewässersäume, kleinere begrünte Regenrückhaltebecken, Hecken, Feldgehölze, die laut einer Publikation aus dem Jahr 2016 ca. 3-6% des Offenlandes ausmachen, spezifiziert werden.19 3. Kritik an der EU-Biodiversitätsstrategie Im September 2020 erschien eine Stellungnahme des Johann Heinrich von Thünen-Instituts zu „Auswirkungen aktueller Politikstrategien (Green Deal, Farm-to-Fork, Biodiversitätsstrategie 2030; Aktionsprogramm Insektenschutz) auf Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei“. Mit dieser Darstellung war das Institut vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beauftragt worden.20 Ziel war es, „die für die Land- und Forstwirtschaft relevanten Ziele und – soweit die Ausführungen in den Papieren konkret genug sind – die voraussichtlichen ökonomischen und ökologischen Wirkungen der entsprechenden Maßnahmen in den o. g. Papieren [Green Deal, Farm-to-Fork, Biodiversitätsstrategie 2030; Aktionsprogramm Insektenschutz] einer ersten Einschätzung und Bewertung“ zu unterziehen.21 Die Bewertung erfolgt in der Stellungnahme des Thünen-Instituts nicht für die einzelnen Strategien getrennt, sondern als Gesamtbetrachtung aller vier Programme. Im Folgenden wird gemäß Zielsetzung der vorliegenden Arbeit lediglich auf einzelne Aspekte der Bewertung der Auswirkungen auf den Sektor Landwirtschaft eingegangen. Die Stellungnahme umfasst darüber hinaus auch die Themenkomplexe „Forstwirtschaft“ und „Fischerei“. 17 Ebd. 18 Auskunft des Thünen-Instituts vom 9. März 2021. 19 Deubert, M. et al.: Das Konzept der Eh da-Flächen: Ein Weg zu mehr biologischer Vielfalt in Agrarlandschaften und im Siedlungsbereich. In: Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (7), 2016, 209-217. Internet: https://www.nul-online.de/Das-Konzept-der-Eh-da-Flaechen,QUlEPTUwOTYyMDAmTUlEPTExMTE.html. 20 Isermeyer, Folkhard et al. (2020) : Auswirkungen aktueller Politikstrategien (Green Deal, Farm-to-Fork, Biodiversitätsstrategie 2030; Aktionsprogramm Insektenschutz) auf Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei, Thünen Working Paper, No. 156, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig, http://dx.doi.org/10.3220/WP1600775202000. 21 Seite 16, ebd. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 8 Zentraler Kritikpunkt der Autoren ist, dass die verschiedenen Strategiepapiere weitestgehend unkonkret formuliert seien, was eine Folgeabschätzung stark erschwere. So sei beispielsweise der Strategievorschlag „50 prozentige Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes“22 zu unkonkret, um eine Folgenabschätzung durchführen zu können. Die Folgen hingen stark davon ab, (a) ob sich die 50 prozentige Reduktion auf jeden Betrieb oder auf den Sektor beziehe, (b) ob 50 Prozent der Ausbringungsmenge, der Menge an aktiven Wirkstoffen oder der Toxizität reduziert werden sollten, (c) mit welchen Maßnahmen das Ziel angesteuert werde (Pflanzenschutzmittelsteuer mit oder ohne Rückvergütung, Ordnungsrecht, etc.).23 Trotz dieser unkonkreten Formulierung wurde verschiedentlich das Ziel einer Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bis 2030 von Verbänden als unrealistisch kritisiert.24 Ein weiterer kritischer Punkt wird in den Darstellungen des Thünen-Instituts in der erheblichen Gesamtfläche gesehen, die benötigt werde, wenn man die verschiedenen Strategieelemente gemeinsam betrachte. So sei im Einzelnen gefordert, dass (1) die ökologisch bewirtschaftete Fläche auf 25 Prozent wachse, (2) eine Wiedervernässung von Moorböden im Ausmaß von bis zu sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche erfolge ebenso wie eine Verstärkung der Agrarforstwirtschaft und Aufforstung, (3) mindestens zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche so zu nutzen sei, dass hier nicht die Produktion landwirtschaftlicher Produkte im Vordergrund stehe, sondern die Bereitstellung von Lebensraum für Wildtiere und -pflanzen, (4) im Bereich der Grünland- und der Ackernutzung im Umfang von 2-3 % der landwirtschaftlichen Fläche eine Extensivierung stattfinde. Die Autoren schließen daraus, dass „bei einer rein additiven Betrachtung […] sich dann maximal „Umwandlungsansprüche“ für mehr als ein Drittel der Fläche, die bisher konventionell genutzt“ wurden, ergeben. Wenn man überschlägig davon ausginge, dass die Produktionsmenge je Hektar bei Umwandlung von konventionell auf ökologisch um ein Drittel sinke und auf den „Biodiversitätsstrategie -Flächen“ und den wiedervernässten Moorböden auf null zurückgehe, errechne sich für den gesamten Agrarsektor ein Rückgang der pflanzlichen Produktion von ca. 20 Pro- 22 Dies wird in der deutschen Übersetzung der Farm2Fork-Strategie wie folgt formuliert: „Die Kommission wird weitere Maßnahmen ergreifen, um bis 2030 den Einsatz von und das Risiko durch chemische Pestizide insgesamt um 50 % und den Einsatz von Pestiziden mit höherem Risiko 13 um 50 % zu verringern.“ [Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Vom Hof auf den Tisch“ – eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem; COM/2020/381 final; https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?qid=1590404602495&uri=CELEX%3A52020DC0381]. 23 Seite 16, ebd. 24 Siehe hierzu beispielsweise: Euractiv: „Farm to Fork strategy aims to slash pesticide use and risk by half“ vom 20. Mai 2020; https://www.euractiv.com/section/agriculture-food/news/farm-to-fork-strategy-aims-to-slash-pesticide -use-and-risk-by-half/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 017/21 Seite 9 zent. Da aber vornehmlich Standorte mit unterdurchschnittlicher Produktivität auf eine ökologische Wirtschaftsweise umgestellt bzw. aus der Produktion genommen würden und da ein nennenswerter Anteil an Landschaftsstrukturen schon existiere und vermutlich angerechnet werden könne, dürfte der tatsächliche Rückgang aber deutlich geringer ausfallen.25 In der EU-Biodiversitätsstrategie sei vorgesehen, dass zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche dahingehend umzuwandeln seien, dass nicht die Produktion landwirtschaftlicher Produkte im Vordergrund stehe, sondern die Bereitstellung von Lebensraum für Wildtiere und Wildpflanzen . Diese Forderung erscheine zunächst sehr konkret, werfe allerdings weitere Fragen auf, wenn es darum ginge, dies konkret umzusetzen: Es sei nicht klar, ob sich die zehn Prozent auf das Offenland bezögen (d. h. Flächen außerhalb von Siedlungen, größeren Wäldern oder größeren Gewässern). Auf die letztere Bezugsfläche würden die meisten ökologischen Untersuchungen abheben , da es für die Arten und Lebensräume erstmal unerheblich sei, ob sie auf Grund der Handlung eines Landwirtes oder eines sonstigen Akteures geschaffen, erhalten oder beeinträchtigt würden. Die englische Version der EU-Strategie verwende den Begriff „agricultural area“, der im Gegensatz zum Begriff „utilized agricultural area“ nicht eindeutig sei.26 Weitere Fragen ergäben sich hinsichtlich des Umfangs, welche bestehenden Landschaftselemente konkret anrechenbar seien. Des Weiteren sei auch nicht klar, ob flächige Nutzungsaufgaben wie wiedervernässte Moorböden auf die Bereitstellung anrechenbar seien. Aus diesen Betrachtungen schließen die Autoren, dass die Angabe von zehn Prozent zunächst als vorläufiger Orientierungswert zu sehen sei. Aus diesen Betrachtungen folgt, dass sich die Frage nach einer konkreten Angabe, wo nutzbare Gebiete in Zukunft reduziert werden, derzeit nicht verlässlich beantworten lässt. *** 25 Seite 28f in: Isermeyer, Folkhard et al. (2020) : Auswirkungen aktueller Politikstrategien (Green Deal, Farm-to- Fork, Biodiversitätsstrategie 2030; Aktionsprogramm Insektenschutz) auf Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei , Thünen Working Paper, No. 156, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig, http://dx.doi.org/10.3220/WP1600775202000. 26 Ebd.