© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 017/19 Rechtliche Grundlagen im Umgang mit Radon Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 017/19 Seite 2 Rechtliche Grundlagen im Umgang mit Radon Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 017/19 Abschluss der Arbeit: 19.03.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 017/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Grundlagen 4 2.1. Vor Erlass der Richtlinie 2013/59/Euratom 4 2.1.1. Strahlenschutzverordnung 4 2.1.2. Internationale und nationale Empfehlungswerte 5 2.1.3. Umgang in der Praxis 6 2.2. Aktuelle Rechtslage 7 2.2.1. Europarechtliche Regelungen 7 2.2.2. Nationale Regelungen: Strahlenschutzgesetz 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 017/19 Seite 4 1. Einleitung Radon ist ein natürlich vorkommendes radioaktives Edelgas. Es entsteht beim radioaktiven Zerfall aus Radium, vor allem im Erdboden. Die Belastung durch radioaktive Isotope des Radons gilt nach dem Rauchen als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebserkrankungen.1 Lange Zeit war der Schutz vor dem radioaktiven Edelgas in Gebäuden gesetzlich nicht geregelt. Dies änderte sich mit der Richtlinie 2013/59/Euratom vom 05.12.2013, welche zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung vorsieht, dass die Mitgliedstaaten nationale Referenzwerte von maximal 300 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m³) für die über das Jahr gemittelte Radonaktivitätskonzentration in Innenräumen festlegen. Damit zeichnen sich erstmals stringentere Anforderungen für die Bewertung von Wohn- und Geschäftsbebauungen hinsichtlich der Belastung mit Radon ab, als sie bislang existieren. In vorbelasteten Gebieten, wie zum Beispiel die Regionen mit ehemaligem Uranabbau oder mit natürlichem Radonvorkommen, ist dies von besonderer Bedeutung.2 2. Rechtliche Grundlagen 2.1. Vor Erlass der Richtlinie 2013/59/Euratom Auf europäischer Ebene existierte kein verbindlicher Rechtsakt zum Schutz vor Radonbelastung in Wohngebäuden. Zwar regelte die Richtlinie 96/29/Euratom grundsätzlich die Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen. Nach Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 96/29/Euratom galt diese allerdings nicht für die Exposition durch Radon in Wohnungen oder infolge des natürlichen Strahlenniveaus. 2.1.1. Strahlenschutzverordnung Ebenso wie auf europarechtlicher Ebene gab es auch in Deutschland keine allgemeinen und verbindlichen Vorgaben für Radongrenzwerte in Gebäuden. Lediglich im Hinblick auf bestimmte Arbeitsschutzvorkehrungen lassen sich Regelungen über die Exposition von Radon in der Strahlenschutzverordnung finden: „Teil 3 der StrlSchV regelt den Schutz von Mensch und Umwelt vor natürlichen Strahlungsquellen bei Arbeiten. Nach Anlage XI Teil A betreffen Arbeitsfelder mit erhöhten Radon-222-Expositionen Arbeiten in „1. untertägigen Bergwerken, Schächten und Höhlen, einschließlich Besucherbergwerken , 2. Radon-Heilbäder und -Heilstollen, 3. Anlagen der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung“. Für derartige Arbeiten legt die StrlSchV verbindliche Grenzwerte/Dosen fest, der betroffene Personen durch natürliche Strahlung maximal ausgesetzt werden dürfen. § 95 legt bestimmte Verpflichtungen fest, wenn das Produkt aus Aktivitätskonzentration von Radon- 1 Deutsches Ärzteblatt (2010), Radon in Innenräumen, abrufbar unter https://www.aerzteblatt.de/archiv /69731/Radon-in-Innenraeumen (zuletzt aufgerufen am 19.03.2019) 2 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ralph Lenkert u.a., „Langfristige Risiken der Exposition gegenüber Radon“, BT-Drs. 18/3543, S. 1, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/035/1803543.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.03.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 017/19 Seite 5 222 am Arbeitsplatz und Aufenthaltszeit im Kalenderjahr den Wert von 2 MBq x h/m3 überschreitet . Der maximale Grenzwert wird in § 96 auf 6 MBq x h/m3 festgelegt. Die Verantwortlichen haben entsprechende Abschätzungen durchzuführen und gegebenenfalls auch darauf basierende Meldepflichten gegenüber den zuständigen Behörden zu erfüllen. Zudem statuiert die StrlSchV eine allgemeine Verpflichtung zur Dosisbegrenzung (§ 93) und Dosisreduzierung (§ 94). Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 trifft die StrlSchV aber ausdrücklich keine Regelung für die Strahlenexposition durch Radon in Wohnungen einschließlich der dazugehörigen Gebäudeteile. Im Ergebnis stellt die StrlSchV damit zwar eine gesetzliche Regelung für die Belastung durch natürliche Strahlung dar, bleibt aber auf Grund des begrenzten Anwendungsbereichs weit hinter einem allgemein verbindlichen umfassenden Schutz zurück.“3 2.1.2. Internationale und nationale Empfehlungswerte Neben den vereinzelten Ausführungen in der Strahlenschutzverordnung, ergeben sich darüber hinaus (unverbindliche) Richtwerte aus verschiedenen internationalen wie auch nationalen Empfehlungen .4 Es handelt sich bei diesen um Richtwerte mit lediglich empfehlendem Charakter, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass erheblich divergierende Werte zu Grunde gelegt werden : „Die Europäische Kommission hat sich der Problematik der Radonbelastung bereits in ihrer Empfehlung vom 21.2.1990 zum Schutz der Bevölkerung vor Radonexposition innerhalb von Gebäuden angenommen. Diese Empfehlung sieht für bestehende Gebäude einen Wert von 400 Bq/m3 und für neu errichtete Gebäude einen maximalen Wert von 200 Bq/m3 vor. Die Deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) hat in ihren Strahlenschutzgrundsätzen zur Begrenzung der Strahlenexposition durch Radon und seine Zerfallsprodukte in Gebäuden vom 21.4.1994 eine Strahlenbelastung von 250 Bq/m3 als oberes Ende des Normalbereichs der Radonkonzentration in Wohngebäuden der Bundesrepublik Deutschland festgelegt, bei denen keine Maßnahmen als notwendig erachtet wurden. Der Bereich zwischen 250 und 1.000 Bq/m3 gilt demgegenüber als Ermessensbereich für einfache Maßnahmen zur Reduzierung der Exposition durch Radon. Ab 1.000 Bq/m3 wird ein Sanierungsbereich angenommen, in dem auch aufwendigere Maßnahmen erforderlich sein können. Bei Konzentrationen oberhalb von 1.500 Bq/m3 wird eine schnellstmögliche Sanierung empfohlen. In ihrer jüngsten Stellungnahme kommt die Strahlenschutzkommission sogar zu der Einschätzung, dass bei Entscheidungen über konkrete Maßnahmen zur Reduzierung von Radonkonzentrationen in Wohnungen auch der Bereich unterhalb von 250 Bq/m3 zu berücksichtigen sei, da nach neuen Studien bei Nichtrauchern auch schon im Bereich von 100 bis 199 Bq/m3 eine Erhöhung des Lungenkrebsrisikos nachweisbar sei. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat auf Basis der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bereits 2004 in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium (BMU) ein Konzept für Strahlenschutzmaßnahmen zur Verminderung der Strahlenexposition durch Radon in Aufenthaltsräumen entwickelt, welches nicht nur die Eliminierung von Spitzenwerten, sondern zusätzlich eine generelle Absenkung der Radonkonzentrationen in Aufenthaltsräumen vorsieht. Ab einer Radonbelastung von 3 Ludger Giesberts/Guido Kleve, Öffentlich-rechtliche Verantwortung und zivilrechtliche Haftung für Radonbelastung , EurUP 2010, 62-71, S. 63. 4 Ludger Giesberts/Guido Kleve, Öffentlich-rechtliche Verantwortung und zivilrechtliche Haftung für Radonbelastung , EurUP 2010, 62-71, S. 63. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 017/19 Seite 6 100 Bq/m3 sollen je nach Höhe der Radonkonzentration Sanierungsmaßnahmen bei bereits bestehenden Gebäuden innerhalb bestimmter Zeiträume (bis zu 10 Jahren) durchgeführt werden. Dabei soll der Aufwand für Sanierungsmaßnahmen in Relation zur Höhe der gemessenen Radonkonzentration stehen. Neu zu errichtende Gebäude sollen so geplant werden, dass in den Aufenthaltsräumen Radonkonzentrationen von mehr als 100 Bq/m3 im Jahresmittel vermieden werden. Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) legt in ihrer Bewertung aus dem Jahre 2004 einen Maximalwert von 600 Bq/m3 für Wohnungen und 1.500 Bq/m3 für Arbeitsplätze fest. Auch die WHO empfiehlt angesichts dieser neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrem im September 2009 erschienenen „Handbook on Indoor Radon“ eine Einführung eines nationalen Referenzwertes von 100 Bq/m3. Es soll jedoch den einzelnen Staaten überlassen bleiben, ob die Überschreitung dieses Wertes zwingende Maßnahmen zur Verminderung der Exposition oder lediglich unverbindliche Empfehlungen nach sich ziehen soll. In einer Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums wurde der von der WHO empfohlene Richtwert ausdrücklich begrüßt und die Forderung bekräftigt, auch in Deutschland verbindliche Maßstäbe und Anforderungen einzuführen.“5 Damit existierten in Deutschland – mit Ausnahme für einige besonders exponierte Berufsgruppen – lediglich Empfehlungs- und keine Grenzwerte. 2.1.3. Umgang in der Praxis Die Empfehlungswerte verschiedener Institutionen spielten trotz ihrer Unverbindlichkeit bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe – jedenfalls für die Exekutive – eine Rolle: „Die Verwaltung dürfte in der Regel mangels verbindlicher Vorgaben auf sie zurückgreifen, wenn bei der Gesetzesanwendung Radonbelastungen zu berücksichtigen sind. In diesem Fall können die bloßen Empfehlungen als Orientierungen für die Behörde fungieren, die sich bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe dazu veranlasst sieht, festgestellte Radonkonzentrationen zu bewerten. Im Gerichtsverfahren unterliegen unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle, d. h. das Gericht entscheidet selbst abschließend über die richtige Auslegung der Begriffe. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte bei der Bewertung von Radonkonzentrationen ergänzend auch unverbindliche Empfehlungen heranziehen .“6 5 Ludger Giesberts/Guido Kleve, Öffentlich-rechtliche Verantwortung und zivilrechtliche Haftung für Radonbelastung , EurUP 2010, 62-71, S. 63 f. (Fettungen durch Verf.) 6 Ebenda: S. 64. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 017/19 Seite 7 2.2. Aktuelle Rechtslage 2.2.1. Europarechtliche Regelungen Mit der Richtlinie 2013/59/Euratom7 wurden erstmals „einheitliche grundlegende Sicherheitsnormen für den Schutz von Personen, die beruflicher oder medizinischer Exposition oder der Exposition der Bevölkerung ausgesetzt sind, vor den Gefahren durch ionisierende Strahlung festgelegt “. Die Richtlinie sieht insbesondere die Verringerung der Radonkonzentration in Innenräumen vor. Dafür soll in den Mitgliedstaaten ein Referenzwert für den Jahresmittelwert der Radonkonzentration in Innenräumen festzulegt werden, welcher maximal 300 Bq/m3 nicht überschreiten darf. 2.2.2. Nationale Regelungen: Strahlenschutzgesetz Das neue Strahlenschutzgesetz ist – zeitgleich mit konkretisierenden Regelungen der neuen Strahlenschutzverordnung – am 31. Dezember 2018 in Kraft getreten und stellt die Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom in das nationale Recht dar. „Die Bundesregierung hat sich bei der Neufassung der europäischen Grundnormen zum Strahlenschutz (Richtlinie 2013/59/Euratom) dafür eingesetzt, dass Radonschutzregelungen zukünftig in die nationalen Strahlenschutzvorschriften aufgenommen werden müssen. In den neuen Grundnormen wird u. a. gefordert, dass nationale Referenzwerte für die Radonkonzentration in Innenräumen festgelegt und Programme zur Erfassung und Verminderung der Radonrisiken durchgeführt werden. Es wird vorgeschrieben, dass die nationalen Referenzwerte 300 Bq/m3 nicht überschreiten dürfen. Diese Festlegung stellt einen Kompromiss dar, der zum einen die Empfehlungen internationaler Fachorganisationen wie der Weltgesundheitsorganisation aufgreift, die einen Richtwert in Höhe von 100 Bq/m3 vorsieht (ausnahmsweise auch bis 300 Bq/m3), und zum anderen hinsichtlich der praktischen Machbarkeit des Radonschutzes in den verschiedenen europäischen Ländern ausreichende Flexibilität gewährleistet.“8 „Durch die Erweiterung des strahlenschutzrechtlichen Anwendungsbereichs durch die Richtlinie 2013/59/Euratom ist mit dem Strahlenschutzgesetz eine eigenständige formell-gesetzliche Grundlage für den Strahlenschutz geschaffen worden. Das Gesetz enthält maßgebliche und 7 Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32013L0059&from=DE (zuletzt aufgerufen am 19.03.2019) 8 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ralph Lenkert u.a., „Langfristige Risiken der Exposition gegenüber Radon“, BT-Drs. 18/3543, S. 2, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/035/1803543.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.03.2019) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 017/19 Seite 8 grundrechtsrelevante Aspekte des Strahlenschutzes wie die Strahlenschutzgrundsätze, Genehmigungs - und Anzeigetatbestände, Grenz- und Referenzwerte sowie Regelungen zu Zuständigkeiten, Aufsicht und Verwaltungsverfahren.“9 *** 9 Verordnung der Bundesregierung, Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts, BR-Drs. 423/18, S. 1, abrufbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2018/0401-0500/423- 18.pdf;jsessionid=C91A29326D6DB4646AB56ED2AC5B77BE.1_cid339?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt aufgerufen am 19.03.2019) (Fettungen durch Verf.)