© 2018 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 016/18 Einzelfragen zu Stickoxiden Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 2 Einzelfragen zu Stickoxiden Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 016/18 Abschluss der Arbeit: 5. März 2018 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Stickoxid-Grenzwerte 4 1.1. Medizinische Basis für Grenzwertfestlegung 4 1.2. Prozedere der Datenübermittelung 9 2. Studien zu Gesundheitsstörungen bei Menschen 9 3. Stickoxid-Messstationen 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 4 1. Stickoxid-Grenzwerte Grundsätzlich treten Stickstoffoxide (NOx) als Stickstoffdioxid (NO2) oder als Stickstoffmonoxid (NO) auf. Vorwiegend wird Stickstoffmonoxid (NO) emittiert. Dieses wird allerdings verhältnismäßig schnell von Luftsauerstoff (O2) und Ozon (O3) zu NO2 oxidiert. Stickstoffoxide entstehen als Produkte unerwünschter Nebenreaktionen bei Verbrennungsprozessen, insbesondere bei Verbrennungsmotoren und Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. In städtischen Region, d.h. in Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr die vorrangige Quelle von NOx. Für die Festlegung von Grenzwerten für NOx ist die EU-Richtlinie 2008/50/EG bedeutsam; sie wurde mit der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BIm- SchV) in deutsches Recht umgesetzt. Hierin wird zum Schutz der menschlichen Gesundheit ein mittlerer Jahresgrenzwert von 40 µg/m³ (Mikrogramm pro Kubikmeter) festgelegt, der seit 2010 einzuhalten ist. Mehr als die Hälfte aller städtischen verkehrsnahen Luftmessstationen in Deutschland registrierten 2016 Überschreitungen dieses Jahresgrenzwertes. Ebenfalls seit 2010 muss ein Ein-Stunden-Grenzwert für Stickstoffdioxid von 200 µg/m³ eingehalten werden; dieser darf nicht häufiger als 18 Mal im Jahr überschritten werden. Dieser Grenzwert wurde an den städtischen Hintergrundmessstellen eingehalten, aber insbesondere an stark befahrenen Straßen mit „Schluchtcharakter“1 überschritten. Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/luft/stickstoffdioxid-belastung#textpart-2 [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. 1.1. Medizinische Basis für Grenzwertfestlegung Stickstoffdioxid, NO2, ist ein rotbraunes, stechend chlorähnlich riechendes Gas, das leicht verflüssigt werden kann und als Spurengas in der Atmosphäre mit den höchsten Werten in Bodennähe vorkommt. Es ist hochgiftig und wird in geringen Konzentrationen kaum wahrgenommen. 1 Beispielsweise durch anliegende hohe Häuser. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 5 Eingeatmetes Stickstoffdioxid löst Kopfschmerzen und Schwindel aus. Höhere Konzentrationen können Atemnot und Lungenödeme auslösen.2 In einem aktuellen Hintergrundartikel des Umweltbundesamtes wird auf fachliche Hintergründe für die geltende Grenzwertfestsetzung für NO2 eingegangen. Hierin heißt es: „Grenzwerte für Luftschadstoffe sollen alle Gruppen der Allgemeinbevölkerung an allen Orten vor nachteiligen gesundheitlichen Folgen schützen. Dazu gehören auch besonders empfindliche Menschen, wie zum Beispiel Personen mit Asthma, sowie Kleinkinder und ältere Menschen, auch mit vorgeschädigten Atemwegen. […] In Vorbereitung auf das Jahr der Luft 2013 hatte die EU eine Überarbeitung und Prüfung der aktuellen Grenzwerte für Luftschadstoffe in die Wege geleitet. Die WHO wurde wiederum in den Prozess einbezogen und um eine wissenschaftliche Bewertung gebeten. Sie stellte in dem Bericht ‚Review of evidence on health aspects of air pollution‘ (REVIHAAP) fest, dass seit 2004 eine Vielzahl epidemiologischer Studien veröffentlicht wurde, die Zusammenhänge zwischen der NO2- Kurzzeitbelastung und der Mortalität, Krankenhausbesuchen und Atemwegssymptomen aufzeigen. Diese Ergebnisse der Studien ließen sich durch Kammerversuche bestätigen und deuten darauf hin, dass bei einer Neu-Empfehlung der Kurzzeit-Richtwert für NO2 möglicherweise niedriger als bisher anzusetzen wäre. Das WHO-Expertengremium empfahl, auch die wissenschaftlichen Arbeiten zu den Langzeiteffekten intensiv zu sichten, verwies aber darauf, dass sich die Effekte von NO2 bis dato noch immer nicht vollständig von denen der anderen verkehrsbedingten Luftschadstoffe trennen ließen (WHO 2013a). Dieser Erkenntnisstand zu den Langzeitfolgen von NO2 wurde in der Folge im Rahmen des WHO-Projektes ‚Health risks of air pollution in Europe‘ (HRAPIE) erweitert (WHO 2013b; Heroux et al. 2015). Die WHO-Gremien zogen dazu aktuelle Bevölkerungsstudien aus Europa heran, die den Zusammenhang zwischen der Mortalität von Erwachsenen in einem Konzentrationsbereich von NO2 unter 40 µg/m3 im Jahresmittel untersuchten. Sie kamen zu dem Schluss, dass gesundheitsrelevante Wirkungen von NO2 ab einer langfristigen durchschnittlichen Exposition von 20 µg/m3 kalkuliert werden müssen. Die Auswirkungen einer langfristigen Exposition in diesen niedrigen NO2-Konzentrationsbereichen werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kontrovers diskutiert. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA (United States Environmental Protection Agency) veröffentlichte 2016 eine systematische Übersicht über Studien zu NO2 bis zum Jahr 2014, wobei besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde, die Effekte von NO2 unabhängig von anderen Schadstoffen zu beurteilen. Der Zusammenhang zwischen einer kurzfristigen NO2-Belastung und Asthmaanfällen wird demnach als kausal belegt eingestuft. Der Zusammenhang zwischen einer langfristigen NO2-Belastung und der Asthmaentstehung wird als 2 Quelle: http://www.chemie.de/lexikon/Stickstoffdioxid.html [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 6 „möglicherweise“ kausal eingestuft. Es fehlen nach Ansicht der US EPA genügend aussagekräftige Studien, die einen von anderen Schadstoffen unabhängigen Effekt zeigen. Gleiches gilt lt. EPA für die in Betracht gezogenen gesundheitlichen Folgen Herz-/Kreislauferkrankungen, Diabetes, reduziertes Wachstum im Mutterleib , Krebs und die Sterblichkeit (EPA 2016). Unabhängig von dieser auch in Deutschland teils kontroversen Diskussion über die Bedeutung des Langzeitbeurteilungswertes für NO2 als solcher, bleibt festzuhalten , dass gesundheitsschädliche Wirkungen von Luftschadstoffen aus dem Straßenverkehr unstrittig nachgewiesen sind, ob nun durch NO2 allein verursacht oder zusätzlich durch andere Luftschadstoffe. NO2 ist und bleibt daher ein aussagekräftiger Indikator für die Umweltbelastung durch den Straßenverkehr. Schon aus diesem Grund erfüllt der Jahresgrenzwert für NO2 seinen Zweck für die öffentliche Gesundheitsvorsorge. […] Der gültige NO2-Jahresmittelwert für die Außenluft von 40 µg/m3 wurde 1999 auf Vorschlag der EU-Kommission von den EU- Mitgliedstaaten beschlossen und 2008 von der EU bestätigt. Gleichzeitig wurde ein 1-Stunden-Mittelwert von 200 µg/m3 verabschiedet, der höchstens 18-mal pro Jahr überschritten werden darf (EU 2008). Die EU-Grenzwerte zur Luftreinhaltung wurden in allen Mitgliedstaaten und so auch in Deutschland in nationales Recht umgesetzt. Die EU-Kommission stützt ihre Vorschläge für Grenzwerte auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO – so auch in Vorbereitung der ersten Festschreibung der EU-Grenzwerte für NO2. Die Empfehlungen der WHO wurden im Jahr 2000 als Luftgüteleitwerte in den WHO Air Quality Guidelines for Europe veröffentlicht (WHO 2000). Der Empfehlung eines 1-Stunden-Mittelwerts legte die WHO klinische Studien zu Wirkungen von NO2 bei Menschen mit asthmatischen Erkrankungen zugrunde. Diese zeigten bei einer 30-minütigen Exposition gegenüber einer Konzentration von 375 bis 565 µg NO2/m3 eine erhöhte bronchiale Reaktion. Ein Sicherheitsfaktor von 50 Prozent und damit der Wert von gerundet 200 µg/m3 wurde auch deshalb vorgeschlagen, da eine Studie vorlag, die zeigte, dass bei kurzfristiger Belastung mit 190 µg NO2/m3 keinerlei Wirkungen zu beobachten waren (WHO 2000). Für den Langzeit-Richtwert schlussfolgerte die WHO im Jahr 2000, dass eine Festlegung auf der Basis geeigneter Studien nicht möglich sei. Dennoch zog sie den Wert von 40 µg/m3 aus einer früheren Abschätzung heran (WHO 1997). Zusätzlich zitierte sie eine Innenraumexpositionsstudie, bei der eine durch Gasöfen verursachte Exposition gegenüber 30 µg NO2/m3 über zwei Wochen bei Kindern zu einer 20-prozentigen Erhöhung der Zahl der Atemwegserkrankungen führte. Beide WHO-Richtwerte für NO2 wurden durch die WHO in einer Aktualisierung im Jahr 2005 bestätigt. Die WHO argumentierte, dass aktuelle Tierstudien und Studien am Menschen zeigten, dass Kurzzeitkonzentrationen über 200 µg/m3 signifikante Gesundheitseffekte haben. Tierstudien zeigten außerdem, dass Langzeitbelastungen gegenüber Hintergrundwerten zu adversen Effekten führen. Die mittlere „natürliche“ jährliche Hintergrundkonzentration von NO2 liegt weltweit bei Werten zwischen 0,4 bis 9,0 µg/m3. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber noch immer keine robuste Datenbasis für einen Langzeitwert. Die WHO hielt auch fest, dass es bei Studien an der Bevölkerung schwierig ist, Wirkungen des NO2 von denen anderer Luftschadstoffe zu trennen, da Menschen eben nicht nur einem Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 7 einzelnen Schadstoff ausgesetzt sind, sondern einem „Cocktail“ aus gas- und partikelförmigen Verbrennungsprodukten (WHO 2006). Der WHO-Richtwert für NO2 von 40 µg/m³ wurde in dem Sinne abgeleitet, dass er geeignet ist, die Gesundheit der Bevölkerung (auch empfindlicher Gruppen) bei dauerhafter Exposition zu schützen. Dieser empfohlene Richtwert sollte auch der Tatsache Rechnung tragen , dass NO2 als ein Indikator für komplexe, durch Verbrennung erzeugte Luftschadstoffgemische überwacht wird. Es wurde also schon zur damaligen Zeit als sinnvoll angesehen, diesen Stoff streng zu regulieren.“3 In der Wissenschaft besteht ein grundsätzlicher Konsens, dass Stickoxide prinzipiell eine gesundheitsgefährdende Wirkung haben (untenstehend werden einige Review-Artikel, die unterschiedliche Gesundheitsaspekte wie Asthma, Allergien und verschiedene Bronchialerkrankungen beleuchten, angegeben4). Allerdings wird in der Wissenschaft auch immer wieder darauf hingewiesen , dass die genaueren (molekularen) Mechanismen noch unzureichend erforscht seien. 3 https://www.umweltbundesamt.de/themen/hintergrund-zu-eu-grenzwerten-fuer-no2 [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. Literaturhinweise: EPA – Environmental Protection Agency (2016): Integrated Science Assessment for Oxides of Nitrogen – Health Criteria . National Center for Environmental Assessment, Research Triangle Park, NC, USA. EU – Europäische Union (2008): Directive 2008/50/EC of the European Parliament and of the Council of 21 May 2008 on ambient air quality and cleaner air for Europe. Heroux M E, Anderson H R, Atkinson R et al. (2015): Quantifying the health impacts of ambient air pollutants: recommendations of a WHO/Europe project. Int. J. Public Health 60: 619–627. WHO – World Health Organization (2013a): Review of evidence on health aspects of air pollution – REVIHAAP Project . Technical Report. Copenhagen, Denmark. WHO – World Health Organization (2013b): Health risks of air pollution in Europe – HRAPIE project. Recommendations for concentration-response functions for cost-benefit analysis of particulate matter, ozone and nitrogen dioxide. Report. Copenhagen, Denmark. WHO – World Health Organization (2006): Air quality guidelines for particulate matter, ozone, nitrogen dioxide and sulfur dioxide. Global Update 2005. Summary of risk assessment. Geneva, Switzerland. WHO – World Health Organization (2000): Air Quality Guidelines for Europe. WHO Regional Publications, European Series No.91. Copenhagen, Denmark. 4 Beispiele wissenschaftlicher Übersichtsartikel zu gesundheitlichen Auswirkungen von NO2: Hoek, G.; Krishnan, R.M.; Beelen, R.; Peters, A.; Ostro, B.; Brunekreef, B.; Kaufman, J.D.: Long-term air pollution exposure and cardio- respiratory mortality: a review; Environ Health. 2013 May 28;12(1):43. doi: 10.1186/1476-069X- 12-43 Li, J.; Sun, S.; Tang, R.; Qiu, H.; Huang, Q.; Mason, T.G.; Tian, L.: Major air pollutants and risk of COPD exacerbations: a systematic review and meta-analysis. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2016 Dec 12;11:3079-3091. doi: 10.2147/COPD.S122282. Frank, U.; Ernst, D.: Effects of NO2 and Ozone on Pollen Allergenicity. Front Plant Sci. 2016; 7: 91., 4. Februar 2016; doi: 10.3389/fpls.2016.00091, PMCID: PMC4740364. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 8 Im vergangenen Jahr wurde auf dem 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) über die negativen Auswirkungen von Feinstaub und Stickoxiden debattiert und die grundsätzlichen Gefahren betont. Allerdings wurde auch hier darauf hingewiesen , dass weitere Untersuchungen nötig seien, um die gesundheitlichen Risiken besser einschätzen zu können und wirkungsvolle Maßnahmen zur Feinstaub-Reduktion zu entwickeln.5 Über das tatsächliche aktuelle Gesundheitsrisiko in Deutschland sind sich die Lungenfachleute laut Artikel in der Ärzte Zeitung nicht einig.6 Besonders wird kritisiert, dass die aktuelle öffentliche Darstellung der Gesundheitsgefährdung durch NO2 irreführend und undifferenziert sei7. Wichtige hierbei angeführte Kritikpunkte sind, dass trotz des unbestritten gesundheitsgefährdenden Charakters von NO2 die Diskussion von anderen wichtigen Gesundheitsaspekten – nach Meinung verschiedener Ärzte gravierenderen – ablenke. Hierzu zählen Bewegungsmangel, Ernährung, Treibhausgase und Gesundheitsauswirkungen durch andere Schadstoffe. Zudem wird darauf verwiesen , dass sich die Grenzwerte auf der Welt teils erheblich unterscheiden und der derzeit in Europa geltende Wert aus verschiedenen Überlegungen heraus abgeleitet wurde, nicht aber notwendig widerspiegelt, dass exakt ab diesem Wert ein ausgeprägtes Gesundheitsrisiko besteht. In der Diskussion beruft man sich verschiedentlich auf epidemiologische Studien. Naturgemäß werden in der Epidemiologie Korrelationen, d.h. das gemeinsame Auftreten von Ereignissen untersucht . Es wird eine Korrelation zwischen Gesundheitsproblemen bzw. Todesfällen und Stickoxid -Exposition festgestellt und andere Effekte mathematisch herausgerechnet bzw. mit berücksichtigt . Allerdings – so ein häufiger Kritikpunkt – wird keine Kausalität abgeleitet. Hierzu bedarf es toxikologischer Studien. Inwiefern bisherige Erkenntnisse aus epidemiologischen und toxikologischen Studien ausreichende Evidenzen liefern, um den kausalen negativen Einfluss von NO2 auf die Gesundheit im Ausmaß, wie in der öffentlichen Debatte widergespiegelt, zu begründen, wird kontrovers diskutiert.8 Marino, E.; Caruso, M.; Campagna,D.; Polosa,R.: Impact of air quality on lung health: myth or reality? Ther Adv Chronic Dis. 2015 Sep; 6(5): 286–298. doi: 10.1177/2040622315587256; PMCID: PMC4549691 Crouse DL, Peters PA, Hystad P, Brook JR, van Donkelaar A, Martin RV, Villeneuve PJ, Jerrett M, Goldberg MS, Pope CA 3rd, Brauer M, Brook RD, Robichaud A, Menard R, Burnett RT.: Ambient PM₂.5, O3, and NO₂ Exposures and Associations with Mortality over 16 Years of Follow-Up in the Canadian Census Health and Environment Cohort (CanCHEC). Environ Health Perspect. 2015 Nov;123(11):1180-6. doi: 10.1289/ehp.1409276. Epub 2015 Nov 1. 5 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP): Wie gefährlich ist Feinstaub? DGP: Mehr Forschung zu gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung. Pressemeldung von 22. März 2017; im Internet abrufbar unter: https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/Presse/03_PM_Feinstaub_F.pdf [zuletzt abgerufen am 4. März 2018]. 6 Ärzte Zeitung online vom 22.03.2017. Beim Thema Luftschadstoffe scheiden sich die Geister; Im Internet abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/asthma/article/932208/pneumologen-thema-luftschadstoffe -scheiden-geister.html [zuletzt abgerufen am 4. März 2018]. 7 Ebd. sowie: Orange by Handelsblatt: Sterben wirklich 12.000 Menschen im Jahr an Diesel-Abgasen? 2. März 2018, im Internet abrufbar unter: https://orange.handelsblatt.com/artikel/40777 [zuletzt abgerufen am 4. März 2018]. 8 Siehe hierzu auch: Ärzteblatt vom 16. Mai 2017: Abgasskandal: Stickoxide verursachen in Europa fast 30.000 vorzeitige Todesfälle. Im Internet abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/75723/Abgasskandal- Stickoxide-verursachen-in-Europa-fast-30-000-vorzeitige-Todesfaelle [zuletzt abgerufen am 4. März 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 9 1.2. Prozedere der Datenübermittelung Eine Informations- und Alarmschwelle, bei der die Bevölkerung umgehend bei Überschreitung eines NO2-Messwertes informiert werden muss, existiert nicht. Zum 30. September eines jeden Jahres werden die offiziellen Beurteilungsberichtsdaten an die europäische Umweltagentur übermittelt. Werden Grenzwerte gemäß den europäischen Bestimmungen überschritten, müssen die betroffenen Länder Luftreinhalte- und Aktionspläne vorlegen .9 Das genaue Prozedere wird auf den Seiten des Umweltbundesamtes beschrieben.10 2. Studien zu Gesundheitsstörungen bei Menschen Bei der Erhebung und Übermittelung von Daten wird an Messstation in unterschiedlichen Bundesländer verschiedene Methoden angewandt: In Berlin wird bei Grenzwertüberschreitung beispielsweise ein Screening durchgeführt und nach einer Modellrechnung Belastungsprofile erstellt . In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen werden um die Messstation herum eine ca. 100 m-Zone bestimmt und zur Abschätzung der Belastungen bis zu einer bestimmten Wohn- Geschosshöhe berücksichtigt11. Dies ist bei der Bewertung von Berichten zu Gesundheitsbelastungen an unterschiedlichen Orten in Deutschland zu beachten. Innenraummess-Studien zu Gesundheitsstörungen bei Menschen, die in der Nähe von NO2-Messstationen leben, konnten im Rahmen der Recherchen zu der vorliegenden Arbeit nicht gefunden werden. Ebenso Studien, die spezifisch eine Korrelation zwischen Gesundheitsstörungen bei Menschen und ihrer Wohnortnähe an Messstationen untersuchen, wurden nicht gefunden. Zentrale Studien zu Gesundheitsstörungen bei Menschen infolge von NO2 sind zwei Studien der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahre 2013: (1) Health risks of air pollution in Europe – HRAPIE project12 Im Rahmen dieses Projektes ist eine Expertenumfrage durchgeführt worden. Dabei war das Ziel, Hinweise für neue Risiken durch Luftverschmutzung zu sammeln. Die Risiken sollten entweder im Zusammenhang mit verschiedenen Quellen stehen (Transport, Biomassenverbrennung , Metallindustrie, Raffinerien, Stromproduktion etc.) oder in Zusammenhang mit bestimmten Stoffen (spezifische gasförmige Schadstoffe oder spezifische 9 Informationen des Umweltbundesamtes. 10 https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/regelungen-strategien/luftreinhaltung-in-der-eu#textpart-1 [zuletzt abgerufen am 28. Februar 2018]. 11 Auskünfte des Umweltbundesamtes 12 http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0017/234026/e96933.pdf?ua=1 [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 10 Komponenten teilchenförmigen Materials). Im Hinblick auf NO2 wurden in den Untersuchungen aktuelle Bevölkerungsstudien aus Europa herangezogen, „die den Zusammenhang zwischen der Mortalität von Erwachsenen in einem Konzentrationsbereich von NO2 unter 40 µg/m3 im Jahresmittel untersuchten. Sie kamen zu dem Schluss, dass gesundheitsrelevante Wirkungen von NO2 ab einer langfristigen durchschnittlichen Exposition von 20 µg/m3 kalkuliert werden müssen.“13 (2) Review of evidence on health aspects of air pollution – REVIHAAP Project14 Hierin geht es u.a. um die Überprüfung von europäischen Fragen, die relevant sind, um Maßnahmen gegen Luftverschmutzung und zur Behandlung gesundheitsbezogener Probleme zu entwickeln. Dabei kommt man zu dem Schluss, dass in den vergangenen Jahren in umfangreichem Maße wissenschaftliche Evidenz gefunden wurde, dass verschiedene Schadstoffe, u.a. NO2, schädliche gesundheitliche Auswirkungen haben. Dies unterstreicht die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen, die in die WHO Luftqualitätsrichtlinien (zuletzt 2005 aktualisiert) eingeflossen sind und hält fest, dass gesundheitsschädliche Effekte durchaus bereits in niedrigeren Konzentrationen auftreten können. Es werden Zusammenhänge zwischen der NO2-Kurzzeitbelastung und Mortalität, Krankenhausbesuchen und Atemwegssymptomen aufgezeigt.15 3. Stickoxid-Messstationen Eine europäische Datenbank informiert – laufend aktualisiert – über Luftreinheitswerte innerhalb Europas. Sie ist im Internet abrufbar unter: http://eeadmz1-cws-wp-air.azurewebsites.net/ [zuletzt abgerufen am 21. Februar 2018]. Einige Länder übermitteln laufend aktualisierte Werte, diese sind im Internet abrufbar.16 Alle Länder speisen regelmäßig statistische Daten ein. Hierbei können verschiedene Schadstoffe abgerufen werden, u.a. auch Stickstoffdioxid. Zudem ist die Auswahl des Jahres möglich, verschiedene statistische Einstellungen, einzelne Länder und der Messstationstypus. Die Daten werden auf einer geografischen Karte dargestellt, sind grafisch oder tabellarisch abrufbar.17 Im Folgenden wird die Anzahl der Messstationen für einzelne Beispiel-Städte wiedergegeben: 13 https://www.umweltbundesamt.de/themen/stickstoffdioxid-belastung-hintergrund-zu-eu [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. 14 http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0004/193108/REVIHAAP-Final-technical-report-final-version .pdf?ua=1 [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. 15 https://www.umweltbundesamt.de/themen/stickstoffdioxid-belastung-hintergrund-zu-eu [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. 16 http://eeadmz1-cws-wp-air.azurewebsites.net/products/data-viewers/utd-viewer/ [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. 17 http://eeadmz1-cws-wp-air.azurewebsites.net/products/data-viewers/statistical-viewer-public/ [zuletzt abgerufen am 23. Februar 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 016/18 Seite 11 Bezugsjahr: 2015, Schadstoff: NO2 Wien: 17 Messorte; Zürich: 5 Messorte; Paris: 28 Messorte; Rom: 12 Messorte; Neapel: keine Messorte; Mailand: 16 Messorte; Marseille: 6 Messorte; Berlin: 16 Messorte ***