© 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 015/16 Bioökonomie Flächen- und Wasserbedarfe, First-Food-Ansatz, Technologieeinsatz und Kaskadennutzung, Erfolge der Bioökonomiestrategie 2030, schonendender Umgang mit Phosphor Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Deutsche Maßnahmen auf globaler Ebene 8 3. Technologieeinsatz 9 3.1. Bisheriger großflächiger Technologieeinsatz 9 3.2. Exkurs: Zur Besonderheit der Chemieindustrie 10 3.3. Rolle der Kaskadennutzung 10 4. Die Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 der Bundesregierung 12 4.1. Erfolge der Bioökonomie-Forschungsstrategie 12 4.2. Technische und soziale Innovationen 13 4.2.1. Exkurs: Kritik an der gängigen Definition des Innovationsbegriffs 13 4.2.2. Technische Innovationen: 14 4.2.3. Soziale Innovationen: 14 4.3. Exkurs: Nachhaltigkeit der Bioökonomie? 15 5. Vereinbarkeit der Bioökonomie(-strategie 2030) mit schonendem Umgang der Phosphor-Reserven 16 6. Literatur 19 Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 4 1. Flächen- und Wasserbedarfe einer global umgestellten biobasierten Wirtschaft und Folgewirkungen 1.1. Potenzialberechnungen zur Bioökonomie Die Mehrzahl der Schätzungen geht davon aus, dass bis Mitte des Jahrhunderts mit ungefähr einer Verdopplung der Nachfrage nach Agrarprodukten zu rechnen sein wird. So schätzen die Vereinten Nationen, dass die Weltbevölkerung (im Mittel)bis 2050 auf 9,6 Milliarden Menschen anwachsen wird, was zusätzlichen 2,5 Milliarden Menschen entsprechen würde, die ernährt werden müssen. Zusammengerechnet könnten die Entwicklungen im Nahrungsmittel -, Futtermittel- und Bioenergiesektor ohne weiteres bis 2050 so zu 50 Prozent erhöhtem Bedarf führen. (Vgl. BpB 2014).1 Mehr als zwei Drittel der weltweiten Agrarfläche ist Weideland und ein Großteil des heute genutzten Weidelandes eignet sich gerade in Trockengebieten zu keiner anderen landwirtschaftlichen Nutzung als extensiver Weidehaltung (vgl. Weltagrarbericht Internetportal 2016). Nach Kenntnis des BMBF und des BMEL liegen aktuell keine belastbaren Berechnungen bzw. Einschätzungen vor, die den künftigen Flächen- und Wasserbedarf einer globalen Umstellung auf die Bioökonomie betreffen, da hierfür auch belastbare globalen Schätzungen zur Bioökonomie und vor allem zu deren Struktur erforderlich wären. Das beinhaltete auch Schätzungen zu den künftigen Nutzungspfaden, was sich vor allem für die Ermittlung des Bedarfs für die Nonfood -Nutzungspfade (Bioenergie, stoffliche Biomassenutzung) als schwierig darstellen dürfte. (Vgl. Angaben durch das BMBF; vgl. Angaben durch das BMEL). Außerdem würden die Parameter zu Berechnungen bzw. Einschätzungen von Flächen- und Wasserbedarfen einer Vielzahl endogener und exogener Beeinflussungsfaktoren unterliegen. „Eine Einschätzung der nachhaltig nutzbaren Menge, etwa beim Süßwasserkreislauf, ist methodisch nicht einfach. Noch schwieriger ist eine Hochrechnung erforderlicher Mengen, da sich die Forschung zu nachhaltigen Anbaumethoden beispielsweise intensiv mit Formen sparsamer Bewässerung befasst. Ähnliches gilt für den Flächenbedarf, der in Relation zur Art der Nutzung und einem breiten Spektrum von Funktionen, die die Landnutzung erfüllt, gesehen werden muss. Das Problemverständnis hat sich zudem dahingehend erweitert, dass es nicht um Flächen an sich, sondern um die Funktionen (sowohl im Sinn von Erträgen als auch von Ökosystemdienstleistungen ) geht und die Effekte von Landnutzungsänderungen umfassend untersucht werden müssen. Vorhandene Hochrechnungen müssen neben dem steigenden Bedarf auch die technische Entwicklung berücksichtigen, von der aufgrund intensiver Forschung sowohl bei der Biomasseproduktion als auch bei der Mehrfach- und Kaskadennutzung von biogenen Ressourcen erhebliche Effizienzsteigerungen erwartet werden. Ein zentrales Anliegen der Forschungsförderung für die 1 Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) rechnet sogar damit, dass die globale Nachfrage allein nach Nahrungs- und Futtermitteln bis zur Mitte des Jahrhunderts um 70 Prozent ansteigt (FAO 2009 zitiert nach BGR 2013:12). Und Mauser/Klepper/Zabel u.a. beziehen sich auf Studien, die von einer 70-110-prozentigen Steigerung der Nachfrage nach Agrarprodukten vor dem Hintergrund des Klimawandels in 2050 ausgehen (vgl. Mauser/Klepper /Zabel 2015: 2). Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 5 Bioökonomie ist gerade die Berücksichtigung verschiedener Aspekte der Ressourceneffizienz als Ausdruck ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit.“ (Angaben durch das BMBF). Im diesem Sinne arbeiten BMBF, BMEL und BMWi derzeit gemeinsam an der Etablierung eines Bioökonomie-Monitorings, das sich momentan noch in der Ausschreibung befindet und von dem künftig Auskünfte zur Entwicklung des Ressourcenbedarfs erwartet werden (vgl. BMBF 2016 b). Wenn nun keine Angaben für den Flächen- und Wasserbedarf einer globalen Umstellung auf die Bioökonomie gemacht werden können, so kann doch zum einen festgehalten werden, dass es Aussagen zu Möglichkeiten gibt, wie auf den sich bis 2050 geschätzt verdoppelnden Agrarproduktebedarf reagiert werden kann. So gibt es, um die Erträge landwirtschaftlicher Kulturen insgesamt zu steigern, grundsätzlich zwei Möglichkeiten: 1. die Ausweitung von Ackerflächen unter Einbeziehung bislang nicht kultivierter Böden oder 2. eine weitere Steigerung der Erträge auf den bisher bewirtschafteten Flächen . „Ob die weltweite landwirtschaftlich genutzte Fläche von etwa 1,5 Milliarden Hektar überhaupt ausgeweitet werden kann, ist derzeit umstritten. Es besteht die Gefahr, dass die Inkulturnahme von zusätzlicher Anbaufläche mit einer weiteren Erhöhung von Treibhausgasen, dem Verlust von Ökosystemen, einer Einschränkung der Biodiversität und Gefährdung wichtiger genetischer oder anderer Ressourcen (Wasser, Boden) sowie dem Verlust menschlichen Lebensraums verbunden ist.“ (Bioökonomierat 2014 d: 2). Daher sei es sinnvoll, den wachsenden Bedarf an pflanzlicher Biomasse auch künftig, wie dies bereits seit Jahrzehnten der Fall ist, in erster Linie durch eine Steigerung der Erträge zu decken und nicht durch eine Ausdehnung der bewirtschafteten Fläche. Und zum anderen liegen Berechnungen zu a) Flächen- und b) Reststoffpotenzialen als auch zur c) Bedarfsdeckung bei einer Verdopplung des Rohstoffbedarfs für die Bioökonomie eben ohne Ausweitung der weltweiten Anbauflächen vor. Zu a) Das Deutsche Biomasseforschungszentrum und die Universität Hohenheim haben umfassende Berechnungen der verfügbaren Flächen für die stoffliche Nutzung biobasierter Rohstoffe unter Sicherstellung der Welternährung angestellt. Die Ergebnisse unterscheiden sich, je nach den getroffenen Angaben in den Szenarien (z.B. Business as usual) zu verschiedenen Einflussfaktoren bzw. Wechselwirkungen. So stünden in den USA, Asien und Afrika im BAU-Szenario künftig weniger Flächen zur Verfügung, da auf den beiden letzteren Kontinenten die Nahrungsmittelnachfrage infolge des Bevölkerungswachstums stark steigen wird, während in Industrieländern mit hoch entwickelter Infrastruktur weitere Flächenpotenziale bestehen, wobei Russland derzeit sogar 70 Millionen Hektar potenzieller Fläche aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen nicht nutzt (vgl. DBFZ 2011). Zu b) 2015 wurden auch erstmals die verfügbaren Rest- und Abfallstoffpotenziale mit Hilfe einer einmaligen Datensammlung für die Biomasse für Deutschland in einer Meta-Studie ausgewertet (ohne den Flächenbedarf) (vgl. FNR; BMEL 2015 in Zusammenarbeit mit dem DBFZ). Danach beträgt das technische Gesamt-Potenzial 98,4 Mio. Tonnen Trockensubstanz pro Jahr. Davon befinden sich bereits 69 Prozent in einer stofflichen oder energetischen Nutzung. 31 Prozent sind derzeit noch ungenutzt, im Wesentlichen Waldrestholz, Getreidestroh sowie Gülle und Mist (also tierische Exkremente), das entspräche einem Energiegehalt von 448 PJ. Andere Fraktionen wie Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 6 Sägereste, Altholz, Schwarzlauge, Landschaftspflegeholz, Siedlungsabfälle oder Reststoffe aus der Lebens- und Futtermittelherstellung befinden sich bereits überwiegend in Nutzung.2 Zu c) In der dezidiert ausgearbeiteten und ebenfalls aktuellen Studie „Global Biomass production potentials exceed expected future demand without the need for cropland expansion“ unter Federführung des IfW Kiel kommt man zu dem Schluss, dass entgegen der bisherigen Annahmen , das volle Biomassepotenzial heutiger weltweiter Ackerflächen sehr wohl dazu beitragen kann, die zukünftig steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Bioenergie und biobasierten Materialien zu befriedigen, ohne dass die weltweiten Ackerflächen dafür ausgeweitet werden müssten . Notwendig dazu wäre `lediglich` erstens ein verbessertes Farmmanagement mit gesteigerten Erträgen und häufigeren Ernten und zweitens eine effizientere geografische weltweite Neuverteilung des Anbaus und eine Anpassung bei der Auswahl der Feldfrüchte („possible Hotspots for future intensification“). Weltregionen wie die ehemalige Sowjetunion (ohne Russland), Brasilien, Indien, Lateinamerika und insbesondere Subsahara Afrika weisen große Intensivierungspotentiale auf, zum Teil aber auch nur bei einer Neuverteilung der landwirtschaftlichen Flächen bzw. bei der Neuauswahl der Früchte (vgl. Mauser/Klepper/Zabel 2015: 4). Darüber hinaus erfolgt noch eine umfassende Analyse der aktuell für Deutschland verfügbaren Daten zu Biomassepotenzialen und -nutzung in einem laufenden Projekt am DBFZ mit der Projektnummer FKZ22020114). (Vgl. DBFZ 2015: 57). 1.2. Problematisierungen einer extensiven Bioökonomie und mögliche Folgewirkungen Kritisch wird angemerkt, dass der Anbau und die Weiterverarbeitung von Biomasse 70mal mehr Wasser braucht als die Gewinnung von Erdöl, Erdgas oder Kohle. Damit haben stofflich und energetisch nutzbare Biomassen einen ungleich höheren Wasserbedarf als fossile Rohstoffe. Die angestrebte Bioökonomie laufe deshalb Gefahr, den Wasserstress in den Biomasse-Herkunftsländern noch weiter zu verschärfen. Normen und Nachhaltigkeitszertifizierungen (wie die ISO-Normung zum Wasser-Fußabdruck sowie die Nachhaltigkeitszertifizierungen für Anbau und Weiterverarbeitung von Biomassen zur energetischen und stofflichen Nutzung) erlauben die Prüfung der wasserwirtschaftlichen Relevanz einer einzelnen Biomasseplantage oder einer einzelnen Biomasseweiterverarbeitungsstätte . Wenn aber ganze Flusseinzugsgebiete auf einen Biomasseanbau zugunsten der Realisierung einer Bioökonomie-Wirtschaft in den Industriestaaten umgestellt werden, versagten diese individuellen Auditierungsinstrumente. Bislang fehle jegliche Abschätzung , welchen Wasserbedarf die Bioökonomie insgesamt nach sich ziehen werde. „Wie der Wasserbedarf in den Biomasse-Herkunftsländern gedeckt werden solle, wenn zeitgleich Unter- und Mangelernährung überwunden und Biomasse in großem Umfang in die EU exportiert werden soll, sei noch nicht einmal in Ansätzen geklärt. Derzeit nutze die Chemiebranche schätzungsweise um die 13 Prozent biogene Rohstoffe und noch niemand habe überschlagen, was es für den Wasserhaushalt in den Biomasse-Herkunftsregionen für Folgen hätte, wenn diese Marge bei- 2 In ihren Zukunftsszenarien für eine Energiewende geht die Bundesregierung davon aus, dass Biomasse im Jahr 2050 1.915 PJ zum gesamten Primärenergieverbrauch beitragen könnte. Gleichzeitig soll die Bioenergienutzung sich dabei stärker auf Rest- und Abfallstoffe konzentrieren. Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 7 spielsweise auf 26 Prozent verdoppelt wird“ (vgl. Geiler 2014: 15f) . Grüne Liga und der Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz fordern daher, dass der Wasserbedarf der Bioökonomie mit konkreten und regionalisierten Zahlen hinterlegt werden müsse. Auch der bisher schon vorhandene und ungebremst weiter voranschreitende Biodiversitätsverlust gefährde global die Ernährungssicherung. Eine Intensivierung der Landwirtschaft und Landnutzung durch die Bioökonomie verschärften dann dieses Problem nur weiter. Trotz dieser Gefährdungen kämen die Worte Bedrohung, Sorge oder Vorsicht in den offiziellen Dokumenten zur Bioökonomie nicht vor. (Vgl. Ober 2014: 2ff). Mit dem Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels würden zukünftig zunehmend landwirtschaftliche Nutzflächen aus der Produktion herausfallen – auch wegen des Eindringens von marinem Salzwasser in küstennahe Grundwasserleiter. Gerade die Entwicklungsländer werden durch Hitze, in vielen Regionen verminderte Niederschläge und häufiger auftretende Wetterextreme stark negativ betroffen sein. Die meisten Simulationsmodelle prognostizierten, dass der Klimawandel auch damit insgesamt die globale Produktivitätsentwicklung in der Landwirtschaft weiter bremsen wird. „Wenn man die derzeitigen Entwicklungen über die kommenden Jahrzehnte fortschreibt, würde sich die Nahrungsverfügbarkeit pro Person deutlich verschlechtern. Im Jahr 2050 würden dann pro Person und Tag nur noch durchschnittlich 2.000 Kilokalorien zur Verfügung stehen, was unterhalb des Bedarfs für erwachsene Menschen liegt. […] Wenn man z.B. auf Bioenergie komplett verzichten und die dafür verwendeten Land- und Wasserressourcen zur Nahrungsproduktion verwenden würde, könnten bei sonst gleichen Annahmen 2050 [..] über 2.500 Kilokalorien pro Person zur Verfügung stehen. Wenn zusätzlich der Fleischkonsum reduziert würde, könnte die Kalorienverfügbarkeit im Vergleich zur heutigen Situation sogar steigen.“ (BpB 2014). Und auch wenn in der Bioökonomie vorrangig mit organischen Abfällen und Rückständen gearbeitet werden solle, sei das nicht automatisch unproblematisch. Denn aus der Sicht des Umweltund Naturschutzes seien organische Rest- und Abfallstoffe wichtige Pfeiler des Erhalts der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität (wie zum Beispiel Totholz im Wald). (Vgl. Ober 2014: 3). 2. Absicherung des Food-First-Ansatzes 2.1. Maßnahmen in Deutschland In der Bioökonomie-Strategie der Bundesregierung (ebenso wie in der Bioökonomiestrategie der EU) wird zugesichert, das Primat der Ernährungssicherheit zu beachten. So heißt es: „Eine kohärente Politik für eine nachhaltige Bioökonomie muss eine Balance zwischen den konkurrierenden Ansprüchen an landwirtschaftliche Nutzflächen für die Nahrungsmittelerzeugung und für die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe finden. Dabei sind die Anforderungen des Umwelt-, Boden-, Natur- und Klimaschutzes zu berücksichtigen. Es gilt der Grundsatz: Die Sicherung der Ernährung hat Vorrang.“ (BMEL 2014: 67). Um entsprechend Flächen- und Nutzungskonkurrenzen zu verringern, setzt die Bundesregierung dabei insbesondere auf Maßnahmen, „die die Produktion und Verfügbarkeit nachwachsender Ressourcen insgesamt erhöhen, die Effizienz ihrer Nutzung verbessern und die ferner auf eine verstärkte Verwertung von nicht für die Ernährung verwendbaren biogenen Rest- und Nebenprodukten abzielen“ (ebd. 68). Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 8 Darüber hinaus sollen unter anderem folgende Maßnahmen die Absicherung des Food-First-Ansatzes ergänzen: eine Überprüfung der Entwicklung von Flächennutzungskonkurrenzen bei der Bioenergie im Rahmen des EEG- Monitorings; die Orientierung der Förderung der Biokraftstoffe an der Treibhausgasreduktion als Bemessungsgrundlage zur Verminderung des Risikos indirekter Landnutzungsänderung; die Förderung eines Pilot- und Demonstrationsprojektes zur Bioenergienutzung von Dauergrünland (vor allem extensiv bewirtschaftetem Grünland in Mittelgebirgslagen); die Förderung von Forschungen zur Folgenabschätzung unterschiedlicher Entwicklungspfade künftiger Landnutzung, bei der auch die Wertschöpfungsketten der Nahrungsmittelerzeugung und der stofflichen und energetischen Nutzung vergleichend bewertet werden sollen. 2.2. Deutsche Maßnahmen auf globaler Ebene Für Deutschland ist die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ein zentraler Mittler und Partner bei der Bekämpfung von Hunger und Unterernährung weltweit. Bei der Ernährungssicherung und Bekämpfung des Hungers durch die FAO nimmt Deutschland nach Angaben des BMEL auch eine führende Rolle ein. So ist seit Mai 2002 eine Rahmenvereinbarung mit der FAO über eine Projektzusammenarbeit im Bereich der Ernährungssicherung vorhanden, für die über einen Treuhandfonds eine zusätzliche Förderung erfolgt. In Kooperation zwischen BMEL und FAO findet zwischen 2016 und 2018 außerdem eine Evaluation der (internationalen) Bioökonomie-Politikstrategien statt, um mittelfristig Richtlinien für eine `nachhaltige Bioökonomie mit Ernährungssicherung´ zu entwickeln. Das BMBF kann auf eine Vielzahl von Forschungsförderaktivitäten verweisen, um die Nahrungsmittelversorgung global langfristig zu sichern. Dazu gehören die Forschungsprojekte „Weniger Nachernteverluste in Ostafrika – GlobE RELOAD“, „Gemeinsam gegen den Hunger – das GlobE- Forschungsnetzwerk Trans-SEC“, „Wissen über Agrarmärkte als Krisenprävention – AGMEMOD goes Africa“. (Vgl. BMBF 2014 a). 2.3 Kritik an mangelnder Absicherung des Ernährungssicherungsprimats Es wird durchaus kritisiert, dass eine tatsächliche Absicherung des Food-First-Ansatzes bisher nicht gegeben ist. So fehlen bislang „wissenschaftlich fundierte Standards und Kennzahlen, die eine Überprüfung der Berücksichtigung des Menschenrechts auf Nahrung bei der Produktion und Nutzung von Biomasse ermöglichen. Eine Zertifizierung von Biomasse ist nur zur Kraftstoffproduktion vorgeschrieben, das heißt zertifiziertes Palmöl kommt in den Tank, nicht zertifiziertes Palmöl auf den Tisch (zum Beispiel als Margarine) beziehungsweise auf die Haut (zum Beispiel bei Kosmetika).“ (Schneider 2014: 10). Notwendig sei eine entsprechende gesetzliche Regelung für einen globalen Biomassestandard, der die Produktion aller Biomassearten für alle unterschiedlichen Nutzungen sowohl länder- als auch sektorübergreifend regelt - wobei nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und vor allem soziale Kriterien der Nachhaltigkeit einbezogen werden müssten. Das Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn und die Welthungerhilfe haben 2014 begonnen, Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 9 wissenschaftlich fundierte Kriterien zur Ernährungssicherheit, die auf dem Menschenrecht auf Nahrung und den vier Säulen der Ernährungssicherheit (Verfügbarkeit, Versorgungsstabilität, Zugang und Nutzung) aufbauen sollen, zu entwickeln, um künftig handhabbare Standards für gesetzliche (am besten globale) Regelungen zur Verfügung zu stellen (vgl. Schneider 2014: 10). 3. Technologieeinsatz 3.1. Bisheriger großflächiger Technologieeinsatz Dem Einsatz der Agrarbiotechnologie kommt in einigen Ländern (bereits) große Bedeutung zu. Dazu zählen z.B. die USA, Brasilien, Indien und Kanada. Auch im Bereich der weißen Biotechnologie kann heute schon von einem großflächigen Einsatz gesprochen werden. So sind biotechnologisch hergestellte Medikamente sehr erfolgreich beim Einsatz in der Diabetes-, Krebs- oder Immunerkrankungs- oder Anibiotikabehandlung. Biopharmazeutika machen in Deutschland 21Prozent des Umsatzes mit Medikamenten aus und zählen zu den wichtigsten „Blockbuster-Medikamenten“. Technologien, wie beispielsweise OMICS sind sehr verbreitet. Dabei handelt es sich um Anwendungen , bei denen die Bausteine des Lebens und Lebensprozesse mit Hilfe von Hochdurchsatz- Analyse-Geräten untersucht werden: Genomik (Gesamtheit der Gene), Proteomik (Gesamtheit der Proteine) und Transkriptomik (Ermittlung der aktiven Gene). Gerade die Genomsequenzierung kommt sowohl in der Medizin als auch in der Pflanzenforschung heute schon alltäglich zum Einsatz . Künftig werden mit einem vermehrtem, dann breitflächigerem Einsatz neuer Synthese- und Aufreinigungsverfahren Arzneimittel wie Profenen, Antirheumatika und Schmerzmittel ressourcenschonender und effizienter hergestellt werden können. (Vgl. BMEL 2014 a: 33). Die Fermentation als Technologie ist ebenfalls schon (lange) großflächig verbreitet und wird laufend verbessert (z.B. bei der Herstellung von Bier und Brot). In der industriellen Biotechnologie kommt die Enzym-Technologie bei praktisch allen Waschmitteln zum Einsatz und ermöglicht ein Waschen bei geringen Temperaturen. (Angaben nach Auskunft des Bioökonomierates). Auch werden schon Enzyme und Mikroorganismen breit für Anwendungen in der Lebensmittel-, Getränke-, Textil- und Papierindustrie genutzt. Europa hat einen Anteil von 70 Prozent an der globalen Enzymproduktion. (Vgl. ebd.). In zunehmendem Maße werden biotechnologisch hergestellte Grundchemikalien, wie Zitronensäure und Feinchemikalien, wie Aminosäuren, Vitamine und organische Säuren für die Lebens-, Genussmittel- und Futtermittelindustrie eingesetzt (vgl. ebd.: 32). In der Chemie können inzwischen 50 Moleküle biobasiert hergestellt werden. Doch dieser Einsatz erfolgt noch nicht großflächig. Eine hohe Wachstumsdynamik entwickelt sich vor allem im Bereich der biobasierten Kunststoffe und Verbundwerkstoffe, die in der Automobil- und Baubranche sowie der Möbel- und Elektroindustrie, aber auch von Herstellern von Haushalts- und Sportartikeln eingesetzt werden können. Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 10 3.2. Exkurs: Zur Besonderheit der Chemieindustrie Bisher vollzieht sich ein tiefgreifender Wandel der Rohstoffbasis der Chemieindustrie eher mäßig . Erdöl und Erdgas sind die mit Abstand wichtigsten Rohstoffe der Chemieindustrie. 18,5 Mio. Tonnen fossiler Ressourcen wurden im Jahr 2011 von diesem Sektor stofflich genutzt - das sind 15 Prozent des gesamten in Deutschland verbrauchten Erdöls. Sie sind Ausgangsstoff für die Herstellung von Plastik, Klebstoffen, Lacken und vielem mehr. Oberstes Ziel der Unternehmen in der Chemiebranche ist Effizienz. An sogenannten Verbundstandorten dient das Abfallprodukt einer Reaktion häufig als Rohstoff, um einen anderen Prozess in Gang zu setzen. Obwohl die Branche mit 3,4 Mrd. Euro vergleichsweise viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert, sehen Experten den hohen Integrationsgrad der Produktion als Grund für den langsamen Umbau hin zu biobasierten Verfahren. (Vgl. BMEL 2014 a). Außerdem wird der Chemiesektor von wenigen Großunternehmen dominiert, die „die Bioökonomie noch nicht als zentrales Innovations- und Wachstumsthema wahrnehmen“ (vgl. Bioökonomierat 2014 d: 4). Bisher nutzt die chemische Industrie biologische Ressourcen und Verfahren nur fokussiert dort, wo sie Kosten einsparen oder Umweltvorteile besitzen. „Nachwachsende Rohstoffe, vor allem Stärke, Zucker, Cellulose, Öle und Fette werden häufig zu Enzymen, Aminosäuren, Vitaminen, Feinchemikalien oder Kunststoffen verarbeitet. Neue Anwendungs- und Produktionsfelder kommen aus der Bionik, beispielsweise in Form von speziellen Oberflächenbeschichtungen für schmutzabweisende Farben. Neben technischen Produktverbesserungen spielt die Einsparung von Prozessschritten, Energie oder Treibhausgasen eine wesentliche Rolle für den Einsatz biobasierter Verfahren und die Verwendung nachwachsender Rohstoffe.“ (Vgl. ebd.: 3). Eine starke Ausweitung über derzeitige Anwendungen hinaus oder der Ersatz leistungsstarker petrochemischer Herstellverfahren sind kurz- und mittelfristig nicht abzusehen. (Vgl. ebd.: 2). „Anstrengungen zur Ressourcenoptimierung führen nach Einschätzung des VCI bis 2030 (lediglich ) zu einer relativen Entkoppelung des Ressourcenverbrauchs. Absolut gesehen wird der Rohstoffverbrauch der chemischen Industrie weiter ansteigen.“ (Ebd.: 3). 3.3. Rolle der Kaskadennutzung Im Bereich der angewandten Kaskadennutzung befindet man sich noch in den Anfängen. Eigentlich ist das Konzept der Kaskadennutzung eng mit den in den letzten Jahren schon stärker (gerade von Umweltministerium und Umweltbundesamt) verfolgten Bestrebungen und Politikstrategien zu Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und Recycling verwandt. Unterschieden wird zumeist zwischen „Single-Stage“ oder „Multi-Stage“-Cascading. Bei der letzteren Kaskadennutzung werden Rohstoffe oder daraus hergestellte Produkte in zeitlich aufeinander folgenden Schritten mindestens ein weiteres Mal stofflich (oder aber so lange, so häufig und so effizient wie möglich) genutzt und erst am Ende des Produktlebenszyklus energetisch verwertet ; „dabei werden sogenannte Nutzungskaskaden durchlaufen, die von höheren Wertschöpfungsniveaus in tiefere Niveaus fließen, wodurch die Rohstoffproduktivität gesteigert wird“ (Umweltbundesamt 2012). Von der einfachen Kaskadennutzung von Biomasse wird gesprochen, wenn das biobasierte hergestellte oder genutzte Produkt danach direkt für die Energiegewinnung genutzt wird (vgl. Essel; Cars 2014: 28). Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 11 „Die Entwicklung von Methoden zur Bestimmung von Kaskadenfaktoren und Synergieeffekten im Rahmen von Nachhaltigkeitsbewertungen und der Analyse von Biomassepotenzialen haben zu einer Vielzahl unterschiedlicher (theoretischer) Ansätze und Definitionen geführt“ (DBFZ 2015: 84), wobei stets die Datenverfügbarkeit und die Komplexität von Kaskadenprozessen eine Indikatorenentwicklung erschwerten. Im Bereich der Forstwirtschaft wurde beispielsweise die Wood Ressource Balance entwickelt, die sich aus dem Verhältnis von eingesetztem Rohstoff (Wald Holz) zur Holznutzung über die gesamte Nutzungskaskade (inkl. Altholz, Reststoffe, etc.) errechnet. Dabei gibt ein höher Kaskadenfaktor eine intensive Ressorcennutzung an, ein Faktor 1 eine Nutzung ohne Kaskade. Ein weiterer Ansatz ist die „Ressourcenstreckung“ als Kaskadenverständnis mit dem Indikator „Mehrfachnutzung von Rohstoffen“, der sich aus der Recyclingrate je Nutzerzyklus im Verhältnis zu neu zugeführtem Rohstoff darstellt (vgl. ebd.). Traditionell spielt Kaskadennutzung in der Holzwirtschaft bereits eine bedeutendere Rolle; gerade im globalen Süden findet sich bei der Papierherstellung eine weit verbreitete Kaskadennutzung . Zwar werden Gewebe wie Jute, Sisal und Baumwolle oder Materialien wie Bioplastik (PET) schon heute teilweise Mehrfachnutzungen (als späteres Verpackungsmaterial oder als späteres Textilgewebe) zugeführt. Aber das vorhandene Potenzial für die Kaskadennutzungen wird bisher kaum genutzt. (Esser, Cars 2014: 29). Auch das BMBF und das BMEL konstatieren, dass eine „intelligente Koppel- und Kaskadennutzung von biologischen Ressourcen sowie von Rest- und Abfallstoffen machbar ist“, was eine Reihe von Pilot- und Demonstrationsanlagen zeigen. Es fehle aber, „diese Anlagen in die breite, industrielle Anwendung zu überführen und das Prinzip der Bioraffinerie als Basis für die industrielle Produktion der Zukunft umzusetzen“ (BMBF; BMEL 2014: 11). Neben technischen, wirtschaftlichen oder wissensbasierten Gründen für die bisher noch mangelnde Kaskadennutzung wird auch der europäisch regulierende Rahmen benannt, der den direkten energetischen statt des stofflichen `Wiedergebrauchs` von Materialien begünstige (vgl. Essel; Cars 2014: 29). In einem vom Bundesumweltministerium (BMUB) geförderten Forschungsprojekt wird derzeit (Laufzeit bis Oktober 2016) die Verwertungs- und insbesondere Wiederverwertungsmöglichkeiten von Biomasse in der praktischen Umsetzung („von der Theorie zur Praxis“) untersucht. Dabei sollen „konkrete und potenzielle und bestehende und auch `gescheiterte` Nutzungskaskaden verschiedenster Branchen und Unternehmen systematisch erfasst werden“ und Bedingungen für den Ausbau der Kaskadennutzung erarbeitet und konkretisiert werden (vgl. Wuppertal Institut 2016). Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 12 4. Die Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 der Bundesregierung 4.1. Erfolge der Bioökonomie-Forschungsstrategie Deutschland hat als eines der ersten Länder eine „Forschungsstrategie Bioökonomie 2030“ in enger Anlehnung an das europäische Forschungsrahmenprogramm3 und die dort seit 2012 verankerte Bioökonomiestrategie, verabschiedet.4 Inzwischen haben weitere Länder, zum Beispiel die USA, Kanada, Russland, Großbritannien Finnland, Schweden, Brasilien, Argentinien und Südafrika Bioökonomie-Strategien angelegt. 2010 startete die deutsche, auf sechs Jahre angelegte Initiative mit einem Gesamtvolumen von 2,4 Milliarden Euro. Der 2009 ins Leben gerufene Bioökonomierat (aus Vertretern aus Wissenschaft und Industrie) hat die Bundesregierung bei der konkreten Ausgestaltung der Strategie beraten und veröffentlicht regelmäßig (nun in seiner zweiten Amtsperiode) Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung; die Mehrzahl der in hoher Anzahl vorhandenen Publikationen zur Bioökonomie und der Forschungsstrategie stammen vom Bioökonomierat . Fünf Handlungsfelder wurden im Rahmen der Forschungsstrategie formuliert: weltweite Gesundheit sichern; gesunde und sichere Lebensmittel produzieren; Agrarproduktion nachhaltig gestalten; nachwachsende Rohstoffe industriell nutzen und Energieträger auf Basis von Biomasse ausbauen. Seither wurden zahlreiche Förderinitiativen auf den Weg gebracht, die vor allem zum Ziel hatten , Wege zu finden, wie nötige Biomasse erzeugt werden kann und zum anderen die Industrie stärker in die postfossile Wirtschaft einsteigen zu lassen. Projekte wie z.B. Effizienzsteigerungen von Pflanzen- und Tierzüchtung, Modelle zur Mehrfachnutzung landwirtschaftlicher Biomasse oder Maßnahmen zum Schutz und Erhalt von Boden. Das BMBF fördert/e dabei vorrangig Verbundprojekte in Public Private Partnership zwischen akademischen Einrichtungen und Unternehmen . Im Rahmen der Bundesförderung wird insgesamt an 60 Universitäten, 37 Fachhochschulen sowie 61 außeruniversitären Instituten in den Agrar-, Lebenswissenschaften, dem Anlagen - und Maschinenbau sowie zum Teil in den Sozialwissenschaften geforscht. Im Januar 2016 hat das BMBF nun eine externe Evaluierung der Aktivitäten innerhalb der deutschen Bioökonomie -Forschungsstrategie an das Fraunhofer ISI in Auftrag gegeben. Damit wird nun auch erstmalig eine Bestandsaufnahme der bislang erzielten Erfolge der Strategie verbunden sein, die ansonsten bisher noch nicht konkret beschrieben werden. Ende 2016 werden die Ergebnisse erwartet. (Vgl. BMBF, BMEL 2014: 6; 9f; 11; vgl. Angaben durch das BMBF; vgl. Angaben durch das BMEL). Im Rahmen der 2013 vom Bundeskabinett verabschiedeten „Nationalen Politikstrategie Bioökonomie “ wurde darüber hinaus eine Interministerielle Arbeitsgruppe Bioökonomie (IMAG) eingerichtet . Diese begleitet und steuert die Umsetzungsprozesse der Nationalen Politikstrategie Bioökonomie. Der IMAG gehören BMEL, BMBF, BMWi, BMUB, BMZ, Auswärtiges Amt sowie 3 Sowie in Bezugnahme auf das OECD-Strategiepapier „The Bioeconomy to 2030. Designing a policy“ von 2009 und den Beginn der Forcierung der Bioökonomie/des Green Growths durch die OECD seit 2003. 4 Auch im EU-Folgeforschungsprogramm „Horizon 2020“ ab 2014 erfährt die Bioökonomieforschung hohe bis höchste Bedeutung. So wurde beispielsweise das PPP-Projekt „Biobased Industries“ mit einem Volumen von 3,7 Milliarden Euro (mit 1 Milliarde von der EU-Kommission) auf den Weg gebracht, mit dem bis 2020 Bioökonomieforschungsprojekte und Demonstrationsanlagen zusammen mit 140 Partnern aus ganz Europa gefördert werden sollen. Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 13 das Bundeskanzleramt an. Ziel ist es, für alle Politikfelder erarbeitete Handlungsempfehlungen umzusetzen. Sie baut auf der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung auf und ist natürlich verzahnt mit der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030. Der Erfolg dieser Nationalen Politikstrategie soll in einem Fortschrittsbericht überprüft werden, der ebenfalls derzeit erarbeitet wird. Darüber hinaus soll das Bioökonomie-Monitoring (s. Kapitel 1), das momentan aufgebaut wird, messbare Daten zur Erfolgskontrolle von nationaler Bioökonomie-Forschungsstrategie und Politikstrategie Bioökonomie beisteuern. Für das BMEL werden das Johann Heinrich von Thünen- Institut und für das BMWi das IFO München dazu Aufträge zu unterschiedlichen Aspekten der Bioökonomie-Entwicklung vergeben. Für das BMBF läuft die Ausschreibung derzeit noch (vgl. BMBF 2016 b). 4.2. Technische und soziale Innovationen Die Frage, welche technischen oder sozialen Innovationen bereits von der (oder mit Unterstützung der) Bioökonomiestrategie ausgegangen sind, lässt sich nur schwerlich beantworten. Vor allem, wenn man sich zunächst der Schwierigkeit der Tragweite oder ggf. der Nicht-Trennbarkeit von Technisch und Sozialem des Innovationsbegriffs nähert. 4.2.1. Exkurs: Kritik an der gängigen Definition des Innovationsbegriffs Der Begriff Innovation ist in der fachlichen und alltäglichen Kommunikation allgegenwärtig. Im Gegensatz zu Anpassung und Differenzierung als ebenfalls möglicher Veränderungsstrategien, wird Innovation immer im Sinne von „etwas Neuem“ verstanden. So sind Innovationen zwar immer etwas Neues, aber nicht alles „Neue“ ist eben auch eine Innovation. Technische Innovationen (wie der mechanische Webstuhl, die Dampfmaschine, die Elektrizität, die Stahlherstellung, das Fließband, das Auto, das Telefon, der Computer, die Mobilkommunikation) sind „im Unterschied zu Erfindungen in ihren Wirkungen breiter, nachhaltiger und nicht nur auf einen bestimmten Anwendungsbereich beschränkt. Fast immer haben sie auch wirtschaftliche, gesellschaftliche , kulturelle und politische Dimensionen, da sie z.B. die gesamte Gesellschaftsstruktur beeinflussen, Alltagspraxen verändern und/oder die kulturelle Werteordnung berühren“. Dabei ist nach Manfred Mai die Irreversibilität ein besonderes Kennzeichen für Innovationen (im Gegensatz zu Reformen oder Revolutionen, die umkehrbar sind) – einmal eingeführt, gibt es kein Zurück (vgl. Mai 2014: 14-19). Auch Josef Schumpeter sah die gesellschaftliche Relevanz einer technischen Innovation erst dann als gegeben, „wenn sie durch Prozesse der Diffusion zu einem dominanten Muster der gesellschaftlichen Entwicklung“ geworden war (zitiert nach ebd. 15). Ein Innovationsbegriff, der erstens nur die rein technologische Umsetzung neuer Ideen in marktgängige Produkte (und neue Verfahren und Lösungsstrategien) und ihre Durchsetzung am Markt beschreibt, findet sich eher weniger in der wissenschaftlichen Literatur und wird zweitens der Komplexität des Begriffs gerade auch aus Sicht der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung nicht gerecht. So stehen zwar nach wie vor die technologischen Innovationen als zentrale Impulsgeber der ökonomischen Dynamik im Mittelpunkt der gegenwärtigen wissenschaftlichen und politischen Diskussion um Innovationen, aber die Erweiterung um den Begriff der sozialen Innovationen hat längst stattgefunden (wie ja auch aus der Frage hervorgeht). Aus unterschiedlicher Perspektive und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen wird in den Sozialwissen- Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 14 schaften nun auf die Relevanz des Sozialen im Innovationsprozess abgehoben. Thematisiert werden dabei die sozialen Voraussetzungen und Einflussfaktoren für (vor allem technische) Innovation bzw. das Wechselverhältnis unterschiedlicher Innovationen oder aber die Notwenigkeit der Aufhebung des asymmetrischen Denkens (in der Abgrenzung von technologischen und sozialen Innovationen) hin zur Entwicklung eines Verständnisses von gesellschaftlicher Innovation (vgl. Howaldt; Jacobsen 2010: 9f). Der Innovationsbegriff bedürfe so immer auch einer konkreteren Abgrenzung zu anderen Formen (technischen und sozialen) Wandels und sollte auch die Referenzbereiche wie Wissenschaft, Kunst und Politik für Innovationsprozesse einbeziehen und Innovationen in diesen Bereichen auch umschreiben können (vgl. Rammert 2010: vgl. 24). Oder aber die geläufige Dichotomie von technischer und sozialer Innovation wird gänzlich hinterfragt und stattdessen wird allen Innovationen bescheinigt, dass sie an sich auch soziale seien, weil sie stets auf gesellschaftliche Strukturveränderungen zurückgingen und damit soziale Phänomene darstellen (vgl. Braun-Thürmann 2010: 68). 4.2.2. Technische Innovationen In einem Innovationsverständnis, was sich auf die Einführung und Verbreitung von neuen und verbesserten Produkten, Prozessen, Systemen und Geräten zur kommerziellen Nutzung in der Ökonomie bezieht, können konkrete – auch kleinteilige – `Kreationen`, `Variationen` oder Erfindungen ` technischer Art ausgemacht und benannt werden. Traditionell setzen die Wirtschaftszweige Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau, Fischerei und Aquakulturen, Pflanzenzüchtung, Nahrungsmittelindustrie sowie Holz-, Papier-, Leder-, Textil-, Chemie- und Pharmaindustrie oder die Energiewirtschaft schon immer biologische Ressourcen und Verfahren ein. Für technische Innovationen bieten sich weiter vielfältige Zugänge. Als „vielversprechende (interessante) Ansätze“ (BMBF; BMEL 2014:13) technischer Innovationen für die insgesamt wirtschaftlich wichtigsten Branchen in Deutschland können beispielsweise folgend gelten: in der Automobilbranche: Löwenzahn-basierte Reifen, Autoteile aus Naturfasern wie Flachs mit äußerst geringem Gewicht (vgl. ebd.: 16ff); im Baugewerbe: Biodübel aus Rizinusöl, Asphalt aus Bratöl (ebd. 19f); in der Chemieindustrie: Nylon aus Holzabfällen; Kakaoschalen für Bioflüssigdünger; im Energiesektor: Algenkerosin und Algenöl als Kraftstoff für die Luftfahrt, Cellulose- Ethanol als Biokraftstoff der zweiten Generation; in der Ernährungsindustrie: Lebensmittel aus Lupinenprotein; in der Textilindustrie: Hightech-Fasern aus Spinnenseide oder Milcheiweißen; bei den Konsumgütern: Milchsäure für WC-Reiniger; Maisstärke oder Reispulver für Lippenstifte; (vgl. Bioökonomierat 2015 b; vgl. BMBF 2015). 4.2.3. Soziale Innovationen Wenn nun aber Innovation auch in dem Sinne verstanden würde, dass mit ihr wirtschaftlich, gesellschaftlich , kulturell und politisch ebenso Veränderungen verbunden sind oder die gesamte Gesellschaftsstruktur beeinflusst würde, dann wäre die Bioökonomie, wenn sie denn (irgendwann ) das Wirtschaften und Handeln in Richtung eines nicht mehr fossilbasierten Wirtschaftens und eines ökologisch verträglichen Handelns geändert haben würde, selbst als Innovation zu be- Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 15 greifen. (Ob ein solcher Transformationsprozess aber automatisch unter den derzeitigen Vorzeichen nachhaltig wäre, wird durchaus diskutiert - siehe dazu den nachfolgenden Exkurs.) In den Publikationen zur Bioökonomie der Bundesministerien und des Bioökonomierates bescheinigt man ihr die Innovationsfähigkeit ganz unumwunden, indem die Bioökonomie als Mittel hin zu einem gesamtgesellschaftlichen Strukturwandel gesehen wird, bei dem es nicht nur um den Einsatz einzelner Materialien oder Prozessabläufe mit Hilfe biobasierten Wissens geht. Sie, die Bioökonomie, markiere als „vernetztes System den Wandel ganzer Industrien und Wertschöpfungsketten “ hin zu einer „klimaschonenden Versorgung mit Ressourcen und Produkten“ und kann als „zukunftsweisende Wirtschaftsform Mittel zur Verfügung stellen, die Herausforderungen der Zukunft“ wie die „Sicherung der Welternährung für bald über 9 Milliarden Menschen, knapper werdenden Rohstoffen und Energiequellen sowie Klimawandel“ zu meistern (BMBF 2016 a). Aber selbst, wenn man nicht so weit gehen wolle, die Bioökonomie selbst als (aus der Rückschau zu betrachtende) Innovation zu beschreiben, leistet der mit ihr in der Industrie geführte Dialogund Veränderungsprozess wesentliche Arbeit hin zu einer Selbstverständlichkeit des Wissens um die Notwendigkeit eines (wie dann auch immer gearteten) nachhaltigen Wirtschaftens und Lebens zum Erhalt der natürlichen Mit- und Umwelt. Denn die Bioökonomie trägt - praktisch und/oder diskursiv - zu einem gesellschaftlichen Umdenkprozess bei und führt so zu sozialen Innovationen. 4.3. Exkurs: Nachhaltigkeit der Bioökonomie? Wie vorangehend beschrieben gilt in den Publikationen zur Bioökonomie des Bioökonomierates und der Bundesministerien die Bioökonomie als Modell, das biobasiertes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Einklang mit Natur- und Umweltschutz ermöglicht, das Ökonomie und Ökologie intelligent verknüpft und das eine nachhaltige und ressourceneffiziente Strategie darstellt. Zum Teil wird diese Sichtweise aber auch in Frage gestellt. So wird gefragt, ob die Bioökonomie in ihrer derzeitigen Aufstellung überhaupt einen Beitrag zu einer ökologischen Transformation leisten kann, wenn mit ihr an dem bestehenden Wachstumsparadigma festgehalten wird (vgl. Tanzmann 2014; Kaphengst/Wunder 2014), auch wenn Ihre Bedeutung mit einzelnen Innovationen insgesamt nicht hinterfragt wird. Gerade im Hinblick auf die (bereits in drei Bereichen überschrittenen ) Belastungsgrenzen unserer Erde (vgl. dazu das Umweltraumkonzept von Rockstrom u.a. 2009 oder das Modell des Ökologischen Fußbadrucks5) erscheinen Transformationsprozesse, die neben der Effizienz auch die Konsistenz und vor allem die Suffizienz in den Blick nehmen, als stärker zielorientiert (vgl. u.a. Palzkill/Schneidewind 2013; vgl. auch Gottwald/Krätzer 2014: 147ff). „So würde es erst, „wenn wir uns in Richtung Suffizienz bewegen und die Nutzung fossiler Rohstoffe und Energieträger sowie der Konsum stark schrumpfen, tatsächlich Spielraum für eine verantwortbare Bioökonomie geben“ (Geiler 2014: 16). Dass Strategien, die z.B. allein auf eine Effizienzsteigerung setzen, zu kurz greifen, zeige auch der Rebound-Effekt, der das Phänomen beschreibt, wonach alle bisher erzielten Effizienzgewinne im Nachhinein durch vermehrten 5 Im Ergebnis ergibt sich für Deutschland, dass wenn alle Menschen so leben würden wie hier, würden 2,6 Erden benötigt, da der deutsche Fußabdruck bei etwa 5 Hektar liegt. Der gerechte Ökologische Fußabdruck läge bei 1,7 Hektar (vgl. Footprint Deutschland 2016). Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 16 Konsum fast wieder gänzlich kompensiert oder gar überkompensiert wurden (vgl. Eschment 2014). Kritisiert wird darüber hinaus vor allem von Seiten von Nichtregierungsorganisationen wie Grüner Liga oder dem NABU, dass die Bioökonomie zur Bewältigung der Ressourcenknappheit, von Welthunger und Klimawandel im Rahmen einer nicht mehr angezweifelten Nachhaltigkeitsnotwendigkeit - in der Balance von Ökonomie, Ökologie und Sozialem bei Wahrung der Lebensgrundlagen für künftige Generationen - als alternativlos dargestellt wird. Dadurch würden weitere Transformationsformen wie beispielsweise die Dezentralisierung bei konsequenter Kreislaufwirtschaft , soziale Innovationen in Lebensstilen und Konsummustern, Fragen nach einer gerechteren Weltordnung oder Degrowth-Debatten zugunsten einer (den Beweis ihrer Nachhaltigkeit noch zu erbringenden) Green Economy verdrängt. Einfach nur die Rohstoffbasis zu wechseln sei keine Option. „Deshalb steht die Auseinandersetzung mit der biobasierten Wirtschaft im Zentrum einer größeren Diskussion rund um die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft in einer begrenzten Welt“ (vgl. Ober 2014: 2). 5. Vereinbarkeit der Bioökonomie(-strategie 2030) mit schonendem Umgang der Phosphor- Reserven Jedes Jahr werden weltweit über 40 Millionen Tonnen Phosphat als mineralische Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt. Phosphat ist damit nach Stickstoff der mengenmäßig wichtigste Nährstoff, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und die landwirtschaftliche Produktion zu steigern . (Vgl. BGR, BMZ 2013: 5). Vierzig Länder bauen derzeit Phosphat ab. Die größten Produzentenländer sind China, Marokko und die USA, die zusammen zwei Drittel aller Phosphate fördern. Weiterhin sind die Russische Föderation, Tunesien, Jordanien und Brasilien wichtige Produzentenländer. Vereinzelt bauen auch Entwicklungsländer Phosphat ab.6 (Vgl. ebd. 13). „Phosphat ist ein nicht erneuerbarer Rohstoff. Seine langfristige Verfügbarkeit hängt davon ab, inwieweit Lagerstätten wirtschaftlich und technisch genutzt werden können. In der Vergangenheit wurde wiederholt auf die Knappheit dieser Ressource hingewiesen und ein Peak Phosphor, also eine Erschöpfung der globalen Phosphatvorkommen durch das Gipfeln der weltweiten Phosphatproduktion in naher Zukunft prognostiziert. Für diese Aussage gibt es nach aktuellem Kenntnisstand keine Anhaltspunkte. 2012 wurden die globalen Phosphatreserven auf 67 Milliarden Tonnen geschätzt. Bei einer Jahresförderung von 54 Millionen Tonnen können diese derzeit wirtschaftlich abbaubaren Phosphatvorkommen den weltweiten Bedarf in der Landwirtschaft über 320 Jahre decken. Diese Angabe ist zudem dynamisch, also zeitlich veränderbar, da Reserve- und Ressourcenzahlen immer nur als eine Momentaufnahme zu verstehen sind. So können heute als unwirtschaftlich bewertete Vorkommen morgen durch technologische Entwicklungen oder veränderte Marktsituationen für eine Gewinnung interessant werden und die weltweit bekannten Phosphatreserven vergrößern.“ (Vgl. ebd.: 14). 6 Phosphatgestein wird von der Europäischen Kommission als „kritischer Rohstoff“ eingestuft, weil das mit ihnen verbundene Versorgungsrisiko in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass sich die weltweite Produktion zum großen Teil auf nur wenige Staaten konzentriert. Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 17 Auch wenn die Phosphatreserven mittelfristig nicht endlich sein werden, sollen Phosphatverluste dennoch vermieden und ein schonender Umgang unterstützt werden. Die Umsetzung der Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 und die Nationale Politikstrategie stehen im Einklang mit einem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen. Dies gilt auch für die Phosphor-Reserven : „Phosphor und andere Nährstoffe werden als nicht vermehrbare Produktionsfaktoren angesehen , deren Nutzung in möglichst geschlossenen Kreisläufen organisiert werden sollte.“ (Angaben durch das BMBF). Daher stehen drei Maßnahmen zur Verfügung: a) der Ausbau des Phosphatrecyclings, b) die Erhöhung der Phosphateffizienz und c) der Beitrag der Forschung für ein besseres Verständnis des komplexen agrarischen Produktionssystems. (Vgl. BGR 2013, Angaben durch das BMBF). Zu a) Das BMEL hält Phosphat-Recycling grundsätzlich für sinnvoll. Einige interessante und neue Verfahren konnten in den letzten Jahren entwickelt werden. So kann mittlerweile aus Tiermehl , das aus den Abfällen der Schlachthöfe gewonnen und anschließend wieder verfüttert oder verbrannt wird, Phosphat zurückgewonnen werden. Durch die Verarbeitung von Zähnen, Hufen oder Knochen fallen allein hierzulande jährlich etwa 200.000 Tonnen an. Rein rechnerisch ließen sich damit rund fünf Prozent des jährlichen Phosphat-Düngemittelbedarfs in Deutschland ersetzen . (Vgl. Bioökonomie.de Internetportal; BMBF 2015). Und das IGB Stuttgart widmet sich in den letzten Jahren der Entwicklung eines Verfahrens zum Recycling des Phosphats aus Gülle mit Hilfe von Enzymen. Allein in der EU fallen jährlich 1800 Millionen Tonnen Gülle an. (Vgl. Bioökonomie.de Internetportal 2013). Jedoch seien hierbei neben technischen Fragen auch ökonomische und agrarwissenschaftliche Herausforderungen zu diskutieren. So sehe sich das Phosphat-Recycling vier Herausforderungen gegenüber. Erstens seien viele Verfahren technisch nicht genügend ausgreift. Zweitens seien die Endprodukte der meisten Verfahren nicht ausreichend wasserlöslich und damit nur eingeschränkt pflanzenverfügbar. Drittens könnten Recycling-Phosphate eine große Bandbreite unerwünschter Stoffe enthalten. Und viertens seien Mineraldüngerhersteller und Landwirte auf einheitliche Qualitäten angewiesen. Recyclingprodukte können aktuell im Regelfall weder hinsichtlich der Kosten noch der Produktqualität mit mineralischem Rohphosphat konkurrieren. Darüber hinaus gibt es auch logistisch noch offene Fragen, da selbst große Klärwerke maximal einige hundert Tonnen Recycling-Phosphat produzieren, während die industrielle Produktion Rohstoffpartien von mehreren tausend Tonnen einsetzt. (Vgl. Angaben durch das BMEL). Zu b) Der schonende Umgang mit Phosphat-Düngemitteln sollte nach Ansicht des BMEL daher nicht mit einem mangelnden Phosphatangebot begründet werden, sondern mit Argumenten der generellen Ressourceneffizienz, mit pflanzenbaulichen Gründen (Phosphatnutzungseffizienz) und dem Boden-/Gewässerschutz. Der effiziente Umgang mit dem Pflanzennährstoff Phosphor sei der größte Beitrag zur Schonung der Ressourcen. Phosphordüngemittel haben deshalb idealerweise einen hohen Gehalt an Phosphor und viel pflanzenverfügbares Phosphor. Sie sind weitgehend schadstofffrei und werden bedarfs- und standortgerecht angewandt. (Vgl. Angaben durch das BMEL). Zu c) Die Bundesministerien fördern zum Beispiel aktuell im Rahmen der Forschungsinitiative „BonaRes - Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie" unter anderem den Verbund „Innovative Lösungen für ein nachhaltiges Management von Phosphor im Boden“, um Erkenntnisse zum Verhalten und der Funktionalität von Phosphor im fruchtbaren Boden und in der Wissenschaftliche Dienste Bioökonomie WD 8 - 3000 - 015/16 Seite 18 Landschaft weiter aufzuklären und dabei unterschiedliche räumliche Maßstäbe vom Molekül bis zur Landschaft zu betrachten. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die Charakterisierung des Phosphorkreislaufs in langjährigen Dauerdüngungsversuchen im Freiland gelegt werden, um daraus neue Ansätze für ein verbessertes Phosphor-Management auf betrieblicher und gesamtökonomischer Ebene ableiten zu können. (Vgl. Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung; BMBF 2015). Der Bioökonomierat setzt für einen im Ergebnis schonenden Umgang mit Phosphor auf das „Konzept der Präzisionslandschaft“, das auf eine räumlich und zeitlich bessere Abstimmung des pflanzenverfügbaren Nährstoffangebotes und auf die Nährstoffnachfrage von Pflanzen abzielt. Dadurch sollÜber- und Unterdüngung vermieden werden. Gleichzeitig soll die Bodengesundheit und die Wasserqualität geschützt werden. „Die Realisierung einer solchen Präzisionslandwirtschaft für den Pflanzenbau erfordert eine teilflächenspezifische Flächenbearbeitung unter gezielter Verwendung detaillierter, zum Teil GPS-basierter Standortinformationen. Auf Basis der lokalen Bodenbeschaffenheit, Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit, Schadstoffbelastung und dem mittelfristigen Auftreten von Krankheitserregern und Schädlingen sowie Konkurrenzpflanzen (Unkräutern ) werden hierbei individuelle Flächennutzungskonzepte und Applikationskarten zur spezifischen Ausbringung landwirtschaftlicher Betriebsmittel wie Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel entwickelt.“ (Bioökonomierat 2014 c: 20). Ende der Bearbeitung © 2016 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 015/16 6. Literatur Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (2016). Synthetische Biologie – die nächste Stufe der Gen- und Biotechnologie. Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung. BT-Drs. 18/7216 vom 7.1.2016. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR); BMZ (2013). Phosphat Mineralischer Rohstoff und unverzichtbarer Nährstoff für die Ernährungssicherheit weltweit. Hannover, Berlin. Bioökonomie.de Internetportal; BMBF (2015). 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