© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 013/21 Status und Einsatz von Schulbegleiterinnen und Schulbegleitern in den Regelschulen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 013/21 Seite 2 Status und Einsatz von Schulbegleiterinnen und Schulbegleitern in den Regelschulen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 013/21 Abschluss der Arbeit: 10. Februar 2021 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 013/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Qualifikationen der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter 4 3. Einstellung der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter 4 4. Tätigkeitsfelder der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter 5 5. Evaluation 7 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 013/21 Seite 4 1. Vorbemerkung Aufgrund des föderativen Bildungssystems der Bundesrepublik Deutschland liegt die Schulpolitik in der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Bundesländer. Aus diesem Grund besteht kein einheitlich geregeltes Verfahren zur Auswahl bzw. Einsatz von Schulbegleitern (auch Integrationshelfer , Schulassistenten oder Individualbegleiter genannt). Der Einsatz erfolgt flexibel und ist häufig zeitlich befristet. Daneben existieren an manchen Regelschulen auch reguläre Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Ausbildung. Diese sind aber nicht Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Wenn Schülerinnen und Schüler mit Behinderung in der Schule einen Bedarf an individueller Unterstützung haben, der durch das Personal der Schule nicht oder nicht regelmäßig erbracht werden kann, kann eine Schulbegleitung notwendig werden. 2. Qualifikationen der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter Die Qualifikation eines Schulbegleiters kann nach dem aktuellen Stand nicht genau definiert werden, da keine verbindliche Beschreibung des Berufsfeldes existiert. Demnach können Schulbegleiter mit oder ohne pädagogische bzw. soziale Vorerfahrungen zum Einsatz kommen. Möglich sind unter anderen Bundesfreiwilligendienstleistende (ehemalige Zivildienstleistende), Teilnehmer eines freiwilligen sozialen Jahres, Hilfskräfte, aber auch qualifizierte Erzieher, Sozial-/ Heil- oder Sonderpädagogen sowie Personen mit speziellen Zusatzqualifikationen, wie zum Beispiel Bachelor Heilpädagogik und Bachelor Sozialpädagogik. 3. Einstellung der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter Bei Schülerinnen und Schülern mit geistiger oder körperlicher Behinderung wird diese im Rahmen der Eingliederungshilfe als ambulante Leistung nach § 53 SGB XII, bei Schülerinnen und Schülern mit einer seelischen Behinderung nach § 35 a SGB VIII gewährt. Es handelt sich hierbei um „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ im Sinne des § 54 Abs. 1, S. 1, Nr. 1 SGB XII in Verbindung mit § 12 der Eingliederungshilfeverordnung und umfasst erforderliche und geeignete Maßnahmen zur Ermöglichung und Erleichterung des Schulbesuchs. Die Unterstützung ist in allen Schulformen möglich einschließlich der beruflichen Qualifizierung.1 Da es sich um einen individuellen Rechtsanspruch des Schülers/der Schülerin handelt, stellen die Erziehungsberechtigten den Antrag beim zuständigen Leistungsträger (Sozialamt oder Jugendamt ). Umfang, Dauer und Qualität der Schulbegleitung werden vom Sozialleistungsträger ermittelt , maßgebend hierbei ist der individuelle Bedarf des Schülers/der Schülerin. Zur Bedarfsermittlung werden in der Regel Gutachten der Schule, der Schulbehörde und eventuell auch beteiligter Therapeutinnen und Therapeuten herangezogen. 1 Die Förderung bezieht sich auf Regelschulen, nicht auf Sonderschulen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 013/21 Seite 5 Für die Anstellung des Schulbegleiters gibt es mehrere Möglichkeiten. Dieser kann von den Eltern selbst (Elternarbeitgebermodell), von sonder-/heilpädagogischen Diensten oder dem Schulträger angestellt werden. In der Regel beschäftigen Ämter keine Schulbegleiter. Denn Integrationshelfer müssen nur dann von der Schulverwaltung gestellt werden, wenn sich eine Pflicht hierzu aus dem jeweiligen Landesschulrecht ergibt. Schulämter stellen jedoch Kontakte mit potenziellen Arbeitgebern von Schulbegleitern her, vor allem mit Organisationen wie karitativen Einrichtungen. Beim Elternarbeitgebermodell stellen die Eltern die Begleitperson, die kein(e) nahe(r) Verwandte (r) sein darf, selbst ein und versichern diese auch. Der Integrationshelfer muss bei diesem Modell jeden Monat einen Stundennachweis beim Sozial- oder Jugendamt abgeben, und daraufhin bekommen die Eltern das gezahlte Gehalt für die Begleitung erstattet. 4. Tätigkeitsfelder der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter Die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. hat im Jahr 2015 in einem Positionspapier eine tabellarische Darstellung der Bedarfslagen der Kinder sowie der Aufgaben und notwendigen Qualifikation der Schulbegleitung dargestellt und kommt dabei zu folgendem Ergebnis: 2 Bedarfslagen Tätigkeitsfeld Qualifizierung Beispiel Assistenzbedarf bei der Gewährleistung von Mobilität begleitend Personen mit pädagogischen Vorerfahrungen Hilfen bei der Überwindung von baulichen Barrieren Unterstützungsbedarf bei der Versorgung der eigenen Person begleitend Personen mit pädagogischen Vorerfahrungen Kleiderwechsel/ Nahrungsaufnahme Assistenzbedarf bei der Orientierung in der Schule, um Selbst- oder Fremdgefährdung zu vermeiden begleitend Personen mit pädagogischen Vorerfahrungen Weglauftendenz Assistenzbedarf bei der Kommunikation / Unterstützer Kommunikation begleitend/ aktiv unterstützend Personen mit pädagogischen Vorerfahrungen / Qualifiziertes Personal Unterstützungssysteme wie Gebärden/ Piktogramme anwenden / Einweisung in elektronische Talker 2 Vergleiche: Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. (2015). Schulbegleitung, Seite 16f. https://www.lebenshilfe .de/fileadmin/Redaktion/PDF/Wissen/public/Positionspapiere/Positionspapier_2015-11_Schulbegleitung .pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 013/21 Seite 6 Assistenzbedarf bei der bei der Teilhabe am sozialen Umfeld begleitend/ aktiv unterstützend Personen mit pädagogischen Vorerfahrungen / Qualifiziertes Personal Unterstützung und Begleitung im sozialen Kontext der Lerngruppe/ Klasse. Interaktionsanlässe schaffen Unterstützungsbedarf im Bereich Grundpflege begleitend/ aktiv unterstützend Personen mit pädagogischen Vorerfahrungen / Qualifiziertes Personal Hilfestellung bei Toilettengängen und Fragen der Hygiene Assistenzbedarf aufgrund fehlender sozialer Kompetenzen, fehlender Ausdauer und Geduld sowie hoher Ablenkungsbereitschaft aktiv unterstützend Qualifiziertes Personal Motivationsanreizte geben, Lernumgebung ablenkungsarm gestalten Unterstützungsbedarf zur Vermeidung von Gefahren , die sich durch ausgeprägt herausforderndes Verhalten ergeben aktiv unterstützend / gestaltend Qualifiziertes Personal/ Speziell qualifiziertes Personal Deeskalierende und haltgebende Begleitung Unterstützungsbedarf/ umfassender Unterstützungsbedarf aufgrund einer ausgeprägten Bindungsschwäche, z. B. bei starker emotionaler Labilität mit depressiven Symptomen aktiv unterstützend / gestaltend Qualifiziertes Personal Unterstützung bei starken Kontaktschwierigkeiten Strukturierungsbedarf aufgrund psychisch bedingter Symptome (Autismus-Spektrum -Störung) aktiv unterstützend / gestaltend Qualifiziertes Personal Tagesabläufe durch Rituale strukturieren und Orientierung geben Unterstützungsbedarf zur Impulskontrollregulation sowie bei starken verbalen und körperlichen Aggressionsdurchbrüchen gegen sich und andere bei geringer Frustationstoleranz aktiv unterstützend / gestaltend Qualifiziertes Personal/ Speziell qualifiziertes Personal Deeskalierende und haltgebende Begleitung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 013/21 Seite 7 Unterstützungsbedarf zum Abbau von deutlichen Rückzugs - und Verweigerungstendenzen sowie von passiv und aktiv verfestigter Schulverweigerung gestaltend Qualifiziertes Personal/ Speziell qualifiziertes Personal Haltgebende Begleitung und Beachtung der individuellen Lernbiographie und des sozialen Kontextes „Im Einzelfall kann es natürlich zu einer anderen Einschätzung kommen, insbesondere bei Menschen mit sehr hohem Unterstützungsbedarf kann der Einsatz von Fachpersonal sinnvoll oder notwendig sein“ (Ebenda: 17). 5. Evaluation Schulbegleitung wird häufig für ein Schuljahr, teilweise aber auch für einen kürzeren Zeitraum bewilligt. Mit der Durchführung wird in der Regel ein Leistungserbringer beauftragt, der entsprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schule einsetzt. Viele Lebenshilfe-Orts- und Kreisvereinigungen sind Anbieter dieser Leistung. Eine sinnvolle und transparente Dokumentation dieser Maßnahmen ist aus Mangel an zeitlichen und finanziellen Ressourcen aber nicht immer möglich. Das führt auch dazu, dass die Verläufe und Wirksamkeiten von Schulbegleitung häufig nicht messbar und überprüfbar sind. Dabei wäre Entwicklung und Überwachung von Qualitätsstandards bei der Ausgestaltung der Arbeit , insbesondere bei der Zielvereinbarung zwischen Leistungsträgern und -anbietern und deren Überprüfung, der Methodenwahl und der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren sehr sinnvoll. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Die am 1. August 2017 beschlossene „Rahmenvereinbarung zur Leistungserbringung und Finanzierung der ergänzenden Pflege und Hilfe von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen an öffentlichen Schulen und Ersatzschulen in Berlin “ zwischen dem Bundesland Berlin und der LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin sieht nach § 10 Abs. 2 auch eine Evaluation vor. „Während der Laufzeit, vereinbaren die Vertragsparteien eine gemeinsame Praxiserprobung und Evaluation des Rahmenvertrages. (…) Dabei soll insbesondere untersucht werden, welche Wirkung der Rahmenvertrag auf das Ziel einer inklusiven Bildung, die individuellen Pflege- und Unterstützungserfordernisse und die Verfahrens- und Bewilligungstransparenz hin entfaltet.“3 *** 3 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft ; Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin (2017). Rahmenvereinbarung zur Leistungserbringung und Finanzierung der ergänzenden Pflege und Hilfe von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen an öffentlichen Schulen und Ersatzschulen in Berlin. Berlin, 01.08.2017. https://www.daks-berlin.de/system/files/media/files/2017_rv_schulhelfer.pdf